Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Diplom-Agraringenieurin. Im Streitjahr 1984 kaufte sie einen landwirtschaftlichen Betrieb. Nach dem notariellen Kaufvertrag sollte die Besitzübergabe am erfolgen.
Im Jahre 1984 wurden der Klägerin für die Beurkundung des Kaufvertrags 8 428,50 DM zuzüglich 1 179,99 DM Umsatzsteuer in Rechnung gestellt; außerdem erteilte ihr ein landwirtschaftlicher Sachverständiger eine Rechnung über 423,00 DM zuzüglich 59,20 DM Umsatzsteuer.
Im Dezember 1984 stellte die Klägerin bei dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) den Antrag zur Regelbesteuerung gemäß § 24 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG).
Im Dezember 1985 kamen der Verkäufer des landwirtschaftlichen Betriebs und die Klägerin überein, dass der ursprünglich für den vorgesehene Übergabetermin auf den verlegt werden sollte. Noch vor dem Besitzübergang schloss die Klägerin mit ihrem Ehemann einen Gesellschaftsvertrag, der die gemeinsame Bewirtschaftung des Hofes zum Gegenstand hatte.
Im Mai 1986 erfolgte eine Milchlieferung unter dem Namen der Klägerin an eine Milchzentrale, die bei der Gesellschaft erfasst wurde.
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1984 machte die Klägerin die Vorsteuern aus den o.g. Rechnungen des Notars und des landwirtschaftlichen Sachverständigen geltend.
Das FA folgte dem letztendlich nicht; im Anschluss an eine Außenprüfung setzte es die Umsatzsteuer für 1984 auf 0 DM fest.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts; es meint, der Vorsteuerabzug der Klägerin sei nach § 24 UStG ausgeschlossen; diese Vorschrift eröffne einem umsatzlosen Unternehmer nicht die Möglichkeit einer fiktiven Option zur Regelbesteuerung.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
II. Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat der Klägerin zu Recht den begehrten Vorsteuerabzug gewährt.
1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Dabei gilt als Unternehmer bereits derjenige, der die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben und erste Investitionsausgaben für diesen Zweck tätigt (Bundesfinanzhof —BFH—, zur Veröffentlichung bestimmte Urteile vom V R 77/96, und vom V R 24/98; vgl. auch Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-396/98, Schloßstraße, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht —UVR— 2000, 308, und vom Rs. C-400/98, Breitsohl, UVR 2000, 302). Derartige Investitionsausgaben hatte die Klägerin bereits im Streitjahr 1984; die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG sind demnach erfüllt.
2. Der Vorsteuerabzug ist auch nicht nach § 24 UStG ausgeschlossen.
Bei landwirtschaftlichen Betrieben ist zwar ein Vorsteuerabzug grundsätzlich nur im Rahmen des § 24 Abs. 1 UStG möglich; dies gilt aber nicht, wenn der Landwirt von der Möglichkeit Gebrauch macht, seine Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften besteuern zu lassen (vgl. § 24 Abs. 4 UStG).
Entgegen der Ansicht des FA ist nicht zu entscheiden, ob ein ”umsatzloser Unternehmer” gegen den Wortlaut des § 24 Abs. 4 Satz 1 UStG die Möglichkeit einer ”fiktiven Option” zur Regelbesteuerung hat, ob er also bei Erwerb des Unternehmens aber vor Aufnahme der Umsatztätigkeit ”gegenüber dem Finanzamt erklären kann, dass seine Umsätze vom Beginn des vorangegangenen Kalenerjahres an nicht nach den Absätzen 1 bis 3, sondern nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes besteuert werden sollen”. Vielmehr ist einem Unternehmer, der im Zusammenhang mit dem Erwerb eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs umsatzsteuerpflichtige Leistungen bezieht, der Vorsteuerabzug unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG auch dann zu gewähren, wenn er im Zeitpunkt des Leistungsbezugs vorhat, die im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs beabsichtigten Verwendungsumsätze gemäß § 24 Abs. 4 UStG der Regelbesteuerung zu unterwerfen. Ob es zu den beabsichtigten Verwendungsumsätzen kommt, ist für den Besteuerungszeitraum des Leistungsbezugs regelmäßig unbeachtlich. Eine andere Frage ist, ob in einem späteren Besteuerungszeitraum eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG vorzunehmen ist; eine derartige Vorsteuerberichtigung kommt auch nach einer Geschäftsveräußerung in Betracht (§ 15a Abs. 6a UStG).
Die Dinge liegen insoweit nicht anders als bei Leistungsbezügen für beabsichtigte Verwendungsumsätze, die nach § 4 Nr. 8 bis 28 UStG steuerfrei (und damit vorsteuerabzugschädlich gemäß § 15 Abs. 2 UStG) sind, auf deren Steuerfreiheit aber verzichtet werden kann. Auch in diesem Fall kommt es nur darauf an, ob der Unternehmer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, auf die Steuerfreiheit der beabsichtigen Verwendungsumsätze zu verzichten (vgl. für beabsichtigte Grundstücksvermietung EuGH-Urteil in UVR 2000, 308 und BFH-Urteile V R 77/96 und V R 24/98).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG beabsichtigte die Klägerin im Streitjahr 1984, den erworbenen landwirtschaftlichen Betrieb als Einzelunternehmerin zu führen und ihre Umsätze gemäß § 24 Abs. 4 UStG der Regelbesteuerung zu unterwerfen. Einen diesbezüglichen Verfahrensmangel hat das FA nicht gerügt. Unter diesen Umständen kommt es auf die Frage, ob es zu den beabsichtigten Umsätzen kam und ob die Milchlieferung im Jahre 1986 zu Recht nicht der Klägerin als Einzelunternehmerin, sondern der Gesellschaft zugerechnet wurde, nicht an.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1153 Nr. 9
UR 2001 S. 361 Nr. 8
UAAAA-67185