Gründe
I. Die Antragstellerin, Klägerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist eine Grundstücksgemeinschaft. Sie war nach übereinstimmender Ansicht aller Beteiligten Organträgerin der H-GmbH (im Folgenden: Organgesellschaft). Dieser hatte sie die Produktionsgrundstücke vermietet.
Am kündigten die Hausbanken der Organgesellschaft die Kreditlinie. Spätestens hierdurch wurde diese endgültig zahlungsunfähig.
Zur Abwendung des Konkurses der Organgesellschaft wurde auf deren Antrag am vom Amtsgericht (AG) das Vergleichsverfahren eröffnet. Mit dem Eröffnungsbeschluss wurde ein vorläufiger Vergleichsverwalter bestellt und diesem die in § 57 der Vergleichsordnung (VerglO) genannten Befugnisse eines Vergleichsverwalters bezüglich der Kassenführung und Mitwirkung bei der Eingehung von Verbindlichkeiten übertragen. Zugleich wurde gemäß § 12 i.V.m. § 59 VerglO ein allgemeines Veräußerungsverbot erlassen. Weiter wurde verfügt, dass Außenstände bei Fälligkeit sofort an den vorläufigen Verwalter zu entrichten sind und Zahlungen an die Organgesellschaft nicht mehr erfolgen dürfen. Schließlich wurde angeordnet, dass die Organgesellschaft über Vermögensstücke nur mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters verfügen und Verbindlichkeiten nur mit dessen Zustimmung eingehen dürfe.
Am eröffnete das AG das Konkursverfahren über das Vermögen der Organgesellschaft.
Während des Vergleichsverfahrens führte der Geschäftsführer der Organgesellschaft im Zusammenwirken mit dem vorläufig bestellten Vergleichsverwalter die Geschäfte der Organgesellschaft. Zum kündigte er den Dienstvertrag mit der Organgesellschaft und legte sein Amt als Geschäftsführer nieder.
Nach Eröffnung des Vergleichsverfahrens gab die Organgesellschaft zunächst eigene Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab, ”berichtigte” diese dann aber auf 0 DM.
Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Antragsgegner, Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) die Ansicht, die Organschaft sei erst mit der Eröffnung des Konkursverfahrens beendet worden und setzte gegen die Antragstellerin als Organträgerin Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Juni bis August 1997 fest (Vorauszahlungsbescheide vom ). Der Einspruch, mit dem die Antragstellerin geltend gemacht hatte, die Organschaft sei bereits mit der Eröffnung des Vergleichsverfahrens beendet worden, hatte keinen Erfolg. Die dagegen erhobene Klage ist beim Finanzgericht (FG) anhängig.
Nach Ergehen der Einspruchsentscheidung hat das FA die bislang gewährte Aussetzung der Vollziehung der Vorauszahlungsbescheide aufgehoben. Die Antragstellerin hat daraufhin beim FG die Aussetzung der Vollziehung der Vorauszahlungsbescheide beantragt. Sie wurde vom FG auch gewährt (Beschluss vom ).
Gegen diesen Beschluss wendet sich das FA mit der vorliegenden Beschwerde, die das FG zugelassen hatte. Das FA hält es für nicht zweifelhaft, dass die Organschaft erst mit Eröffnung des Konkursverfahrens beendet worden sei. Im Übrigen sieht es seinen Steueranspruch gefährdet, da die Antragstellerin ihr Grundstück bereits veräußert habe und zu befürchten sei, dass der Veräußerungserlös einem späteren Zugriff entzogen werde.
Das FA beantragt deshalb, die Vorentscheidung aufzuheben, hilfsweise die Aussetzung der Vollziehung gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe des ausgesetzten Betrags aufrechtzuerhalten.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie behauptet, nach Bestellung des vorläufigen Vergleichsverwalters seien keine Mietzahlungen mehr an sie (als Besitzgesellschaft einer Betriebsaufspaltung) geleistet worden; der Vergleichsverwalter habe das ihm übertragene Recht auf eigene Kassenführung durch Errichtung eines Sonderkontos ausgeübt. Die in der Vorentscheidung angesprochene Verlagerung des Lizenzprodukts L auf eine andere Firma sei nicht auf eine vor Eröffnung des Vergleichsverfahrens getroffene Entscheidung des Geschäftsführers der Organgesellschaft zurückzuführen, sondern auf Empfehlungen einer Unternehmensberatung, die vom Vergleichsverwalter und den Gesellschaftern der Organgesellschaft beauftragt worden sei.
II. Die Beschwerde ist nur insoweit begründet, als das FA beantragt, die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.
1. Es ist i.S. des § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ernstlich zweifelhaft, ob die Organschaft zwischen der Antragstellerin und ihrer Organgesellschaft bereits durch die Eröffnung des Vergleichsverfahrens oder erst mit der Eröffnung des Konkursverfahrens beendet wurde.
Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes —UStG 1993—). Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1993).
Das FG hat in diesem Zusammenhang zu Recht auf die (BFH/NV 1996, 84) und vom V R 96/96 (BFHE 182, 426, BStBl II 1997, 580) verwiesen. Nach dem Urteil in BFH/NV 1996, 84 kann eine Organschaft bereits mit der Bestellung eines vorläufigen Vergleichsverwalters über das Vermögen der Organgesellschaft enden, wenn das Amtsgericht vorläufige Sicherungsmaßnahmen nach §§ 12, 57 und 59 VerglO anordnet, durch die der Organträger den maßgeblichen Einfluss auf die Organgesellschaft verliert. Nach dem Urteil in BFHE 182, 426, BStBl II 1997, 580 endet bei Organschaften, bei denen der Organträger Geschäftsführer der Organgesellschaft (späteren Gemeinschuldnerin) ist, die Organschaft nur dann bereits vor Eröffnung des Konkursverfahrens mit der Anordnung der Sequestration, wenn der Sequester den maßgeblichen Einfluss auf die Organgesellschaft erhält und ihm eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft möglich ist. Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
Dabei kommt es weniger auf die rechtlichen Unterschiede zwischen dem Vergleichsverfahren und der Sequestration an, als darauf, ob nach den Umständen des Einzelfalls der Organträger den maßgeblichen Einfluss auf die Organgesellschaft an den Vergleichsverwalter oder den Sequester verliert. Nach dem Urteil in BFHE 182, 426, BStBl II 1997, 580 reicht das allgemeine Veräußerungsverbot nach § 106 der Konkursordnung (KO) und der Entzug der Kassenführungsbefugnis nach § 57 VerglO noch nicht für die Beendigung der Organschaft. Andererseits hatten die Sicherungsmaßnahmen nach §§ 12, 57 und 59 VerglO im Fall des BFH-Urteils in BFH/NV 1996, 84 nach Ansicht des BFH zur Folge, dass der Organträger den maßgeblichen Einfluss auf die Organgesellschaft verlor. Dieser Fall war aber dadurch gekennzeichnet, dass der Vergleichsverwalter den Geschäftsführer des Organträgers und der Organgesellschaft von der Arbeit bei der Organgesellschaft freistellte und die Organträgerin den Pachtvertrag über die wesentlichen Betriebsgrundlagen gekündigt hatte.
Ob im Streitfall die Antragstellerin den maßgeblichen Einfluss auf die Organgesellschaft (organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung) verloren hatte, kann lediglich nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Im Übrigen scheint der Sachverhalt im Einzelnen noch streitig zu sein. Deshalb ist bereits aus tatsächlichen Gründen zweifelhaft, ob im Streitfall die Organschaft bereits mit Eröffnung des Vergleichsverfahrens oder erst bei Eröffnung des Konkursverfahrens beendet wurde.
2. Die Aussetzung war aber gemäß § 69 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 FGO von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Die Sicherheitsleistung dient der Vermeidung von Steuerausfällen bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang (, BFH/NV 1989, 403). Eine diesbezügliche Gefahr hat das FA schlüssig dargetan, indem es auf die Veräußerung des Grundstücks und die Gefahr der Verteilung des Liquidationserlöses hingewiesen hat.
Allerdings entfällt das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Steuerausfällen, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (BFH in BFH/NV 1989, 403). Wie sich aus den oben angeführten Besonderheiten des Sachverhalts des BFH-Urteils in BFH/NV 1996, 84 ergibt, ist nicht mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für die Antragstellerin günstiger Prozessausgang zu erwarten.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Dass das FA mit seinem Hilfsantrag bezüglich der Sicherheitsleistung durchgedrungen ist, wirkt sich kostenmäßig nicht aus (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1989, 403).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 493 Nr. 4
ZAAAA-67098