Gründe
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr (1995) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Arzt (Psychotherapeut) selbständig tätig und ermittelt seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). In den Jahren 1993 bis 1994 bauten die Kläger ihr selbstgenutztes Einfamilienhaus mit einem Aufwand von 600 000 DM um.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) veranlagte für die im Streitjahr 1995 bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von 44 464 DM als Betriebsausgaben geltend gemachten Schuldzinsen den Nachweis, dass sie ausschließlich betrieblich veranlasst seien. Nachdem seitens des Klägers erklärt worden war, die Schuldzinsen seien aufgrund des sog. Zweikontenmodells angefallen, forderte das FA ergebnislos entsprechende Unterlagen an, insbesondere die zugrunde liegenden Darlehensverträge aus dem Jahr 1993. Es berücksichtigte daher nur einen Teilbetrag in Höhe von 15 000 DM und erließ einen entsprechenden vorläufigen Steuerbescheid. Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage brachten die Kläger vor, die privaten Ausgaben seien von dem Konto…bei der X-Bank bestritten worden. Dieses Konto sei jeden Monat im Plus gewesen. Die betrieblichen Ausgaben seien von anderen Konten getätigt worden. Diese Konten seien in Darlehen umgeschuldet worden.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte unter Hinweis auf die Beschlüsse des Großen Senats des (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817) und vom GrS 1-2/95 (BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193) aus, ein langfristiger Kredit, mit dessen Valuta ein betrieblich begründeter Sollsaldo auf einem betrieblichen Kontokorrentkonto ausgeglichen werde, sei eine Betriebsschuld und entsprechende Zinsen seien Betriebsausgaben. Daran ändere sich auch dann nichts, wenn der langfristige Kredit ursprünglich für andere Zwecke eingesetzt werden sollte und die Betriebseinnahmen dazu verwandt würden, um ein für private Zwecke aufgenommenes Darlehen zu tilgen.
Danach hätte der Kläger nachweisen müssen, dass in den Jahren 1993 bis 1994 für die Finanzierung der privaten Baukosten erhebliche Einnahmen getätigt und auf ein besonderes Konto eingezahlt worden seien, um die laufenden Baukosten zu bestreiten. Der Kläger habe aber trotz der nach § 79b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gesetzten Frist nicht nachgewiesen, dass die Baukosten in Höhe von 600 000 DM von einem privaten Konto bestritten worden seien und gleichzeitig ein betrieblich veranlasstes Darlehen aufgenommen worden sei. Mit den eingereichten Unterlagen sei weder nachgewiesen, dass von Anfang an die Schuldzinsen ausschließlich betrieblich veranlasst gewesen seien noch dass eine spätere Umschuldung dazu geführt habe.
Die Revision ließ das FG nicht zu.
Mit der (gleichwohl eingelegten) Revision machen die Kläger geltend, das angefochtene Urteil beruhe auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Das Urteil sei ohne mündliche Verhandlung ergangen. Das FG habe zur mündlichen Verhandlung mit normaler Post geladen. Die Ladung habe den Kläger und seinen Prozessbevollmächtigten nicht erreicht, so dass diese nicht zur mündlichen Verhandlung hätten erscheinen können.
Die Revision ist zulässig und begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Die Versagung des rechtlichen Gehörs ist zwar ein absoluter Revisionsgrund (§ 119 Nr. 3 FGO), eröffnet aber nicht die zulassungsfreie Revision (vgl. z.B. , BFH/NV 1999, 509, und Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 116 Anm. 1).
2. Die Kläger haben jedoch im Ergebnis einen Verfahrensmangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO (Mangel der Vertretung) schlüssig gerügt. Dass sie diesen Mangel nicht ausdrücklich geltend gemacht haben, ist unerheblich (vgl. , BFHE 136, 518, BStBl II 1983, 46). Sie tragen aber dafür vor, ihrem Prozessbevollmächtigten sei eine Ladung zur mündlichen Verhandlung am nicht zugegangen. Der Sache nach rügen sie damit, sie seien in der mündlichen Verhandlung nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn ein Beteiligter oder sein Prozessbevollmächtigter nicht ordnungsgemäß geladen und dadurch seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung unmöglich gemacht worden ist (vgl. , BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401, sowie , BFHE 114, 457, BStBl II 1975, 335).
Eine schlüssige Verfahrensrüge i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO liegt indes nur vor, wenn die zur Begründung lückenlos vorgetragenen Tatsachen —ihre Richtigkeit unterstellt— ergeben, dass der Beteiligte in gesetzeswidriger Weise vor dem FG nicht ordnungsgemäß vertreten war (vgl. , BFH/NV 1995, 399). Bloße Behauptungen reichen dazu nicht aus, weil es grundsätzlich nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist, die für die behaupteten Verfahrensmängel notwendigen Tatsachen den Prozessakten zu entnehmen (BFH-Beschlüsse vom X B 150/89, BFH/NV 1991, 329, und vom XI B 108/99, BFH/NV 2000, 475).
Daran gemessen haben die Kläger zwar —zu Unrecht— behauptet, eine mündliche Verhandlung habe nicht stattgefunden und sie selbst hätten die Ladung nicht erhalten. Sie haben aber auch vorgetragen, dass nach der Auskunft des FG ihr Prozessbevollmächtigter zur mündlichen Verhandlung am mit normaler Post gegen Empfangsbekenntnis geladen worden sei, ihn diese Ladung aber nicht erreicht habe. Sie haben damit den Verfahrensmangel der fehlenden ordnungsgemäßen Vertretung i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO schlüssig gerügt. Aus den finanzgerichtlichen Akten ist zudem ersichtlich, dass das FG den Prozessbevollmächtigten der Kläger zur mündlichen Verhandlung geladen hatte, und zwar unter der —unrichtigen— Anschrift…Das mitübersandte Empfangsbekenntnis befindet sich nicht bei den Akten. Für die Kläger war in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen. Auch hat das FG zu Beginn der mündlichen Verhandlung nicht festgestellt, dass der Prozessbevollmächtigte ordnungsgemäß geladen worden wäre. Es konnte daher nicht davon ausgehen, dass er die Ladung tatsächlich erhalten hatte. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BFH das ordnungsgemäß ausgefüllte und zurückgesandte Empfangsbekenntnis keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Zustellung der Ladung (vgl. , BFH/NV 2000, 1223, sowie , BFHE 159, 425, BStBl II 1990, 477). Es muss jedoch zumindest auf Grund anderer Tatsachen feststehen, dass die Ladung dem Adressaten zugegangen ist. Diese Feststellung kann im Streitfall nicht getroffen werden. Aus den Akten ergibt sich, dass das FG den Prozessbevollmächtigten nicht unter der in der Klageschrift mit ..., angegebenen Anschrift, sondern —unrichtig— unter der Anschrift…geladen hatte, der früheren Büroanschrift des Prozessbevollmächtigten. Auch wenn das FG ihm im Laufe des Klageverfahrens unter dieser Anschrift sämtliche Schriftstücke zugesandt oder sogar zugestellt hatte und die Ladung nicht an das FG zurückgegangen ist, so steht doch nicht fest, dass die Ladung den Prozessbevollmächtigten tatsächlich erreicht hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 786 Nr. 6
VAAAA-67056