Gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer
Leitsatz
Der Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG ist sowohl Grundlagenbescheid für den Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts als auch für den Grunderwerbsteuerbescheid.
Gesetze: § 171 Abs 10 AO, § 182 Abs 1 S 1 AO, § 1 Abs 2a GrEStG 1997, § 17 Abs 3 S 1 Nr 2 GrEStG 1997, § 17 Abs 3a GrEStG 1997
Instanzenzug: Az: 15 K 4287/11 Urteil,
Tatbestand
I.
1Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, war Eigentümerin von vier in unterschiedlichen Finanzamtsbezirken liegenden Grundstücken. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom erwarb eine andere GmbH & Co. KG sämtliche Kommanditanteile an der Klägerin. Zwischen Veräußerer- und Erwerberseite bestand keine Identität. Der Notar zeigte den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang der Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts nicht an.
2Nach einer Außenprüfung nahm das Finanzamt an, der Wechsel des vollständigen Gesellschafterbestandes der Klägerin unterliege nach § 1 Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes in der für das Jahr 2002 geltenden Fassung (GrEStG) der Grunderwerbsteuer, und stellte mit Bescheid vom , der am bekannt gegeben wurde, gegenüber der Klägerin als Steuerschuldnerin gesondert und einheitlich die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer fest.
3Mit Bescheid vom stellte das Finanzamt für das in seinem Bezirk liegende Grundstück den Grundbesitzwert auf den für Zwecke der Grunderwerbsteuer in Höhe von 11.034.000 € fest.
4Mit Bescheid vom setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegenüber der Klägerin auf der Grundlage der Feststellungsbescheide vom und vom die Grunderwerbsteuer auf 386.190 € fest.
5Auf die Einsprüche gegen den Feststellungsbescheid vom und den Grunderwerbsteuerbescheid vom stellte das Finanzamt den Grundbesitzwert mit Bescheid vom auf 3.527.000 € fest und setzte das FA mit Bescheid vom die Grunderwerbsteuer entsprechend auf 123.445 € herab.
6Gegen diese Änderungsbescheide legte die Klägerin erneut Einspruch ein. Der Grundbesitzwert sei zwar antragsgemäß niedriger festgestellt worden. Der Grunderwerbsteuerbescheid sei aber rechtswidrig, da der Feststellungsbescheid wegen Eintritts der Feststellungsverjährung nicht mehr habe erlassen werden dürfen. Die reguläre Festsetzungsfrist für die Grunderwerbsteuerfestsetzung sei am abgelaufen. § 181 Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz der Abgabenordnung (AO) sei für den Feststellungsbescheid nicht einschlägig, da der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Grunderwerbsteuerfestsetzung wegen § 181 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz AO nicht nach § 171 Abs. 10 AO gehemmt gewesen sei.
7Während das Einspruchsverfahren gegen den Feststellungsbescheid vom zum Ruhen gebracht wurde, wurde der Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid als unbegründet zurückgewiesen. Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dem angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid stehe keine Festsetzungsverjährung entgegen. Aufgrund des am bekannt gegebenen Feststellungsbescheids nach § 17 GrEStG, der rechtmäßig innerhalb der bis zum laufenden Feststellungsfrist ergangen sei, sei die Festsetzungsfrist für die Grunderwerbsteuer nach § 171 Abs. 10 AO erst am abgelaufen und der Grunderwerbsteuerbescheid vom daher innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen. Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO habe daher auch der Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert vom noch erlassen werden dürfen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1418 veröffentlicht.
8Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung des § 181 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 171 Abs. 10 AO geltend.
9Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, den Grunderwerbsteuerbescheid vom in Gestalt des Änderungsbescheids vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
10Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe
II.
11Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Grunderwerbsteuerbescheid vom rechtmäßig ist.
121. Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 vom Hundert der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft (§ 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG).
132. Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO).
14a) Nach § 171 Abs. 10 AO endet die Festsetzungsfrist, soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids.
15b) Für die Grunderwerbsteuer werden nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG die Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG durch das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks dieses Finanzamts liegendes Grundstück oder ein auf das Gebiet eines anderen Landes sich erstreckender Teil eines im Bezirk dieses Finanzamts liegenden Grundstücks betroffen wird. Zu den Besteuerungsgrundlagen gehören die verbindliche Entscheidung über die Steuerpflicht des jeweiligen Erwerbsvorgangs dem Grunde nach, über die als Steuerschuldner in Betracht kommenden natürlichen oder juristischen Personen und über die Finanzämter, die zur Steuerfestsetzung berufen sind (vgl. z.B. , BFHE 205, 314, BStBl II 2004, 658, unter II.1.a, und vom II R 14/14, BFHE 248, 228, BStBl II 2015, 405, Rz 20). Zu den Besteuerungsgrundlagen gehört auch die Angabe der betroffenen Grundstücke.
16c) Nach § 17 Abs. 3a GrEStG sind in die gesonderte Feststellung nach § 17 Abs. 3 GrEStG nicht die Grundbesitzwerte i.S. des § 138 Abs. 2 und 3 des Bewertungsgesetzes in der für das Jahr 2002 geltenden Fassung (BewG) aufzunehmen, wenn die Steuer nach § 8 Abs. 2 GrEStG zu bemessen ist. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG wird in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG die Steuer nach den Werten i.S. des § 138 Abs. 2 oder 3 BewG bemessen. In diesen Fällen sind nach § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG die Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, da sie für die Grunderwerbsteuer erforderlich sind (Bedarfsbewertung).
17d) Der Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG ist (bindender) Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO für den Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts und den Grunderwerbsteuerbescheid. Die durch ihn festgestellten Besteuerungsgrundlagen sind für diese beiden Folgebescheide von Bedeutung i.S. des § 182 Abs. 1 Satz 1 AO. Er hemmt nach § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 171 Abs. 10 AO den Ablauf der Feststellungsfrist für den Erlass des Bescheids über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts. Durch den Bescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG werden u.a. die Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs dem Grunde nach, die Steuerschuldner und die Grundstücke, die von dem Erwerbsvorgang betroffen sind, festgestellt. Erst aufgrund dieses Bescheids kann die gesonderte Wertfeststellung für die betroffenen Grundstücke erfolgen, weil vorher nicht feststeht, dass und für welche Grundstücke Werte festzustellen sind. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts für Grunderwerbsteuerzwecke ist zudem (bindender) Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 AO für den Grunderwerbsteuerbescheid als Folgebescheid (vgl. Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 151 BewG Rz 46; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 17 Rz 14).
183. Nach diesen Grundsätzen hat das FG die Klage zu Recht abgewiesen. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom ist rechtmäßig.
19a) Der Wechsel des vollständigen Gesellschafterbestandes der Klägerin unterlag wegen des Übergangs des vorhandenen Grundbesitzes nach § 1 Abs. 2a GrEStG der Grunderwerbsteuer.
20b) Der bestandskräftige Bescheid über die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG vom führte dazu, dass nach § 171 Abs. 10 AO die Feststellungsfrist für den Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts und die Festsetzungsfrist für den Grunderwerbsteuerbescheid nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Feststellungsbescheids nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG endeten. Der Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG wurde am bekannt gegeben. Die Feststellungsfrist für den Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts und die Festsetzungsfrist für den Grunderwerbsteuerbescheid endeten daher am (§ 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
21c) Der Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts vom und der Grunderwerbsteuerbescheid vom ergingen in offener Feststellungsfrist bzw. offener Festsetzungsfrist. Der in dem Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwerts festgestellte Wert des Grundstücks war für den Grunderwerbsteuerbescheid bindend. Unerheblich ist, ob der Feststellungsbescheid seinerseits die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO auslöste.
224. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2017:U.150317.IIR36.15.0
Fundstelle(n):
BStBl 2017 II Seite 1215
AO-StB 2017 S. 270 Nr. 9
BB 2017 S. 1749 Nr. 31
BFH/NV 2017 S. 1275 Nr. 9
BFH/PR 2017 S. 338 Nr. 10
BStBl II 2017 S. 1215 Nr. 25
DB 2017 S. 7 Nr. 30
DStR 2017 S. 1659 Nr. 30
EStB 2017 S. 358 Nr. 9
ErbStB 2017 S. 304 Nr. 10
GmbH-StB 2017 S. 304 Nr. 10
GmbHR 2017 S. 1287 Nr. 23
HFR 2017 S. 949 Nr. 10
KÖSDI 2017 S. 20400 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 31/2017 S. 2322
StB 2017 S. 246 Nr. 9
JAAAG-51399