Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 Promille
Leitsatz
Ist nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 Promille die Fahrerlaubnis durch das Strafgericht entzogen worden, darf die Fahrerlaubnisbehörde die Neuerteilung nicht allein wegen dieser Fahrerlaubnisentziehung von der Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig machen. Anders liegt es, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme künftigen Alkoholmissbrauchs begründen.
Gesetze: § 11 FeV 2010, § 13 S 1 Nr 2 Buchst a FeV 2010, § 13 S 1 Nr 2 Buchst b FeV 2010, § 13 S 1 Nr 2 Buchst c FeV 2010, § 13 S 1 Nr 2 Buchst d FeV 2010, § 20 Abs 1 S 1 FeV 2010, § 2 StVG, § 3 Abs 3 StVG, § 3 Abs 4 StVG, § 69 StGB, § 70 StGB, § 316 StGB
Instanzenzug: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: 11 BV 14.2738 Urteilvorgehend VG Regensburg Az: RO 8 K 14.1468 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin begehrt nach strafgerichtlicher Entziehung ihrer Fahrerlaubnis deren Neuerteilung, ohne hierfür ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten beibringen zu müssen.
2Mit Urteil vom verurteilte das Amtsgericht Amberg die Klägerin wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (Blutalkoholkonzentration von 1,28 Promille) nach § 316 StGB zu einer Geldstrafe, entzog ihr gemäß § 69 StGB die Fahrerlaubnis, da sie sich durch die Tat als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe, und bestimmte eine Sperrfrist von drei Monaten für die Neuerteilung.
3Im März 2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis. Sie hat, nachdem die Fahrerlaubnisbehörde dies von der Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig machte, (Untätigkeits-)Klage beim Verwaltungsgericht erhoben.
4Mit Schreiben vom forderte die Beklagte die Klägerin gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. Buchst. a der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) auf, das Gutachten einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle zur Frage beizubringen, ob zu erwarten sei, dass sie auch zukünftig ein (Kraft-)Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde und/oder ob als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vorlägen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 (hier Klasse B) in Frage stellten.
5Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung heißt es: Eine frühere Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille könne nach dem Sinn und Zweck sowie dem Regelungszusammenhang des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV für sich allein ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigen. Doch gebe es im Falle der Klägerin weitere gewichtige Gründe, um ihre Fahreignung durch eine medizinisch-psychologische Begutachtung zu klären. Die zeitlichen Zusammenhänge bei ihrer Trunkenheitsfahrt legten bei einer Rückrechnung nicht nur eine deutlich höhere Blutalkoholkonzentration zum Tatzeitpunkt, sondern auch einen sorglosen, wenn nicht gar missbräuchlichen Umgang mit Melissengeist nahe. Der Konsum von mehreren Gläsern Melissengeist innerhalb kurzer Zeit liege derart weit außerhalb des vom Hersteller vorgesehenen Anwendungsrahmens, dass sich der Gedanke aufdränge, die Klägerin setze das Mittel gezielt wegen seiner alkoholspezifischen Wirkungen ein. Ihr hätte sich aufdrängen müssen, dass der hohe Alkoholgehalt und die konsumierte Menge Auswirkungen auf ihre Fahreignung haben mussten. Wenn sie sich trotzdem für fahrtüchtig gehalten habe, deute das auf ein sogenanntes Spiegeltrinken hin. Offen sei außerdem, ob die Klägerin seit dem damaligen Vorfall tatsächlich keinen Melissengeist mehr zu sich nehme, wie sie behaupte. Die sich daraus ergebenden Zweifel an ihrer Fahreignung könnten nur durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten ausgeräumt werden.
6Die Berufung der Klägerin hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt: Die Behörde habe die Fahrerlaubniserteilung von der Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig machen müssen. Entgegen dem Verwaltungsgericht habe die Beibringensaufforderung allerdings nicht auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV gestützt werden dürfen. Für die Annahme von Alkoholmissbrauch im Sinne der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung genüge nicht, dass die Klägerin mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,28 Promille gefahren sei. Um einen Wertungswiderspruch zu § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV zu vermeiden, müssten für die Anwendung des Buchstabens a bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille Umstände hinzutreten, denen eine annähernd gleiche Aussagekraft für das Fehlen des Trennungsvermögens wie den in den Buchstaben b und c genannten Umständen zukomme. Das sei bei der Klägerin nicht der Fall. Weder das Vorhalten von Melissengeist in großen Mengen noch die Vermutung, dass sie ihn eventuell zur Berauschung missbrauchen könne, reichten als Zusatztatsachen aus. Auch ein sogenanntes Spiegeltrinken könne nicht angenommen werden. Das teilweise Fehlen von Ausfallerscheinungen bei der Blutabnahme genüge ebenfalls nicht. Doch sei die Fahrerlaubnisbehörde nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV zur Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verpflichtet gewesen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei geklärt, dass Fahrerlaubnisentziehung im Sinne dieser Vorschrift auch die strafgerichtliche Entziehung auf der Grundlage von § 69 StGB sei. Das Strafgericht habe der Klägerin die Fahrerlaubnis wegen (fahrerlaubnisrechtlichen) Alkoholmissbrauchs und damit aus einem der in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c FeV genannten Gründe entzogen. Nach einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis, die auf der Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss (hier: § 316 StGB) beruhe, sei im Wiedererteilungsverfahren unabhängig von der Blutalkoholkonzentration die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erforderlich. Insoweit halte der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht fest. Für § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV bliebe kein eigenständiger Anwendungsbereich, wenn für eine medizinisch-psychologische Untersuchung auch nach einer strafgerichtlichen Fahrerlaubnisentziehung wegen Alkoholmissbrauchs stets noch zusätzlich die Voraussetzungen der Buchstaben a, b oder c vorliegen müssten. § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV sei so zu verstehen, dass die Buchstaben a bis e voneinander unabhängige Fälle normierten, in denen wegen ähnlich gewichtiger Hinweise auf eine alkoholbedingte Straßenverkehrsgefährdung ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen sei. Der Buchstabe d habe nur dann einen eigenständigen Anwendungsbereich, wenn als Sachgrund für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung die vorangegangene strafgerichtliche Fahrerlaubnisentziehung wegen Alkoholmissbrauchs genüge. Das entspreche der Vorrangstellung, die § 3 Abs. 3 und 4 StVG einer Fahrerlaubnisentziehung durch das Strafgericht beimesse. Die gegenteilige Annahme stehe im Widerspruch zu Nr. 8.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung. Sei es in der Vergangenheit zu Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne gekommen, führe das nach Nr. 8.1 dieser Anlage zum Ausschluss der Fahreignung. Nach Nr. 8.2 der Anlage 4 bestehe die Fahreignung erst wieder, wenn der Missbrauch beendigt und die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt sei. Gegenstand des medizinisch-psychologischen Gutachtens sei daher auch das künftige Verhalten des Betroffenen, insbesondere ob zu erwarten sei, dass er nicht oder nicht mehr ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Zu einem Wertungswiderspruch zwischen § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 und Buchst. d FeV führe dies nicht. Die dort geforderte Zusatztatsache liege mit der strafgerichtlichen Fahrerlaubnisentziehung wegen Alkoholmissbrauchs vor. Der Begriff der Ungeeignetheit in § 69 StGB stimme inhaltlich mit dem entsprechenden Begriff im Fahrerlaubnisrecht überein. Die strafgerichtliche Feststellung der Nichteignung berücksichtige nicht nur die Tat, sondern beziehe auch das Verhalten nach der Tat ein. Zwar bestünden Wertungsunterschiede zwischen den strafrechtlichen Vorschriften, die zur Fahrerlaubnisentziehung wegen Alkoholmissbrauchs führten, und den fahrerlaubnisrechtlichen Vorschriften, sie würden durch die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB noch verstärkt. Doch auch diese Regelvermutung entbinde den Strafrichter nicht davon, sich von der Ungeeignetheit des Täters zu überzeugen; er habe stets auch zu prüfen, ob eine Ausnahme von der Regel vorliege. Auch bei einer relativen Fahruntüchtigkeit, also bei einem Blutalkoholwert zwischen 0,3 und unter 1,1 Promille in Verbindung mit einem alkoholbedingten Fahrfehler, habe der Täter gezeigt, dass er ein Problem mit dem Trennungsvermögen habe.
7Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend: Zu Recht gehe das Berufungsgericht davon aus, dass die Gutachtensanforderung nicht auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV gestützt werden könne. Zusätzliche Tatsachen für die Annahme von Alkoholmissbrauch lägen in ihrem Fall nicht vor. Dafür reichten weder der Umstand, dass sie eine Flasche Melissengeist vorhalte, noch fehlende Ausfallerscheinungen bei der Blutabnahme aus. Anders als das Berufungsgericht meine, rechtfertige aber auch § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV nicht, von ihr die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu fordern. Die Motivlage des Normgebers sei eindeutig; er wolle nicht, dass sich Ersttäter schon nach einer Fahrt mit einem Blutalkoholpegel von weniger als 1,6 Promille einer medizinisch-psychologischen Untersuchung unterziehen müssten. Ein Fahrerlaubnisinhaber könne vom Strafgericht bereits bei einem Alkoholpegel von 0,3 Promille nach § 316 StGB oder § 315c StGB verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen werden, wenn er bei der Tat Ausfallerscheinungen gezeigt habe. In solchen Fällen könnten aber keinesfalls, zumindest nicht generell, Anzeichen für Alkoholabhängigkeit oder Alkoholmissbrauch angenommen werden. Bei einer strafgerichtlichen Fahrerlaubnisentziehung gehe es nur darum, ob der Täter bei der Tatbegehung fahruntüchtig gewesen sei. Mit Alkoholabhängigkeit oder Alkoholmissbrauch und fehlendem Trennungsvermögen im Sinne des Fahrerlaubnisrechts habe das nichts zu tun. Zudem werde die Entscheidung des Strafgerichts zur Dauer der Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis entwertet.
8Die Beklagte tritt der Revision entgegen: Nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen habe die Klägerin ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt. Eine Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 StGB setze ungeachtet der in Absatz 2 genannten Regelbeispiele eine positive Feststellung des Strafgerichts voraus, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Das sei hier erfolgt. In den von der Klägerin angeführten Fällen niedriger Alkoholwerte komme es nicht zu einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis, sondern es bleibe bei einem Fahrverbot. Ob von Tätern wie der Klägerin auch künftig ein Gefährdungspotenzial ausgehe, könne durch das angeforderte medizinisch-psychologische Gutachten geklärt werden. Selbst wenn man dem Berufungsgericht in seiner Auslegung von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV nicht folgte, fände die Anforderung des Gutachtens ihre rechtliche Grundlage hier jedenfalls in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV. Zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit sei zu fordern, dass vorgeahndete Trunkenheitsfahrer ihre Fahreignung nachwiesen, bevor sie wieder ein Kraftfahrzeug führen dürften. Die Auffassung des Berufungsgerichts bringe die strafrechtlichen und die fahrerlaubnisrechtlichen Vorgaben in Einklang. Sie ermögliche, einen Nachweis der Fahreignung zu verlangen, wenn ein Strafgericht beim Betroffenen zu dem Ergebnis gekommen sei, dass ihm die Fahrerlaubnis wegen fehlender Fahreignung entzogen werden müsse.
9Die Landesanwaltschaft Bayern macht geltend: Dem Normgeber könne nicht unterstellt werden, er habe mit § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV eine Vorschrift ohne eigenen Anwendungsbereich schaffen wollen. Bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,3 Promille bis 1,1 Promille in Verbindung mit einem alkoholbedingten Fahrfehler möge der Betroffene zwar oft kein Alkoholproblem in dem Sinne haben, dass er Alkohol in gesundheitsschädlichem Umfang konsumiere. Doch zeige auch eine strafgerichtliche Verurteilung wegen relativer Fahruntüchtigkeit, dass er zwischen dem Fahren und einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht trennen könne.
10Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht trägt in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vor: § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV liege der fahrerlaubnisrechtliche Begriff des Alkoholmissbrauchs zugrunde. Ein solcher Missbrauch könne bei Wiederholungstätern (Buchst. b) und bei Ersttätern nach einer Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille und mehr (Buchst. c) angenommen werden. Zwar könne gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV auch bei einer Trunkenheitsfahrt mit weniger als 1,6 Promille von Alkoholmissbrauch ausgegangen werden, wenn dafür zusätzliche Tatsachen sprächen. Doch sei eine strafgerichtliche Fahrerlaubnisentziehung auf der Grundlage von § 69 StGB keine solche Zusatztatsache. Diese Regelung stelle auf eine relative oder absolute Fahruntüchtigkeit und damit auf andere Voraussetzungen ab. Sie ziele auf einen auf die Tat bezogenen Istzustand; dagegen gehe es bei dem auf Prävention ausgerichteten fahrerlaubnisrechtlichen Eignungssystem um einen Dauerzustand. Die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB gebe keinen ausreichenden Anhalt für die Eignungsbeurteilung durch die Fahrerlaubnisbehörde. § 3 Abs. 4 StVG und § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV in Verbindung mit den Anlagen 4 und 4a sowie den Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung gäben als Grundlinie für die Annahme von Alkoholmissbrauch vor, dass bei einer Erstbegehung mindestens ein Promillewert von 1,6 erreicht sein müsse oder gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV andere Anzeichen für Missbrauch bestünden. Wenn im strafgerichtlichen Urteil solche über die Regelvermutung hinausgehende Anzeichen oder Tatsachen aufgezeigt würden, könne auch bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 Promille die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angemessen sein. Derzeit werde durch die Bundesanstalt für Straßenwesen untersucht, ob schon bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille Zweifel an der Fahreignung wegen Alkoholmissbrauchs gerechtfertigt seien.
Gründe
11Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die vorinstanzlichen Urteile sind deshalb zu ändern; die Beklagte ist zu verpflichten, die begehrte Fahrerlaubnis ohne vorherige Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu erteilen.
121. Für die Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens der Klägerin ist auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen; Anwendung finden die rechtlichen Regelungen, die auch das Berufungsgericht zugrunde zu legen hätte, wenn es zum Zeitpunkt des revisionsgerichtlichen Urteils entschiede (stRspr, vgl. u.a. 3 C 1.13 - BVerwGE 149, 74 Rn. 13 m.w.N.). Anzuwenden sind danach das Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBI. I S. 310), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom (BGBI. I S. 2722), sowie die Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV) vom (BGBI. I S. 1980), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom (BGBI. I S. 3083).
13Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG müssen Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Die Eignung besitzt nach § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG sowie § 11 Abs. 1 Satz 1 und 3 FeV, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Die Anforderungen sind insbesondere dann nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegt, wodurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird (§ 11 Abs. 1 Satz 2 FeV). § 13 FeV konkretisiert die Fälle, in denen die Fahrerlaubnisbehörde im Zusammenhang mit einer Alkoholproblematik die Fahreignung durch ein ärztliches oder medizinisch-psychologisches Gutachten zu klären hat. Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV ist die Eignung bei Alkoholmissbrauch ausgeschlossen; er liegt vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann. Gemäß Nr. 8.2 dieser Anlage kann von einer Eignung erst dann wieder ausgegangen werden, wenn der Missbrauch beendet und die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist. Für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung gelten die Vorschriften für die Ersterteilung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 FeV).
142. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, nach einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB), die auf einer Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss beruht, sei im Wiedererteilungsverfahren unabhängig von der Blutalkoholkonzentration die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen (im Anschluss an die Rechtsprechung des VGH Mannheim, Urteile vom - 10 S 452/10 - VBIBW 2013, 19 und vom - 10 S 116/15 - ZfS 2015, 539 sowie Beschluss vom - 10 S 1748/13 - VBIBW 2014, 348; diesem folgend auch - VRS 127, 269 = juris Rn. 14 ff.; zustimmend Rebler, in: Müller/Rebler, Die Klärung von Eignungszweifeln im Fahrerlaubnisrecht, 2. Aufl. 2017, S. 159; offen lassend - DAR 2015, 606 = juris Rn. 10 sowie OVG 1 S 123.14 - VerkMitt 2015 Nr. 55 = juris Rn. 4; ablehnend VG Würzburg, Beschluss vom - W 6 E 14.606 - DAR 2014, 541; VG Regensburg, Beschluss vom - RO 8 K 14.1624 - DAR 2015, 40; M 1 K 14.2841 - DAR 2015, 154; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 13 FeV Rn. 26b; Koehl, DAR 2016, 47; Mahlberg, DAR 2014, 419 und 603; Zwerger, DAR 2015, 157; kritisch auch Dronkovic/Kalus, DAR 2016, 191). Diese Auffassung ist mit § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. Buchst. a bis c FeV nicht vereinbar. Lag die Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille, so bedarf es bei einer einmalig gebliebenen Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss zusätzlicher Tatsachen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Strafgericht genügt für sich gesehen nicht.
15a) Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV ist zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis zur Klärung von Eignungszweifeln bei einer Alkoholproblematik ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Alkoholabhängigkeit, jedoch Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen (Buchst. a). Gleiches gilt, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden (Buchst. b), ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde (Buchst. c), die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe entzogen war (Buchst. d) oder sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht (Buchst. e).
16Zutreffend geht das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner bisherigen Rechtsprechung davon aus, dass eine Gutachtensanforderung nur dann auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV gestützt werden kann, wenn Zusatztatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung der Wertungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV geeignet sind, die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen. Mit den Tatbeständen des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV erfasst der Verordnungsgeber verschiedene Lebenssachverhalte, die je selbständig zur Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verpflichten. Diese Tatbestände stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Vielmehr hat der Verordnungsgeber mit ihnen einen Rahmen geschaffen, bei dessen Ausfüllung auch die jeweils anderen Tatbestände und die ihnen zugrunde liegenden Wertungen zu berücksichtigen sind. Das gilt namentlich für die Tatbestände des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV. Lag die Blutalkoholkonzentration, mit der ein Fahrzeug geführt wurde, unter 1,6 Promille und wurde keine wiederholte Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen, so ist nach diesen Bestimmungen die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht ohne weiteres gerechtfertigt. Diese Grundentscheidung des Verordnungsgebers ist nicht anders als im Rahmen eines Regelbeispielskatalogs bei der Auslegung des Tatbestands des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV zu beachten. Eine einmalig gebliebene Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille genügt ohne zusätzliche aussagekräftige Umstände nicht, um als sonstige Tatsache im Sinne dieses Tatbestands die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen.
17b) Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten auch dann beizubringen, wenn die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe entzogen war. In der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist geklärt, dass Entziehung der Fahrerlaubnis im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV auch die strafgerichtliche Entziehung auf der Grundlage von § 69 StGB ist ( 3 B 71.12 - Buchholz 442.10 § 3 StVG Nr. 13 Rn. 6). Hiervon geht das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend aus. Soweit es aus dem Beschluss des Senats allerdings ableiten möchte, mit der strafgerichtlichen Fahrerlaubnisentziehung wegen einer Trunkenheitsfahrt sei der Tatbestand des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV ohne weiteres erfüllt, so ist dies nicht tragfähig. Der Senat hat sich in seinem Beschluss auf die Aussage beschränkt, dass eine strafgerichtliche Fahrerlaubnisentziehung nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV in dem durch die Buchstaben a bis c gezogenen Rahmen zur Anforderung eines Fahreignungsgutachtens führe (a.a.O. Rn. 6).
18c) Die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens setzt nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift voraus, dass die Fahrerlaubnis aus einem der unter Buchstabe a bis c genannten Gründe entzogen wurde. Aus dieser Rückbindung folgt, dass auch im Zusammenhang mit dem Tatbestand des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV die Systematik und Wertung dieser Gründe zu beachten ist. Mit der Vorschrift nicht vereinbar ist es, sich hiervon zu lösen und die strafgerichtliche Fahrerlaubnisentziehung im Falle einer Trunkenheitsfahrt zum eigenständigen Sachgrund für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu machen.
19d) Das Berufungsgericht meint, gegen dieses Verständnis der Vorschrift spreche, dass § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV überflüssig werde; eine überflüssige Regelung könne dem Verordnungsgeber nicht unterstellt werden. Richtig ist, dass es bedenklich wäre, einer Regelung durch Auslegung ihre praktische Bedeutung zu nehmen. Dem Verordnungsgeber ist es aber unbenommen, im Interesse der Rechtssicherheit Regelungen zu treffen, die der Klarstellung dienen. So wären beispielsweise auf die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis auch ohne die ausdrückliche Regelung in § 20 Abs. 1 Satz 1 FeV die Vorschriften über die Ersterteilung anzuwenden, denn auch die Neuerteilung ist eine Erteilung der Fahrerlaubnis. Eine klarstellende Regelung macht gerade auch im hier streitigen Zusammenhang Sinn, in dem die Tragweite einer strafrichterlichen Fahrerlaubnisentziehung in Frage steht.
20e) Zu Unrecht beruft sich das Berufungsgericht für seine Auffassung auf den Vorrang des Strafverfahrens und die Bindung an das Strafurteil. Nach § 3 Abs. 3 StVG darf die Fahrerlaubnisbehörde den Sachverhalt, der Gegenstand eines anhängigen Strafverfahrens ist, in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen; ordnet das strafgerichtliche Urteil eine Sperre für die (Neu-)Erteilung einer Fahrerlaubnis an, so darf innerhalb der Sperrfrist keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden (§ 69a Abs. 1 StGB). Unter welchen Voraussetzungen nach Ablauf der Sperrfrist die Fahrerlaubnis neu erteilt werden darf, ergibt sich daraus nicht. Auch die weiteren Bindungen an das strafgerichtliche Urteil führen nicht weiter. Gemäß § 3 Abs. 4 StVG darf die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren insoweit nicht zum Nachteil des Fahrerlaubnisinhabers vom Inhalt des Urteils abweichen, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage oder der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Diese eng umrissene Bindungswirkung, die sich in der komplementären Begründungspflicht des § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO spiegelt, ist in vorliegendem Zusammenhang ebenfalls ohne Bedeutung. Es geht weder um die Entziehung der Fahrerlaubnis noch darum, von dem strafrichterlichen Urteil zum Nachteil des Betroffenen abzuweichen. Jenseits der Sperrfrist hat der Gesetzgeber eine Bindung an die auf strafgesetzlichen Bestimmungen beruhende negative Eignungsbeurteilung nicht vorgesehen.
21Aus den Grenzen der Bindungswirkung ergibt sich im Übrigen zugleich, dass die Sperrfrist, die für deren Dauer und Ende gegebene Begründung und ihr Ablauf die Fahrerlaubnisbehörde im nachfolgenden (Neu-)Erteilungsverfahren nicht binden (in diesem Sinne bereits 7 C 30.63 - BVerwGE 17, 347 <348 ff.>). Die Sperrfrist gibt nur den Mindestzeitraum vor, während dessen der Betroffene als ungeeignet anzusehen ist. Ob die eignungsausschließende Gefährlichkeit darüber hinaus anzunehmen ist, ist im Anschluss daran von der Fahrerlaubnisbehörde eigenständig zu beurteilen (vgl. 7 C 87.84 - BVerwGE 77, 40 <44 f.>).
22f) Weiter ist das Berufungsgericht der Auffassung, die strafgerichtliche Feststellung der Fahrungeeignetheit sei als Zusatztatsache zu berücksichtigen, auf deren Grundlage auch bei einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen sei. Eine solche Bedeutung kommt der strafgerichtlichen Feststellung nicht zu.
23aa) Nicht weiter zweifelhaft ist, dass ein strafgerichtliches Urteil tatsächliche Feststellungen enthalten kann, die als Zusatztatsachen im Falle einer Blutalkoholkonzentration, die für sich gesehen die Anforderung eines Gutachtens nicht rechtfertigt (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV), die Annahme von Alkoholmissbrauch gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV begründen können. Derartige tatsächliche Feststellungen können - wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat - grundsätzlich dem Erteilungsverfahren zugrunde gelegt werden. Tatsächliche Feststellungen, die jenseits der strafgerichtlichen Eignungsbeurteilung geeignet wären, die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen, enthält der Strafbefehl des Amtsgerichts jedoch nicht.
24bb) Folglich bezieht sich das Berufungsgericht auf die Eignungsbeurteilung als solche, die als wertende Erkenntnis des Strafgerichts der Fahrerlaubnisentziehung zugrunde liegt. Die auf der Grundlage des § 69 StGB getroffene Eignungsbeurteilung kann für sich gesehen nicht als eine Zusatztatsache im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV herangezogen werden. Hierdurch würde die in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV vorgeschriebene Bindung an die Gründe des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis c FeV und namentlich die Wertung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV weitgehend unterlaufen, was auch das Berufungsgericht einräumt. An die Stelle der Voraussetzungen der Fahrerlaubnis-Verordnung für die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Neuerteilungsverfahren träte die auf dem System des Strafrechts beruhende, hinter der Fahrerlaubnisentziehung stehende strafgerichtliche Eignungsbeurteilung. Das ist weder im Strafgesetzbuch noch in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV vorgesehen.
25Richtig ist allerdings, dass die strafgerichtliche Fahrerlaubnisentziehung nicht anders als die Fahreignungsprüfung im Verwaltungsverfahren dem Schutz der Verkehrssicherheit dient, also präventiv ausgerichtet ist. Entgegen den Ausführungen des Vertreters des Bundesinteresses zielt die strafgerichtliche Fahrerlaubnisentziehung nicht auf die Sanktionierung der jeweiligen Trunkenheitsfahrt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stimmt der in § 69 StGB verwendete Begriff der Ungeeignetheit inhaltlich mit demselben in den einschlägigen Vorschriften des Straßenverkehrs- und Fahrerlaubnisrechts verwendeten Begriff überein. Das folge schon daraus, dass - wie die Materialien zum ersten Straßenverkehrssicherungsgesetz 1952 belegten (vgl. BT-Drs. 1/2674 S. 8 und 12) - mit der Übertragung der zuvor ausschließlich den Verwaltungsbehörden zugewiesenen Aufgabe der Entziehung der Fahrerlaubnis "auch" auf den Strafrichter letzterer der Sache nach eine Ordnungsaufgabe der Fahrerlaubnisbehörde wahrnehme. Maßstab für die Entziehung der Fahrerlaubnis sei deshalb entsprechend der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung auch hier die in die Zukunft gerichtete Beurteilung der Gefährlichkeit des Kraftfahrers für den öffentlichen Straßenverkehr (vgl. BGH, Großer Senat für Strafsachen, - BGHSt 50, 93 <100> = juris Rn. 22).
26Trotz dieses Gleichlaufs ist jedoch nicht zu übersehen, dass die Spruchpraxis der Strafgerichte von der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB geprägt ist. Nach dieser Vorschrift ist bei einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) insbesondere in Fällen absoluter Fahruntüchtigkeit (ab 1,1 Promille, vgl. - BGHSt 37, 89) und selbst bei relativer Fahruntüchtigkeit (ab 0,3 Promille in Verbindung mit einer alkoholbedingten Ausfallerscheinung) in der Regel die Fahrerlaubnis zu entziehen. Entsprechend ist nicht die Fahrerlaubnisentziehung weiter begründungsbedürftig, sondern das Absehen hiervon (vgl. § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO). Im Neuerteilungsverfahren bedarf es hingegen bei einer Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille nach der Wertung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV zusätzlicher tatsächlicher Anhaltspunkte für einen Alkoholmissbrauch im Sinne des Fahrerlaubnisrechts. Auch im vorliegenden Fall beschränkt sich das Urteil des Amtsgerichts auf die Feststellung, die Klägerin habe infolge Alkoholkonsums fahruntüchtig einen Pkw geführt, eine Blutprobe habe eine Alkoholkonzentration von 1,28 Promille ergeben.
27g) Schließlich lässt sich das Regelungssystem des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. Buchst. a bis c FeV nicht unter Hinweis auf die Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV in Frage stellen. Sie enthält eine Aufstellung häufiger vorkommender Erkrankungen und Mängel, die die Fahreignung länger beeinträchtigen oder aufheben können und nimmt für diese eine Bewertung des Regelfalls vor, die für Abweichungen im Einzelfall offen ist (vgl. Vorbemerkung der Anlage). Nr. 8.1 der Anlage verneint die Fahreignung im Falle des Alkoholmissbrauchs und fügt in Klammern hinzu, Missbrauch liege vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden könne. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt zu erwarten ist, dass der Betroffene das Führen von Fahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum auch künftig nicht hinreichend sicher wird trennen können, ergibt sich hieraus nicht. Der Verordnungsgeber hat 1998 auf der Grundlage seines damaligen Erkenntnisstands angenommen, dass von einem fehlenden Trennungsvermögen nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt erst bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr ohne weiteres auszugehen ist. Dass diese Annahme heute gänzlich unvertretbar wäre, ist nicht ersichtlich. Es ist Sache des Verordnungsgebers, diesen Grenzwert gegebenenfalls neu zu bestimmen. Wie der Vertreter des Bundesinteresses in Übereinstimmung mit dem für eine Verordnungsänderung zuständigen Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mitgeteilt hat, prüft die Bundesanstalt für Straßenwesen, ob es gerechtfertigt ist, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bereits nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille oder mehr zwingend vorzusehen.
283. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Jenseits der strafgerichtlichen Fahrerlaubnisentziehung hat es das Vorliegen von Zusatztatsachen im Sinne von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV verneint. Das ist mit Bundesrecht vereinbar. Nach seinen tatsächlichen Feststellungen lassen sich aus dem Umgang der Klägerin mit Melissengeist keine sonstigen Tatsachen im Sinne dieser Vorschrift entnehmen. Auch im Übrigen hat das Berufungsgericht das Vorliegen relevanter Anhaltspunkte, etwa das Fehlen von alkoholbedingten Ausfallerscheinungen, die auf eine gewisse Giftfestigkeit schließen lassen, verneint (UA S. 9 f.). Diese tatsächlichen Feststellungen hat die Beklagte im Revisionsverfahren nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen, sie sind daher bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Es ist auch nicht zu erkennen, dass das Berufungsgericht bei der Würdigung des Sachverhalts einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt hat.
294. Nach der vom erkennenden Senat ausgesprochenen Verpflichtung der Beklagten ist es ihr verwehrt, die Neuerteilung der beantragten Fahrerlaubnis wegen der von der Klägerin begangenen Trunkenheitsfahrt, deren Begleitumständen und der im Anschluss daran vom Strafgericht angeordneten Fahrerlaubnisentziehung von der Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig zu machen. Ob die Beklagte aus einem anderen der in § 2 Abs. 4 StVG und § 11 Abs. 1 FeV genannten Gründe an einer sofortigen Fahrerlaubniserteilung gehindert sein könnte, war nicht Streitgegenstand.
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2017:060417U3C24.15.0
Fundstelle(n):
BAAAG-51234