Vorlage zur Vorabentscheidung an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung von Fragen zur Kontrollpflicht von Busunternehmen an Schengen-Binnengrenzen
Leitsatz
Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung unionsrechtlicher Zweifelsfragen zur Verpflichtung von Busunternehmern zur Kontrolle von Grenzübertrittsdokumenten ihrer Passagiere beim Verkehr über eine Schengen-Binnengrenze.
Gesetze: Art 67 Abs 2 AEUV, § 63 AufenthG, Art 1 EGRL 51/2001, Art 4 EGRL 90/2002, Art 15 EUV 2016/399, Art 14 EUV 2016/399, Art 2 Nr 11 EUV 2016/399, Art 23 Buchst b EUV 2016/399, Art 23 Buchst a EUV 2016/399, Art 5 Abs 3 EUV 2016/399
Instanzenzug: Az: 11 K 1737/15 Urteilnachgehend Az: C-412/17 und C-474/17 Urteilnachgehend Az: 1 C 53/18 Beschluss: Einstellung
Gründe
I
1Die Klägerin ist ein in Deutschland ansässiges, grenzüberschreitend tätiges Busunternehmen. Sie wendet sich gegen eine Verfügung der Beklagten, mit der ihr die Beförderung von Ausländern ohne erforderlichen Pass und Aufenthaltstitel untersagt und zugleich ein Zwangsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung angedroht wurde.
2Die Klägerin bietet unterschiedliche Linienverkehre in Westeuropa an, ihre Buslinien erreichen das Bundesgebiet regelmäßig über die deutsch-niederländische Grenze. Im Zuge der Auswertung von Fällen, bei denen Ausländer in Deutschland ohne die erforderlichen Papiere aufgegriffen worden waren, stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin in erheblicher Anzahl Ausländer ohne die erforderlichen Reisedokumente in die Bundesrepublik befördert hatte. Im März 2014 wandte sich die Beklagte an die Klägerin, erteilte dieser unter Auflistung der Fälle unerlaubter Beförderung eine "Abmahnung" und kündigte für den Fall fortgesetzter Zuwiderhandlungen den Erlass einer Untersagungsverfügung nach § 63 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) an. Die Klägerin verwies darauf, dass es sich bei der niederländisch-deutschen Grenze um eine Schengen-Binnengrenze handele mit der Folge, dass die nationale Regelung des § 63 AufenthG hier aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts nicht anwendbar sei.
3Mit Verfügung vom untersagte die Beklagte der Klägerin, Ausländer ohne einen erforderlichen Pass und Aufenthaltstitel auf dem Landweg nach Deutschland zu befördern (1.), und drohte ihr gleichzeitig für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 1 000 € an (2.). Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin kraft Gesetzes verpflichtet sei, alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um die Beförderung von Ausländern ohne die erforderlichen Grenzübertrittsdokumente nach Deutschland in jedem Einzelfall zu verhindern. Die Beachtung dieser Pflicht sei für sie weder rechtlich noch tatsächlich unmöglich. Es sei ihr auch zumutbar, beim Einstieg in den Bus zusammen mit der Fahrkartenkontrolle die Reisedokumente zu überprüfen. Die Untersagungsverfügung sei erforderlich, nachdem die Klägerin im Zeitraum vom 1. April bis 37 Ausländer ohne die erforderlichen Grenzdokumente transportiert habe, davon 26 ohne jegliche Reisedokumente, sechs mit abgelaufenen oder noch nicht gültigen Visa, zwei mit gefälschten Reisedokumenten und zwei ohne erforderliches Visum. Bestimmungen des Unionsrechts stünden der Anwendung des § 63 AufenthG nicht entgegen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom zurück.
4Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die tatbestandlichen Voraussetzungen des zu einer Untersagungsverfügung mit Zwangsgeldandrohung ermächtigenden § 63 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lägen zwar vor. Die Vorschrift sei jedoch aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts auf Beförderungsunternehmen, die Ausländer über eine Schengen-Binnengrenze nach Deutschland befördern, nicht anwendbar. § 63 AufenthG verstoße insoweit gegen die Bestimmungen der Art. 67 Abs. 2 und Art. 77 Abs. 2 AEUV sowie gegen Art. 20 und 21 der Verordnung Nr. 562/2006 (Schengener Grenzkodex 2006 - SGK 2006). Die Unionsrechtswidrigkeit von § 63 AufenthG könne nicht durch eine unionsrechtskonforme Auslegung beseitigt werden. Das habe zur Folge, dass die Norm auf Beförderungsunternehmen, deren Verkehrsangebote lediglich eine Landgrenze im Sinne des Art. 20 SGK 2006 überschreiten, unangewendet bleiben müsse.
5Hiergegen richtet sich die Sprungrevision der Beklagten. Diese macht unter anderem geltend, das Unionsrecht verpflichte dazu, Verstöße gegen Beförderungsverbote zu sanktionieren, ohne dass dem die Vorschriften des Schengener Grenzkodex entgegenstünden. Sie verweist insoweit auf die Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom und den am gleichen Tag verabschiedeten Rahmenbeschluss des Rates (2002/946/JI). Die Vorschriften der Richtlinie 2002/90/EG und des Rahmenbeschlusses 2002/946/JI seien hier die spezielleren Regelungen gegenüber dem Schengener Grenzkodex. Die Vorschrift des § 63 AufenthG sei zudem mit der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom (Schengener Grenzkodex - SGK 2016) vereinbar. Grenzkontrollen im Sinne von Art. 22 SGK 2016 könnten in der geforderten Dokumentenkontrolle schon deshalb nicht gesehen werden, weil hierfür keine Grenzschutzbeamten einzusetzen seien. Es liege auch keine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 23 Buchst. a SGK 2016 vor. Es werde nicht das Ziel verfolgt, den Grenzübertritt zu kontrollieren, sondern die Beachtung der Einreisevorschriften. Die Kontrolle werde nicht von staatlichen Bediensteten, sondern privatem Personal durchgeführt. Sie bleibe nach Umfang und Tiefe hinter einer Grenzkontrolle zurück. So könnten beispielsweise keine Zwangs- oder Fahndungsmaßnahmen ergriffen werden, wenn die Kontrolle verweigert werde.
6Die Klägerin tritt der Revision entgegen und hält mit dem Verwaltungsgericht die Anwendung des § 63 AufenthG auf Beförderungsunternehmer, die Personen lediglich über Schengen-Binnengrenzen transportieren, für unionsrechtswidrig.
II
7Der Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen, die der Senat dem Gerichtshof mit Beschluss vom heutigen Tag noch in einem weiteren Verfahren (1 C 25.16) unterbreitet hat, betreffen die Auslegung der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex - ABl. L 77 S. 1). Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof zuständig.
81. Die rechtliche Beurteilung der auf Aufhebung des Bescheides vom gerichteten Anfechtungsklage richtet sich im nationalen Recht nach § 63 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom (BGBl. I S. 3155). Aus dem Unionsrecht ist der Schengener Grenzkodex (SGK) vom maßgeblich. Es ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts abzustellen, weil die angefochtene Untersagungsverfügung und die angefochtene Zwangsgeldandrohung fortdauernde Rechtswirkungen entfalten (vgl. 1 C 30.03 - BVerwGE 122, 293 <301>). Allerdings sind Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens zu beachten, wenn das Verwaltungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 8 m.w.N.). Das führt zur Anwendung der im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung maßgeblichen Fassung des Aufenthaltsgesetzes und des Schengener Grenzkodex.
9Den hiernach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:
(1) Ein Beförderungsunternehmer darf Ausländer nur in das Bundesgebiet befördern, wenn sie im Besitz eines erforderlichen Passes und eines erforderlichen Aufenthaltstitels sind.
(2) Das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur einem Beförderungsunternehmer untersagen, Ausländer entgegen Absatz 1 in das Bundesgebiet zu befördern und für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld androhen. Widerspruch und Klage haben keine aufschiebende Wirkung; dies gilt auch hinsichtlich der Festsetzung des Zwangsgeldes.
(3) Das Zwangsgeld gegen den Beförderungsunternehmer beträgt für jeden Ausländer, den er einer Verfügung nach Absatz 2 zuwider befördert, mindestens 1 000 und höchstens 5 000 Euro. Das Zwangsgeld kann durch das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle festgesetzt und beigetrieben werden.
4) Das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle kann mit Beförderungsunternehmern Regelungen zur Umsetzung der in Absatz 1 genannten Pflicht vereinbaren.
10Auf der Grundlage des Aufenthaltsgesetzes hat der Bundesminister des Innern mit Zustimmung des Bundesrates eine Verwaltungsvorschrift erlassen, die die Ausländerbehörden bei der Anwendung des Gesetzes zu beachten haben, ohne dass sie für die Gerichte verbindlich ist (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom - GMBl 2009, 878). Die für die Anwendung von § 63 Aufenthaltsgesetz einschlägigen Nummern der Verwaltungsvorschrift lauten auszugsweise wie folgt:
63.1.1 Die Vorschrift untersagt es Beförderungsunternehmern, Ausländer ohne die erforderlichen Reisedokumente in das Bundesgebiet zu befördern. Das Verbot gilt sowohl für Beförderungen auf dem Luft- und Seeweg als auch für Beförderungen auf dem Landweg mit Ausnahme des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs. Das Beförderungsverbot muss nicht angeordnet werden. Aus dem gesetzlichen Verbot, Ausländer nicht in das Bundesgebiet zu befördern, wenn sie nicht im Besitz eines erforderlichen Passes oder eines erforderlichen Visums sind, das sie auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit benötigen, ergibt sich zugleich die Pflicht des Beförderungsunternehmers, Pass und Visum ausreichend zu kontrollieren. Durch die Kontrollpflicht soll sichergestellt werden, dass der Ausländer die für den Grenzübertritt nach § 13 Absatz 1 erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Eine Kontrollpflicht ist auch in Annex 9 zum ICAO-Übereinkommen festgelegt.
63.1.3.1 Die Kontrollpflicht nach § 63 Absatz 1 fordert von dem Beförderungsunternehmer, vor dem Transport zu prüfen, ob der Ausländer im Besitz der erforderlichen Dokumente ist ...
63.2.0 Sowohl das Beförderungsverbot als auch die Androhung, Festsetzung und Vollstreckung von Zwangsgeldern soll dazu dienen, den Beförderungsunternehmer zur Kontrolle der Einhaltung der Pass- und Visumpflicht in jedem Einzelfall anzuhalten.
112. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.
12a) Nach § 63 Abs. 1 AufenthG darf ein Beförderungsunternehmer Ausländer nur in das Bundesgebiet befördern, wenn sie im Besitz eines erforderlichen Passes und eines erforderlichen Aufenthaltstitels sind. § 63 Abs. 1 AufenthG statuiert ein unmittelbar und generell wirkendes, gesetzliches Verbot der Beförderung von Ausländern ohne die erforderlichen Reisedokumente. Aus dem Beförderungsverbot ergibt sich die daraus abgeleitete Pflicht des Beförderungsunternehmers, den Pass und den Aufenthaltstitel der beförderten Ausländer zu kontrollieren. Durch die Kontrollpflicht soll sichergestellt werden, dass der Ausländer die für den Grenzübertritt erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Dabei überlässt es der Gesetzgeber dem Beförderungsunternehmer, auf welche Art und Weise und mit welchen Mitteln er seinen Pflichten nachkommt ( 1 C 5.02 - BVerwGE 117, 332 <336>). Das Beförderungsverbot zieht positive Verhaltenspflichten in Gestalt von Kontrollpflichten nach sich, die im Gesetz nicht näher bestimmt werden. Das entspricht auch dem Verständnis der Vorschrift in Ziffer 63.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz. Das gesetzesunmittelbare Beförderungsverbot des § 63 Abs. 1 AufenthG wird falls erforderlich durch eine Untersagungsverfügung nach § 63 Abs. 2 AufenthG konkretisiert und individualisiert. Verstößt ein Beförderungsunternehmer gegen die ihm nach § 63 Abs. 1 AufenthG obliegende Pflicht, kann das hierzu ermächtigte Bundespolizeipräsidium nach § 63 Abs. 2 AufenthG eine Untersagungsverfügung und Zwangsgeldandrohung gegen den Unternehmer erlassen. Im Fall weiterer Zuwiderhandlungen kann für jeden Einzelfall ein Zwangsgeld von mindestens 1 000 € und höchstens 5 000 € festgesetzt werden.
13Die mit dem Beförderungsverbot verbundenen Kontrollpflichten stellen eine Form der Indienstnahme privater Unternehmen zur Vermeidung von Verstößen gegen Einreisebestimmungen dar, ohne dass den Beförderungsunternehmen insoweit hoheitliche Befugnisse übertragen werden. Die Überprüfung der Passagiere im Hinblick auf die Reisedokumente ist in den Beförderungsvorgang eingebettet, der im Rahmen des privatrechtlichen Beförderungsvertrages erfolgt ( 1 C 48.89 - NVwZ 1992, 682 <683>).
14Den Beförderungsunternehmer trifft die nach objektiven Maßstäben bemessene Verpflichtung, Verstöße gegen die Einreisebestimmungen soweit wie irgend möglich und in jedem Einzelfall zu vermeiden. Nach der Rechtsprechung des vorlegenden Gerichts dürfen an den Beförderungsunternehmer jedoch keine rechtlich oder tatsächlich unerfüllbaren Anforderungen gestellt werden ( 1 C 5.02 - BVerwGE 117, 332 <336>). Das Beförderungsverbot ist so auszulegen, dass es nur Verstöße erfasst, die bei gesetzeskonformer Auslegung des Verbots objektiv rechtswidrig erscheinen ( 1 C 30.03 - BVerwGE 122, 293 <298>). Kann von einem Beförderungsunternehmer die Kontrolle der Ausweisdokumente seiner Passagiere bei der Beförderung über eine Schengen-Binnengrenze nach Unionsrecht nicht verlangt werden, verletzt er durch das Unterlassen einer Kontrolle nicht seine Pflicht nach § 63 Abs. 1 AufenthG. Im Streit steht daher nicht die Frage einer Unionsrechtswidrigkeit der gesetzlichen Vorschrift des § 63 AufenthG, sondern die unionsrechtskonforme Bestimmung ihres Regelungsinhalts. Entscheidungserheblich ist die Frage, ob Unionsrecht - hier: der Schengener Grenzkodex vom - den von der Beklagten geforderten Kontrollmaßnahmen entgegensteht. Zur Beantwortung dieser Frage, die der Gerichtshof der Europäischen Union noch nicht entschieden hat, werden unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten. Es besteht daher unionsrechtlicher Klärungsbedarf.
15b) 1. Vorlagefrage
Die 1. Vorlagefrage zielt auf die Klärung, ob Art. 67 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie Art. 22, 23 des Schengener Grenzkodex (SGK) vom der nationalen Regelung eines Mitgliedstaates entgegenstehen, die Busunternehmen im Linienverkehr über eine Schengen-Binnengrenze im Ergebnis verpflichtet, die Grenzübertrittsdokumente ihrer Passagiere vor dem Überschreiten einer Binnengrenze zu kontrollieren, um einer Beförderung von Ausländern ohne Pass und Aufenthaltstitel in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland entgegenzuwirken. Nach Art. 67 Abs. 2 AEUV stellt die Union sicher, dass Personen an den Binnengrenzen nicht kontrolliert werden. Art. 22 SGK präzisiert dies dahin, dass die Binnengrenzen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden dürfen. Art. 23 Buchst. a SGK verbietet Maßnahmen, die die gleiche Wirkung wie Grenzübertrittskontrollen haben. Art. 23 Buchst. b SGK legt fest, dass Beförderungsunternehmern unter näher bestimmten Bedingungen Kontrollen durchführen dürfen. Die vom vorlegenden Gericht unterbreitete Unterfrage a) zielt auf den näheren Inhalt von Art. 22 SGK, die Unterfragen b) und c) auf den Inhalt von Art. 23 Buchst. a SGK und die Unterfrage d) auf den Inhalt von Art. 23 Buchst. b SGK.
16(1) Mit der Unterfrage 1 a) ersucht das vorlegende Gericht um die Klärung der Frage, ob die hier von der Klägerin geforderten Dokumentenkontrollen eine "Personenkontrolle" an den "Binnengrenzen" im Sinne von Art. 22 SGK darstellen oder einer solchen Personenkontrolle gleichzustellen sind. Dabei ist aus Sicht des vorlegenden Gerichts von den Definitionen der einschlägigen Begriffe in Art. 2 SGK auszugehen. Art. 2 Nr. 1 Buchst. a SGK definiert den Begriff der "Binnengrenze" u.a. als gemeinsame Landgrenze der Mitgliedstaaten. Für den Begriff der "Personenkontrolle" findet sich in Art. 2 SGK zwar keine eigene Definition, wohl aber für den Begriff der "Grenzübertrittskontrollen" in Art. 2 Nr. 11 SGK. Darunter sind die Kontrollen zu verstehen, die an den Grenzübergangsstellen erfolgen und der Feststellung dienen, ob die betreffenden Personen mit ihrem Fortbewegungsmittel und den von ihnen mitgeführten Sachen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen oder aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ausreisen dürfen. Soweit hiernach der in Art. 22 SGK verwendete Begriff der "Personenkontrollen" als ein Unterfall von Grenzübertrittskontrollen im Sinne von Art. 2 Nr. 11 SGK zu verstehen sein sollte, stellt sich die Frage, ob Kontrollen außerhalb von Grenzübergangsstellen überhaupt als "Personenkontrollen" im Sinne von Art. 22 SGK angesehen werden können. Darauf kommt es hier an, weil die von der Klägerin (wie von Busunternehmern generell) geforderte Dokumentenkontrolle vor Beginn der Beförderung verlangt wird, also beim Besteigen des Busses und damit vor Erreichen der zu überquerenden Schengen-Binnengrenze. Der Gerichtshof hat sich bisher nur mit hoheitlichen Maßnahmen befasst, die innerhalb des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats an der Grenze oder im Grenzgebiet vorgenommen werden, aber nicht mit Maßnahmen, die vor der Grenze stattfinden ( und C-189/10 [ECLI:EU:C:2010:363], Melki und Abdeli - Rn. 68 und vom - C-278/12 [ECLI:EU:C:2012:508], PPU - Adil - Rn. 56). Gegen eine "Personenkontrolle" im Sinne von Art. 22 SGK könnte zudem sprechen, dass die Kontrolle von Mitarbeitern privater Beförderungsunternehmen im Sinne von Art. 2 Nr. 15 SGK durchzuführen ist und nicht von staatlichen Grenzschutzbeamten im Sinne von Art. 2 Nr. 14 SGK. Andererseits könnte es eine effektive Durchsetzung des Verbots von Personenkontrollen an Binnengrenzen nach Art. 67 Abs. 2 AEUV (effet utile) gebieten, in das Verbot auch Kontrollen im Vorfeld der Grenze durch Private einzubeziehen, wenn den Privatunternehmern die Kontrollpflicht vom Staat auferlegt wird, sich diese nur auf die Beförderung über die Grenze bezieht und sich für die Betroffenen ähnlich wie eine verbotene Grenzübertrittskontrolle auswirkt.
17Nach der Begründung des Kommissionsentwurfs vom zu der Vorläuferregelung des Art. 22 SGK ist "jede systematische oder stichprobenmäßige Kontrolle, die ausschließlich aufgrund des Überschreitens einer Binnengrenze durchgeführt wird, [...] unvereinbar mit dem Konzept eines Raumes ohne Grenzen und daher nicht zulässig" (KOM(2004) 391 endgültig S. 33). Das spricht eher für eine weite Auslegung des Begriffs der Kontrollmaßnahmen nach Art. 22 SGK. Zudem hat die Kommission in einer Stellungnahme vom die Tschechische Republik aufgefordert, ihre Rechtsvorschriften so zu ändern, dass Beförderungsunternehmen, die ausländische Reisende ohne die entsprechenden Reisedokumente auf Flügen innerhalb des Schengen-Raums befördern, nicht mit Sanktionen belegt werden. Sie hat die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen zur Durchführung systematischer Personenkontrollen als Verstoß gegen die EU-Rechtsvorschriften zur Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen angesehen (Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom - COM(2014) 292 final S. 6).
18(2) Mit der Unterfrage 1 b) ersucht das vorlegende Gericht um die Klärung der Frage, ob die Auferlegung der hier streitgegenständlichen Kontrollpflicht an Art. 23 Buchst. a SGK zu messen ist, obwohl die Beförderungsunternehmer keine "polizeilichen Befugnisse" ausüben und auch nicht förmlich zur Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse ermächtigt werden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können Personenkontrollen im Umfeld der Grenze unter bestimmten Voraussetzungen unter das Verbot wirkungsgleicher Maßnahmen im Sinne von Art. 23 Buchst. a SGK fallen ( und C-189/10 - Rn. 68 ff. und vom - C-278/12 - Rn. 57 ff.). Der Gerichtshof beurteilt die Frage, ob eine wirkungsgleiche Maßnahme vorliegt, aufgrund einer Gesamtschau der Kriterien in Art. 23 Buchst. a Ziffer i bis iv SGK. Danach kann für eine Wirkungsgleichheit etwa sprechen, dass Kontrollen das gleiche Ziel haben wie Grenzübertrittskontrollen und systematisch und nicht lediglich stichprobenmäßig durchgeführt werden ( und C-189/10 - Rn. 70 ff.). Nach § 63 Abs. 1 AufenthG gilt die aus dem Beförderungsverbot herzuleitende Verpflichtung zur Dokumentenkontrolle für alle Beförderungsvorgänge auf dem Land-, Luft- und Seeweg. Der Eisenbahnverkehr ist durch die o.g. Verwaltungsvorschrift ausgenommen, die jedoch das Gesetz nicht abändern kann. Diese Verpflichtung zielt auf Personenkontrollen ausschließlich im grenzüberschreitenden Verkehr und auf systematische Kontrollen, die jeden Einzelfall der Beförderung betreffen und nicht allein stichprobenmäßig erfolgen. Damit werden einige der vom Gerichtshof als wesentlich erachtete Gesichtspunkte für eine wirkungsgleiche Maßnahme erfüllt.
19Zu klären ist jedoch, ob sich die Kriterien des Art. 23 Buchst. a SGK überhaupt auf Personenkontrollen durch private Beförderungsunternehmer beziehen. Dagegen könnte sprechen, dass die Regelung sich ausdrücklich nur auf "die Ausübung der polizeilichen Befugnisse" bezieht (Art. 23 Buchst. a Satz 1 und 2 SGK). Die Kontrollen werden hier aber von privaten Beförderungsunternehmern verlangt. Diese üben bei Durchführung der Kontrollen keine polizeilichen Befugnisse aus und sind auch nicht förmlich zur Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse ermächtigt. Die von ihnen verlangte Überprüfung der Grenzübertrittsdokumente ihrer Passagiere ersetzt nicht die behördlichen Grenzkontrollen, sofern diese zulässig sind (vgl. 1 C 48.89 - NVwZ 1992, 682 <683> Rn. 16). Dafür könnte sprechen, dass die Beförderungsunternehmen die Kontrollmaßnahmen nicht aufgrund eigener Entscheidung ausüben, etwa aus Sicherheitsgründen, sondern weil der deutsche Staat dies von ihnen zum Zwecke der Einhaltung der Einreisebestimmungen fordert und die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht mit Zwangsmitteln durchsetzt. Insofern stellt sich die Frage, ob Art. 23 Buchst. a SGK auch Maßnahmen erfasst, die sich praktisch ähnlich wie Grenzübertrittskontrollen auswirken, aber von Privatunternehmern ausgehen, die damit eine gesetzliche Pflicht erfüllen.
20(3) Mit Unterfrage 1 c) ersucht das vorlegende Gericht für den Fall der Bejahung der Unterfrage 1 b) um Klärung, ob die im vorliegenden Fall geforderten Kontrollen unter Berücksichtigung der Kriterien des Art. 23 Buchst. a Satz 2 SGK eine unzulässige Maßnahme gleicher Wirkung darstellen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Dokumentenkontrollen ausschließlich im grenzüberschreitenden Verkehr erfolgen und der Verhinderung des illegalen Grenzübertritts dienen. Die Gleichgerichtetheit ihres Zieles mit staatlichen Grenzübertrittskontrollen führt für sich genommen aber noch nicht zur Wirkungsgleichheit. Die Kontrollpflicht zielt aber auf jeden Einzelfall der Beförderung. Die Beförderungsunternehmen sind zu systematischen Kontrollen verpflichtet und nicht allein zu Stichprobenkontrollen, wollen sie dem umfassenden gesetzesunmittelbaren Beförderungsverbot entsprechen. Gegen eine Wirkungsgleichheit mag aber sprechen, dass die Kontrollen nicht die gleiche Tiefe haben wie Dokumentenkontrollen der Polizei. Die Busfahrer sind - trotz angebotener Fortbildungsmaßnahmen - nicht vergleichbar fachkundig, um Dokumentenfälschungen zu erkennen. Sie haben keinen Zugriff auf öffentliche Datenbanken. Auch stehen ihnen neben dem Ausschluss von der Beförderung keine Zwangsmaßnahmen zur Verfügung, über die die Polizei verfügt, etwa eine Inhaftnahme.
21(4) Mit Unterfrage 1 d) wird um Klärung ersucht, ob die im vorliegenden Fall geforderten Kontrollen an Art. 23 Buchst. b SGK zu messen sind bzw. ob diese Vorschrift Rückschlüsse auf die Reichweite des Kontrollverbots erlaubt. Nach dieser Vorschrift berührt die Befugnis von Beförderungsunternehmern zu Sicherheitskontrollen bei Personen in See- und Flughäfen nicht das Verbot von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen, sofern diese Kontrollen auch bei Personen vorgenommen werden, die Reisen innerhalb des Mitgliedstaats unternehmen. Für das vorlegende Gericht stellt sich die Frage, ob daraus im Umkehrschluss die Unzulässigkeit der streitgegenständlichen Kontrollen abgeleitet werden kann, weil sie keine Sicherheitskontrollen darstellen und nicht auch bei Personen vorgenommen werden, die Reisen innerhalb des Mitgliedstaats unternehmen. Die auf der Grundlage von § 63 Abs. 1 AufenthG geforderten Kontrollen werden von Beförderungsunternehmern im Sinne von Art. 23 Buchst. b SGK verlangt und dienen der Überprüfung, ob beförderte Ausländer über die für einen Grenzübertritt erforderlichen Dokumente verfügen. Sie stellen keine Sicherheitskontrollen dar. Allerdings werden sie - abweichend vom Erfordernis des Art. 23 Buchst. b SGK nicht an See- oder Flughäfen verlangt, sondern vor Fahrtantritt im grenzüberschreitenden Buslinienverkehr.
22Die Vorschrift des Art. 23 Buchst. b SGK kann als Sonderregelung für die grenzüberschreitende Beförderung von See- und Flughäfen angesehen werden oder als eine verallgemeinerungsfähige Regelung, wonach auch Beförderungsunternehmern Personenkontrollen verboten sind, die sich für den Passagier - anders als Sicherheitskontrollen - als wirkungsgleiche Maßnahme wie verbotene Grenzkontrollen darstellen. Da die Vorschrift ausdrücklich Beförderungsunternehmen umfasst, könnte die Norm dahin auszulegen sein, dass auch staatlich veranlasste Kontrollmaßnahmen Privater gegen das Verbot wirkungsgleicher Maßnahmen verstoßen können, wenn sie sich ähnlich wie Grenzübertrittskontrollen auswirken. Eine solche Auslegung mag zur effektiven Durchsetzung des in Art. 67 Abs. 2 AEUV verankerten Gebots beitragen, dass Personen an den Binnengrenzen nicht kontrolliert werden. In diesem Sinne kann die Stellungnahme der Kommission zur Unionsrechtswidrigkeit von sanktionierten Kontrollpflichten, die die Tschechische Republik Fluggesellschaften auferlegt hatte (vgl. COM(2014) 292 final S. 6), zu verstehen sein. Aber auch hier wird zu berücksichtigen sein, dass die Kontrollen der Beförderungsunternehmer nicht die gleiche Tiefe wie Dokumentenkontrollen der Polizei haben und ihren Beschäftigten neben dem Ausschluss von der Beförderung keine den polizeilichen Maßnahmen vergleichbaren Zwangsmaßnahmen zur Verfügung stehen.
23c) 2. Vorlagefrage
Die 2. Vorlagefrage soll klären, ob Art. 22, 23 SGK einer nationalen Regelung wie der hier maßgeblichen des § 63 Abs. 2 AufenthG entgegenstehen, nach der zur Einhaltung der aus § 63 Abs. 1 AufenthG abgeleiteten Pflicht zur Dokumentenkontrolle eine Untersagungsverfügung und Zwangsgeldandrohung gegen ein Busunternehmen erlassen werden kann, wenn infolge der unterlassenen Kontrollen auch Ausländer ohne Pass und Aufenthaltstitel in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befördert worden sind. Dabei bezieht sich die Frage der Sache nach auf die streitgegenständlichen Maßnahmen zur zwangsweisen Durchsetzung der Kontrollpflicht bei der Personenbeförderung über eine Schengen-Binnengrenze. Die verfügten Maßnahmen bilden im Rahmen eines gestuften Verfahrens der Vollstreckung die Grundlage für die Möglichkeit der Festsetzung von Zwangsgeldern von mindestens 1 000 € und höchstens 5 000 € für jeden künftigen Einzelfall der Zuwiderhandlung. Sie haben daher eine höhere Eingriffsintensität als eine nicht sanktionsbewehrte Kontrollpflicht. Die Gesichtspunkte, die für und gegen einen Verstoß gegen Art. 22, 23 SGK angeführt werden können, entsprechen im Übrigen den Ausführungen zu Vorlagefrage 1. Bei der Beantwortung der 2. Vorlagefrage könnte auch Art. 11 des Zusatzprotokolls gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität vom zu berücksichtigen sein. Nach Art. 11 Abs. 2 des Zusatzprotokolls trifft jeder Vertragsstaat gesetzgeberische oder andere geeignete Maßnahmen, um so weit wie möglich zu verhindern, dass die von gewerblichen Beförderungsunternehmern betriebenen Beförderungsmittel für die Begehung der in Art. 6 Abs. 1 Buchst. a des Zusatzprotokolls umschriebenen Straftaten, d.h. zur Schleusung von Migranten, benutzt werden. Art. 11 Abs. 3 des Zusatzprotokolls sieht hierzu ausdrücklich vor, dass die Vertragsstaaten den Beförderungsunternehmern eine Kontrollpflicht auferlegen können.
243. Das vorlegende Gericht sieht in diesem Zusammenhang indes keinen Klärungsbedarf zur Frage, in welchem Verhältnis die Regelungen der Art. 22, 23 SGK zur Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom (ABl. L 328 S. 17) und dem Rahmenbeschluss 2002/946/JI des Rates vom gleichen Tag betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt (ABl. L 328 S. 1) stehen. Die genannte Richtlinie und der Rahmenbeschluss verlangen von den Mitgliedstaaten angemessene Sanktionen für private und juristische Personen, die vorsätzlich Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise oder zum unerlaubten Aufenthalt leisten. Es kann offenbleiben, ob diese Regelungen - wie Art. 5 Abs. 3 SGK, Art. 26 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) (ABl. L 239 S. 19) und Art. 4 der Richtlinie 2001/51/EG des Rates vom - Sanktionen nur für das unbefugte Überschreiten von Schengen-Außengrenzen vorsehen (zum Inhalt von Art. 5 Abs. 3 SGK vgl. [ECLI:EU:C:2016:408], Affum - Rn. 91). Denn diese Regelungen bestimmen nicht die Reichweite der zulässigen Personenkontrollen. Diese ergibt sich vielmehr aus Art. 22, 23 SGK. Nur wenn eine Kontrollmaßnahme mit dem SGK vereinbar ist, darf sie auch nach den Regeln der Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom und des Rahmenbeschlusses des Rates vom gleichen Tag (2002/946/JI) sanktioniert werden. Im Übrigen knüpfen die Zwangsmaßnahmen des § 63 Abs. 2 AufenthG an jeden objektiven Verstoß gegen ein Beförderungsverbot an, während die Richtlinie 2002/90/EG und der Rahmenbeschluss 2002/946/JI nur vorsätzliches Verhalten sanktionieren, wie es in Fällen wie dem vorliegenden typischerweise nicht vorliegt. Die Beförderung von Passagieren, die nicht im Besitz der erforderlichen Reisedokumente sind, stellt in der Regel keine vorsätzliche Beihilfe zur unerlaubten Einreise dar. Vielmehr ist die Durchführung genehmigter Personenbeförderungen im Buslinienverkehr zunächst eine berufstypische "neutrale" Handlung (vgl. dazu: - NJW 2001, 2409 <2410> und vom - 5 StR 468/12 - NZWiSt 2014, 139 juris Rn. 26, 29), bei der der Beförderungsunternehmer darauf vertrauen darf, dass die Passagiere dieses nicht zur Begehung einer Straftat ausnutzen werden. Er hat regelmäßig keine positive Kenntnis von einer unerlaubten Einreise und will diese auch nicht wissentlich unterstützen.
25Keinen Klärungsbedarf sieht der Senat weiterhin in Bezug auf Art. 26 SDÜ i.V.m. der Richtlinie 2001/51/EG und deren Erwägungsgrund 4. Wegen des Außengrenzenbezuges dieser Regelungen folgt hieraus keine Befugnis, Beförderungsunternehmern an Binnengrenzen Kontrollpflichten aufzuerlegen.
264. Bei der Beantwortung der aufgeworfenen Fragen mag vom Gerichtshof zu berücksichtigen sein, dass die Außengrenzen der Union derzeit nur unzureichend gesichert sind und im Schengen-Binnenraum in beträchtlichem Umfang eine illegale Sekundärmigration stattfindet. Das könnte dem öffentlichen Interesse an wirksamen Gegenmaßnahmen zusätzliches Gewicht geben. Wegen der begrenzten Disfunktionalität des Schengen-Raums hat die Kommission mehrfach der vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen an bestimmten Binnengrenzen zugestimmt. Hinsichtlich der hier streitgegenständlichen deutsch-niederländischen Grenze liegt ein Beschluss der Bundesrepublik Deutschland, Grenzkontrollen vorübergehend wieder einzuführen (vgl. Art. 25 ff. SGK), allerdings nicht vor.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2017:010617B1C23.16.0
Fundstelle(n):
XAAAG-51231