Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Kauffrau und betrieb u.a. ein Einzelunternehmen für Büro- und Datenorganisation. Wegen Nichtabgabe von Steuererklärungen zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer für die Streitjahre 1990 und 1991 ermittelte Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege.
Die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für 1990 und 1991 ergingen gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Einkommensteuer für 1990 wurde mit Bescheid vom auf 10 406 DM und für 1991 mit Bescheid vom gleichen Tage auf 0 DM festgesetzt. Die Umsatzsteuer wurde für 1990 mit Bescheid vom auf 9 743 DM und für 1991 mit Bescheid vom gleichen Tage auf 1 243 DM festgesetzt.
Die trotz mehrfacher Aufforderung nicht näher begründeten Einsprüche wies das FA nach Aktenlage als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidungen vom ). Während des Klageverfahrens reichte die Klägerin sämtliche Steuererklärungen ein, nebst Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit Schreiben vom bat das FA um Stellungnahme u.a. zu Abweichungen der erklärten Einnahmen gegenüber den laut Kontrollmitteilungen erhaltenen Zahlungen sowie dazu, dass für 1991 für das gesamte Kalenderjahr eine Gewinnermittlung vorgelegt worden sei, jedoch eine Gewerbeabmeldung bereits zum vorliege. Insofern es sich um einen Schreibfehler handele, sollten die gegenüber 1990 erhöhten Raumkosten für 1991 erläutert und ferner eine Aufgabebilanz eingereicht werden. Nachdem Erinnerungen des FA unbeachtet geblieben waren, setzte das Finanzgericht (FG) dem Prozessvertreter der Klägerin eine Frist bis zum , die vom FA erbetenen Unterlagen und Nachweise nachzureichen. Schließlich setzte der Einzelrichter mit Verfügung vom eine Ausschlussfrist gemäß § 79b Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren, sie, die Klägerin, sich beschwert fühle, und zur Vorlage der mit Verfügung vom erbetenen Unterlagen und Nachweise. Die Klägerin beachtete auch diese Verfügung nicht. In der mündlichen Verhandlung vom , für die ihr persönliches Erscheinen angeordnet worden war, erschien weder sie, die Klägerin, noch ihr Prozessbevollmächtigter. Der Einzelrichter wies die Klage als unbegründet ab. Die Klägerin habe trotz der gesetzten Ausschlussfrist ihr Vorbringen nicht nachprüfbar erläutert und auch keinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist gestellt.
Mit der wegen eines Verfahrensmangels erhobenen Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision machte die Klägerin geltend, mit dem Einzelrichter sei im September 1998 telefonisch vereinbart worden (vgl. Aktenvermerk des Einzelrichters über das Telefonat am ), die Unterlagen bzw. Stellungnahmen im Laufe des Oktobers 1998 einzureichen und den Termin zur mündlichen Verhandlung gesondert abzusprechen, weil der angesetzte Termin am voraussichtlich nicht wahrgenommen werden könne. Andernfalls habe zuvor eine Benachrichtigung erfolgen sollen. Deshalb habe man darauf vertrauen können, dass keine Fristen abliefen und auch kein Urteil ergehen werde.
Der Einzelrichter ließ die Revision mit Beschluss vom wegen Verletzung rechtlichen Gehörs zu. Das Gericht sei zwar davon ausgegangen, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin werde von sich aus am mitteilen, ob die Klägerin persönlich erscheinen könne oder wegen ihrer Verhinderung der Termin verlegt werden solle. Möglicherweise habe über den Inhalt der Vereinbarung ein Missverständnis vorgelegen. Dadurch liege aus ”heutiger Sicht des Gerichts” der Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs vor.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO; Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—). Die Verletzung des rechtlichen Gehörs sei deshalb von Bedeutung, weil die Klägerin die Beträge aus den von ihr in den Jahren 1989 und 1990 gestellten Rechnungen teilweise erst in späteren Jahren vereinnahmt habe.
Über die vom FA ebenfalls in Frage gestellten Zahlungen der Umsatzsteuer im Jahre 1990 lägen Belege über die Entrichtung am in Höhe von 5 000 DM und am über 730,80 DM vor. Dementsprechend würde sich die Einkommensteuer und Umsatzsteuer mindern.
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß), das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision bezüglich der Einkommensteuer 1991 als unbegründet zurückzuweisen und sieht im Übrigen im Hinblick auf den Zulassungsbeschluss des FG von einem Antrag ab.
Die Klägerin sei durch die Einkommensteuerfestsetzung auf 0 DM für 1991 nicht beschwert.
II. Die Revision ist bezüglich der angefochtenen Einkommensteuer 1990 sowie bezüglich der Umsatzsteuerfestsetzungen für 1990 und 1991 begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung durch das FG (vgl. § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Bezüglich der angefochtenen Einkommensteuer 1991 ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das FG hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom durch Sachurteil entschieden, obwohl hinsichtlich dieses Termins aufgrund der fernmündlichen Vereinbarung zwischen dem Einzelrichter und dem Prozessvertreter vom insoweit noch eine endgültige Absprache vorgesehen war.
Es bedarf im Streitfall keiner abschließenden Entscheidung, welche genauen Anforderungen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels der Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl. § 120 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz FGO) zu stellen sind (vgl. dazu den Vorlagebeschluss des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VIII R 32/95, BFHE 186, 102, BStBl II 1998, 676, m.umf.N., und Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 119 FGO Tz. 59 und 60, m.w.N.); denn die Klägerin hat dargelegt, wozu sie sich nicht hat äußern können und was sie u.a. bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte.
Hinsichtlich der Einkommensteuer 1991 ist die Klägerin jedoch nicht in ihren Rechten verletzt. Die Klägerin hat auch keine besonderen Umstände vorgetragen, noch sind derartige Umstände aus den Akten ersichtlich, die ausnahmsweise die Annahme einer Beschwer rechtfertigten.
1. a) Das FG hat durch die in Abwesenheit der Klägerin und deren Prozessbevollmächtigten durchgeführte mündliche Verhandlung am den Anspruch der Klägerin auf ausreichende Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
Nach § 227 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i.V.m. § 155 FGO kann ein Termin aus erheblichen Gründen verlegt werden. Liegen erhebliche Gründe im Sinne dieser Vorschrift vor, so verdichtet sich das dem FG eingeräumte Verfahrensermessen zu einer Rechtspflicht. Der Termin zur mündlichen Verhandlung muss verlegt werden, um das rechtliche Gehör zu gewährleisten, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif ansieht und sich die Erledigung des Rechtsstreits verzögert (vgl. , BFHE 163, 115, BStBl II 1991, 240, m.w.N.; , BFH/NV 1996, 43, m.w.N.).
Ob erhebliche Gründe in diesem Sinne vorliegen, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles.
Im Streitfall hat das FG nach dem Prozessstoff, nämlich insbesondere wegen der Anerkennung eines zweifelhaften Mietverhältnisses und der persönlichen Verhältnisse der Klägerin, ausdrücklich ihr persönliches Erscheinen angeordnet (vgl. dazu auch Tipke/Kruse, a.a.O., § 91 FGO Tz. 9, m.w.N.). Der nach § 6 FGO zuständige Einzelrichter hat aufgrund der telefonischen Vereinbarung vom auch die mögliche Verhinderung der Klägerin am vorgesehenen Termin zur mündlichen Verhandlung am als sachlich ausreichend und glaubhaft (vgl. § 227 Abs. 3 ZPO) erachtet. Selbst wenn über das genaue weitere verfahrensmäßige Vorgehen möglicherweise Missverständnisse entstanden gewesen sein sollten, so war —was das FG im Zulassungsbeschluss in gleicher, zutreffender Weise gewertet hat— jedenfalls objektiv bereits aufgrund dieser eventuellen missverständlichen Absprache eine Vertagung geboten.
b) Nach § 119 Satz 1 Nr. 3 FGO ist das Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt. Wird einem Beteiligten, wie im Streitfall, die Möglichkeit verschlossen, sich zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt —dem Gesamtergebnis des Verfahrens i.S. des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO— zu äußern, so kann das Revisionsgericht das angefochtene Urteil auf seine sachlich-rechtliche Richtigkeit nicht überprüfen. Das Gesamtergebnis des Verfahrens i.S. des § 96 Abs. 1 FGO ist verfahrensrechtlich fehlerhaft Grundlage der Entscheidung geworden. Die angefochtene Entscheidung ist gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 43, unter 2. b der Gründe, m.w.N.).
Der BFH ist als Revisionsgericht auf die Prüfung des gerügten Verfahrensmangels beschränkt, ohne in der materiell-rechtlichen Streitfrage entscheiden zu dürfen. § 126 Abs. 4 FGO ist insoweit grundsätzlich nicht anwendbar (vgl. , BFHE 162, 534, BStBl II 1991, 242; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 126 Rz. 7).
Die für den absoluten Revisionsgrund nach § 119 Nr. 3 FGO in der Rechtsprechung für den Fall zugelassene Ausnahme, dass sich die Verletzung des rechtlichen Gehörs nur auf einzelne Feststellungen bezieht, auf die es für die Entscheidung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ankommen kann (vgl. dazu , BFHE 159, 112, BStBl II 1990, 386, m.w.N.), greift im Streitfall nicht ein.
Denn die sachlichen Einwendungen hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung von Betriebseinnahmen entsprechend § 11 Abs. 1 EStG, der für 1990 bereits entrichteten Umsatzsteuer und der durch die Umsatzsteuererklärung für 1991 abweichend von der vom FA im Schätzungswege ermittelten Umsatzsteuer (statt 1 243 DM nur 1 134 DM) können sich steuermindernd und damit entscheidungserheblich auswirken.
Soweit das FG allerdings zu Unrecht auch hinsichtlich der auf 0 DM lautenden Einkommensteuerfestsetzung für 1991 ein Sachurteil erlassen hat anstatt die Klage als unzulässig abzuweisen, hat der BFH nach § 126 Abs. 4 FGO die Revision mit der Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen (vgl. , BFHE 175, 7, BStBl II 1994, 859, unter II. 3. b und c der Gründe, m.w.N.), dass die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen wird.
Der BFH hat als Revisionsgericht das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen im finanzgerichtlichen Verfahren in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen, ohne insoweit an die Feststellungen des FG nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden zu sein. Nach § 40 Abs. 2 FGO muss der Kläger substantiiert seine Rechtsbeeinträchtigung durch den angefochtenen Steuerbescheid darlegen. Maßgebend für die objektive Klagebefugnis in diesem Sinne ist bei Steuerbescheiden (vgl. § 157 Abs. 2 1. Halbsatz AO 1977) die in dem Ausspruch enthaltene Steuerfestsetzung. In aller Regel ist danach eine Anfechtungsklage gegen einen Einkommensteuerbescheid, in dem die Steuerschuld auf 0 DM festgesetzt worden ist, unzulässig (vgl. , BFH/NV 1998, 1356, 1357, m.w.N.; vom I R 174/86, BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91, m.w.N.). Die Klägerin hat keinerlei Gesichtspunkte vorgetragen, wonach trotz einer auf 0 DM festgesetzten Steuerschuld ausnahmsweise dieser Steuerfestsetzung unzutreffend zugrunde gelegte Besteuerungsgrundlagen eine Rechtsverletzung auslösen könnten (vgl. dazu ausführlich Tipke/Kruse, a.a.O., § 40 FGO Tz. 41 ff., m.umf.N.).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. Auch wenn —wie hier— bei mehreren selbständigen Streitgegenständen der Rechtsstreit nur teilweise an das FG zurückverwiesen wird, so ist nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung dem FG die Entscheidung über die gesamten Kosten des Verfahrens zu übertragen (vgl. , BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462, unter Abschn. II. C. 8. der Gründe; Gräber/Ruban, a.a.O., § 143 Rz. 8, m.w.N.).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1125 Nr. 9
JAAAA-66947