BGH Beschluss v. - 4 StR 252/16

Vorenthalten von Arbeitsentgelt: Nichtabführung von Beiträgen für die betriebliche Altersvorsorge

Gesetze: § 266a Abs 3 StGB

Instanzenzug: LG Paderborn Az: 1 KLs 44/12

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die jeweils mit einer Verfahrensbeanstandung und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet sind. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2Die Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 3 StGB im Fall II.2 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Urteilsausführungen nicht hinreichend belegen, dass es sich bei den nicht abgeführten Beiträgen um Teile des den Arbeitnehmern zustehenden Arbeitsentgelts handelte.

31. Nach den Feststellungen waren die Angeklagten Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der W.       GmbH & Co. KG, die mit mehr als 500 Beschäftigten im Bereich der Herstellung, Veredelung und Bearbeitung von Glas zu Geschenkartikeln unternehmerisch tätig war. Für tarifgebundene Arbeitnehmer der W.       GmbH & Co. KG bestand die Möglichkeit, Beiträge an die ufba - Unterstützungskasse zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge e.V. zu leisten. Hierzu wurden seitens der Gesellschaft jeweils im Dezember eines Jahres vorschüssig für das Folgejahr pro Mitarbeiter 624 Euro des Weihnachtsgeldes einbehalten und bei der Unterstützungskasse für die Beschäftigten angelegt. Vor dem Hintergrund einer seit 2008 angespannten Liquiditätssituation bei der W.       GmbH & Co. KG unterließen die Angeklagten in Kenntnis ihrer Verpflichtungen bewusst die Abführung von Beiträgen in Höhe von ca. 157.000 Euro für das Beitragsjahr 2010, die grundsätzlich am hätten entrichtet werden müssen, deren Fälligkeit aber aufgrund einer mit der Unterstützungskasse getroffenen Vereinbarung bis August 2010 gestundet war. Ferner unterließen sie es, die betroffenen Mitarbeiter hierüber zu informieren, obwohl ihnen bewusst war, hierzu verpflichtet zu sein.

42. Die Strafvorschrift des § 266a Abs. 3 StGB, mit welcher der Gesetzgeber treuwidrige Verhaltensweisen des Arbeitgebers im Grenzbereich von Betrug und Untreue erfassen wollte (vgl. Entwurf der Bundesregierung für ein Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, BT-Drucks. 10/318, S. 13, 29), stellt das heimliche Nichtabführen von einbehaltenen Teilen des dem Arbeitnehmer zustehenden Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber unter Strafe. Erforderlich ist eine den Arbeitgeber treffende rechtliche Verpflichtung zur Abführung von Entgeltteilen des Arbeitnehmers an Dritte, die sich neben gesetzlichen Regelungen auch aus vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergeben kann (vgl. BT-Drucks. 10/318, S. 29; Perron in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 266a Rn. 13; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 266a Rn. 22a). Tatbestandlich geschützt sind ausschließlich Bestandteile des dem Arbeitnehmer zustehenden Entgelts. Zahlungen, die der Arbeitgeber aufgrund einer eigenen, wenn auch im Interesse der Arbeitnehmer bestehenden Beitragsverpflichtung zu erbringen hat, unterfallen dagegen nicht der Strafnorm des § 266a Abs. 3 StGB (vgl. BAG, NJW 2005, 3739, 3740; , juris Rn. 76). Ob sich die seitens des Arbeitgebers unterbliebene Erbringung vertraglich vereinbarter Leistungen zur Altersvorsorge als Nichterfüllung einer eigenen Beitragsverpflichtung des Arbeitgebers oder als Nichtabführung einbehaltener Entgeltteile des Arbeitnehmers darstellt, beurteilt sich nach dem - gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden - Inhalt der für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen einzel- und tarifvertraglich getroffenen Vereinbarungen (vgl. LAG Hamm aaO Rn. 77; , juris Rn. 111 ff.).

53. Die Ausführungen der Strafkammer im angefochtenen Urteil ergeben danach nicht hinreichend, dass es sich bei den von den Angeklagten nicht an die Unterstützungskasse abgeführten Beiträgen um Teile des den Beschäftigten zustehenden Arbeitsentgelts handelte. Zu den vertraglichen Vereinbarungen, die der für die tarifgebundenen Arbeitnehmer bestehenden Möglichkeit zugrunde lag, Beiträge zur Altersvorsorge an die Unterstützungskasse zu leisten, verhalten sich die Feststellungen des Urteils nicht. Soweit das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung pauschal auf entsprechende tarifvertragliche Vereinbarungen verweist, wird dies inhaltlich nicht näher ausgeführt. Auch der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ermöglicht keine eindeutige Beurteilung. So könnte die Feststellung, wonach pro Mitarbeiter vorschüssig für das Folgejahr 624 Euro des Weihnachtsgeldes einbehalten wurden, auf einen Entgeltcharakter der Beiträge hindeuten, während der Umstand, dass die W.       GmbH & Co. KG hinsichtlich der zu leistenden Beiträge Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen mit der Unterstützungskasse schloss, eher für eine eigene Beitragsverpflichtung der Gesellschaft spricht. Insgesamt vermag der Senat auf der Grundlage der bisherigen Urteilsausführungen nicht abschließend zu beurteilen, ob der Tatrichter zu Recht von einem Nichtabführen von Teilen des den Arbeitnehmern zustehenden Arbeitsentgelts ausgegangen ist.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:110417B4STR252.16.0

Fundstelle(n):
wistra 2017 S. 350 Nr. 9
NAAAG-50741