Gründe
I. In dem Revisionsverfahren…war die steuerrechtliche Anerkennung einer Pensionszusage im Rahmen eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses bei der Einkommensteuer 1984 bis 1986 streitig.
Der erkennende Senat hat in der Sitzung vom beschlossen, nach Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) zu entscheiden. Mit Verfügung vom wurden die Verfahrensbeteiligten hiervon unterrichtet und ihnen Gelegenheit gegeben, sich bis zum zu äußern. Die Verfügung ist dem Prozessvertreter der Kläger, Revisionskläger und Beschwerdeführer (Kläger) mit Postzustellungsurkunde am zugestellt worden. Mit auf den datiertem Schriftsatz, der laut Eingangsstempel beim Bundesfinanzhof (BFH) erst am eingegangen ist, bat der Prozessvertreter, die Äußerungsfrist bis zum Freitag, dem 15. Januar 2001 zu verlängern. Zur Begründung gab er an, zum Jahresende häuften sich im Maklerbüro des Klägers Außentermine und bei ihm sowie bei dem Steuerberater der Kläger berufsbedingte Abwesenheiten, sodass die notwendige Besprechung nicht mehr vor Weihnachten stattfinden könne. Anfang des Jahres 2001 müsse sich der Prozessvertreter einem kleineren chirurgischen Eingriff unterziehen, der einen Krankenhausaufenthalt von drei bis vier Tagen erforderlich mache. Die abschließende Besprechung werde danach stattfinden können.
Der erkennende Senat wies die Revision mit Beschluss vom nach Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG als unbegründet zurück und stellte das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift fest. Ergänzend bemerkte er, dem erst nach Ablauf der Äußerungsfrist am eingegangenen Antrag auf Fristverlängerung könne nicht entsprochen werden, zumal Hinderungsgründe bis zum Ablauf der Frist nicht vorgetragen worden seien.
Gegen den am abgesandten und am beim Prozessvertreter der Kläger eingegangenen Beschluss legte der Prozessvertreter namens der Kläger mit Telefax vom außerordentliche Beschwerde ein und bemerkte, die Ausführungen stellten zugleich Gegenvorstellungen dar.
Zur Begründung führt er aus, die in der Verfügung nach Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG gesetzte Frist stelle weder eine gesetzliche Frist noch eine richterliche Frist dar, bei deren Versäumung ausnahmsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Betracht komme.
Der angefochtene Beschluss verletze aber das Recht der Kläger auf rechtliches Gehör. Es handle sich um ein Verfahren ohne mündliche Verhandlung. In einem solchen Falle müsse das Gericht bis zum Erlass der Entscheidung eingehende Schriftsätze noch berücksichtigen, das heiße bis zur Ausfertigung durch den Urkundsbeamten.
Sie, die Kläger, hätten geltend gemacht, innerhalb der ihnen eingeräumten Frist von vier Wochen nicht abschließend zu den Überlegungen des Senats Stellung nehmen zu können. Die Revisionszulassung durch den Senat des habe ihnen ermöglicht, zu der in der Rechtsprechung und in der Literatur durchaus kontrovers behandelten Problematik, die im Endergebnis jedoch nicht so, wie vereinfachend in den ergänzenden Hinweisen zur Verfügung vom dargestellt, zu entscheiden sei, Stellung zu nehmen. Es liege auf der Hand, dass den Klägern unter Berücksichtigung der zur Entscheidung anstehenden Rechtsfragen ein längerer Zeitraum habe zur Verfügung gestellt werden müssen, um gemeinsam mit ihren Beratern darüber zu befinden, ob die Revisionen einfach zurückgenommen werden sollten, zumal sich seit der ersten Auseinandersetzung mit der Finanzverwaltung (1989) die Rechtsprechung weiterentwickelt und dies in die Überlegungen zu den Erfolgsaussichten habe mit einbezogen werden müssen.
Aus den im Schriftsatz vom genannten Gründen sei dies zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Die maßgebende Unterredung habe erst am stattgefunden, sodass sichergestellt gewesen sei, die Rückäußerung bis zu dem von dem Prozessvertreter der Kläger selbstgenannten Termin am abgeben zu können.
Prozessbeteiligte dürften darauf vertrauen, dass ihre Äußerungen innerhalb des normalen Postlaufs bei Gericht eingingen. Dieser betrage von Köln nach München einen Tag. Es sei deshalb nicht vorhersehbar gewesen, dass —wie jetzt dem angefochtenen Beschluss zu entnehmen sei— der Schriftsatz erst am beim BFH eingehen würde.
Da gegen den Beschluss kein gesetzliches Rechtsmittel mehr vorgesehen sei, er aber auf einer ”greifbaren Gesetzesverletzung” beruhe, nämlich einem Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, könne den Klägern nur auf diesem Wege die Möglichkeit verschafft werden, unter Aufhebung des Beschlusses sich zu der Mitteilung vom zu äußern.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleiste, dass alle Eingaben bis zum Erlass der Entscheidung zu berücksichtigen seien. Dabei sei davon auszugehen, dass die erbetene Fristverlängerung gewährt worden wäre.
Zu den rechtlichen Überlegungen haben sich die Kläger mit Schriftsatz vom im Einzelnen geäußert. Die Kläger beantragen sinngemäß, den Beschluss vom aufzuheben und über die Revision antragsgemäß neu zu entscheiden.
Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
II. Die außerordentliche Beschwerde ist unstatthaft und deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 132 FGO).
In gleicher Weise ist die gegen den nach Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG ergangenen Beschluss erhobene Gegenvorstellung unstatthaft und deshalb als unzulässig zu verwerfen.
1. In der Rechtsprechung des BFH wird eine außerordentliche Beschwerde ausnahmsweise dann in Betracht gezogen, wenn die angefochtene Entscheidung, die nach den gesetzlichen Vorschriften unaufhebbar ist, jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und mit der Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist. Dazu reicht weder, dass die angefochtene Entscheidung fehlerhaft ist, noch, dass wesentliche Verfahrensvorschriften nicht beachtet worden sind (vgl. , BFH/NV 1999, 1107, m.w.N.).
Indes entscheidet der BFH als Rechtsmittelgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des FG (vgl. § 36 Nr. 2 FGO). Vom Rechtsmittelsystem her scheidet mangels eines möglichen Devolutiveffekts gegen Entscheidungen eines letztinstanzlichen Gerichts das Rechtsmittel der Beschwerde aus (, BFH/NV 1999, 641; ferner zu dieser Unterscheidung , BFH/NV 1992, 765; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., Vor § 115 FGO Tz. 9).
2. a) Die gegen den die Revision der Kläger nach Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG als unbegründet zurückweisenden Beschluss vom erhobene Gegenvorstellung ist ebenso wenig statthaft.
Der Beschluss ist als Sachentscheidung materiell rechtskräftig geworden und weder abänderbar noch aufhebbar. Die Rechtskraft bindet nicht nur die Beteiligten, sondern auch das Gericht (vgl. , BFH/NV 1996, 774, m.w.N.).
b) Die Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung ausnahmsweise eine Abänderung von gerichtlichen Entscheidungen auf Gegenvorstellung hin erwägt, nämlich u.a. im Falle der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—), haben die Kläger bereits nicht hinreichend schlüssig dargetan (vgl. dazu BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 641).
aa) Richterliche Fristen wie die in Art. 1 Nr. 7 Satz 2 BFHEntlG vorgesehene Äußerungsfrist sind grundsätzlich bis zu ihrem Ablauf stets verlängerbar, wenn ”erhebliche Gründe” i.S. von § 224 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i.V.m. § 54 Abs. 2 FGO glaubhaft gemacht werden (, BFHE 130, 240, BStBl II 1980, 457, unter 3. der Gründe). Eine verlängerbare Frist kann auch noch nach ihrem Ablauf verlängert werden, sofern zumindest der Antrag vor Fristablauf wirksam gestellt worden ist. Hingegen ist ein erst nach Fristablauf bei dem Gericht eingegangenes Verlängerungsgesuch grundsätzlich nicht mehr berücksichtigungsfähig (grundlegend Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen beim Bundesgerichtshof —BGH— vom GSZ 1/81, BGHZ 83, 217).
Im Streitfall ist der auf den datierte Schriftsatz, mit welchem der Prozessvertreter der Kläger beim BFH eine Verlängerung der Äußerungsfrist bis zum beantragt hat, ausweislich des Eingangsstempels erst am dem BFH zugegangen und damit einen Tag nach Ablauf der dem Prozessvertreter der mit Postzustellungsurkunde am wirksam zugestellten Verfügung des Vorsitzenden des erkennenden Senats bis zum bestimmten Äußerungsfrist.
bb) Darüber hinaus ist eine Versäumung richterlicher Fristen grundsätzlich auch dann ohne nachteilige prozessuale Folgen, wenn die Handlung, für die die Frist gesetzt worden ist, noch vor der abschließenden Entscheidung des Gerichts über die Hauptsache nachgeholt worden ist (, BFH/NV 1998, 322, m.w.N). Ergeht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, so muss das Gericht Eingänge bis zu diesem Zeitpunkt, zu dem der Urkundsbeamte die Ausfertigung zur Zustellung hinausgibt, berücksichtigen.
Im Streitfall hat der erkennende Senat durch Beschluss nach Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG ohne mündliche Verhandlung entschieden. Die Ausfertigungen der Beschlüsse sind von der Senatsgeschäftsstelle am zur Zustellung durch die Post hinausgegeben worden. Der Schriftsatz vom , mit dem sich der Prozessvertreter der Kläger zur Sache geäußert hat, ist indes erst mit Telefax am dem BFH übermittelt worden.
cc) Wird eine richterliche Frist versäumt, so ist das Gericht der Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren, allerdings nicht allein deshalb schon enthoben, weil § 56 Abs. 1 FGO eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur bei versäumten gesetzlichen Fristen oder zumindest eine entsprechende Anwendung nur in besonders bestimmten Fällen richterlich gesetzte Ausschlussfristen, wie z.B. in § 62 Abs. 3 Satz 4 FGO oder in § 65 Abs. 2 Satz 3 FGO, vorsieht. Vielmehr ist das Recht auf Wiedereinsetzung als Ausprägung der Gewährleistung in Art. 103 Abs. 1 GG zu sehen, wonach jedermann vor Gericht Anspruch auf rechtliches Gehör hat. Es dient der Verwirklichung dieses Anspruchs. Dem liegt der allgemeine Gedanke zugrunde, dass ein Prozessbeteiligter den schweren prozessualen Nachteil, mit entscheidungserheblichem Vorbringen ausgeschlossen zu sein, dann nicht hinzunehmen braucht, wenn er schuldlos gehindert gewesen ist, entscheidungserhebliche Umstände rechtzeitig vorzubringen (vgl. , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1994, 673, m.w.N.; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl., § 57 Rz. 13; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl., § 57 Rz. 12).
Der Senat kann offen lassen, ob er generell eine entsprechende Anwendung des § 56 FGO in Fällen einfacher richterlicher Fristen oder zumindest mit dem BVerwG für atypische Sachverhalte bejaht. Denn im Streitfall hat der Prozessvertreter der Kläger zu keinem Zeitpunkt Wiedereinsetzungsgründe hinreichend substantiiert dargetan, geschweige denn glaubhaft gemacht.
Der Prozessvertreter hat lediglich abstrakt geltend gemacht, ein Prozessbeteiligter dürfe darauf vertrauen, dass seine Äußerungen innerhalb des normalen Postlaufs bei Gericht eingingen. Der normale Postlauf von Köln nach München betrage einen Tag, weshalb es nicht vorhersehbar gewesen sei, dass der Antrag auf Fristverlängerung vom erst am beim BFH eingehen werde.
Es trifft zu, dass nach ständiger Rechtsprechung der Bürger auf die normalen Postlaufzeiten vertrauen darf (vgl. , BFH/NV 1997, 34, 35, m.w.N.; , BFH/NV 1997, 291). Freilich treffen den Prozessbeteiligten gegen Ende einer noch laufenden Frist u.U. gesteigerte Sorgfaltspflichten, sodass er eine Beförderungsart wählen muss, die den rechtzeitigen Zugang des Fristverlängerungsantrags noch gewährleistet (vgl. , BFHE 148, 422, BStBl II 1987, 303, unter 1. b der Gründe).
Indes verlangt die Rechtsprechung auch, dass im Falle des verspäteten Eingangs eines angeblich fristgerecht abgesandten Schriftstückes die Tatsachen substantiiert vorgetragen werden, aus denen sich die rechtzeitige Absendung des fristwahrenden Schriftsatzes zur Post ergibt (vgl. BFH-Beschlüsse vom VII B 134/94, BFH/NV 1995, 704; vom VIII R 66/95, BFH/NV 1997, 137, 138, m.w.N). Diese Anforderung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in ständiger Rechtsprechung als verfassungskonform gebilligt (vgl. Beschlüsse des , Steuerrechtsprechung in Karteiform —StRK—, Finanzgerichtsordnung, § 56, Rechtsspruch 112; vom 1 BvR 1432/89, StRK, Finanzgerichtsordnung, § 56, Rechtsspruch 132; vom 2 BvR 1066/91, StRK, Finanzgerichtsordnung, § 56, Rechtsspruch 153).
Hierzu hat der Prozessvertreter der Kläger bis heute keinerlei für den Senat nachvollziehbare Angaben gemacht. Dies erscheint umso notwendiger, als auch der auf den datierte, den vorliegenden Rechtsbehelf betreffenden Schriftsatz sogar per Telefax erst am dem BFH übermittelt worden ist.
Schließlich ist zum Fristverlängerungsantrag selber anzumerken, dass der Prozessvertreter irgendwelche ”erheblichen Gründe” i.S. von § 224 Abs. 2 ZPO für eine Fristverlängerung zur Äußerung ebenfalls nicht schlüssig vorgetragen hat.
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich der Prozessvertreter namens der Kläger bereits mit Schriftsatz vom mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatte. Das beklagte FA hat mit Schriftsatz vom ebenfalls auf mündliche Verhandlung verzichtet. Insbesondere aber hat der Prozessvertreter keinerlei Gründe vorgetragen, weshalb er an einer Äußerung innerhalb der knapp vier Wochen betragenden Frist gehindert gewesen wäre, sondern hat lediglich allgemein begründet, weshalb eine Äußerung vor dem von ihm selbst benannten neuen Termin, nämlich dem , nicht möglich erscheine.
Richterliche Fristen sind aber so wenig wie gesetzliche Fristen einfach in der Weise unbeachtlich, dass die Beteiligten sie grundlos verstreichen lassen dürften, um anschließend eventuell einen begründeten Verlängerungsantrag zu stellen (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 130, 240, BStBl II 1980, 457, betreffend Auslandsaufenthalt während der ohnehin nur knapp bemessenen 14-tägigen Ausschlussfrist nach Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit; vgl. auch Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, Zivilprozeßordnung, 58. Aufl., § 224 Rz. 8, m.w.N., zu nicht beachtlichen Verlängerungsgründen).
3. Für die Gegenvorstellung sind mangels Gebührentatbestand im Gerichtskostengesetz keine Gerichtskosten zu erheben.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1421 Nr. 11
ZAAAA-66865