Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines Grundstücks mit einem 1986 umgebauten Haus. Im vorderen zur Straße gelegenen Teil befindet sich im Erdgeschoss eine an den Ehemann vermietete Arztpraxis. Der hintere Teil des Gebäudes ist im Erd- und Obergeschoss zu einer Wohnung umgebaut, die von der Familie der Klägerin genutzt wird. Das Obergeschoss über der Arztpraxis —ein Bodenraum— wurde nicht ausgebaut. Die Wohnung besitzt eine Wohnfläche von 211,06 qm (Erdgeschoss 103,74 qm, Dachgeschoss 89,32 qm, Anbau an den Wohnteil mit direktem Zugang zur Wohnung ca. 18 qm). Die Praxisfläche im Erdgeschoss beträgt 117,42 qm. Hinzu kommt ein Kellerraum unter den Praxisräumen in der Größe von 12 bis 15 qm.
Der Bodenraum über der Praxis ist in diesen Flächenberechnungen nicht enthalten. Er hat eine Größe von mehr als 100 qm und kann nur durch die Familienwohnung erreicht werden.
Durch Bescheid vom hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) auf den eine Wertfortschreibung durchgeführt. Diese wurde bestandskräftig. In dem Fortschreibungsbescheid hieß es u.a.: ”Die Grundstücksart wie bisher Einfamilienhaus”. Einen Antrag der Klägerin auf Artfortschreibung zum als gemischt genutztes Grundstück lehnte das FA durch Bescheid vom ab.
Mit der Klage wurde begehrt, unter Aufhebung des die Artfortschreibung ablehnenden Bescheids und der diesen bestätigenden Einspruchsentscheidung das beklagte FA zu verpflichten, das Grundstück auf den als gemischt genutztes Grundstück zu bewerten. Das Grundstück werde überwiegend zu anderen als Wohnzwecken genutzt. Es sei ein Ausbau des Bodenraums über den Praxisräumen für Zwecke der ärztlichen Praxis geplant. Die Umbaumaßnahmen seien bisher zwar nicht durchgeführt, jedoch werde der Bodenraum, der sich über den Praxisräumen befinde, von Anfang an für die Praxis als Abstellfläche genutzt. Das äußere Erscheinungsbild des Grundstücks spreche gegen eine Einordnung als Einfamilienhaus. Von der Straßenseite aus seien nur Praxisräume sowie Parkplätze für Patienten und Mitarbeiter zu sehen. Der Wohnbereich auf der Rückseite des Gebäudes trete völlig in den Hintergrund. Die 13 Praxisfenster seien alle mit Milchglas versehen. Das äußere Erscheinungsbild des gesamten Anwesens werde hauptsächlich von der Arztpraxis geprägt.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
Die Revision hat das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Mit der Revision wird Verletzung materiellen Rechts geltend gemacht. Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das FG angenommen, dass kein Anspruch der Klägerin auf eine Artfortschreibung besteht.
Das Grundstück der Klägerin ist am Stichtag als Einfamilienhaus (§ 75 Abs. 5 Satz 1 des Bewertungsgesetzes —BewG—) zu bewerten. Es ist ein Wohngrundstück, das nur eine Wohnung enthält.
Wird ein Wohngrundstück, das nur eine Wohnung enthält, zu öffentlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken mitbenutzt, so gilt es (auch dann) als Einfamilienhaus, wenn durch diese Mitbenutzung die Eigenart als Einfamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt wird (§ 75 Abs. 5 Satz 4 BewG). Das Gesetz bietet damit zwei Abgrenzungskriterien, nämlich zum einen den Begriff der ”Mitbenutzung” und zum anderen die dadurch verursachte wesentliche Beeinträchtigung der Eigenart des (Wohn-) grundstücks als Einfamilienhaus.
a) ”Mitbenutzung” i.S. des § 75 Abs. 5 Satz 4 BewG kann nur dann vorliegen, wenn die Nutzung zu anderen als Wohnzwecken nicht den Umfang der Nutzung zu Wohnzwecken erreicht bzw. übersteigt (vgl. , BFH/NV 1992, 644, und vom II R 61/87, BFHE 155, 128, BStBl II 1989, 135, m.w.N.). Dabei ist allein auf das Verhältnis der Nutzflächen abzustellen (vgl. , BFHE 148, 76, BStBl II 1987, 104).
Ausgehend von dem von ihm festgestellten Sachverhalt, an den der Senat im Revisionsverfahren gebunden ist, hat das FG richtig entschieden, dass im Streitfall das Grundstück der Klägerin überwiegend Wohnzwecken dient und damit nur eine Mitbenutzung zu freiberuflichen Zwecken vorliegt. Eine das Ausmaß der Wohnnutzung erreichende oder gar übersteigende Nutzung zu freiberuflichen Zwecken hätte im Streitfall nur dann vorgelegen, wenn der Bodenraum über den Praxisräumen im Erdgeschoss dem freiberuflich genutzten Teil des Gebäudes zuzurechnen gewesen wäre. Dies hat das FG ohne Rechtsverstoß verneint. Maßgeblich für die Beurteilung ist der tatsächliche Zustand und die tatsächliche Nutzung am Stichtag. Der von der Klägerin zu diesem Zeitpunkt lediglich geplante Um- bzw. Ausbau des Dachgeschossraums ist nicht zu berücksichtigen.
Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, scheidet eine Zuordnung des Bodenraums zur freiberuflichen Nutzung deshalb aus, weil er nur über die Wohnzwecken dienende Raumeinheit zugänglich ist. Es gelten hier dieselben Grundsätze wie in den vom Senat entschiedenen Fällen der Zuordnung eines innerhalb des Wohnbereichs belegenen häuslichen Arbeitszimmers (BFHE 155, 128, BStBl II 1989, 135) und des nur über die Praxisräume erreichbaren Wintergartens (, BFH/NV 1996, 789).
b) Ein Grundstück, das zu anderen als Wohnzwecken mitbenutzt wird, gilt nur dann nicht als Einfamilienhaus, wenn dadurch die Eigenart als Einfamilienhaus wesentlich beeinträchtigt wird. Diese Frage ist in erster Linie nach dem äußeren Erscheinungsbild des Grundstücks unter Berücksichtigung von bewertungsrechtlichen Einfamilienhäusern zu beantworten, die nicht zu öffentlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken mitbenutzt werden. Da der Begriff des Einfamilienhauses im bewertungsrechtlichen Sinn nicht ein von der Verkehrsanschauung bestimmter Begriff, sondern ein durch die Umschreibung in § 75 Abs. 5 BewG gekennzeichneter Rechtsbegriff ist, kann nicht von einer etwa bestehenden allgemeinen Vorstellung vom Erscheinungsbild eines Einfamilienhauses ausgegangen werden. Daraus folgt, dass eine dem Begriff des Einfamilienhauses entgegenstehende Mitbenutzung des Wohngrundstücks zu anderen als Wohnzwecken nach außen in der Weise hervortreten muss, dass sie die Eigenart des Grundstücks deutlich prägt, also in den Vordergrund tritt (BFH-Urteile in BFHE 155, 128, BStBl II 1989, 135, und vom II R 10/91, BFH/NV 1995, 94).
Die Auffassung des FG, dass im Streitfall die freiberufliche Mitbenutzung die Eigenart des Grundstücks nicht nach außen deutlich prägt, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das FG stützt sich insoweit insbesondere auf die Ergebnisse der Einnahme eines Augenscheins und auf Fotografien. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass weder das Vorhandensein von Parkflächen, noch ein Arztschild oder ein Fahrradständer zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Eigenart eines Einfamilienhauses führen (vgl. BFH in BFH/NV 1995, 94). Auch die besondere Gestaltung der Fenster im Erdgeschoss zur Straßenseite rechtfertigt diese Annahme nicht.
Auch durch die innere Gestaltung des Gebäudes wird die Eigenart als Einfamilienhaus im Streitfall nicht beeinträchtigt. Der Umstand, dass freiberuflich genutzte Räume baulich von der Wohnung getrennt sind und eine gewisse Selbständigkeit innerhalb eines äußerlich einheitlich erscheinenden Gebäudes aufweisen, führt nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Einfamilienhauscharakters.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 749 Nr. 6
SAAAA-66850