BFH Urteil v. - II R 62/99

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. 1991 schloss die A-GmbH drei im Wesentlichen wort- und inhaltsgleiche notariell beurkundete Verträge mit verschiedenen Vertragspartnern. Mit diesen Verträgen traten die als Zedenten bezeichneten Vertragspartner der als Zessionar bezeichneten GmbH ihre Ansprüche nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz —VermG—) hinsichtlich eines jeweils bezeichneten Grundbesitzes ab.

Die GmbH wurde durch bestandskräftig gewordene Entscheidungen des Amts zur Regelung offener Vermögensfragen in 1992 und 1993 Eigentümerin der in den Verträgen bezeichneten Grundstücke. Durch drei Grunderwerbsteuerbescheide vom setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) gegen die GmbH Grunderwerbsteuer fest. In den Bescheiden war als zu besteuernder Sachverhalt jeweils Bezug genommen auf die notariell beurkundeten Verträge. Zur Begründung berief sich das FA auf § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983. Die gegen die Steuerbescheide gerichteten Einsprüche wies das FA als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidungen bezogen sich jeweils auf die ”Veräußerung eines Restitutionsanspruchs”. Die Verpflichtung zur Abtretung eines Anspruchs auf Übereignung eines Grundstücks unterliege der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG 1983. Ursächlich für die spätere Übereignung auf die Abtretungsempfänger sei das Abtretungsgeschäft und nicht die (spätere) Entscheidung des Amtes über die Rückübertragung gewesen. Diese Erwerbe fielen nicht unter den Befreiungstatbestand des § 34 Abs. 3 VermG.

Mit der dagegen gerichteten Klage wurde geltend gemacht, dass die Abtretungen nicht der Grunderwerbsteuerpflicht unterlägen. Der Sachverhalt entspräche nicht demjenigen, der dem (BFHE 179, 174, BStBl II 1996, 27) zugrunde gelegen habe.

Über das Vermögen der GmbH wurde 1993 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet.

Das Finanzgericht (FG) hat den Klagen stattgegeben und die angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide aufgehoben. Der Erwerb von öffentlich-rechtlichen Rückübertragungsansprüchen nach dem VermG sei nicht grunderwerbsteuerbar, wohl aber der Übergang des Eigentums an den Grundstücken auf die GmbH durch die rechtskräftigen Entscheidungen des Amts zur Regelung offener Vermögensfragen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1983). Zu Gunsten des Klägers greife jedoch hinsichtlich dieser Erwerbsvorgänge die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 VermG in der bis zum geltenden Fassung ein. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1305 veröffentlicht.

Mit der dagegen gerichteten Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts geltend. Es beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klagen abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision des FA ist als unbegründet zurückzuweisen. Die Entscheidungsgründe ergeben zwar eine Verletzung bestehenden Rechts, die Entscheidung selbst stellt sich aus anderen Gründen aber als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Rechtsfehlerhaft hat das FG angenommen, dass die angefochtenen Bescheide rechtswidrig seien, weil es sich um zwar nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1983 steuerbare, nach § 34 Abs. 3 VermG jedoch von der Steuer befreite Rechtsvorgänge handele.

Dabei kann der Senat offen lassen, ob der Rechtsauffassung des FG zu folgen wäre, dass die Befreiung des § 34 Abs. 3 VermG a.F. auch anwendbar sei für nach § 31 Abs. 1 VermG erfolgende Erwerbe durch Berechtigte, die diese Rechtsposition aufgrund einer Abtretung im Wege der Einzelrechtsnachfolge erworben haben. Die Fehlerhaftigkeit der FG-Entscheidung ergibt sich daraus, dass das FG seiner Entscheidung Lebenssachverhalte zugrunde gelegt hat, die durch die angefochtenen Bescheide nicht erfasst worden sind. Die angefochtenen Bescheide des FA haben jeweils die notariell beurkundeten Verträge der Grunderwerbsteuer unterworfen. Die später erfolgten (positiven) Entscheidungen des Amtes für offene Vermögensfragen und der sich daraus gemäß § 34 Abs. 1 VermG ergebende Eigentumsübergang sind daher von den angefochtenen Steuerbescheiden nicht erfasst. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn das FA erstmals im Klageverfahren sich seinerseits auf diese Eigentumsübergänge berufen hat, denn die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts durch das FG (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist durch den Lebenssachverhalt begrenzt, dessen Besteuerung das FA mit dem angefochtenen Steuerbescheid erstrebt hat (, BFHE 125, 397, BStBl II 1978, 569).

2. Die vom FG ausgesprochene Aufhebung der angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen ist jedoch im Ergebnis rechtlich zutreffend.

Das FA hat mit den angefochtenen Bescheiden die in den notariell beurkundeten Erklärungen enthaltenen Abtretungen von Ansprüchen nach dem VermG der Grunderwerbsteuer unterworfen und dadurch die GmbH in ihren Rechten verletzt. Die angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide sind daher rechtswidrig. Die Abtretung eines Anspruchs nach dem VermG auf Rückübertragung des Eigentums an einem Grundstück unterliegt entgegen der Auffassung des FA nicht der Grunderwerbsteuer. Insbesondere wird dadurch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. 7 GrEStG 1983 nicht erfüllt. Danach unterliegt zwar ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines Übereignungsanspruchs begründet, der Grunderwerbsteuer, dieser Tatbestand umfasst jedoch nur die Abtretung rechtsgeschäftlich begründeter Ansprüche gerichtet auf rechtsgeschäftliche Übertragung des Grundstückseigentums nach §§ 873, 925 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die Abtretung eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs auf Übertragung von Eigentum durch Verwaltungsakt wird von diesem Tatbestand dagegen nicht erfasst. An dieser Rechtsauffassung, die bereits dem (BFHE 185, 63, BStBl II 1998, 159) zugrunde liegt, hält der Senat fest. Die angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide finden ihre Rechtfertigung auch nicht in einem anderen Tatbestand des § 1 GrEStG 1983. Insbesondere ist jeweils auch der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 nicht erfüllt. Durch die notariell beurkundeten Erklärungen sind —anders als nach dem Sachverhalt der dem (BFHE 179, 174, BStBl II 1996, 27) zugrunde lag— nicht zugleich Ansprüche auf zivilrechtliche Übertragung des Eigentums an den betreffenden Grundstücken begründet worden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1448 Nr. 11
BAAAA-66847