BFH Urteil v. - II R 48/99

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Durch Vertrag vom übertrug die Mutter (M) des Klägers, Revisionsbeklagten und Anschlussrevisionsklägers (Kläger) ihrem Sohn G, dem älteren Bruder des Klägers, unentgeltlich Geschäftsanteile an einer GmbH. M behielt sich den Nießbrauch an den Anteilen auf Lebenszeit vor. G war verpflichtet, nach Wegfall des Nießbrauchs für M seinen beiden Geschwistern, dem Kläger sowie seiner Schwester, bzw. deren Rechtsnachfolgern ”die bei Wegfall des Nießbrauches bestehenden und zukünftigen 'Netto'-Gewinnansprüche, die aus den Geschäftsanteilen fließen, für die gesamte Zeit, während derer G bzw. seine Gesamtrechtsnachfolger Inhaber der Geschäftsanteile sind, zu je ein Drittel abzutreten”. Für den Fall der Veräußerung der Geschäftsanteile oder im Falle der Liquidation der GmbH sollte der ”Netto"-Verkaufserlös zu je einem Drittel dem Kläger und seiner Schwester bzw. deren Gesamtrechtsnachfolgern unmittelbar zustehen.

M verstarb am ... Februar 1983. G beteiligte den Kläger und seine Schwester dem Übergabevertrag vom entsprechend mit je 1/3 an den Erträgen aus den Geschäftsanteilen. Der (durch § 16 des Bewertungsgesetzes in der vor dem geltenden Fassung —BewG— beschränkte) Jahreswert der dem Kläger zugeflossenen Erträgnisanteile betrug 197 629 DM.

Am veräußerte G sämtliche GmbH-Anteile und kehrte aus dem Verkaufserlös an den Kläger 1/3 des ”Netto"-Verkaufserlöses in Höhe von 10 902 982 DM aus. Der Kläger hat der zuständigen Erbschaftsteuerstelle diesen Erwerb nicht angezeigt. Diese erhielt erst 1993 durch einen Hinweis des Landesrechnungshofes hiervon Kenntnis.

Wegen einer ”Schenkung der M vom ” setzte der Beklagte, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gegen den Kläger durch Bescheid vom Schenkungsteuer in Höhe von 2 767 253 DM fest. Es ging dabei von zwei unterschiedlichen Schenkungen der M an den Kläger aus, nämlich von der Zuwendung des anteiligen Verkaufserlöses (Erwerb ”vom ”) einerseits sowie von der Zuwendung des Anspruchs auf die (anteiligen) Erträgnisse (Erwerb ”vom ”) andererseits. Den Erwerb des Anspruchs auf die anteiligen Erträgnisse erfasste das FA in einem gesonderten Bescheid, der auf Anfechtung des Klägers hin später wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung aufgehoben wurde.

Die Steuer für die Schenkung vom ermittelte das FA wie folgt:


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Nettoverkaufserlös (aus Verkaufskurs ermittelt):
12 373 333 DM
zuzüglich Vorschenkung ”vom ”:
 1 778 661 DM
./. Freibetrag:
    90 000 DM
steuerpflichtiger Erwerb:
14 061 900 DM
Steuer nach Steuersatz von 21 v.H.:
 2 952 999 DM
./. Anrechnungsbetrag für Vorschenkungen
   185 746 DM
festgesetzte Steuer:
 2 767 253 DM

Der Kläger hat gegen den Bescheid vom Einspruch eingelegt und, nachdem das FA hierüber nicht in angemessener Frist entschieden hatte, Untätigkeitsklage erhoben. Mit dieser hat er die ersatzlose Aufhebung des Bescheids beantragt, sich zur Begründung in erster Linie auf die Verjährung des Steueranspruchs berufen und hierzu ausgeführt, die Schenkung des anteiligen Verkaufserlöses sei bereits im Zeitpunkt des Todes der M im Jahre 1983 ausgeführt worden. Im Ergebnis hätten mit dem Tode der M die GmbH-Anteile allen Geschwistern zu gleichen Teilen zugestanden. Zuwendungsgegenstand sei deshalb ein einheitliches ”Stammrecht” gewesen. Im Übrigen sei von dem tatsächlich an den Kläger ausgezahlten (Netto-)Betrag in Höhe von 10 902 982 DM auszugehen und davon der Kapitalwert des dem Kläger zu diesem Zeitpunkt zustehenden ”Nießbrauchs” abzuziehen.

Das Finanzgericht (FG) hat den angefochtenen Bescheid abgeändert und die Steuer auf 912 295 DM herabgesetzt. Die Festsetzungsfrist sei zwar im Streitfall noch nicht abgelaufen, weil die Zuwendung des anteiligen Verkaufserlöses erst 1988 ausgeführt worden sei; die vom Kläger gegen G im Jahre 1988 erworbene Kapitalforderung sei aber —wie sich auch aus § 10 Abs. 3 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) in der früheren, durch Art. 18 des Steuerbereinigungsgesetzes (StBereinG) 1986 vom zuletzt geänderten Fassung (ErbStG 1974) ergebe— wegen des gleichzeitigen Wegfalls der Ansprüche auf die anteiligen Erträge (Kapitalwert im Veräußerungszeitpunkt: 5 727 475 DM) unter dem Nennwert mit nur 5 175 507 DM anzusetzen.

Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 912 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 10 Abs. 3 ErbStG 1974. Diese Vorschrift sei nur in den Fällen anzuwenden, in denen der bürgerlich-rechtliche Vermögensübergang wegen des Eintritts der Konfusions- bzw. Konsolidationswirkungen formal vollwertig, wirtschaftlich aber in der Person des Erwerbers beeinträchtigt sei. Eine Anwendung scheide hingegen aus, wenn ein bürgerlich-rechtlicher Konsolidationsgrund nicht gegeben sei, sondern der Rechtsanspruch aus anderen Gründen entfalle. Die Steuer berechne sich deshalb wie folgt:


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Nettoverkaufserlös
10 902 982 DM
zuzüglich Vorschenkung ”vom ” (zeitliche Nutzung des Gewinnbezugsrechts) Jahreswert: 197 629 DM x 4,873 (5 Jahre 10 Monate)
         963 441 DM
  ./. Freibetrag
      90 000 DM
  steuerpflichtiger Erwerb (gerundet)
  11 776 400 DM
  Steuer nach Steuersatz von 21 v.H.
   2 473 044 DM
  ./. Anrechnungsbetrag für Vorschenkungen
      96 344 DM
  festzusetzende Steuer:
   2 376 700 DM

Das FA beantragt, unter Änderung des die Schenkungsteuer auf 2 376 700 DM festzusetzen.

Der Kläger beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen und —im Wege der Anschlussrevision— unter Aufhebung des und des Schenkungsteuerbescheides die Steuer auf 0 DM herabzusetzen.

Er führt aus, das FG habe nicht berücksichtigt, dass die Bereicherung in Form des Nettoveräußerungserlöses aus den GmbH-Anteilen mit dem Verlust des ”Nießbrauchsanspruchs” in der Weise verknüpft gewesen sei, dass das Entstehen des einen Anspruchs den Untergang des anderen Anspruchs bewirkt habe. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sei keine Bereicherung anzunehmen, wenn man berücksichtige, dass das Gewinnbezugsrecht in den drei Jahren vor der Veräußerung der Anteile einen durchschnittlichen Wert von jährlich 2 309 258 DM gehabt habe. Im Übrigen könne bei der Berechnung der Steuer für die vormalige Zuwendung des Nutzungsrechts und die spätere Zuwendung des Surrogates der Vermögenssubstanz kein höherer Wert zugrunde gelegt werden als bei sofortiger Zuwendung der Substanz. Schließlich habe das FG § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974 i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Nr. 1 und § 170 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) verletzt, weil es zu Unrecht den Eintritt der Festsetzungsverjährung verneint habe. Maßgeblicher Zuwendungszeitpunkt sei der Zeitpunkt des Todes der M im Jahre 1983.

Das FA beantragt, die Anschlussrevision zurückzuweisen.

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abänderung der angefochtenen Steuerfestsetzung in dem vom FA beantragten Umfang (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Der Rechtsauffassung des FG, bei der Ermittlung der Bereicherung des Klägers, die dieser durch die Entstehung des Anspruchs auf 1/3 des Erlöses aus der Veräußerung der GmbH-Anteile durch G erlangt hat, sei unter entsprechender Anwendung des § 10 Abs. 3 ErbStG 1974 der Wert der ihm bis dahin zustehenden und durch die Veräußerung weggefallenen anteiligen Mitberechtigung an den Erträgnissen aus den Anteilen abzuziehen, kann nicht gefolgt werden.

Nach dem Übergabevertrag vom hat der Kläger u.a. für den Fall der Veräußerung der GmbH-Anteile einen (von diesem Ereignis abhängigen und damit aufschiebend bedingten) unmittelbar gegen G gerichteten Anspruch (vgl. § 330 Satz 2 des Bürgerlichen GesetzbuchesBGB—) auf 1/3 des Veräußerungserlöses erlangt. Hierdurch ist er auf Kosten der M, die dem mit der Auflage Beschwerten (G) die Zuwendung gemacht hat, und nicht auf Kosten des G, des mit der Auflage Beschwerten, i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974 bereichert worden. Denn G hatte die ihm auferlegte Leistung nur zu vollziehen (, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1963, 175), er handelte selbst aber nicht freigebig (, BFHE 171, 316, BStBl II 1993, 523).

Der das Vermögen des Klägers mehrenden Leistung steht keine erbschaftsteuerrechtlich anzuerkennende Gegenleistung des Klägers gegenüber, die —nach den insoweit maßgeblichen zivilrechtlichen Grundsätzen— die Annahme einer schenkungsteuerbaren Zuwendung ausschließen bzw. die Annahme einer gemischten Schenkung rechtfertigen könnte. Bereicherungsausschließend bzw. -mindernd auswirken kann sich nur eine (Gegen-)Leistung des Beschenkten, die mit der Leistung des Schenkers in einem rechtlichen Zusammenhang steht (vgl. Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, Stand 12/2000, § 7 ErbStG Rdnr. 61 a). Der durch die Veräußerung der GmbH-Anteile bewirkte Wegfall des Anspruchs des Klägers auf die Erträge aus den Anteilen stellte —entgegen der Auffassung des Klägers— keine Gegenleistung in diesem Sinne für den Erwerb des Anspruchs auf den anteiligen Veräußerungsgewinn dar. Es fehlt insoweit an einem rechtlichen Zusammenhang zwischen den beiden Leistungen. Bei dem Recht auf die anteiligen Erträge und dem Recht auf den anteiligen Veräußerungserlös handelt es sich um rechtlich unterschiedliche und voneinander rechtlich nicht abhängige Ansprüche. Der eine gewährte dem Kläger, ohne selbst Gesellschafter der GmbH oder dinglich an der Gesellschafterstellung (z.B. nach §§ 1068 ff. BGB) beteiligt zu sein, gegenüber seinem Bruder G die Teilhabe an den Erträgnissen aus den GmbH-Anteilen, der andere die Teilhabe am Erlös aus deren Veräußerung. Der Anspruch auf die Erträgnisse war einerseits aufschiebend bedingt durch den Wegfall des Nießbrauchs der M und auflösend bedingt durch die Veräußerung der Anteile seitens des G, während der Anspruch auf den Veräußerungsgewinn lediglich durch dasselbe Ereignis, welches auch zum Wegfall des Anspruchs auf die anteiligen Erlöse geführt hat, nämlich durch die Veräußerung der Anteile seitens des G, aufschiebend bedingt war. Die Ansprüche schlossen sich somit faktisch aus, ohne aber rechtlich miteinander verknüpft zu sein. Nicht der Erwerb des Anspruchs auf den Veräußerungserlös hat —wie das FG ausführt— den Wegfall des Anspruchs auf die Erträgnisse ”bewirkt”, sondern der Umstand, dass der Anspruch auf die Erträgnisse von vornherein durch den Verkauf der GmbH-Anteile auflösend bedingt war. Die vom Kläger dargelegten wirtschaftlichen Gesichtspunkte bzw. der sich aus den Umständen ergebende Wille der M, ihre drei Kinder gleichzustellen, widersprechen dieser zivilrechtlichen Einordnung der Vereinbarungen zwischen M und G nicht, insbesondere erfordert die von M beabsichtigte Gleichstellung nicht die Annahme eines ”einheitlichen Stammrechts”. Der Kläger hat im Hinblick auf den Wegfall seines Anspruchs auf die Erträgnisse für den Erwerb des Anspruchs auf den anteiligen Veräußerungserlös keine Gegenleistung erbracht, die schenkungsteuerrechtlich zu berücksichtigen wäre.

Auch aus § 10 Abs. 3 ErbStG 1974 ergibt sich entgegen der Auffassung des FG keine Grundlage für den Ansatz der vom Kläger gegen G im Jahre 1988 erworbenen Kapitalforderung unter dem (nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG maßgeblichen) Nennwert. Nach § 10 Abs. 3 ErbStG 1974 gelten die infolge des Anfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen. Erbschaft- und schenkungsteuerrechtlich sollen danach die zivilrechtlichen Folgen einer Konfusion bzw. Konsolidation nicht eintreten; die infolge der Konfusion/Konsolidation zivilrechtlich erlöschenden Rechtsverhältnisse sollen für die erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Beurteilung fiktiv als noch bestehend angesehen werden. Der Eintritt dieser Fiktionswirkung setzt aber voraus, dass durch eine Konfusion/Konsolidation Rechtsverhältnisse zivilrechtlich erlöschen. An dieser Voraussetzung fehlt es im Streitfall. In der Person des Klägers haben sich nicht Recht (Anspruch auf Erträgnisse aus der Beteiligung an der GmbH) und (mit der Gesellschafterstellung verbundene) Verbindlichkeit vereinigt. Der Kläger hat lediglich einen Anspruch auf den anteiligen, vom Gesellschafter G erzielten Verkaufserlös erlangt, nicht aber dessen Gesellschafterstellung. Der Anspruch auf die anteiligen Erträgnisse ist nicht als zivilrechtliche Folge einer Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit untergegangen, sondern ausschließlich deshalb, weil der Anspruch von Beginn an unter der auflösenden Bedingung der Veräußerung der Anteile durch G stand. Der Umstand, dass im Streitfall (zufällig) ein und dasselbe Ereignis auf zwei unterschiedliche, rechtlich selbstständige Ansprüche einwirkt, indem es den einen (auflösend bedingten) Anspruch beseitigt und den anderen (aufschiebend bedingten) Anspruch zur Entstehung gelangen lässt, rechtfertigt nicht die (analoge) Anwendung des § 10 Abs. 3 ErbStG 1974. Für die schenkungsteuerrechtliche Behandlung kann deshalb im Streitfall nicht fingiert werden, dass das Rechtsverhältnis hinsichtlich des Anspruchs auf die Erträgnisse fortbesteht und der Anspruch auf den Verkaufserlös hiermit ”belastet” ist.

2. Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet.

a) Soweit er geltend macht, es sei zu berücksichtigen, dass der Bereicherung durch den Erwerb des anteiligen Verkaufserlöses der Verlust des Anspruchs auf die Erträgnisse gegenüberstehe, kann dem aus den unter II. 1. dargelegten Gründen nicht gefolgt werden.

b) Der vom Kläger unter Hinweis auf die frühere Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom II R 41/77, BFHE 128, 401, BStBl II 1979, 740) vertretenen Rechtsauffassung, wonach der Besteuerung desjenigen, der zunächst das Nutzungsrecht an einem Vermögensgegenstand unentgeltlich erwerbe und dem anschließend innerhalb der Frist des § 14 ErbStG 1974 die Vermögenssubstanz selbst zugewandt werde, kein höherer Wert zugrunde zu legen sei als bei sofortiger Zuwendung der Substanz, kann nicht gefolgt werden. Diese Rechtsauffassung hat der (BFHE 187, 53, BStBl II 1999, 25) aufgegeben. Hieran wird festgehalten.

Der Hinweis des Klägers, der Streitfall weise Besonderheiten auf, weil der Erwerb des Nutzungsrechts und der spätere Erwerb der Vermögenssubstanz aus einem einheitlichen ”Stammrecht” zugewendet worden sei, trifft nicht zu. Denn der Kläger hat durch den ursprünglichen Übergabevertrag keine frei verfügbare Forderung gegenüber dem Zwischenbedachten (G), sondern lediglich Anwartschaftsrechte hinsichtlich untereinander rechtlich selbstständiger, aufschiebend bedingter Ansprüche gegen G erworben. Von der Zuwendung eines einheitlichen ”Stammrechts” kann hier deshalb keine Rede sein. Schenkungsteuerrechtlich führt die (unentgeltliche) Abtretung erst künftig entstehender Forderungen nicht zur Schenkungsteuerpflicht, auch wenn dem Erwerber dadurch geschützte (abtret-, vererb- und verpfändbare) Rechtspositionen (Anwartschaftsrechte) eingeräumt werden. Schenkungsteuerrechtlich relevant ist erst der nachfolgende Erwerb des Vollrechts, d.h. die Entstehung des unbedingten Anspruchs in der Person des Erwerbers, mit dem diesem die Rechtsposition zuwächst, die den Gegenstand einer solchen Schenkung bildet (, BFHE 189, 543, BStBl II 1999, 742). Gegenstand der Schenkung bilden im Streitfall zwei rechtlich selbstständige, an unterschiedliche Bedingungen geknüpfte Ansprüche, die auch schenkungsteuerrechtlich getrennt zu beurteilen sind.

c) Auch der Einwand des Klägers, die angefochtene Steuerfestsetzung sei nicht zulässig, weil die Festsetzungsfrist abgelaufen sei (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), ist unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Steuer nicht bereits im Zeitpunkt des Todes der M im Jahre 1983, sondern frühestens mit dem Eintritt der Bedingung für das Entstehen des Anspruchs auf den anteiligen Verkaufserlös im Jahre 1988 entstanden. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1974 entsteht die Steuer bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung. Ist —wie im Streitfall— der Anspruch auf den Zuwendungsgegenstand (hier: Geldforderung in Höhe von 1/3 des Nettoverkaufserlöses) aufschiebend bedingt, so ist unabhängig von der zivilrechtlichen Qualifizierung im Einzelnen (Schenkung unter Auflage, Vertrag zugunsten Dritter) die Schenkung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 2 ErbStG 1974) erst mit der tatsächlichen Entstehung dieses Anspruchs, d.h. mit dem Eintritt der Bedingung, von der die Entstehung des Anspruchs abhängig sein sollte, ausgeführt (BFH-Urteil in BFHE 171, 316, BStBl II 1993, 523). Die Steuer für den Erwerb des anteiligen Anspruchs auf den Verkaufserlös ist somit frühestens mit Ablauf des Jahres 1988 entstanden. Da der Erwerb des Klägers nicht angezeigt worden ist (§ 30 ErbStG 1974), hat nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 die Festsetzungsfrist nicht bereits mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO 1977), also mit dem Ablauf des Jahres 1988, sondern erst drei Jahre später mit dem Ablauf des Jahres 1991 begonnen. Im Zeitpunkt des Erlasses der hier angefochtenen Steuerfestsetzung vom war demnach die vierjährige (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977) Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen.

3. Die Sache ist spruchreif.

Der angefochtene Steuerbescheid vom ist zu ändern und die Steuer dem Revisionsantrag des FA entsprechend auf 2 376 700 DM festzusetzen.

Der Erwerb des Anspruchs auf den Veräußerungserlös seitens des Klägers ist als ”letzter Erwerb” i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 mit insgesamt 11 866 423 DM anzusetzen. Dabei ist die in der Person des Klägers im Jahre 1988 entstandene Forderung gegen G auf Zahlung des anteiligen Verkaufserlöses gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG mit ihrem Nennwert in Höhe von 10 902 982 DM zu berücksichtigen. Hinzuzurechnen ist ferner als ”früherer Erwerb” i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 der vom Kläger im Jahre 1983 ebenfalls von M erworbene Anspruch auf die Erträgnisse aus den GmbH-Anteilen u.z. ”nach seinem früheren Wert”. Maßgeblich ist insoweit der aus dem vom FG festgestellte und im Übrigen von den Beteiligten nicht bestrittene Jahreswert von 197 629 DM zu errechnende Kapitalwert (§ 13 BewG). Der Kläger wird in seinen Rechten jedenfalls nicht verletzt, soweit das FA (nach § 5 Abs. 2 BewG) bei seiner Ermittlung des Kapitalwerts lediglich die Zeitspanne von 5 Jahren und 10 Monaten berücksichtigt hat, während dem Kläger die anteiligen Erträgnisse aus den GmbH-Anteilen tatsächlich zugeflossen sind.

Der Berücksichtigung des Erwerbs aus dem Jahre 1983 nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 steht der Eintritt der Verjährung für den ”früheren Erwerb” nicht entgegen. Denn bei der Zusammenrechnung mehrerer innerhalb von 10 Jahren von derselben Person anfallender Vermögensvorteile mit dem letzten Erwerb sind die früheren Erwerbe unabhängig davon, ob für diese die Steuer richtig festgesetzt worden ist, mit den ihnen (damals) zukommenden richtigen Werten anzusetzen. Dem steht weder die Bestandskraft vorangegangener Steuerbescheide noch ein Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen, denn der steuerlichen Behandlung der früheren Erwerbe kommt nach dem Gesetz keine Bindungswirkung (etwa im Sinne von Grundlagenbescheiden) für die Steuerfestsetzung nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 für den letzten Erwerb zu. Durch § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 werden weder die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift trifft lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den (jeweils) letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist (, BFHE 156, 566, BStBl II 1989, 733 zu 2. b, und vom II R 121/88, BFHE 164, 107, BStBl II 1991, 522).

Nach Abzug des (hier noch maßgeblichen) Freibetrages von 90 000 DM ergibt sich nach der Zusammenrechnung beider Erwerbe ein steuerpflichtiger ”letzter Erwerb” i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974 in Höhe von abgerundet 11 776 400 DM. Die Steuer hierfür beträgt nach einem Steuersatz von 21 v.H. (Steuerklasse I) 2 473 044 DM. Abzuziehen ist hiervon die Steuer, welche für den früheren Erwerb zur Zeit des letzten zu erheben gewesen wäre (§ 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974). Eine zuvor tatsächlich falsch (zu hoch oder zu niedrig oder überhaupt nicht) festgesetzte Steuer ist nicht maßgeblich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 164, 107, BStBl II 1991, 522), sondern die fiktiv zu berechnende richtige Steuer, wobei für die Berechnung das zur Zeit des letzten Erwerbs geltende Recht anzuwenden ist (BFH-Urteil in BFHE 156, 566, BStBl II 1989, 733). Ausgehend von einem steuerpflichtigen früheren Erwerb des Klägers in Höhe von 963 441 DM beträgt die Steuer unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 90 000 DM hierfür 82 976 DM (873 400 DM x 9,5 v.H.). Die Steuer für den Erwerb des Anspruchs auf den Veräußerungserlös beträgt somit (abgerundet) 2 390 000 DM. Da der BFH über das Revisionsbegehren des FA nicht hinausgehen darf (vgl. § 121 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO), ist die Steuer dem Revisionsantrag des FA entsprechend niedriger auf 2 376 700 DM festzusetzen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1407 Nr. 11
IAAAA-66836