Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Streitig ist, ob ein den Klägern und Revisionsklägern (Kläger) zuzurechnendes Grundstück, das als Einfamilienhaus bewertet ist, im Sachwertverfahren zu bewerten ist. Die Sache befindet sich im II. Rechtszug.
Die Kläger erwarben 1975 ein Grundstück und bebauten es 1977 mit einem Wohnhaus und einer Garage. Im Untergeschoss des Gebäudes wurde ein Schwimmbad mit einer Wasseroberfläche von 28 qm eingerichtet. Die Herstellungskosten des Wohnhauses betrugen 684 179 DM und die Herstellungskosten für das Schwimmbecken 78 000 DM. Durch Einheitswertbescheid —Wertfortschreibung auf den — vom wurde der Einheitswert für das Grundstück auf 288 600 DM —Grundstücksart Zweifamilienhaus— festgestellt. Dieser Einheitswert war vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) im Sachwertverfahren ermittelt worden.
Am beantragten die Kläger eine Wertfortschreibung. Sie vertraten dabei die Auffassung, dass das Grundstück nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten sei.
Das FA erließ am nach mehrfacher Ortsbesichtigung einen berichtigten Einheitswertbescheid (Wert- und Artfortschreibung auf den ), mit dem es den Einheitswert nunmehr auf 263 100 DM und die Grundstücksart Einfamilienhaus feststellte. Der Einheitswert war nach wie vor nach dem Sachwertverfahren errechnet worden.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) im zweiten Rechtszug mit seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 688 veröffentlichten Entscheidung erneut ab. Es liege eine besondere Ausstattung des Hauses i.S. von § 76 Abs. 3 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) vor. Ein Schwimmbecken mit einer Wasserfläche von 28 qm sei allein noch nicht als eine besondere Ausstattung anzusehen. Eine besondere Ausstattung liege im Streitfall entgegen der Ansicht des FA auch nicht deshalb vor, weil das Gebäude Isolierverglasung, Natursteinplatten, Veloursteppichboden, einen Kamin und rustikale Echtholztüren mit gestalteten Zargen habe. Diese Ausstattungsmerkmale seien —unter gleichzeitiger Berücksichtigung eines Schwimmbeckens mit einer Wasseroberfläche von 28 qm— nur dann geeignet die Anwendung des Sachwertverfahrens zu rechtfertigen, wenn sie im Einzelfall zusammen mit den anderen Bauteilen bzw. ”Handwerkszweigen” eines Hauses zu einem Raummeterpreis führten, der mindestens 50 % über dem Raummeterpreis für normal ausgestattete Einfamilienhäuser liege. Den durchschnittlichen Raummeterpreis für normale Einfamilienhäuser veranschlage das FG aufgrund einer von ihm angestellten Berechnung mit 122 DM/qm, während sich für das im Streitfall zu bewertende Einfamilienhaus ein Raummeterpreis von 188 DM/qm ergebe. Dieser Raummeterpreis liege mehr als 50 % und damit deutlich über dem Durchschnittspreis für normale, im Ertragswertverfahren zu bewertende Einfamilienhäuser. Dies rechtfertige die Anwendung des Sachwertverfahrens. Vorsorglich stellte das FG fest: Die Wohnfläche betrage im Streitfall 191,11 qm. Die innere architektonische Anlage des Hauses sei entgegen der Ansicht des FA keine besondere Gestaltung i.S. des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG.
Mit der Revision machen die Kläger Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung festzustellen, dass das Grundstück der Kläger zum streitigen Stichtag nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten sei.
Das beklagte FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und hinsichtlich der Wertfortschreibung auch des angefochtenen Einheitswertsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung sowie zur Verpflichtung des beklagten FA, für das Einfamilienhaus der Kläger zum eine Wertfeststellung im Ertragswertverfahren vorzunehmen.
1. Das FG hat § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG rechtlich unzutreffend ausgelegt und zu Unrecht angenommen, dass das Einfamilienhaus der Kläger im Sachwertverfahren zu bewerten sei. Der Wert des Einfamilienhauses der Kläger ist vielmehr zum streitigen Stichtag nach dem Ertragswertverfahren zu ermitteln.
Nach § 76 Abs. 1 BewG wird der Wert von Einfamilienhäusern grundsätzlich im Ertragswertverfahren ermittelt. Ausnahmsweise erfolgt die Bewertung im Sachwertverfahren (§ 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG), und zwar dann, wenn sich das zu bewertende Objekt durch besondere Gestaltung oder Ausstattung wesentlich von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern unterscheidet. Dies ist eine Frage der Wertverhältnisse, deren Beantwortung unter dem Gebot der Maßgeblichkeit der Verhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt () des § 27 BewG steht (vgl. , BFHE 151, 88, BStBl II 1987, 841). Entscheidend ist, ob aus der Sicht des Hauptfeststellungszeitpunkts das Einfamilienhaus der Kläger sich i.S. des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG von den nach § 76 Abs. 1 BewG zu bewertenden Einfamilienhäusern wesentlich unterscheidet.
Diese Frage hat das FG im Streitfall mit Hilfe eines Vergleichs zwischen einem von ihm errechneten ”Durchschnittspreis für normale, im Ertragswertverfahren zu bewertende Einfamilienhäuser” und dem Raummeterpreis des im Streitfall zu beurteilenden Objekts beantwortet. Dem kann nicht gefolgt werden. Die in § 76 Abs. 3 Satz 1 BewG verwendeten Begriffe ”besondere Gestaltung”, ”besondere Ausstattung” und ”wesentliche Unterscheidung” sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die in jedem Einzelfall interpretiert und konkretisiert werden müssen. Für die nähere Ausfüllung (Konkretisierung) dieser Begriffe gilt als Richtschnur, dass nach dem Willen des Gesetzgebers das Sachwertverfahren nur in den Fällen angewendet werden soll, in denen es am Hauptfeststellungszeitpunkt keine ausreichenden vergleichbaren Grundstücke mit Mieteinnahmen gab (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 76 BewG Anm. 7, m.w.N.). Festzustellen ist daher zunächst, ob das zu beurteilende Objekt besondere Gestaltungs- oder Ausstattungsmerkmale aufweist, die es von der Mehrzahl der Einfamilienhäuser, gemessen an den Verhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt, unterscheidet. In einem weiteren gedanklichen Schritt ist dann abzuwägen, ob diese Merkmale zu einer wesentlichen Unterscheidung führen. Beide Subsumtionsschritte verlangen jeweils eine Wertung. Dies hat das FG nicht beachtet, so dass die Vorentscheidung aufzuheben ist. Der vom FG angewendete schematische Vergleich geschätzter Raummeterpreise lässt keine Wertung zu und ist daher mit § 76 Abs. 2 Satz 1 BewG nicht vereinbar.
2. Die Sache ist spruchreif.
Der angefochtene Einheitswertbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist hinsichtlich der Wertfortschreibung rechtswidrig und aufzuheben. Das beklagte FA hat den Wert für das Einfamilienhaus der Kläger zum streitigen Stichtag gemäß § 76 Abs. 1 BewG nach dem Ertragswertverfahren zu ermitteln.
Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt, an den der Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, liegen im Streitfall die Voraussetzungen des § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG für die Anwendung des Sachwertverfahrens nicht vor. Zutreffend geht das FG davon aus, dass keines der von ihm festgestellten herausgehobenen Ausstattungsmerkmale —also auch nicht das Schwimmbecken im Keller mit einer Wasseroberfläche von 28 qm— für sich allein eine Anwendung des Sachwertverfahrens rechtfertigte. Auch die rechtlich gebotene —vom FG aber nicht angestellte— Gesamtwürdigung aller festgestellten besonderen Ausstattungsmerkmale führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Ausstattungsmerkmale (insbesondere das Schwimmbecken mit 28 qm Wasseroberfläche, der einfach gestaltete offene Kamin und die Wohnfläche von 191 qm) führen nicht zu einer wesentlichen Unterscheidung des Einfamilienhauses der Kläger von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Einfamilienhäusern i.S. von § 76 Abs. 3 Satz 1 BewG. Herausgehobene besondere Gestaltungsmerkmale wurden vom FG nicht festgestellt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 583 Nr. 5
KAAAA-66831