BFH Beschluss v. - II B 83/00

Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) lud in einem Verfahren wegen Schenkungsteuer, das der angeblich Beschenkte angestrengt hat und mit dem er das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung bestreitet, gemäß § 60 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Beigeladene und Beschwerdeführerin (Beigeladene) als Schenkerin bei. Zur Begründung führte es aus, die rechtlichen Interessen der Beigeladenen seien berührt, weil gemäß § 20 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) auch der Schenker Steuerschuldner sei. Gegen den Beiladungsbeschluss wendet sich die Beigeladene mit der Beschwerde. Sie könne wegen fehlender Unterrichtung über den Streitstoff den Rechtsstreit nicht fördern.

II. Die statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beiladungsbeschlusses.

Gemäß § 60 Abs. 1 FGO kann das FG andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften. Diese sog. einfache Beiladung steht im Ermessen des Gerichts. Gleichwohl ist der Bundesfinanzhof (BFH) als Beschwerdeinstanz nicht auf die Prüfung beschränkt, ob das FG sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat —§ 102 FGO regelt die Überprüfbarkeit behördlichen Ermessens und ist nicht entsprechend anwendbar (vgl. auch § 113 Abs. 1 FGO, der die Vorschrift des § 102 FGO nicht erwähnt)—; vielmehr hat er eigenes Ermessen auszuüben (vgl. , BFH/NV 1992, 754, unter 2., sowie vom XI B 81/93, BFH/NV 1994, 187).

Eine einfache Beiladung kommt nur in Betracht, wenn aus den Steuergesetzen sich ergebende rechtliche Interessen des anderen dergestalt berührt werden, dass die anstehende Entscheidung die steuerliche Rechtslage des anderen verbessert oder verschlechtert (vgl. Kühn/Hofmann, Abgabenordung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl. 1995, § 360 AO 1977 Anm. 2 a; Spindler in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Anm. 33). Dies wird bei Gesamtschuldnern über das in § 60 Abs. 1 FGO genannte Beispiel eines Nebeneinander von Steuer- und Haftungsschuldner hinaus allgemein auch für die Fälle angenommen, bei denen jeder der Gesamtschuldner wie nach § 13 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 und nach § 20 ErbStG oder wie bei Miterben Steuerschuldner ist (vgl. Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 60 FGO Anm. 34; Kühn/ Hofmann, a.a.O.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Anm. 62). Da es sich —von Sonderfällen abgesehen— bei der Beiladung eines Gesamtschuldners um eine einfache Beiladung handelt, können aber, obwohl die rechtlichen Interessen des Gesamtschuldners, dessen Beiladung geprüft wird, berührt werden, Ermessenserwägungen dazu führen, von seiner Beiladung abzusehen.

Dies ist vorliegend der Fall. Die Beigeladene ist vor ihrer Beiladung nicht gehört worden. Sie hat jedoch unter Hinweis auf ihr hohes Alter gebeten, von einer Beiladung abzusehen. Unter diesen Umständen ist im Rahmen des Ermessens in Betracht zu ziehen, dass die Beiladung das Verfahren nicht fördern konnte. Soweit es darum ging, die Beigeladene zu den Umständen der vom FA angenommenen freigebigen Zuwendung zu hören, wäre es sachgerecht gewesen, die Beigeladene als Zeugin zu laden und wegen ihres hohen Alters auf die Möglichkeit einer Zeugeneinvernahme durch ein Mitglied des Senats als beauftragtem Richter gemäß § 81 Abs. 2 FGO —ggf. in der Wohnung der Beigeladenen, § 82 FGO i.V.m. § 375 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung (vgl. dazu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 59. Aufl. 2001, § 375 Anm. 10)— hinzuweisen.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 139 Abs. 4 FGO (vgl. , BFH/NV 1994, 482).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1275 Nr. 10
JAAAA-66801