Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist tschechischer Staatsangehöriger. Er wohnte im Streitjahr 1992 in Tschechien, war aber nichtselbständig im Inland tätig.
Der Kläger beantragte am unter Beifügung seiner Steuererklärung und unter Hinweis auf ”die besondere Grenzpendlerregelung”, die ”für Veranlagungszeiträume für Altfälle zu Anwendung” komme, für das Streitjahr die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung. Er erklärte einen Bruttoarbeitslohn von 22 465,79 DM, Werbungskosten von 9 132 DM und Unterstützungsleistungen an seine Ehefrau von 4 200 DM. Zugleich beantragte er im Hinblick auf die Frist in § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1990) und Abschn. 149 Abs. 3 Satz 3 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) lehnte die Durchführung der Veranlagung wegen Ablaufs der Fristen sowohl in § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG 1990 als auch in § 110 Abs. 1 und 3 der Abgabenordnung (AO 1977) ab.
Der dagegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 142 wiedergegebenen Gründen statt. Es verpflichtete das FA dazu, die Voraussetzungen des § 50 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 Buchst. a i.V.m. Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes 1990 i.d.F. des Grenzpendlergesetzes vom (BGBl I 1994, 1395) —EStG 1994— zu prüfen und ggf. eine Veranlagung durchzuführen.
Seine Revision begründet das FA mit Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung. Der Kläger hat für das Streitjahr keinen Rechtsanspruch auf Veranlagung.
1. Als Rechtsgrundlage für die Durchführung einer Veranlagung kommt im Streitfall § 50 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 Buchst. a i.V.m. Abs. 4 EStG 1994 in Betracht. Danach gilt die Einkommensteuer u.a. für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegen, abweichend von § 50 Abs. 5 Satz 1 EStG 1994 ausnahmsweise nicht durch den Steuerabzug (§ 41a i.V.m. § 39d EStG 1990) als abgegolten, wenn ein beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer, der die in § 50 Abs. 4 EStG näher bestimmten Voraussetzungen erfüllt, eine Veranlagung zur Einkommensteuer beantragt. Die durch das Grenzpendlergesetz in das Einkommensteuergesetz eingefügten Neuregelungen sind gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG 1994 grundsätzlich erstmals für den Veranlagungszeitraum 1994 anzuwenden. Abweichend davon ist § 50 Abs. 4 EStG 1994 gemäß § 52 Abs. 30 a Satz 2 EStG 1994 auch für Veranlagungszeiträume vor 1994 anzuwenden, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind oder eine bestandskräftige Entscheidung über einen vor dem gestellten Antrag auf Billigkeitsmaßnahmen noch nicht vorliegt. Allerdings bestimmt § 50 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 Buchst. a Satz 2 Halbsatz 2 EStG 1994 die sinngemäße Anwendung von § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG 1990, wonach der Antrag auf Durchführung einer Steuerveranlagung bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahres durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen ist.
2. Die von dem Kläger beantragte Steuerveranlagung für den Veranlagungszeitraum 1992 ist danach auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen nicht mehr durchzuführen. Die Steuererklärung ist erst am und damit nach Ablauf von zwei Jahren beim FA eingegangen.
Zwar hat der Senat durch Urteil vom I R 30/99 (BFHE 191, 102, BStBl II 2000, 657) zu der insoweit mit § 52 Abs. 30 a Satz 2 EStG 1994 vergleichbaren Übergangsvorschrift in § 52 Abs. 2 Halbsatz 1 EStG 1990 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 vom (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) —EStG 1996— entschieden, dass der Lauf der Zwei-Jahres-Frist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG 1990/1994/1996 für die rückwirkende Durchführung einer Veranlagung nach §§ 1 Abs. 3 und 1a Abs. 1 EStG 1996 erst mit dem regulären In-Kraft-Treten der Neuregelung in § 1a Abs. 1 EStG 1996 an zu laufen beginne. Gleichermaßen hat er in den Urteilen vom I R 107/99 (BFH/NV 2000, 1454) und vom I R 71/99 (BFH/NV 2001, 299) für die rückwirkende Antragsveranlagung gemäß § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 EStG 1996 aufgrund der Übergangsvorschrift in § 52 Abs. 31 Satz 1 EStG 1997 entschieden. Die in diesen Urteilen angeführten Erwägungen, derentwegen im Einzelnen auf das Senatsurteil in BFHE 191, 102, BStBl II 2000, 657 (dort unter II. 2. d der Entscheidungsgründe) verwiesen wird, sind für die Neuregelungen in § 52 Abs. 30 a Satz 2 i.V.m. § 50 Abs. 4 und Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 Buchst. a EStG 1994 und damit für den Streitfall indes nicht einschlägig:
Anders als dort lassen sich weder die Regelungswortlaute noch die Regelungszusammenhänge und die Regelungszwecke dieser Vorschriften (vgl. dazu Krabbe, Internationales Steuerrecht 1994, 377; Gierlich, Der Betrieb 1994, 1257) dafür anführen, die rückwirkende Anwendung der Antragsveranlagung auf Veranlagungszeiträume vor 1994 über den regulären Ablauf des in § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG 1990 bestimmten Zwei-Jahres-Zeitraumes hinaus auszudehnen und dessen Beginn hinauszuschieben. Dass auch durch diese Neuregelungen einer gemeinschafts- und verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung beschränkt Steuerpflichtiger mit ausschließlich oder fast ausschließlich im Inland steuerpflichtigen Einkünften vorgebeugt werden sollte, steht dem nicht entgegen. Denn den betroffenen Steuerpflichtigen wurde bereits nach der bis dahin geltenden Gesetzeslage unter den gegebenen Umständen ein Anspruch auf Steuererlass eingeräumt, durch den solchen gemeinschafts- und verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung getragen werden konnte (vgl. dazu Senatsurteil vom I R 219/82, BFHE 154, 38, BStBl II 1990, 701). Es trifft auch nicht zu, dass der Zwei-Jahres-Zeitraum in § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG 1990 dem Steuerpflichtigen von vornherein lediglich partiell zur Verfügung gestanden hätte, weil vom In-Kraft-Treten der Neuregelungen des Grenzpendlergesetzes an eine rückwirkende Veranlagung nur noch für den Veranlagungszeitraum 1993 hätte erreicht werden können. Vielmehr wäre es durchaus möglich gewesen, die Veranlagung für 1992 noch rechtzeitig zu beantragen. Infolgedessen kommt auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. § 110 AO 1977) in Betracht; es ist nichts ersichtlich oder dargetan, was den Kläger gehindert haben könnte, beizeiten einen Antrag auf Durchführung einer Veranlagung oder auch auf eine entsprechende Billigkeitsmaßnahme zu stellen.
3. Da das FG eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, war sein Urteil aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1023 Nr. 8
ZAAAA-66745