BFH Urteil v. - I R 75/99

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) brachte gemeinsam mit seinen beiden Brüdern zum ein vom verstorbenen Vater zu gleichen Teilen geerbtes Unternehmen durch Sachgründung ohne Aufdeckung stiller Reserven in eine kurz zuvor neu gegründete GmbH ein, bei der die Brüder ebenfalls zu jeweils gleichen Teilen am Stammkapital beteiligt waren. Die Anteile an der GmbH befanden sich im Privatvermögen der Brüder; sie waren i.S. von § 21 des Umwandlungssteuergesetzes 1977 (UmwStG 1977) einbringungsgeboren. Mit Gesellschafterbeschluss wurde die Betriebsaufgabe und Liquidation zum beschlossen, die Liquidation war am beendet.

Der Kläger erklärte für das Streitjahr 1994 den Liquidationserlös in Höhe von ... DM (ohne die Rückzahlung von Einlagen i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 des KörperschaftsteuergesetzesKStG—) zuzüglich der anrechenbaren Körperschaftsteuer in Höhe von ... DM, zusammen also in Höhe von ... DM, als nach § 16 Abs. 4 i.V.m. § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerlich begünstigten Gewinn aus Gewerbebetrieb. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) erfasste den Liquidationserlös hingegen als Einkünfte aus Kapitalvermögen und gewährte die Tarifbegünstigung nach § 34 EStG nicht (vgl. BStBl I 1978, 235 Tz. 61).

Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg; das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 1087 wiedergegeben.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Dem FG ist darin zu folgen, dass auch für jene Teile des Vermögens der liquidierten Kapitalgesellschaft, die bei dieser verwendbares Eigenkapital darstellen und nicht in den Teilbetrag gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG eingestellt sind, die Tarifbegünstigung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG 1977 i.V.m. §§ 16 Abs. 4, 34 Abs. 1 EStG zu gewähren ist.

Vom Bundesfinanzhof (BFH) ist durch Urteil vom VIII R 2/93 (BFHE 175, 243, BStBl II 1995, 705), auf welches im Einzelnen, um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen wird, entschieden worden, dass der Gewinn aus der Liquidation einer Kapitalgesellschaft bei ihrem Alleingesellschafter nach §§ 16 Abs. 4, 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 EStG steuerbegünstigt ist. Der erkennende Senat folgt dieser Betrachtungsweise auch für die Auskehrung von Erlösen aus der Liquidation einer Kapitalgesellschaft, die auf sog. einbringungsgeborene Anteile i.S. von § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1977 zurückzuführen sind. Ist der Eigner solcher Anteile, wie im Streitfall der Kläger, eine natürliche Person, ist hierauf § 34 Abs. 1 EStG anzuwenden (§ 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 1977), ”soweit die Rückzahlung nicht als Gewinnanteil gilt” (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG 1977). Die Voraussetzungen dieser Einschränkung sind für Liquidationsgewinne nicht erfüllt (ebenso z.B. Herzig, Betriebs-Berater —BB— 1981, 1143; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 21 Rz. 247; Hübl in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 21 UmwStG 1977 Rz. 96; Merkert in Bordewin/Brandt, Umwandlungssteuergesetz, § 21, Rz. 32; Herrmann in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, § 21 UmwStG Rz. 60; Haritz in Haritz/ Benkert, Umwandlungssteuergesetz, 1. Aufl., § 21 Rz. 221; Tulloch in Goutier/Knopf/Tulloch, Kommentar zum Umwandlungsrecht, § 21 UmwStG Rz. 21 ff.; a.A. z.B. Dehmer, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 2. Aufl., § 21 UmwStG Rz. 54; Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 41 KStG Rz. 56; Buyer in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, UmwStG Rz. 851 ff.).

”Gewinnanteile” sind, wie sich aus § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zweifelsfrei ergibt, (nur) bestimmte Anteile des Gesellschafters am laufenden Gewinn einer Kapitalgesellschaft. Bei Einkünften aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft handelt es sich hingegen nach der ausdrücklichen Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG um darin näher beschriebene ”Bezüge” des Anteilseigners. Belässt bereits die Wortlautauslegung des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG 1977 insoweit keine Ungewissheiten, weist das FG zusätzlich zu Recht auf die ergänzenden Regelungen hin, die in § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG für den Fall der Liquidation einer Kapitalgesellschaft enthalten sind. Kapitalauskehrungen sind danach bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nur anzusetzen, soweit diese nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG gehören. Eine vergleichbare Ergänzung ist in § 21 Abs. 2 Nr. 3 UmwStG 1977/1995 erst durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1997 mit erstmaliger Wirkung für Vorgänge nach dem eingefügt worden. Für die Zeiträume zuvor —und damit auch für das Streitjahr— ist demgegenüber noch von einer abweichenden Gesetzeslage auszugehen; die Tarifbegünstigung wurde hiernach lediglich für Gewinnanteile i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausgeschlossen. Angesichts der eindeutigen früheren Gesetzesfassung des § 21 Abs. 2 Nr. 3 UmwStG 1977 ist die spätere Änderung konstitutiv, nicht aber —wovon offenbar der Gesetzgeber in der amtlichen Gesetzesbegründung ausgegangen ist (vgl. die Begründung des Finanzausschusses des deutschen Bundestages zu § 16 EStG und § 21 UmwStG i.d.F. des JStG 1997, BTDrucks 13/5952)— eine lediglich klarstellende. Das Gesetz belässt keine Auslegungsräume (vgl. —mit weiteren, eingehenden Erwägungen zur historischen Entwicklung der Regelung— Herzig, BB 1981, 1143, 1144). Aus letztlich denselben Erwägungen kam für die im Streitjahr maßgebende Rechtslage auch keine analoge Anwendung von § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG in Betracht. Eine Regelungslücke, die es aus systematischer Sicht zu schließen gälte, bestand insoweit nicht. Zwar gibt die gesetzliche Regelung im letzten Halbsatz von § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG 1977 zu erkennen, dass eine ”Rückzahlung” entweder als (fiktiver) Veräußerungsgewinn oder aber als Einkünfte i.S. von § 20 Abs. 1 EStG behandelt werden soll, letzteres aber eben nur bei ”Gewinnanteilen” und damit bei solchen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Es besteht gleichermaßen keine Veranlassung, einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 Satz 1 der AbgabenordnungAO 1977—) anzunehmen. Die Inanspruchnahme von Rechtsfolgen, die im Gesetz selbst angelegt sind, schließt eine solche Annahme aus. Etwas anderes ergibt sich nicht aus den vom FA hervorgehobenen Ausführungen des BFH unter I. 1. b der Entscheidungsgründe in BFHE 175, 243, BStBl II 1995, 705. In dem dortigen Zusammenhang hat der BFH lediglich Überlegungen dazu angestellt, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Tarifbegünstigung in § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG vom Steuerpflichtigen ”künstlich” geschaffen worden sind. Solche Überlegungen verbieten sich im Streitfall schon deswegen, weil der Kläger nur die Konsequenzen gesetzlich vorgegebener Tatbestandsmerkmale beansprucht, nämlich die Tarifbegünstigung für Liquidationsgewinne, soweit diese auf sog. einbringungsgeborene Anteile an einer Kapitalgesellschaft zurückzuführen sind.

2. Was für die eigentlichen Liquidationserlöse gilt, gilt auch für das anrechenbare Körperschaftsteuer-Guthaben gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG. Es ist Teil der Gesamtdividende und erhöht dementsprechend den ausgeschütteten Gewinn ebenso wie den nach einer Liquidation ausgekehrten Betrag (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG; , BFHE 165, 206, BStBl II 1991, 877; in BFHE 175, 243, BStBl II 1995, 705). Folglich gebührt dem Kläger auch für diese Beträge die Tarifbegünstigung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UmwStG i.V.m. § 34 EStG. Unterschiede zu dem vom BFH in BFHE 175, 243, BStBl II 1995, 705 entschiedenen Fall der Liquidation einer Kapitalgesellschaft, an der eine im Betriebsvermögen gehaltenen 100%ige Beteiligung i.S. von § 16 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 EStG besteht, sind insoweit nicht ersichtlich. Hier wie dort geht es um die steuerliche Erfassung des Gewinns aus der Auflösung und der Liquidation einer Kapitalgesellschaft, die auch im Regelungszusammenhang des § 16 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 EStG zum Untergang der 100%igen Beteiligung an dieser Kapitalgesellschaft führen und die deshalb deren Veräußerung oder Aufgabe gleichwertig sind (, BFHE 155, 511, BStBl II 1991, 624).

Fundstelle(n):
DStRE 2000 S. 1194 Nr. 22
EAAAA-66739