EuGH Urteil v. - C-274/15

Luxemburgische Mehrwertsteuer bei Personenzusammenschlüssen

Instanzenzug:

Gründe

Zur Klage

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112

Zur Zulässigkeit des ersten Klagegrundes

- Vorbringen der Parteien

33Das Großherzogtum Luxemburg ist erstens der Auffassung, dass der erste Klagegrund als unzulässig zurückzuweisen sei, weil die Klageschrift der Kommission auf eine andere Rüge gestützt sei als die mit Gründen versehene Stellungnahme. Mit der Rüge in der mit Gründen versehenen Stellungnahme werde darauf abgestellt, dass die Großherzogliche Verordnung nicht die Möglichkeit ausschließe, dass Dienstleistungen eines Zusammenschlusses, die hauptsächlich oder sogar ausschließlich für steuerbare Umsätze bestimmt seien, befreit werden könnten. Dagegen beziehe sich die in der Klageschrift geltend gemachte Rüge darauf, dass die Großherzogliche Verordnung die Befreiung von Dienstleistungen erlaube, die von einem Zusammenschluss erbracht würden und nebenbei für steuerbare Umsätze seiner Mitglieder bestimmt seien.

34Das Großherzogtum Luxemburg bringt zweitens vor, die Kommission habe gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoßen, indem sie auf die Änderung der Großherzoglichen Verordnung im August 2012 nicht reagiert habe. Die Kommission hätte ihm ihre eventuellen Zweifel daran, dass diese Änderung die luxemburgische Regelung mit der Richtlinie 2006/112 vereinbar mache, mitteilen müssen und nicht während 18 Monaten schweigen dürfen, um schließlich am zu erklären, dass sie beschlossen habe, Klage zu erheben.

35Die Kommission macht geltend, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs keine völlige Übereinstimmung zwischen dem Wortlaut der Rügen in der mit Gründen versehenen Stellungnahme und dem der Anträge in der Klageschrift vorschreibe. Entgegen dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg habe die erste Rüge in der mit Gründen versehenen Stellungnahme und in der Klageschrift denselben Gegenstand und denselben Anwendungsbereich.

36In Bezug auf den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit meint die Kommission, sie sei allein für die Entscheidung zuständig, ob es nach dem Vorverfahren angebracht sei, den Gerichtshof anzurufen, um die angenommene Vertragsverletzung von diesem feststellen zu lassen. Es sei ihre Sache, den Zeitpunkt für die Erhebung der Vertragsverletzungsklage zu wählen, wobei sie an keine bestimmte Frist gebunden sei, ausgenommen die Fälle, in denen eine überlange Dauer des Vorverfahrens die Verteidigungsrechte verletzte, was vom betroffenen Mitgliedstaat zu beweisen sei.

- Würdigung durch den Gerichtshof

37Erstens ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gegenstand einer nach Art. 258 AEUV erhobenen Klage durch das in dieser Bestimmung vorgesehene Vorverfahren eingegrenzt wird. Daher muss die Klage auf die gleichen Gründe und das gleiche Vorbringen gestützt sein wie die mit Gründen versehene Stellungnahme. Dieses Erfordernis kann jedoch nicht so weit gehen, dass in jedem Fall eine völlige Übereinstimmung zwischen der Darlegung der Rügen im Tenor der mit Gründen versehenen Stellungnahme und in den Anträgen in der Klageschrift bestehen muss, sofern nur der Streitgegenstand, wie er in der mit Gründen versehenen Stellungnahme umschrieben ist, nicht erweitert oder geändert worden ist (Urteil vom , Kommission/Irland, C-85/11, EU:C:2013:217, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38Im vorliegenden Fall hat aber die Kommission den Streitgegenstand, wie er in der mit Gründen versehenen Stellungnahme umschrieben worden ist, weder erweitert noch geändert. Sie hat nämlich sowohl in der mit Gründen versehenen Stellungnahme als auch in der Klageschrift klar und deutlich angegeben, dass ihrer Ansicht nach die luxemburgischen Rechtsvorschriften Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 zuwiderliefen, da sie es erlaubten, Dienstleistungen eines Zusammenschlusses, die nicht unmittelbar für nicht steuerbare oder für steuerbefreite Tätigkeiten seiner Mitglieder notwendig seien, von der Steuer zu befreien.

39Zweitens ist es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Sache der Kommission, den Zeitpunkt für die Erhebung der Vertragsverletzungsklage zu wählen, den sie für geeignet hält. Die Erwägungen, die für diese Wahl bestimmend sind, können die Zulässigkeit der Klage nicht beeinflussen. Die Bestimmungen des Art. 258 AEUV sind anzuwenden, ohne dass die Kommission eine bestimmte Frist einhalten muss, sofern nicht ein Fall vorliegt, in dem eine zu lange Dauer des Vorverfahrens es dem betroffenen Mitgliedstaat erschweren könnte, die Argumente der Kommission zu widerlegen, und damit die Verteidigungsrechte verletzen würden. Der Nachweis einer solchen überlangen Dauer obliegt dem betroffenen Mitgliedstaat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kommission/Deutschland, C-591/13, EU:C:2015:230, Rn. 14).

40Es ist jedoch festzustellen, dass im vorliegenden Fall das Großherzogtum Luxemburg einen solchen Nachweis nicht erbracht hat.

41Außerdem bewirkt die Tatsache allein, dass der Mitgliedstaat seine Rechtsvorschriften nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, d. h. dem , geändert hat, nicht, dass die Kommission nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit daran gehindert wäre, nach diesem Zeitpunkt eine Vertragsverletzungsklage zu erheben.

42Folglich ist der erste Klagegrund zulässig.

Zur Begründetheit

- Vorbringen der Parteien

43Der Kommission zufolge definiere Art. 1 der Großherzoglichen Verordnung die Anwendungsvoraussetzungen von Art. 44 Abs. 1 Buchst. y des Mehrwertsteuergesetzes. Nach Art. 2 Buchst. a und Art. 3 der Großherzoglichen Verordnung seien die von einem Zusammenschluss an seine Mitglieder erbrachten Dienstleistungen unter der Voraussetzung von der Mehrwertsteuer befreit, dass die Mitglieder dieses Zusammenschlusses, die auch steuerbare Tätigkeiten ausführten, aus diesen Tätigkeiten einen Umsatz vor Steuern von bis zu 30 %, in bestimmten Fällen sogar bis zu 45 % ihres Gesamtumsatzes vor Steuern hätten. Somit beschränke die Großherzogliche Verordnung die Mehrwertsteuerbefreiung unter Verstoß gegen Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 nicht auf die von dem Zusammenschluss für unmittelbare Zwecke der nicht der Mehrwertsteuer unterliegenden oder der steuerbefreiten Tätigkeiten seiner Mitglieder erbrachten Dienstleistungen. Damit seien diese Dienstleistungen, da sie nicht die Voraussetzungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 erfüllten, gemäß Art. 2 Abs. 1 zu besteuern.

44Das Großherzogtum Luxemburg macht geltend, dass die Kommission mit ihrer Feststellung, dass die fragliche Befreiung nur Mitgliedern des Zusammenschlusses vorbehalten sei, die Tätigkeiten ausübten, die von der Mehrwertsteuer befreit seien oder dieser nicht unterlägen, Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 eine nicht darin enthaltene Voraussetzung hinzufüge. Für die Anwendung der in diesem Artikel geregelten Befreiung sei es eine ausreichende Voraussetzung, dass die Mitglieder eines Zusammenschlusses eine Tätigkeit ausübten, die von der Steuer befreit sei oder für die sie nicht Steuerpflichtige seien. Die Befreiung gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 sei aber nicht nur Mitgliedern des Zusammenschlusses vorbehalten, die ausschließlich eine solche Tätigkeit ausübten.

45Das Großherzogtum Luxemburg macht geltend, dass die luxemburgische Regelung, die vorsehe, dass die Mitglieder eines Zusammenschlusses steuerpflichtige Tätigkeiten im Umfang von 30 % des Umsatzes ausüben könnten, eine Regelung, die, wenn sie anderen Anwendungsvoraussetzungen unterworfen wäre, wirtschaftlich undurchführbar würde, praktisch anwendbar machen solle. Der Mitgliedstaat ist insoweit der Auffassung, dass die den Mitgliedern eines Zusammenschlusses über diesen entstandenen gemeinsamen Kosten Gemeinkosten darstellten. Zu verlangen, die Mehrwertsteuer auf von dem Zusammenschluss erbrachte Dienstleistungen, je nachdem, ob sie den den steuerbaren Tätigkeiten oder den den befreiten Tätigkeiten der Mitglieder zuzuordnenden Teil beträfen, unterschiedlich zu behandeln, sei im Hinblick auf die praktischen und administrativen Schwierigkeiten und Lasten, die ein solches Erfordernis verursache, unrealistisch.

46Das Großherzogtum Luxemburg weist außerdem darauf hin, dass in der Folge des Schreibens der Kommission vom die Großherzogliche Verordnung vom die Großherzogliche Verordnung durch Ergänzung von deren Art. 1 um einen neuen Absatz geändert habe.

- Würdigung durch den Gerichtshof

47Vorab ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, und dass später eingetretene Änderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden können (Urteil vom , Kommission/Portugal, C-398/14, EU:C:2016:61, Rn. 49).

48Im vorliegenden Fall lief die dem Großherzogtum Luxemburg gesetzte Frist, um seine Rechtsvorschriften mit der Richtlinie 2006/112 in Einklang zu bringen, am ab. Die Änderung von Art. 1 der Großherzoglichen Verordnung durch die Großherzogliche Verordnung vom erfolgte aber erst zu einem späteren Zeitpunkt. Diese Änderung ist daher für die Prüfung des ersten Klagegrundes nicht relevant.

49Somit ist zu prüfen, ob die Großherzogliche Verordnung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 zu vereinbaren ist, soweit sie vorsieht, dass die von einem Zusammenschluss an seine Mitglieder erbrachten Dienstleistungen von der Mehrwertsteuer befreit sind, sofern die Mitglieder dieses Zusammenschlusses, die auch steuerbare Tätigkeiten ausüben, mit diesen Tätigkeiten einen Umsatz vor Steuern erzielen, der 30 % bzw. in bestimmten Fällen 45 % ihres Gesamtumsatzes vor Steuern nicht übersteigt.

50Insoweit sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Begriffe, mit denen die in Art. 132 der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Mehrwertsteuerbefreiungen umschrieben sind, eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Die Auslegung dieser Begriffe muss jedoch mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht. Daher entspricht es nicht dem Sinn dieser Regel einer engen Auslegung, wenn die zur Umschreibung der in Art. 132 genannten Befreiungen verwendeten Begriffe so ausgelegt werden, dass sie den Befreiungen ihre Wirkung nehmen. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs hat nicht zum Ziel, eine Auslegung vorzuschreiben, die diese Befreiungen praktisch unanwendbar macht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Stichting Centraal Begeleidingsorgaan voor de Intercollegiale Toetsing, C-407/07, EU:C:2008:713, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51Nach dem Wortlaut von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 werden Dienstleistungen, die von selbständigen Zusammenschlüssen "von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist, oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind", an ihre Mitglieder "für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit" erbracht werden, unter bestimmten Voraussetzungen von der Steuer befreit. Aus dem Wortlaut der Bestimmung geht somit hervor, dass sie keine Befreiung für Dienstleistungen vorsieht, die nicht für unmittelbare Zwecke der Ausübung der von der Steuer befreiten Tätigkeiten der Mitglieder eines Zusammenschlusses erbracht wurden.

52Da solche Dienstleistungen nicht in den Anwendungsbereich der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 fallen, verlangt Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie, dass diese Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterworfen sind.

53Entgegen dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg nimmt diese Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiung nicht ihre Wirksamkeit. Insbesondere ist die Anwendung dieser Befreiung nicht auf Zusammenschlüsse beschränkt, deren Mitglieder ausschließlich eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind. So können die Dienstleistungen, die von einem Zusammenschluss erbracht werden, dessen Mitglieder auch steuerbare Tätigkeiten ausüben, in den Genuss dieser Befreiung kommen, allerdings nur, wenn diese Dienstleistungen unmittelbar für Zwecke der Tätigkeiten dieser Mitglieder erbracht werden, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind.

54Das Großherzogtum Luxemburg hat nicht dargetan, dass diese Voraussetzung die Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 praktisch unanwendbar machte. Zum einen sind, wie die Generalanwältin in Nr. 42 ihrer Schlussanträge bemerkt hat, die Dienstleistungen eines Zusammenschlusses an seine Mitglieder nicht notwendigerweise deren Gemeinkosten und damit der Gesamtheit aller ihrer Tätigkeiten zuzuordnen. Zum anderen hat das Großherzogtum Luxemburg nicht dargetan, aus welchem Grund es gegebenenfalls übermäßig schwierig für den Zusammenschluss sein sollte, seine Dienstleistungen - je nachdem, welchen Anteil die Tätigkeiten, die von der Mehrwertsteuer befreit sind oder für die seine Mitglieder keine Steuerpflichtigen sind, an der Gesamtheit der Tätigkeiten der Mitglieder haben - ohne Mehrwertsteuer in Rechnung zu stellen.

55Folglich läuft Art. 44 Abs. 1 Buchst. y des Mehrwertsteuergesetzes in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a und Art. 3 der Großherzoglichen Verordnung Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 zuwider. Der erste Klagegrund ist demnach begründet.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2, Art. 168 Buchst. a und Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112

Vorbringen der Parteien

56Die Kommission stellt erstens fest, dass gemäß Art. 4 der Großherzoglichen Verordnung die Mitglieder eines Zusammenschlusses, die mehrwertsteuerpflichtige Umsätze tätigten, berechtigt seien, von der von ihnen aufgrund dieser besteuerten Umsätze zu entrichtenden Mehrwertsteuer die dem Zusammenschluss in Rechnung gestellte oder für Gegenstände und Dienstleistungen, die er für die Zwecke seiner eigenen Tätigkeit erhalten hat, von dem Zusammenschluss geschuldete Mehrwertsteuer abzuziehen. Nach Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 dürfe aber die Mehrwertsteuer nur von dem Steuerpflichtigen, der Empfänger der mit der Mehrwertsteuer belasteten Lieferung oder Leistung sei, und nur von der Mehrwertsteuer, die dieser Steuerpflichtige selbst schulde, abgezogen werden.

57Zweitens macht die Kommission geltend, dass sich aus Art. 4 der Großherzoglichen Verordnung in Verbindung mit dem Verwaltungsrundschreiben ergebe, dass das Recht auf Vorsteuerabzug von den Mitgliedern des Zusammenschlusses ohne eine auf ihren Namen ausgestellte Rechnung ausgeübt werden dürfe, was gegen Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 verstoße.

58Das Großherzogtum Luxemburg bringt vor, dass gemäß dem Urteil vom , PPG Holdings (C-26/12, EU:C:2013:526), ein Steuerpflichtiger die Mehrwertsteuer auf Beträge abziehen dürfe, die ihm für Gegenstände oder Leistungen zugunsten einer anderen Einheit in Rechnung gestellt worden seien, sofern nachgewiesen werde, dass diese Beträge mit der steuerbaren Tätigkeit des Steuerpflichtigen in Zusammenhang stünden. Der Mitgliedstaat zieht hieraus den Schluss, dass für die Zuweisung des Rechts auf Vorsteuerabzug zu bestimmen sei, wer diese Kosten tatsächlich trage und ob diese Kosten eine Verbindung zu der steuerpflichtigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen habe. Insoweit macht er geltend, dass die Beträge und die mit ihnen verbundene Mehrwertsteuer, auch wenn sie formell dem Zusammenschluss in Rechnung gestellt würden, von den Mitgliedern des Zusammenschlusses entsprechend ihrer Beteiligung an diesem Zusammenschluss getragen würden.

59Darüber hinaus würde es den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzen, wenn dem zweiten Klagegrund der Kommission stattgegeben würde. Wenn nämlich den Mitgliedern des Zusammenschlusses das Recht auf Vorsteuerabzug versagt würde und dieser die Vorsteuer nicht geltend machen könne, trügen die Mitglieder zusätzliche Mehrwertsteuerkosten.

60In Bezug auf das Erfordernis des Besitzes einer Rechnung führt das Großherzogtum Luxemburg aus, der Gerichtshof habe in seinem Urteil vom , HE (C-25/03, EU:C:2005:241), einem Steuerpflichtigen das Recht auf Vorsteuerabzug zuerkannt, der nicht über eine Rechnung auf seinen eigenen Namen verfügt habe. Das Erfordernis, dass der Steuerpflichtige, der eine Befreiung beanspruche, im Besitz einer Rechnung sein müsse, sei im Wesentlichen dadurch gerechtfertigt, dass damit die Gefahr eines etwaigen doppelten Abzugs der Vorsteuer, von Steuerhinterziehungen oder Missbräuchen ausgeräumt werde. Da Zusammenschlüsse keinerlei Recht auf Vorsteuerabzug hätten, bestehe die Gefahr eines doppelten Abzugs dieser Steuer nicht.

Würdigung durch den Gerichtshof

61Vorab ist darauf hinzuweisen, dass aus der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Befreiung hervorgeht, dass der Zusammenschluss ein eigener, von seinen Mitgliedern verschiedener Steuerpflichtiger ist. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung selbst ergibt sich nämlich, dass der Zusammenschluss selbständig ist und dass er daher seine Dienstleistungen selbständig im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 2006/112 erbringt. Wenn es sich bei den Dienstleistungen des Zusammenschlusses nicht um Dienstleistungen handelte, die ein Steuerpflichtiger als solcher erbringt, unterlägen diese Dienstleistungen im Übrigen gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 nicht der Mehrwertsteuer. Sie könnten somit kein Gegenstand einer Befreiung wie der nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie sein, wie die Generalanwältin in Nr. 50 ihrer Schlussanträge festgestellt hat.

62Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist festzustellen, ob die Großherzogliche Verordnung Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2, Art. 168 Buchst. a und Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 zuwiderläuft, indem sie es den Mitgliedern eines Zusammenschlusses, die mehrwertsteuerpflichtige Umsätze erzielen, erlaubt, von der von ihnen aufgrund der besteuerten Umsätze zu entrichtenden Mehrwertsteuer die dem Zusammenschluss in Rechnung gestellte oder für Gegenstände und Dienstleistungen, die er für die Zwecke seiner eigenen Tätigkeit erhalten hat, von dem Zusammenschluss geschuldete Mehrwertsteuer abzuziehen.

63Erstens ist daran zu erinnern, dass zum einen gemäß Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 der Steuerpflichtige berechtigt ist, vom Betrag der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden, abzuziehen. Folglich läuft es dieser Bestimmung zuwider, den Mitgliedern eines Zusammenschlusses zu erlauben, vom Betrag der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen abzuziehen, die dem Zusammenschluss geliefert bzw. erbracht wurden.

64Diese Feststellung wird nicht durch das vom Großherzogtum Luxemburg angeführte Urteil vom , PPG Holdings (C-26/12, EU:C:2013:526), in Frage gestellt, in dem der Gerichtshof im Wesentlichen in den Rn. 24 bis 26 und 29 befunden hat, dass ein Steuerpflichtiger, der in Erfüllung einer ihm als Arbeitgeber nach nationalen Rechtsvorschriften obliegenden Verpflichtung einen Rentenfonds in Form einer rechtlich und steuerlich getrennten Einheit errichtet hat, zum Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt ist, die er für die Dienstleistungen bezüglich der Verwaltung und Bewirtschaftung dieses Rentenfonds entrichtet hat. Wie aus Rn. 25 dieses Urteils hervorgeht, hat nämlich der Steuerpflichtige selbst die fraglichen, mit der Mehrwertsteuer belasteten Dienstleistungen in Anspruch genommen, um die Verwaltung der Renten seiner Arbeitnehmer und die Vermögensverwaltung des für die Sicherstellung dieser Renten errichteten Rentenfonds zu gewährleisten. Es kann daher aus diesem Urteil nicht der Schluss gezogen werden, dass die Mitglieder eines Zusammenschlusses das Recht haben, die Mehrwertsteuer auf Gegenstände oder Dienstleistungen abzuziehen, die der Zusammenschluss erworben hat. Dieser allein kann allenfalls ein Recht auf Abzug dieser Mehrwertsteuer beanspruchen.

65Zum anderen ist das Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg in Bezug auf eine Verletzung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität zurückzuweisen. Gemäß diesem Grundsatz soll der Unternehmer durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden (Urteil vom , Landkreis Potsdam-Mittelmark, C-400/15, EU:C:2016:687, Rn. 35). Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet somit die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten, sofern diese Tätigkeiten grundsätzlich selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , PPUH Stehcemp, C-277/14, EU:C:2015:719, Rn. 27).

66Somit verstößt es nicht gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, den Mitgliedern eines Zusammenschlusses gemäß Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 ein Abzugsrecht für die Mehrwertsteuer zu verweigern, die von diesem Zusammenschluss im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen des Zusammenschlusses, die gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 steuerbefreit sind und somit keinerlei Abzugsrecht verleihen, gezahlt worden sind. Soweit ein solcher Zusammenschluss Dienstleistungen erbringt, die nicht steuerbefreit sind, steht dagegen gemäß dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität dem Zusammenschluss selbst das Recht auf Vorsteuerabzug für seine Eingangsumsätze zu, und nicht seinen Mitgliedern.

67Zweitens ergibt sich aus Art. 178 Buchst. a in Verbindung mit Art. 226 Nr. 5 und Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112, dass der Steuerpflichtige, um das Abzugsrecht ausüben zu können, eine Rechnung besitzen muss, die seinen Namen als Erwerber oder Dienstleistungsempfänger enthält. Indem es die luxemburgische Regelung den Mitgliedern eines Zusammenschlusses erlaubt, auf der Grundlage einer auf den Namen dieses Zusammenschlusses ausgestellten Rechnung die diesem in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer von der von ihnen selbst geschuldeten Mehrwertsteuer abzuziehen, verstößt sie somit gegen Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112.

68Das vom Großherzogtum Luxemburg angeführte Urteil vom , HE(C-25/03, EU:C:2005:241), ist in dieser Hinsicht nicht relevant, weil sich der Sachverhalt der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, stark von dem der vorliegenden Rechtssache unterscheidet. Insbesondere aus Rn. 81 des zitierten Urteils geht nämlich hervor, dass im Unterschied zu einem Zusammenschluss, der die Eigenschaft eines Mehrwertsteuerpflichtigen besitzt und dessen Mitglieder alle eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, die von der Miteigentümergemeinschaft zwischen Ehegatten gebildeten Gemeinschaft in der Rechtssache, in der das Urteil vom , HE (C-25/03, EU:C:2005:241), ergangen ist, selbst nicht die Eigenschaft eines Mehrwertsteuerpflichtigen hatte, und nur einer der Ehegatten eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübte.

69Im Übrigen ist allerdings festzustellen, dass die Kommission nicht dargetan hat, dass die fragliche luxemburgische Regelung Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/112 zuwiderläuft, der den Grundsatz aufstellt, dass die Mehrwertsteuer auf jeden Umsatz erhoben wird, ohne allerdings speziell das in Art. 167 und Art. 168 Buchst. a dieser Richtlinie unter den Voraussetzungen insbesondere von Art. 178 der Richtlinie garantierte Recht auf Vorsteuerabzug zu behandeln.

70Nach alledem läuft Art. 4 der Großherzoglichen Verordnung in Verbindung mit dem Verwaltungsrundschreiben, soweit es Art. 4 der Großherzoglichen Verordnung kommentiert, Art. 168 Buchst. a sowie Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 zuwider. Insoweit ist der zweite Klagegrund begründet. Im Übrigen ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 14 Abs. 2 Buchst. c und Art. 28 der Richtlinie 2006/112

Zur Zulässigkeit der dritten Rüge

- Vorbringen der Parteien

71Das Großherzogtum Luxemburg ist der Auffassung, dass der dritte Klagegrund als unzulässig zurückzuweisen sei, weil er allein auf das COBMA-Schreiben abstelle. Eine Vertragsverletzungsklage müsse eine Vertragsverletzung zum Gegenstand haben, die dem betreffenden Mitgliedstaat zuzurechnen sei. Die Kommission habe aber nicht dargetan, dass der COBMA kein Staatsorgan sei, das hoheitliche Befugnisse ausübe.

72Die Kommission macht geltend, dass der Wortlaut des COBMA-Schreibens zeige, dass die Administration de l'Enregistrement et des Domaines (Verkehrsteuer- und Domänenverwaltungsbehörde), die ein staatliches Organ sei, Koautor dieses Schreibens sei. Der Inhalt dieses Schreibens zeige, dass es sich nicht um bloße Empfehlungen oder Ratschläge an die Wirtschaftsteilnehmer handele, sondern dass es darum gehe, wie die Rechtsvorschriften in Bezug auf Zusammenschlüsse auf harmonisierte Weise auszulegen und anzuwenden seien. Jedenfalls entspreche das COBMA-Schreiben der allgemeinen Praxis der luxemburgischen Finanzverwaltung.

Würdigung durch den Gerichtshof

73Es ist daran zu erinnern, dass eine Verwaltungspraxis eines Mitgliedstaats Gegenstand einer Vertragsverletzungsklage sein kann, wenn es sich um eine in einem bestimmten Grad verfestigte und allgemeine Praxis handelt (Urteil vom , Kommission/Tschechische Republik, C-525/14, EU:C:2016:714, Rn. 14). Das Großherzogtum Luxemburg ist aber dem Vortrag der Kommission, dass das COBMA-Schreiben der allgemeinen Praxis der luxemburgischen Finanzverwaltung entspreche, nicht entgegengetreten.

74Folglich hat der dritte Klagegrund eine dem Großherzogtum Luxemburg zuzurechnende Vertragsverletzung zum Gegenstand. Die Einrede der Unzulässigkeit dieses Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

Zur Begründetheit

- Vorbringen der Parteien

75Die Kommission führt aus, dass nach dem COBMA-Schreiben die Belastung des Zusammenschlusses durch eines seiner Mitglieder mit Kosten, die diesem Mitglied im eigenen Namen aber für Rechnung des Zusammenschlusses handelnd entstanden sind, außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer erfolge.

76Nach Auffassung der Kommission fällt aber ein solcher Umsatz gemäß Art. 14 Abs. 2 Buchst. c und Art. 28 der Richtlinie 2006/112 in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Jeder Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen für Rechnung des Zusammenschlusses durch eines seiner Mitglieder im eigenen Namen sei mehrwertsteuerlich als zwei identische Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen anzusehen, die nacheinander erfolgen und in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen. Die Kommission stützt sich hierzu auf das Urteil vom , Henfling u. a. (C-464/10, EU:C:2011:489).

77Das Großherzogtum Luxemburg weist zunächst darauf hin, dass die gerügte Passage aus dem COBMA-Schreiben nicht Zusammenschlüsse mit eigener Rechtspersönlichkeit, sondern nur solche ohne Rechtspersönlichkeit betreffe.

78Der Mitgliedstaat macht geltend, dass die von der Kommission zwischen der Rechtssache, in der das Urteil vom , Henfling u. a. (C-464/10, EU:C:2011:489), ergangen sei und dem vorliegenden Fall hergestellte Analogie nicht relevant sei, weil die beiden Situationen grundlegend verschieden seien. Er stellt hierzu fest, dass ein Zusammenschluss ohne Rechtspersönlichkeit nicht selbständig handeln könne, sondern nur über ein Mitglied, das für Rechnung des Zusammenschlusses handele, und dass die Transaktionen zwischen dem Zusammenschluss und diesem Mitglied nicht unbedingt Transaktionen zwischen zwei getrennten Steuerpflichtigen seien. In diesem Zusammenhang zieht der Mitgliedstaat eine Parallele zu Investmentfonds im Sinne der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. 2009, L 302, S. 32), die ebenfalls nur über ihre Verwaltungsgesellschaft handeln könnten und daher vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer ausgeschlossen seien.

79Das Großherzogtum Luxemburg ist der Auffassung, das Verhältnis zwischen den Mitgliedern eines Zusammenschlusses und diesem Zusammenschluss könne nach Maßgabe der vertraglichen Bestimmungen des gebildeten Zusammenschlusses analog zu dem der Mitglieder eines Konsortiums sein, wie es der Gerichtshof im Urteil vom , EDM (C-77/01, EU:C:2004:243), beurteilt habe. In dieser Rechtssache habe der Gerichtshof befunden, dass die Arbeiten, die im Rahmen eines Konsortiums für dessen Rechnung von den einzelnen Mitgliedern durchgeführt werden, keine steuerbaren Umsätze seien.

- Würdigung durch den Gerichtshof

80Vorab ist in Bezug auf die gerügte Passage aus dem COBMA-Schreiben festzustellen, dass aus deren Wortlaut nicht zweifelsfrei hervorgeht, dass sie allein auf die Situation von Zusammenschlüssen ohne eigene Rechtspersönlichkeit abstellt, wie das Großherzogtum Luxemburg geltend gemacht hat. Die Passage "wenn eine direkte Beziehung zwischen dem Zusammenschluss und dem Dritten aus wirtschaftlichen oder rechtlichen Gründen nicht in Betracht kommt" dieses Schreibens deutet jedoch offenbar darauf hin, dass dies - wie die Kommission geltend macht - nicht der Fall ist. Jedenfalls aber hat die Frage, ob diese Passage auch auf Zusammenschlüsse mit Rechtspersönlichkeit abstellt, keine Auswirkungen auf die Prüfung des dritten Klagegrundes.

81Der dritte Klagegrund zielt nämlich auf die Situation ab, in der das Mitglied eines Zusammenschlusses Gegenstände oder Dienstleistungen in seinem Namen aber für Rechnung des Zusammenschlusses erwirbt.

82Wie aber aus Rn. 61 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ist der Zusammenschluss ein eigener Steuerpflichtiger, der von seinen Mitgliedern, die ebenfalls Steuerpflichtige sind, verschieden ist. Somit sind Umsätze zwischen dem selbständig handelnden Zusammenschluss und einem seiner Mitglieder als Umsätze zwischen zwei Steuerpflichtigen zu betrachten, die in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen. Die Argumentation des Großherzogtums Luxemburg, wonach Umsätze zwischen einem Zusammenschluss und einem seiner Mitglieder nicht unbedingt Umsätze zwischen zwei verschiedenen Steuerpflichtigen seien, weil der Erstgenannte nur über eines seiner Mitglieder handeln könne, und die in diesem Kontext gezogene Parallele zu Investmentfonds sind daher im vorliegenden Fall nicht relevant.

83Folglich handelt es sich bei der Belastung des Zusammenschlusses durch eines seiner Mitglieder mit Kosten, die diesem Mitglied im eigenen Namen aber für Rechnung des Zusammenschlusses handelnd entstanden sind, um einen Umsatz, der in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt.

84Art. 14 Abs. 2 Buchst. c und Art. 28 der Richtlinie 2006/112, deren Verletzung die Kommission im Rahmen der dritten Rüge geltend macht, bestätigen diese Feststellung.

85Art. 28 der Richtlinie 2006/112 bestimmt, dass Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, behandelt werden, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten.

86Diese Vorschrift begründet somit die juristische Fiktion zweier gleichartiger Dienstleistungen, die nacheinander erbracht werden. Gemäß dieser Fiktion wird der Wirtschaftsteilnehmer, der bei der Erbringung von Dienstleistungen hinzutritt und Kommissionär ist, so behandelt, als ob er zunächst die fraglichen Dienstleistungen von dem Wirtschaftsteilnehmer, für dessen Rechnung er tätig wird und der Kommittent ist, erhalten hätte und anschließend diese Dienstleistungen dem Kunden selbst erbrächte (Urteil vom , Henfling u. a., C-464/10, EU:C:2011:489, Rn. 35).

87Da Art. 28 der Richtlinie 2006/112 in den Titel IV ("Steuerbarer Umsatz") dieser Richtlinie fällt, fallen die beiden betreffenden Dienstleistungen in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer. Wenn demzufolge die Erbringung von Dienstleistungen, bei der ein Wirtschaftsteilnehmer hinzutritt, der Mehrwertsteuer unterliegt, fällt die rechtliche Beziehung zwischen diesem Wirtschaftsteilnehmer und dem Wirtschaftsteilnehmer, für dessen Rechnung er handelt, auch unter die Mehrwertsteuer (vgl. entsprechend Urteil vom , Henfling u. a., C-464/10, EU:C:2011:489, Rn. 36).

88Dieselben Erwägungen gelten für den Erwerb von Gegenständen aufgrund eines Vertrags über eine Einkaufskommission gemäß Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/112, der ebenfalls in den Titel IV der Richtlinie fällt. Diese Vorschrift begründet also die juristische Fiktion zweier gleichartiger Lieferungen von Gegenständen, die nacheinander erfolgen und die in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen.

89Wenn daher das Mitglied eines Zusammenschlusses in seinem Namen aber für Rechnung des Zusammenschlusses Gegenstände gemäß Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 oder Dienstleistungen gemäß Art. 28 der Richtlinie erwirbt, handelt es sich bei der Erstattung von damit verbundenen Kosten durch den Zusammenschluss um einen Umsatz, der in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt.

90Die vom Großherzogtum Luxemburg geltend gemachte Analogie zu der Rechtssache, in der das Urteil vom , EDM (C-77/01, EU:C:2004:243), ergangen ist, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Anders als das in dieser Rechtssache in Rede stehende Konsortium ist der Zusammenschluss nämlich, wie sich aus den Rn. 61 und 82 des vorliegenden Urteils ergibt, ein von seinen Mitgliedern verschiedener Steuerpflichtiger.

91Indem es vorsieht, dass die Belastung des Zusammenschlusses durch eines seiner Mitglieder mit Kosten, die diesem Mitglied im eigenen Namen aber für Rechnung des Zusammenschlusses handelnd entstanden sind, außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer liegt, verstößt das COBMA-Schreiben daher gegen Art. 14 Abs. 2 Buchst. c und Art. 28 der Richtlinie 2006/112; der dritte Klagegrund ist somit begründet.

92Nach alledem hat das Großherzogtum Luxemburg dadurch, dass es das Mehrwertsteuersystem für Zusammenschlüsse, wie erstens in Art. 44 Abs. 1 Buchst. y des Mehrwertsteuergesetzes in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a und Art. 3 der Großherzoglichen Verordnung, zweitens in Art. 4 der Großherzoglichen Verordnung in Verbindung mit dem Verwaltungsrundschreiben, soweit dieser Art. 4 darin kommentiert wird, und drittens im COBMA-Schreiben definiert, vorgesehen hat, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 132 Abs. 1 Buchst. f, Art. 168 Buchst. a, Art. 178 Buchst. a, Art. 14 Abs. 2 Buchst. c und Art. 28 der Richtlinie 2006/112 verstoßen.

Kosten

93Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Großherzogtum Luxemburg mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Großherzogtum Luxemburg hat dadurch, dass es das Mehrwertsteuersystem für selbständige Zusammenschlüsse von Personen, wie erstens in Art. 44 Abs. 1 Buchst. y des koordinierten Textes der Loi du 12 février 1979 concernant la taxe sur la valeur ajoutée in Verbindung mit Art. 2 Buchst. a und Art. 3 des Règlement grand-ducal du 21 janvier 2004 relatif à l'exonération de la TVA des prestations de services fournies à leurs membres par des groupements autonomes de personnes, zweitens in Art. 4 dieser Verordnung in Verbindung mit der Circulaire administrative n° 707, du 29 janvier 2004, soweit dieser Art. 4 darin kommentiert wird, und drittens im Schreiben vom der im Comité d'Observation des Marchés (COBMA) tätigen Arbeitsgruppe in Abstimmung mit der Administration de l'Enregistrement et des Domaines definiert, vorgesehen hat, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 132 Abs. 1 Buchst. f, Art. 168 Buchst. a, Art. 178 Buchst. a, Art. 14 Abs. 2 Buchst. c und Art. 28 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom geänderten Fassung verstoßen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Das Großherzogtum Luxemburg trägt die Kosten.

ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2017:333

Fundstelle(n):
QAAAG-48534