BFH Urteil v. - I R 18/00

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, reichte ihre Körperschaftsteuererklärungen für das Streitjahr 1995 am und für das Streitjahr 1996 am beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) ein. Aus den Erklärungen ergab sich, dass die Klägerin aufgrund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vom im selben Jahr für 1995 einen Gewinn in Höhe von 1 Mio. DM ausgeschüttet hatte. Für 1996 war eine Gewinnausschüttung in gleicher Höhe am beschlossen und am ausgezahlt worden.

Das FA setzte die Steuer durch Bescheide vom (für 1995) und vom (für 1996) erklärungsgemäß fest. Es errechneten sich —nach ausschüttungsbedingten Minderungen gemäß § 27 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von 285 715 DM (1995) und 285 714 (1996)— Körperschaftsteuern von 447 312 DM (1995) und von 166 390 DM (1996) und —nach Anrechnung von Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer und nach Abzug der geleisteten Vorauszahlungen— Erstattungsbeträge von 39 188 DM (1995) und 324 086 DM (1996). Den Festsetzungen der Zinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO 1977) legte das FA indes nicht diese Guthaben zugrunde, vielmehr —unter Hinweis auf § 233a Abs. 2 a i.V.m. Abs. 7 AO 1977 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1997 (JStG 1997) vom (BGBl I 1996, 2049, BStBl I 1996, 1523)— die um die Körperschaftsteuerminderungen gekürzten Beträge von 246 527 DM (1995) und von 38 372 DM (1996). Es ging davon aus, dass ein Gewinnverteilungsbeschluss ein rückwirkendes Ereignis darstelle, für das ein besonderer Zinslauf gelte (vgl. Bundesministerium der Finanzen —BMF—, Anwendungserlass zur AbgabenordnungAEAO— vom , BStBl I 1998, 630, 752, zu § 233a Tz. 10.). Zwar habe der Bundesfinanzhof —BFH— (Senatsurteil vom I R 60/98, BFHE 188, 542, BStBl II 1999, 634) für den erstmaligen Gewinnverteilungsbeschluss eine abweichende Auffassung vertreten. Dieses Urteil sei auch über den Einzelfall hinaus anzuwenden, allerdings nur dann, wenn der erstmalige Gewinnverteilungsbeschluss innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Wirtschaftsjahres gefasst werde, für das die Ausschüttung erfolge (, BStBl I 1999, 842). Daran fehle es im Streitfall.

Das FA setzte hiernach für 1995 —zunächst— für den Zeitraum vom bis zum Nachzahlungszinsen von 8 627 DM fest, die sich nach Ergehen eines geänderten Körperschaftsteuerbescheides am um 54 DM auf 8 573 DM verringerten. Für 1996 wurden für den Zeitraum vom bis zum Erstattungszinsen von 575 DM festgesetzt.

Die gegen die Zinsfestsetzungen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 339 wiedergegeben.

Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung von § 233a AO 1977.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das BMF ist dem Verfahren beigetreten; es hat keine Anträge gestellt.

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO 1977 sind Zinsen auf Steuern zu leisten, wenn die Festsetzung der Steuer zu einer Steuernachzahlung oder -erstattung führt. Maßgebend für die Zinsberechnung ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer einerseits und den anzurechnenden Steuerabzugsbeträgen, der anzurechnenden Körperschaftsteuer und den bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen andererseits (§ 233a Abs. 3 Satz 1 AO 1977), wobei der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO 1977).

Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO 1977) beruht, beginnt der Zinslauf abweichend hiervon 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist. Diese Abweichung ergibt sich aus der durch das Jahressteuergesetz 1997 in die Abgabenordnung eingefügten Regelung in § 233a Abs. 2 a AO 1977. In einem derartigen Fall ist der für die Zinsberechnung maßgebliche Unterschiedsbetrag in der Weise zu ermitteln, dass er in Teil-Unterschiedsbeträge mit jeweils gleichem Zinslaufbeginn aufzuteilen ist; für jeden Teil-Unterschiedsbetrag sind Zinsen gesondert und in der zeitlichen Reihenfolge der Teil-Unterschiedsbeträge zu berechnen, beginnend mit den Zinsen auf den Teil-Unterschiedsbetrag mit dem ältesten Zinslaufbeginn (§ 233a Abs. 7 Satz 1 AO 1977-JStG 1997). - Die gesetzlichen Neuregelungen finden erstmals in jenen Fällen Anwendung, in denen das rückwirkende Ereignis nach dem eingetreten ist (Art. 97 § 15 Abs. 8 des Einführungsgesetzes zur AbgabenordnungEGAO 1977— i.d.F. des JStG 1997).

Im Streitfall sind hiernach die sich aufgrund der Körperschaftsteuerfestsetzungen für 1995 und für 1996 ergebenden Steuerguthaben vom und vom an gemäß § 233a AO 1977 zu verzinsen. Zweifelhaft ist lediglich, ob nach Maßgabe des § 233a Abs. 2 a i.V.m. Abs. 7 Satz 1 AO 1977-JStG 1997 ein Teil-Unterschiedsbetrag errechnet werden muss, der den gemäß § 233a Abs. 1 AO 1977 berechneten Zinsbetrag reduziert. Dies ist mit der Vorinstanz zu verneinen.

Wie der erkennende Senat durch die Urteile in BFHE 188, 542, BStBl II 1999, 634, und vom I R 90/98 (BFH/NV 1999, 1448) entschieden hat, wird durch den Beschluss über eine offene Gewinnausschüttung für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr kein abweichender Zinslauf gemäß § 233a Abs. 2 a AO 1977 i.d.F. des JStG 1977 ausgelöst, wenn dieser Beschluss ein erstmaliger ist. Daran ist festzuhalten. Das FA hat ebenso wenig wie das dem Verfahren beigetretene BMF tragfähige neue Gesichtspunkte vorgebracht, die Anlass gäben, diese Urteile in Frage zu stellen. Letztlich hat sich die Finanzverwaltung der Senatsrechtsprechung angeschlossen und wendet diese grundsätzlich an, so dass es genügt, auf diese zu verweisen.

Voraussetzung für die Anwendung dieser Rechtsprechung soll nach Auffassung der Finanzverwaltung allerdings sein, dass der erstmalige Gewinnverteilungsbeschluss innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Wirtschaftsjahres gefasst wurde, für das die Ausschüttung erfolgt (BMF-Schreiben in BStBl I 1999, 842). Eine Begründung dafür erkennt das BMF darin, dass § 42a Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) entsprechende Zeitvorgaben macht, innerhalb derer die Gewinnausschüttung beschlossen werden soll; es sind dies die ersten acht Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres oder die ersten elf Monate bei kleineren Gesellschaften. In Orientierung an diesen Fristen sei die Beschränkung auf das nachfolgende Kalenderjahr ”als angemessener Zeitraum ausreichend”. Eine nach Ablauf der Fristen in § 42a GmbHG vorgenommene Gewinnausschüttung stehe ”wirtschaftlich einer Nachtragsausschüttung näher als einer fristgemäß vorgenommenen Ausschüttung”. An diese wirtschaftliche Betrachtung müsse sich auch die Verzinsung ”anlehnen”.

Dem ist nicht beizupflichten. Die handelsrechtlichen Erfordernisse betreffen in erster Linie die Richtigkeit der Bilanz und nicht die materielle Wirksamkeit des Gewinnverteilungsbeschlusses (vgl. Senatsurteil vom I R 38/89, BFHE 161, 443, BStBl II 1990, 998, m.w.N.). Im Übrigen stimmen Gesellschafts- und Steuerrecht darin überein, dass die Fristvorschriften für die Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses Ordnungsvorschriften sind. Wird gegen diese verstoßen, wird die Ordnungsmäßigkeit dieses Beschlusses nicht in Frage gestellt. Auch ein verspäteter Beschluss ist daher ein ”den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechender” (Senatsurteil in BFHE 161, 443, BStBl II 1990, 998, m.w.N.; Frotscher in Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, § 8 KStG Rz. 112, § 27 KStG Rz. 135, Abschn. 77 Abs. 2 Satz 3 der Körperschaftsteuer-RichtlinienKStR— 1995). Ohnehin ist es für die Rechtsfolge des § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG ohne Bedeutung, wann die Ausschüttung durchgeführt wird. Bei einem verspäteten Abfluss der Gewinnausschüttung richtet sich die Zuordnung der ausschüttungsbedingten Körperschaftsteueränderungen nicht nach dem Abflusszeitpunkt, vielmehr —wie sonst auch— nach dem Zeitraum, für den ausgeschüttet wurde. Auf der anderen Seite ist der Klägerin darin Recht zu geben, dass die Gewinnausschüttung erst verwirklicht und dass die Ausschüttungsbelastung erst herzustellen ist, wenn bei der Körperschaft tatsächlich entsprechende Mittel abgeflossen sind (vgl. z.B. , BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460; vom I R 142-143/85, BFHE 156, 484, BStBl II 1989, 636; Abschn. 77 Abs. 6, Abschn. 78 Abs. 1 Satz 2 KStR 1995). Auch daran erweist sich, dass der Zeitpunkt, in dem die Gewinnausschüttung beschlossen wird oder werden soll, für die körperschaftsteuerrechtliche Behandlung der Ausschüttung unbeachtlich ist.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
MAAAA-66719