Rechtsfrage
1. Ist Art. 143 Abs. 2 der MwSt-Richtlinie dahin auszulegen, dass die Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats die Anwendung der in Art. 143 Abs. 1 Buchst. d dieser Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung nicht allein deshalb ablehnen darf, weil die betreffenden Gegenstände zum Zeitpunkt der Einfuhr dazu bestimmt waren, an einen Mehrwertsteuerpflichtigen geliefert zu werden, dessen MwSt-Identifikationsnummer daher in der Einfuhranmeldung angegeben war, später jedoch nach einer Änderung der Umstände zu einem anderen Steuerpflichtigen (Mehrwertsteuerpflichtigen) befördert wurden, wobei die Behörden vollständig über die Identität des tatsächlichen Käufers informiert wurden?
2. Kann Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der MwSt-Richtlinie unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles dahin ausgelegt werden, dass Dokumente, deren Inhalt nicht widerlegt worden ist (e-VD-(elektronisches Verwaltungsdokument) Frachtbriefe sowie e-EB-(elektronischer Empfangsbericht) Bestätigungen) und die bestätigen, dass die Gegenstände aus einem Zolllager im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats in ein Zolllager in einem anderen Mitgliedstaat verbracht wurden, als hinreichender Nachweis dafür angesehen werden können, dass die Gegenstände in einen anderen Mitgliedstaat befördert wurden?
3. Ist Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der MwSt-Richtlinie dahin auszulegen, dass die Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats die Anwendung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Steuerbefreiung nicht ablehnen darf, wenn der Käufer der Gegenstände die Verfügungsmacht über Letztere nicht unmittelbar, sondern über die von ihm benannten Personen (Beförderungsunternehmen/Zolllager) erlangt hat?
4. Steht eine Verwaltungspraxis, wonach der Begriff "Übertragung der Verfügungsmacht" und die Anforderungen für den Nachweis einer solchen Übertragung unterschiedlich ausgelegt werden, je nachdem, ob Art. 167 oder Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der MwSt-Richtlinie anwendbar ist, im Widerspruch zu den Grundsätzen der Neutralität der Mehrwertsteuer und des Vertrauensschutzes?
5. Gilt der Grundsatz des guten Glaubens bei der Erhebung der Mehrwertsteuer auch für das Recht auf Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer (nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der MwSt-Richtlinie) in einem Fall wie dem Ausgangsverfahren, d. h., wenn die Zollverwaltung einem Steuerpflichtigen das Recht auf Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer mit der Begründung versagt, die Voraussetzungen für eine Weiterlieferung der betreffenden Gegenstände innerhalb der Europäischen Union (Art. 138 der MwSt-Richtlinie) seien nicht erfüllt?
6. Ist Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der MwSt-Richtlinie dahin auszulegen, dass diese Bestimmung einer Verwaltungspraxis der Mitgliedstaaten entgegensteht, wonach die Annahme, dass i) die Verfügungsmacht nicht auf einen bestimmten Vertragspartner übertragen wurde und ii) dem Steuerpflichtigen eine etwaige Mehrwertsteuerhinterziehung seines Vertragspartners bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, darauf beruht, dass der Steuerpflichtige mit seinen Vertragspartnern in elektronischer Form kommunizierte und die Steuerprüfung durch die Verwaltung ergab, dass seine Vertragspartner unter den angegebenen Geschäftsadressen nicht auffindbar waren und keine Mehrwertsteuer für die mit ihm getätigten Umsätze erklärt hatten?
7. Ist Art. 143 Abs. 1 Buchst. d der MwSt-Richtlinie dahin auszulegen, dass, obwohl es dem Steuerpflichtigen obliegt, den Anspruch auf eine Steuerbefreiung darzutun, dies nicht bedeutet, dass die zuständige Behörde, die darüber zu entscheiden hat, ob die Verfügungsmacht übertragen wurde, nicht verpflichtet wäre, Auskünfte einzuholen, die nur Behörden erteilt werden?