Betriebliche Altersversorgung - Hinterbliebenenversorgung - Tarifauslegung
Gesetze: § 4 Abs 5 TVG
Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 19 Ca 4518/14 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 6 Sa 199/15 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über eine betriebliche Hinterbliebenenrente.
2Der im Juli 1932 geborene und im Dezember 2011 verstorbene Ehemann der Klägerin war von 1956 bis zum Eintritt in den Ruhestand zuletzt als Flugkapitän für die Beklagte tätig. Er war Mitglied der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit e. V. (im Folgenden VC). Die Beklagte ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e. V. (im Folgenden AVH). Das bei der Beklagten für das Cockpitpersonal jeweils geltende Tarifrecht fand auf das Arbeitsverhältnis auch kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung.
3Der verstorbene Ehemann der Klägerin bezog nach der Vollendung des 65. Lebensjahrs auf der Grundlage der bei der Beklagten geltenden Tarifverträge ab dem eine Betriebsrente iHv. zuletzt 2.552,63 Euro brutto monatlich. Die Ehe der Klägerin mit dem Verstorbenen wurde im Jahr 1998 geschlossen.
4Die Beklagte war bis zum als Unternehmen des Öffentlichen Dienstes Mitglied der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (im Folgenden VBL). Die betriebliche Altersversorgung des verstorbenen Ehemanns der Klägerin richtete sich nach dem Versorgungstarifvertrag Nr. 3 (im Folgenden VTV Nr. 3). § 2 VTV Nr. 3 sah die Verpflichtung der Beklagten vor, die Arbeitnehmer bei der VBL so zu versichern, dass auch die Hinterbliebenen eine Anwartschaft auf eine Gesamtversorgung erwerben konnten. Im Zuge ihrer Privatisierung endete die Mitgliedschaft der Beklagten in der VBL zum . Um den Arbeitnehmern weiterhin eine Versorgung entsprechend der Satzung der VBL zu ermöglichen, schloss die Beklagte am den Ergänzungstarifvertrag zum Versorgungstarifvertrag Nr. 3 (im Folgenden ErgTV Nr. 3). In diesem war ua. geregelt:
5Für ab dem eingestellte Arbeitnehmer richtete sich die betriebliche Altersversorgung zunächst nach dem Tarifvertrag „Betriebliche Altersversorgung vom “. Dieser wurde vom Tarifvertrag Lufthansa-Betriebsrente für das Cockpitpersonal vom (im Folgenden TV Betriebsrente) abgelöst. Der TV Betriebsrente lautet auszugsweise wie folgt:
6Vor dem Hintergrund, dass sich die Tarifvertragsparteien des Öffentlichen Dienstes im Altersvorsorgeplan 2001 vom auf eine grundlegende Reform der VBL-Zusatzversorgung geeinigt hatten und VC den ErgTV Nr. 3 zum bereits gekündigt hatte, schlossen die AVH und die VC am den „Tarifvertrag zur Vereinheitlichung der betrieblichen Altersversorgung für das Cockpitpersonal - Ablösung der VBL-gleichen Altersversorgung und Überleitung in die Lufthansa-Betriebsrente“ (im Folgenden TV Vereinheitlichung). Dieser bestimmt ua.:
7Die Satzung der VBL idF der 38., 39., 40. und 41. Satzungsänderung bestimmte hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung ua. Folgendes:
8Die Satzung der VBL vom - die rückwirkend zum in Kraft trat (im Folgenden VBL-S 2001) - regelte die Berechtigung für eine Hinterbliebenenversorgung wie folgt:
9Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung einer Witwenrente ab dem iHv. 60 vH der von ihrem verstorbenen Ehemann zuletzt bezogenen Betriebsrente zuzüglich eines jährlichen Steigerungsbetrags iHv. 1 vH begehrt. Sie hat geltend gemacht, ihrem Anspruch stehe nicht entgegen, dass ihre Ehe erst nach Eintritt des Versorgungsfalls geschlossen worden sei.
Ihre Versorgung richte sich nach § 38 VBL-S 2001. Danach könne die Ehe auch nach dem Eintritt des Versorgungsfalls geschlossen sein. Der TV Vereinheitlichung habe den Besitzstand wahren sollen. Der Verweis auf § 9 TV Betriebsrente sei lediglich für die Berechnung und damit die Höhe der Versorgungsleistungen maßgeblich. Die Einführung einer Spätehenklausel sei zudem unwirksam. Im Übrigen bestehe ein Widerspruch zwischen der durch den TV Vereinheitlichung garantierten Anwartschaft gemäß der am geltenden VBL-S 2001 und der in § 9 Abs. 2 Satz 1 TV Betriebsrente geregelten Hinterbliebenenversorgung.
10Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
11Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
12Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre - auf den Zeitpunkt der Revisionsbegründung im April 2016 angepassten - Klageanträge weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
13Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Hinterbliebenenrente.
14I. Die Hinterbliebenenversorgung der Klägerin ist nach § 9 Abs. 2 TV Betriebsrente ausgeschlossen, denn die Ehe der Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehemann wurde erst nach dem Eintritt seines Versorgungsfalls geschlossen. § 9 Abs. 2 TV Betriebsrente ist nach § 13 TV Vereinheitlichung anwendbar.
151. Die Regelungen des TV Betriebsrente und des TV Vereinheitlichung galten kraft beiderseitiger Tarifbindung im Rechtsverhältnis des verstorbenen Ehemanns der Klägerin und der Beklagten unmittelbar (§ 3 Abs. 1 iVm. § 4 Abs. 1 TVG).
162. Der Anwendung dieser Tarifverträge steht nicht entgegen, dass das Versorgungsverhältnis des verstorbenen Ehemanns der Klägerin nach dessen Eintritt in den Ruhestand durch den TV Vereinheitlichung und den TV Betriebsrente neu geregelt wurde. Die Tarifvertragsparteien können auch tarifliche Regelungen für Versorgungsempfänger vereinbaren.
17Die Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien erstreckt sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch auf das anschließende Ruhestandsverhältnis. Dies folgt aus Art. 9 Abs. 3 GG. Diese Verfassungsnorm gewährleistet als Teil der Koalitionsfreiheit auch die Tarifautonomie. Das Tarifvertragsgesetz füllt den von der Verfassung vorgegebenen Rahmen lediglich aus. Dessen durch die Verfassungsordnung vorgegebener Zweck ist es, die Tarifautonomie weitgehend zu aktualisieren. Wie sich aus der Formulierung „jedermann“ in Art. 9 Abs. 3 GG ergibt, ist die Tarifautonomie allerdings hinsichtlich ihres persönlichen Anwendungsbereiches nicht auf aktive Arbeitsverhältnisse beschränkt, sondern besteht auch darüber hinaus. Soweit § 1 Abs. 1 TVG Normen über den Inhalt von Arbeitsverhältnissen ermöglicht, betrifft dies deshalb auch solche auf das Arbeitsverhältnis bezogene Rechtsnormen, die erst nach dessen Ende wirken oder wirksam werden. Dazu gehören auch Normen, die die betriebliche Altersversorgung regeln ( - Rn. 23 mwN). Die Tarifmacht der Tarifvertragsparteien ist nicht auf begünstigende Regelungen zugunsten der Betriebsrentner beschränkt. Die Regelungsmacht umfasst auch die Vereinbarung ungünstigerer Bedingungen im Rahmen der allgemeinen Rechtmäßigkeitsanforderungen (vgl. - Rn. 29, BAGE 131, 298).
183. Der verstorbene Ehemann der Klägerin unterfiel auch dem persönlichen Anwendungsbereich des TV Vereinheitlichung. Nach § 1 Abs. 1 TV Vereinheitlichung galt dieser Tarifvertrag für alle aktiven und ehemaligen Mitarbeiter des Cockpitpersonals der Beklagten, die - wie der verstorbene Ehemann der Klägerin - auf der Grundlage des bis zum geltenden VTV Nr. 3 einschließlich des ErgTV Nr. 3 Anwartschaften oder Ansprüche auf Leistungen der VBL-gleichen Zusatzversorgung erworben haben.
19Die Regelungen zum persönlichen Anwendungsbereich in § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 TV Vereinheitlichung sind auch wirksam (vgl. ausf. - Rn. 31 ff., BAGE 131, 298; -). Dies hat die Klägerin nicht in Zweifel gezogen.
204. Die Auslegung der tarifvertraglichen Regelungen ergibt, dass nach § 13 Abs. 5 TV Vereinheitlichung die Vorgaben des § 9 TV Betriebsrente Anwendung finden (zu den Auslegungsgrundsätzen - Rn. 27 mwN, - 3 AZR 808/11 - Rn. 29). Die in § 13 Abs. 5 TV Vereinheitlichung enthaltene Verweisung auf § 9 TV Betriebsrente ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - eine Rechtsgrundverweisung. Deshalb erfordert der Anspruch auf Witwenrente, dass auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 TV Betriebsrente erfüllt sind.
21a) Bereits der Wortlaut von § 13 Abs. 5 TV Vereinheitlichung spricht dafür, dass eine Hinterbliebenenversorgung nur zu gewähren ist, wenn die Vorgaben von § 9 TV Betriebsrente erfüllt sind.
22aa) Nach § 13 Abs. 5 Satz 1 TV Vereinheitlichung haben Hinterbliebene bei Eintritt des Nachversorgungsfalls „nach Maßgabe“ der Absätze 1 bis 4 und der Regelungen des TV Betriebsrente Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen. Der Begriff „Maßgabe“ bezeichnet nach dem gebräuchlichen Wortverständnis „einer Sache entsprechend, gemäß“ (Duden Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl. Stichwort „Maßgabe“). Es kommt mithin auf den Regelungsinhalt der Absätze 1 bis 4 sowie des TV Betriebsrente an. Damit müssen zur Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen der in Bezug genommenen Regelungen erfüllt sein.
23bb) § 13 Abs. 5 Satz 2 TV Vereinheitlichung stützt dieses Verständnis. Danach erfolgt die „Berechnung“ der Leistungen gemäß § 9 TV Betriebsrente auf Grundlage der garantierten Betriebsrente. Diese ist in § 13 Abs. 2 Satz 1 TV Vereinheitlichung definiert. Hierbei handelt es sich um die Rente iSd. § 13 Abs. 1 TV Vereinheitlichung. Insofern enthält § 13 Abs. 5 Satz 2 TV Vereinheitlichung lediglich die Klarstellung, dass für die Berechnung der Höhe der Hinterbliebenenrente auf die im TV Vereinheitlichung definierte garantierte Betriebsrente abzustellen ist. Damit haben die Tarifvertragsparteien verdeutlicht, dass § 13 Abs. 5 Satz 1 TV Vereinheitlichung die Voraussetzungen für die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung regelt, während § 13 Abs. 5 Satz 2 TV Vereinheitlichung nur Vorgaben für deren Berechnung enthält.
24b) Dieses Ergebnis wird durch die Systematik des TV Vereinheitlichung gestützt.
25(aa) § 13 Abs. 5 TV Vereinheitlichung regelt die Ansprüche der Hinterbliebenen von Mitarbeitern, die vor dem Leistungen einer VBL-gleichen Versorgungsrente bezogen haben (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 TV Vereinheitlichung). Zwar befindet sich die Regelung des § 13 TV Vereinheitlichung in dem mit dem Titel „Ehemalige Mitarbeiter und Hinterbliebene“ überschriebenen Teil III des Tarifvertrags. Die Norm erfasst aber nicht sämtliche ehemaligen Mitarbeiter, sondern nur diejenigen, die bereits vor dem eine VBL-gleiche Versorgungsrente bezogen haben. Für die anderen Mitarbeiter, die am noch aktive Beschäftigte der Beklagten waren (§ 2 Abs. 1 Satz 1 TV Vereinheitlichung) oder die mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschieden sind (§ 2 Abs. 1 Satz 2 TV Vereinheitlichung), richten sich die Anforderungen für die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung nach dem TV Betriebsrente unter Berücksichtigung der im TV Vereinheitlichung enthaltenen Modifikationen. Diese Systematik findet sich auch in § 13 TV Verein-heitlichung.
26Dementsprechend bestimmt § 13 Abs. 1 Satz 1 TV Vereinheitlichung, dass die VBL-gleichen Versorgungsrenten der ehemaligen Arbeitnehmer und deren Hinterbliebenen mit Rentenbeginn vor dem auf der Grundlage der VBL-S 40 zu berechnen sind. Hieran knüpft § 13 Abs. 5 Satz 1 TV Vereinheitlichung an. Stirbt ein nach Absatz 1 unmittelbar Berechtigter, bestimmen sich die Ansprüche seiner Hinterbliebenen nach dieser Norm.
27(bb) Für dieses Verständnis spricht auch, dass die von den Versorgungsberechtigten bereits vor dem bezogenen Versorgungsrenten nicht in den TV Betriebsrente überführt wurden; die Berechnung dieser Versorgungsrenten erfolgt auch weiterhin nach der VBL-S 40. Bei der Hinterbliebenenversorgung unterscheidet § 13 TV Vereinheitlichung zwischen denjenigen versorgungsberechtigten Hinterbliebenen, die bereits vor dem Hinterbliebenenrenten bezogen haben und denjenigen, die erst ab dem Anspruch auf Hinterbliebenenrente haben. Für die erste Gruppe bleibt es bei den bisherigen Regelungen einschließlich der Berechnung auf der Grundlage der VBL-S 40 (§ 13 Abs. 1 TV Vereinheitlichung). Die Hinterbliebenenversorgung von Versorgungsberechtigten, bei denen der Nachversorgungsfall (Tod des unmittelbar Versorgungsberechtigten) erst nach dem eingetreten ist, richtet sich nach § 13 Abs. 5 TV Vereinheitlichung iVm. § 9 TV Betriebsrente. Folglich werden bereits laufende Leistungen unabhängig davon, ob sie dem unmittelbar Versorgungsberechtigten oder dessen Hinterbliebenen gewährt werden, nicht in den TV Betriebsrente überführt. Tritt hingegen der Nachversorgungsfall nach dem ein, richten sich die Versorgungsrenten seiner Hinterbliebenen nach dem TV Betriebsrente.
28c) Auch Sinn und Zweck des TV Vereinheitlichung sprechen für das vom Wortlaut vorgegebene Verständnis. Die Tarifvertragsparteien wollten - wie Absatz 3 der Präambel zeigt - die unterschiedlichen im Lufthansa-Konzern bestehenden Versorgungssysteme zusammenführen. Hierzu sollten die Anwartschaften und bestehenden Ansprüche auf künftige Versorgungsleistungen auf bzw. aus VBL-gleicher Zusatzversorgung in die „Lufthansa-Betriebsrente“ und damit in den TV Betriebsrente überführt werden und keine dynamischen Verweisungen auf das in seiner Entwicklung ungewisse VBL-Satzungsrecht enthalten. Deshalb verweist der TV Vereinheitlichung durchweg statisch auf die VBL-S 40.
295. Die im TV Vereinheitlichung enthaltene Bezugnahme auf die VBL-S 40 und § 9 TV Betriebsrente kann mangels einer planwidrigen Regelungslücke auch nicht durch eine Bezugnahme auf die - eine Hinterbliebenenversorgung vorliegend nicht ausschließende - VBL-S 2001 ersetzt werden. Die Tarifvertragsparteien haben bei Abschluss des TV Vereinheitlichung und des TV Betriebsrente nicht übersehen, dass die VBL-S 2001 rückwirkend zum in Kraft getreten ist. Die Präambel des TV Vereinheitlichung zeigt vielmehr, dass die Tarifvertragsparteien die Änderungen des VBL-Satzungsrechts kannten. Folglich scheidet auch die Annahme einer tariflichen Regelungslücke, die im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung im Sinne der Klägerin geschlossen werden könnte (vgl. dazu - Rn. 29), aus. Die Tarifvertragsparteien wollten die mit der VBL-S 2001 einsetzende Neuausrichtung der VBL-Versorgung gerade nicht für die Beklagte übernehmen.
30II. Der TV Vereinheitlichung hat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in ihre Rechte nach der VBL-S 2001 eingegriffen. Eine unzulässige Rückwirkung des TV Vereinheitlichung liegt deshalb nicht vor. Die VBL-S 2001 vom trat zwar rückwirkend zum in Kraft. Allerdings war der das Satzungsrecht der VBL dynamisch in Bezug nehmende ErgTV Nr. 3 durch die VC bereits zum gekündigt worden und damit die Dynamik in der Bezugnahme zu diesem Zeitpunkt beendet.
311. Enthält ein Tarifvertrag eine dynamische Verweisung auf einen anderen Tarifvertrag (oder ein Gesetz), so endet die Dynamik mit dem Tarifende und damit mit dem Beginn des Nachwirkungszeitraums. Für die Einbeziehung nachlaufender Änderungen des in Bezug genommenen Tarifvertrags fehlt jede Geltungslegitimation. Die Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG ist statisch ( - Rn. 25, BAGE 125, 169; vgl. auch Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 808; Däubler TVG/Bepler 4. Aufl. § 4 Rn. 999). Ein Arbeitgeber ist an nach der Beendigung des Tarifvertrags und damit nach Eintritt der Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG vereinbarte Änderungen des Tarifvertrags oder des dynamisch in Bezug genommenen Tarifvertrags nicht mehr gebunden, auch wenn diese Änderungen zurückwirken (vgl. - Rn. 26, BAGE 124, 123). Dies gilt jedenfalls auch bei einer Verweisung auf die Satzungen der VBL, die ihrerseits auf tariflichen Regelungen beruhen.
322. Die VBL-S 2001 wurde erst am erlassen und am im Bundesanzeiger veröffentlicht; sie trat rückwirkend zum in Kraft. Zum Zeitpunkt der Neufassung der VBL-S 2001 war jedoch die Dynamik im ErgTV Nr. 3 aufgrund dessen Kündigung zum bereits beendet. Sie konnte deshalb nicht mehr zu einer Anwendung der VBL-S 2001 führen.
33III. Die in § 9 Abs. 2 TV Betriebsrente enthaltene Spätehenklausel ist wirksam, sie verstößt weder gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters noch gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG oder gegen Art. 6 GG.
341. § 9 Abs. 2 TV Betriebsrente ist nicht nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Voraussetzung, dass die Ehe vor dem Eintritt des Versorgungsfalls beim unmittelbar versorgungsberechtigten Arbeitnehmer geschlossen worden sein muss, ist im Hinblick auf das Ziel, die Leistungspflichten des Arbeitgebers auf Risiken zu begrenzen, die vor dem Eintritt des Versorgungsfalls beim Versorgungsberechtigten angelegt waren, angemessen und erforderlich (vgl. - Rn. 22 ff., BAGE 146, 200). Werden - wie vorliegend - Ungleichbehandlungen gerügt, die an verpönte Merkmale iSd. § 1 AGG anknüpfen, enthält Art. 3 Abs. 1 GG keine weiter gehenden Anforderungen als § 3 Abs. 1 AGG (vgl. - Rn. 84, BAGE 134, 89).
352. Die Einschränkung der Hinterbliebenenversorgung durch § 9 Abs. 2 TV Betriebsrente begegnet auch vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Schutzes von Ehe und Familie durch Art. 6 GG keinen Bedenken. Die in § 9 Abs. 2 TV Betriebsrente enthaltene Anforderung, dass die Ehe vor dem Eintritt des Versorgungsfalls beim unmittelbar Versorgungsberechtigten geschlossen worden sein muss, widerspricht nicht dem Verbot des Art. 6 Abs. 1 GG, die Ehe zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen. Ehepartnern entsteht durch diese Einschränkung kein Nachteil, den sie ohne die Heirat nicht gehabt hätten. Das Ausbleiben eines erhofften Vorteils ist kein rechtlicher Nachteil (vgl. - Rn. 46, BAGE 146, 200). Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt keine Pflicht, dem überlebenden Ehegatten eine Hinterbliebenenrente zu gewähren (vgl. - Rn. 18, BVerfGK 17, 120).
36IV. Auch aus der vertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag des verstorbenen Ehemanns der Klägerin ergibt sich nichts Weitergehendes.
37Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die bei der Beklagten geltenden Tarifverträge für das Cockpitpersonal verweist auf die in Bezug genommenen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung. Damit erfasst die Verweisungsklausel den ErgTV Nr. 3 nur in der Fassung und mit den Wirkungen, die er bei Ablauf der Kündigungsfrist am hatte. Dessen dynamische Inbezugnahme des jeweils geltenden VBL-Satzungsrechts endete mit dem Wirksamwerden der von der VC zum ausgesprochenen Kündigung. Die nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung erfolgten (rückwirkenden) Änderungen des VBL-Satzungsrechts werden folglich auch von der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel nicht mehr erfasst.
38V. Soweit die Klägerin erstmals in der Revision geltend macht, die in § 46 VBL-S 40 enthaltene Spätehenklausel habe ihrerseits bereits gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und den Gleichheitssatz verstoßen, führt sie damit einen neuen Streitgegenstand in das Verfahren ein. Dies ist im Revisionsverfahren nicht mehr möglich (vgl. - Rn. 19 ff.).
39VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2017:210317.U.3AZR86.16.0
Fundstelle(n):
BB 2017 S. 1523 Nr. 26
DB 2017 S. 1786 Nr. 31
CAAAG-47785