Zur Umsatzsteuerbefreiung von Leistungen an einen sogenannten Lotsendienst für Gründungswillige
Leitsatz
Leistungen eines Rechtsanwalts gegenüber Nichterwerbstätigen im Rahmen eines Lotsendienstes für Gründungswillige sind nicht umsatzsteuerfrei.
Gesetze: UStG § 4 Nr. 21; MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, i und j;
Instanzenzug: (EFG 2016, 1124),
Tatbestand
I.
1 Streitig ist, ob Leistungen des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) gegenüber Nichterwerbstätigen im Rahmen eines sogenannten Lotsendienstes für Gründungswillige von der Umsatzsteuer zu befreien sind.
2 Der Kläger führte in den Streitjahren 2009 und 2010 neben Umsätzen aus der Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt die Unterrichtung von Gründungswilligen durch. Nach den vorgelegten Leistungsvereinbarungen wurde er hierbei von der…GmbH (GmbH), einem sogenannten Lotsendienst, jeweils mit der Durchführung individueller Qualifizierungen für Existenzgründer beauftragt.
3 Die Verträge sahen eine mehrere Stunden umfassende qualifizierende juristische Beratung der in den Verträgen namentlich aufgeführten Gründungswilligen vor, bei denen es vorwiegend um zivilrechtliche und wirtschaftsrechtliche Themen gehen sollte. Die Leistungen waren ausdrücklich nur für die Zeit vor der von den Beratenen geplanten Unternehmensgründung zu erbringen. Seine Leistungen wurden dem Kläger von der GmbH mit jeweils 50 € pro Stunde vergütet.
4 Den Vereinbarungen zwischen der GmbH und dem Kläger lag eine vom Brandenburgischen Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie erlassene „Richtlinie…zur Förderung der qualifizierenden Beratung von Gründungswilligen in der Vorgründungsphase, von Existenzgründerinnen und -gründern in der Startphase sowie bei der Begleitung von Unternehmensnachfolgen“ vom (Amtsblatt für Brandenburg 2007 Nr. 9, 524) zugrunde. Danach gewährte das Land Brandenburg die Finanzierung der als Lotsendienste bezeichneten Maßnahmen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds sowie eigenen Haushaltsmitteln. Die konkrete Wahrnehmung der Lotsendienste war gemäß 2.1.1 ff. der Richtlinie vom durch externe (private) Leistungserbringer vorgesehen.
5 Parallel zu den zuvor beschriebenen Qualifizierungsleistungen durch externe, regional gegliederte Lotsendienste sah die zuvor zitierte Richtlinie vom auch vor, dass an den Hochschulen des Landes Brandenburg Lotsendienste mit dem entsprechenden Tätigkeitsfeld der Vorgründungsberatung gründungswilliger Studenten und Absolventen eingerichtet wurden. Diese Hochschul-Lotsendienste sollten u.a. auch in vergleichbarer Art und Weise die vom Kläger durchgeführten Aufgaben wahrnehmen. Diese universitären Lotsendienste werden seit 2007 an den Brandenburger Hochschulen für die Teilnehmer kostenlos angeboten.
6 In seinen Umsatzsteuererklärungen für 2009 und Voranmeldungen für das I. bis III. Kalendervierteljahr 2010 behandelte der Kläger die Umsätze aus der Tätigkeit im Rahmen des Lotsendienstes als steuerfrei. Aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die Ansicht, dass diese Umsätze steuerpflichtig seien, und erließ am einen entsprechenden Bescheid über Umsatzsteuer für 2009 sowie am Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für das I. bis III. Kalendervierteljahr 2010.
7 Im anschließenden Einspruchsverfahren erließ das FA nach Zustimmung zur Umsatzsteuererklärung des Klägers für diesen Besteuerungszeitraum am einen Änderungsbescheid und wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück. Das FA erließ während des Klageverfahrens zuletzt am einen Änderungsbescheid über Umsatzsteuer für 2010.
8 Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nur aus hier nicht streitigen Gründen statt und wies sie im Übrigen ab. Es vertrat die Auffassung, dass die streitigen Beratungsleistungen des Klägers nicht steuerfrei seien. Weder lägen die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vor, noch komme eine Umsatzsteuerbefreiung durch unmittelbare Berufung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, i oder j der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in Betracht.
9 Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1124 veröffentlicht.
10 Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 4 Nr. 21 UStG. Überdies ergebe sich die Steuerbefreiung aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, g und j MwStSystRL.
11 Er trägt im Wesentlichen vor, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG könne nicht an der fehlenden Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde scheitern. Der ablehnende Bescheid der Landesbehörde gegenüber der GmbH sei nichtig.
12 Er, der Kläger, könne sich auch unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL berufen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen vor. Insbesondere handele es sich bei ihm um eine „Einrichtung“ i.S. dieser Vorschrift. In vergleichbaren Fällen würde die Befreiung gewährt. Dies sei ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
13 Es lägen weiter die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL vor. Nur weil er, der Kläger, als Subunternehmer die Aufgabe der Daseinsfürsorge übernehme, könnten die Leistungen nicht steuerpflichtig werden. Es handele sich bei ihm in Bezug auf die streitigen Schulungsmaßnahmen um eine Einrichtung mit sozialem Charakter.
14 Ebenso würden die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL vorliegen. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ergebe sich nicht, dass die Entgeltlichkeit der Leistungen des als Dritter in die Leistungserbringung eingeschalteten Trägers einer Bildungseinrichtung für die Steuerbefreiung maßgeblich sein soll. Auch auf diese Vorschrift könne er sich unmittelbar berufen.
15 Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung vom und Änderung der Bescheide vom und die Umsatzsteuer für 2009 auf ... € und für 2010 auf ... € festzusetzen.
16 Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
17 Es trägt vor, die Beratungsleistungen des Klägers seien entgegen der Ansicht des FG schon vom Grundsatz her nicht steuerfrei.
18 Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Gründe
II.
19 Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
20 Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Leistungen des Klägers gegenüber Nichterwerbstätigen im Rahmen eines sogenannten Lotsendienstes für Gründungswillige nicht von der Umsatzsteuer befreit sind. Weder kommt eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG (1.) noch eine solche nach Unionsrecht in Betracht (2.).
21 1. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG ist, wie das FG zutreffend angenommen hat, nicht gegeben; es fehlt jedenfalls an der erforderlichen Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb i.V.m. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG.
22 a) Nach § 4 Nr. 21 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer an privaten Schulen und anderen allgemein bildenden oder berufsbildenden Einrichtungen steuerfrei, soweit diese die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG erfüllen. Nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG ist erforderlich, dass die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass u.a. auf einen Beruf ordnungsgemäß vorbereitet wird. Bei der Bescheinigung i.S. des § 4 Nr. 21 UStG handelt es sich um einen Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung, der die Finanzbehörden als auch die FG bindet (, BFHE 240, 487, BStBl II 2013, 529, Rz 16; vom XI R 35/11, BFHE 242, 250, BStBl II 2013, 879, Rz 50; vom XI R 6/14, BFHE 253, 499, BStBl II 2016, 828, Rz 21).
23 b) Danach fehlt es im Streitfall an einer entsprechenden Bescheinigung. Die zuständige Landesbehörde hat mit Bescheid vom der GmbH die Erteilung einer Bescheinigung abgelehnt. Auf den Vortrag des Klägers, dass dieser Bescheid fehlerhaft oder sogar nichtig sei, kommt es nicht an. Es fehlt an einer Voraussetzung für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG (hier die Erteilung der Bescheinigung durch die zuständige Landesbehörde). Der Kläger ist dadurch nicht in seinen Rechten verletzt. Gegen den ablehnenden Bescheid der zuständigen Behörde hätte er im Klageverfahren vorgehen können (vgl. zur im Einzelfall erforderlichen Klageerhebung auch Craig, EFG 2016, 1126).
24 2. Zu Recht ist das FG auch davon ausgegangen, dass der Kläger sich für eine Steuerfreiheit seiner Leistungen nicht auf das Unionsrecht berufen kann.
25 a) Eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern —Richtlinie 77/388/EWG—) kommt nicht in Betracht.
26 aa) Ein Steuerpflichtiger kann sich grundsätzlich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen (vgl. z.B. , BFHE 241, 475, BStBl II 2013, 976, Rz 21; vom V R 46/14, BFHE 253, 421, BFH/NV 2016, 1120, Rz 27; jeweils m.w.N.).
27 bb) Danach befreien die Mitgliedstaaten folgende Umsätze von der Steuer: „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen ..., einschließlich derjenigen, die durch…Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden“.
28 Der Begriff „Einrichtung“ ist grundsätzlich weit genug, um auch natürliche Personen (vgl. EuGH-Urteil Gregg vom C-216/97, EU:C:1999:390, Umsatzsteuer-Rundschau —UR— 1999, 419, Rz 21) und private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht (vgl. dazu EuGH-Urteile Kingscrest Associates und Montecello vom C-498/03, EU:C:2005:322, UR 2005, 453, Rz 35 und 40; MDDP vom C-319/12, EU:C:2013:778, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 2014, 177, Rz 28 und 31) zu erfassen.
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Nach den EuGH-Urteilen Kügler vom C-141/00 (EU:C:2002:473, UR 2002, 513, Rz 54 und 58) und Zimmermann vom C-174/11 (EU:C:2012:716, UR 2013, 35, Rz 26) legt Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL die Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung nicht fest. Vielmehr ist es Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Dabei haben die nationalen Behörden im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte die für die Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zu diesen gehören | |
- | das Bestehen spezifischer Vorschriften, bei denen es sich um nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit handeln kann, |
- | das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, |
- | die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und |
- | die Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder durch andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit. |
30 cc) Allerdings sollen durch Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL bestimmte dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit werden. Durch diese Vorschrift werden nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die in ihr einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind (vgl. EuGH-Urteile Kommission/Deutschland vom C-287/00, EU:C:2002:388, HFR 2002, 852, Rz 45; Horizon College vom C-434/05, EU:C:2007:343, BFH/NV 2007, Beilage 4, 389, Rz 14; Canterbury Hockey Club und Canterbury Ladies Hockey Club vom C-253/07, EU:C:2008:571, HFR 2009, 87, Rz 18; Mesto Zamberk vom C-18/12, EU:C:2013:95, UR 2013, 338, Rz 18; VDP Dental Laboratory u.a. vom C-144/13, C-154/13 und C-160/13, EU:C:2015:116, UR 2015, 474, Rz 45). Folglich kann nicht jede Person, die eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausübt, als eine vom Mitgliedstaat anerkannte Einrichtung angesehen werden. So hat der EuGH die Berufsgruppe der Rechtsanwälte von der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ausgeschlossen, da Dienstleistungen i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL nur eines der Ziele des Anwaltsberufs darstellen können (vgl. EuGH-Urteil Ordre des barreaux francophones und germanophone u.a. vom C-543/14, EU:C:2016:605, UR 2016, 634, Rz 60 ff.).
31 dd) Der Kläger ist als Rechtsanwalt tätig und erbrachte die streitigen Dienstleistungen. Selbst wenn diese Dienstleistungen als solche unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL fallen würden, stellen sie nur einen Teil seiner anwaltlichen Tätigkeit dar, die für die Qualifizierung als Einrichtung mit sozialem Charakter nicht ausreicht (vgl. EuGH-Urteil Ordre des barreaux francophones und germanophone u.a., EU:C:2016:605, UR 2016, 634, Rz 60 ff.).
32 b) Eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL (zuvor Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG) scheidet gleichfalls aus.
33 aa) Wie bei Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL kann sich ein Steuerpflichtiger auch auf diese Vorschrift unmittelbar berufen (vgl. , BFHE 210, 175, BStBl II 2005, 900; vom V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143; vom V R 28/04, BFHE 217, 59, BStBl II 2010, 999, unter II.2.c aa, Rz 25).
34 bb) Nach dieser Vorschrift wird u.a. die „Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen…durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung“ von der Steuer befreit. Voraussetzung ist aber auch hier, dass die Einrichtung anerkannt ist. Die Rechtsprechung zur unternehmerbezogenen Anerkennung im Sozialbereich (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL) ist dabei grundsätzlich auch auf den Unterrichtsbereich (Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) zu übertragen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 59, BStBl II 2010, 999, unter II.2.c dd (2), Rz 33; in BFHE 253, 421, BFH/NV 2016, 1120, Rz 47; vom V R 38/15, BFHE 254, 448, BFH/NV 2016, 1864, Rz 18).
35 cc) Bei Anwendung dieser Grundsätze fehlt es im Streitfall an einer Einrichtung mit sozialem Charakter (s. oben zu II.2.a), so dass der Kläger auch nach dieser Vorschrift keine Steuerbefreiung erlangen kann.
36 c) Eine Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL kommt —wie das FG zutreffend entschieden hat— ebenfalls nicht in Betracht.
37 aa) Ein Steuerpflichtiger kann sich grundsätzlich unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen (vgl. z.B. EuGH-Urteil Haderer vom C-445/05, EU:C:2007:344, UR 2007, 592, Rz 38; , BFHE 219, 250, BStBl II 2008, 323, unter II.5., Rz 37; in BFHE 245, 433, BFH/NV 2014, 1687, Rz 15 ff.).
38 bb) Steuerfrei ist danach der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht. Nach dem zu dieser Bestimmung ergangenen EuGH-Urteil Eulitz vom C-473/08, (EU:C:2010:47, UR 2010, 174, Rz 38) kommt es auf „Unterrichtseinheiten an, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht“ beziehen. Dies erfasst nicht nur Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (vgl. EuGH-Urteil Haderer, EU:C:2007:344, UR 2007, 592, Rz 26). Dem hat sich der BFH angeschlossen (vgl. , BFH/NV 2014, 1175, Rz 20; in BFHE 245, 433, BFH/NV 2014, 1687, Rz 17; jeweils m.w.N.).
39 Der Unterricht wird von einem Privatlehrer i.S. dieser Vorschrift erteilt, wenn der Unterricht „privat“ erteilt wird (vgl. dazu , BFH/NV 2016, 435, Rz 21 f., m.w.N.). Dies kann auch gegenüber einer Einzelperson erfolgen. Erforderlich ist aber, dass der Unternehmer Träger der Bildungseinrichtung ist, an der die Bildungsmaßnahmen erbracht werden (vgl. EuGH-Urteil Eulitz, EU:C:2010:47, UR 2010, 174, Rz 52 ff.). Der Unternehmer muss auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln (vgl. EuGH-Urteil Haderer, EU:C:2007:344, UR 2007, 592, Rz 30). Daher sind Leistungen, die an einer anderen Bildungseinrichtung ausgeführt werden, in der Regel nicht „privat“ (vgl. Oelmaier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 21 Rz 32; Philipowski, UR 2010, 166; Korn, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2010, 688, 690; Tehler in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 21 Rz 339, der aber eine Präzisierung durch den EuGH fordert). Ob dies voraussetzt, dass der Unternehmer eigene Vertragsbeziehungen zu dem Unterrichteten unterhalten muss, ist streitig (ablehnend EuGH-Urteil Haderer, EU:C:2007:344, UR 2007, 592, Rz 32; Oelmaier in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 4 Nr. 21 Rz 34; Tehler in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 4 Nr. 21 Rz 340; Philipowski, UR 2010, 161, 166; Kulmsee in Reiß/Kraeusel/ Langer, UStG § 4 Nr. 21 Rz 101; a.A. Lippross, Umsatzsteuer, 24. Aufl., S. 739; zweifelnd auch Stadie, UStG, 3. Aufl., § 4 Nr. 21 Rz 12). Schädlich ist aber eine Zwischenschaltung eines Dritten auf der Seite des Leistenden (vgl. Korn, DStR 2010, 688, 690; Kulmsee in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 4 Nr. 21 Rz 101).
40 cc) Nach diesen Grundsätzen fehlt es im Streitfall daran, dass der Kläger selbst Träger der Bildungseinrichtung ist. Die GmbH, nicht aber der Kläger, war Träger der Bildungseinrichtung Lotsendienst, an der er die Unterrichtung Gründungswilliger vornahm und Ausbildungsleistungen für die Teilnehmer an diesen Maßnahmen erbrachte (vgl. EuGH-Urteil Eulitz, EU:C:2010:47, UR 2010, 174, Rz 52 ff.). Er war somit nicht „Privatlehrer“ i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL.
41 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2017:U.290317.XIR6.16.0
Fundstelle(n):
BB 2017 S. 1558 Nr. 27
BFH/NV 2017 S. 1145 Nr. 8
BFH/PR 2017 S. 303 Nr. 9
DB 2017 S. 6 Nr. 24
DStR 2017 S. 10 Nr. 24
DStR 2017 S. 1386 Nr. 25
DStRE 2017 S. 891 Nr. 14
HFR 2017 S. 630 Nr. 7
KÖSDI 2017 S. 20356 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 25/2017 S. 1860
UR 2017 S. 509 Nr. 13
UStB 2017 S. 221 Nr. 8
UVR 2017 S. 261 Nr. 9
VAAAG-47394