BGH Beschluss v. - 1 StR 588/16

Gefährliche Körperverletzung: Fortdauer des rechtswidrigen Angriffs im Rahmen der Notwehr

Gesetze: § 32 Abs 2 StGB

Instanzenzug: LG München I Az: 2 Ks 123 Js 230449/15

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Das Landgericht hat auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung das Vorliegen einer Notwehrlage (§ 32 Abs. 2 StGB) für den Angeklagten verneint, als dieser dem geschädigten Nebenkläger zwei Messerstiche in den Oberkörper versetzte.
Hat ein Angreifer bereits eine Verletzungshandlung begangen, so ist der Angriff so lange gegenwärtig i.S.v. § 32 Abs. 2 StGB, wie eine Wiederholung und damit ein erneutes Umschlagen in eine Verletzung unmittelbar zu befürchten ist ( Rn. 12, NStZ-RR 2017, 38, 39 mwN und vom – 1 StR 99/05, NStZ 2006, 152, 153). Dabei kommt es auf die objektive Sachlage an. Entscheidend sind daher nicht die Befürchtungen des Angegriffenen, sondern die Absichten des Angreifers und die von ihm ausgehende Gefahr einer (neuerlichen oder unverändert fortdauernden) Rechtsgutverletzung (BGH aaO jeweils mwN; siehe auch Urteil vom – 3 StR 503/01, NStZ-RR 2002, 203). Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Geschädigte dem Angeklagten den Faustschlag in das Gesicht versetzt, bevor dieser mehrfach zustach. Von einem erneuten, unmittelbar bevorstehenden Angriff seitens des geschädigten Nebenklägers auf den Angeklagten hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei gerade nicht überzeugen können (vgl. UA S. 18 und 25).
Fehlte es aber an einer Notwehrlage bei Ausführung der Messerstiche, kam es auf die ergänzenden Erwägungen des Landgerichts zum Fehlen der Erforderlichkeit der Messerstiche und des Verteidigungswillens beim Angeklagten nicht mehr an. Schon deshalb bleibt den beiden erhobenen Rügen der Verletzung von § 261 StPO der Erfolg versagt. Beide knüpfen an (mögliche) Geschehensabläufe an, denen rechtliche Bedeutung allenfalls bei Vorliegen eines gegenwärtigen Angriffs im Zeitpunkt der Messerstiche zukäme.
Einen Putativnotwehrexzess (vgl. , NStZ 2003, 599 f.), auf den § 33 StGB ohnehin keine Anwendung fände (BGH aaO), hat das Landgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei nicht zugrunde gelegt. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (, Rn. 12 mwN).
Raum      
        
Graf      
        
Jäger 
        
Radtke      
        
Fischer      
        

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:250117B1STR588.16.0

Fundstelle(n):
SAAAG-46935