Vorlage zur Vorabentscheidung an den EuGH zur Klärung von Fragen zur Sekundärmigration von Asylsuchenden
Leitsatz
Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung unionsrechtlicher Zweifelsfragen bei der Prüfung von Folgeanträgen mit dem Ziel der "Aufstockung", wenn den Antragstellern bereits in einem anderen EU-Mitgliedstaat (hier: Bulgarien) subsidiärer Schutz gewährt worden ist.
Gesetze: Art 267 AEUV, § 3 AsylVfG 1992, § 1 AsylVfG 1992, § 13 Abs 2 AsylVfG 1992, § 2 AsylVfG 1992, § 26a AsylVfG 1992, § 29 Abs 1 Nr 1 AsylVfG 1992, § 34a AsylVfG 1992, § 77 AsylVfG 1992, § 25 Abs 3 AufenthG, § 60 AufenthG, Art 10 Abs 1 EGV 343/2003, Art 5 Abs 2 EGV 343/2003, Art 18 EUGrdRCh, Art 4 EUGrdRCh, Art 33 Abs 2 EURL 32/2013, Art 35 EURL 32/2013, Art 38 EURL 32/2013, Art 39 EURL 32/2013, Art 52 Abs 1 EURL 32/2013, Art 20 EURL 95/2011, Art 2 EUV 604/2013, Art 23 Abs 2 EUV 604/2013, Art 37 EUV 604/2013, Art 49 Abs 2 EUV 604/2013
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Az: 1 A 11082/14 Urteilvorgehend VG Trier Az: 1 K 487/14.TR Urteilnachgehend Az: C-297/17 C-318/17 C-319/17 und C-438/17 Urteilnachgehend Az: 1 C 4/19 Urteil
Gründe
I
1Der Kläger, ein staatenloser Palästinenser aus Syrien, wendet sich gegen die Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), dass ihm aufgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht.
2Er verließ Syrien zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern (Kläger im Verfahren 1 C 18.16) im Jahr 2012 und reiste nach Bulgarien ein, wo der Familie mit Entscheidung vom subsidiärer Schutz gewährt wurde. Im November 2013 reiste der Kläger mit seiner Familie über Rumänien, Ungarn und Österreich weiter in die Bundesrepublik Deutschland und stellte hier am erneut einen Asylantrag.
3Am richtete das Bundesamt an die bulgarische staatliche Flüchtlingsverwaltung ein Wiederaufnahmegesuch, das diese mit Schreiben vom ablehnte. Aufgrund des dem Kläger in Bulgarien bereits gewährten subsidiären Schutzes seien die Wiederaufnahmeregelungen der Dublin III-Verordnung vorliegend nicht anwendbar. Zuständige bulgarische Behörde sei die dortige Grenzpolizei.
4Mit Bescheid vom stellte das Bundesamt ohne inhaltliche Prüfung des Asylantrags fest, dass dem Kläger aufgrund seiner Einreise aus Bulgarien als einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht (Ziffer 1), und ordnete dessen Abschiebung nach Bulgarien an (Ziffer 2).
5Die gegen den Bescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom ab. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom die Abschiebungsanordnung nach Bulgarien aufgehoben, die Berufung im Übrigen aber zurückgewiesen. Die Feststellung, dass dem Kläger in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, sei rechtmäßig, weil der Kläger aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG nach Deutschland eingereist sei (§ 26a Abs. 1 Satz 1 und 2, § 31 Abs. 4 AsylG). Jedenfalls Österreich sei ein sicherer Drittstaat. Die Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien sei jedoch rechtswidrig, weil nicht feststehe, ob die Übernahmebereitschaft Bulgariens fortbestehe.
6Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Er macht unter anderem geltend, das Dublin-Regime sei auch nach Gewährung subsidiären Schutzes weiterhin anwendbar, weil nach der Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO vorliegend noch auf die Dublin II-VO abzustellen sei. Die ursprünglich begründete Zuständigkeit Bulgariens sei im Verlauf des Verfahrens nach der Dublin II-VO auf Deutschland übergegangen.
7Die Beklagte meint, der Asylantrag sei nunmehr jedenfalls nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig.
II
8Der Rechtsstreit ist auszusetzen. Gemäß Art. 267 AEUV ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) zu den im Beschlusstenor formulierten Fragen einzuholen. Diese Fragen, die der Senat dem Gerichtshof mit Beschlüssen vom heutigen Tag noch in zwei weiteren Verfahren (1 C 18.16 und 1 C 20.16) unterbreitet hat, betreffen die Auslegung der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung, ABl. L 180 S. 60 - Richtlinie 2013/32/EU), der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31 - Dublin III-VO) sowie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC). Da es um die Auslegung von Unionsrecht geht, ist der Gerichtshof zuständig.
91. Die rechtliche Beurteilung der auf Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheides vom gerichteten Anfechtungsklage richtet sich im nationalen Recht nach dem Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am in Kraft getretene Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (StrÄndG 50) vom (BGBl. I S. 2460). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte. Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die aktuelle Rechtslage zugrunde legen. Dazu gehört auch die durch das Integrationsgesetz vom (BGBl. I S. 1939) mit Wirkung vom geschaffene Neufassung des § 29 AsylG, soweit der Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht die Übergangsvorschrift in Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU entgegensteht (dazu Vorlagefrage 1.).
10Den hiernach maßgeblichen rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits bilden die folgenden Vorschriften des nationalen Rechts:
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. (...)
(...)
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muss, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:
1. Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder
2. internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom , S. 9); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom , S. 12) gewährte internationale Schutz steht dem internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU gleich; (...).
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
1. Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
(1) (...)
(2) Mit jedem Asylantrag wird die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 beantragt. (...)
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
1. (...)
2. die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3. (...)
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
1. ein anderer Staat
a) nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom , S. 31) oder
b) auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2. ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3. ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
(...)
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. (...). Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) (...)
In den Fällen des § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. (...)
(...)
(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. (...)
(...)
(1) In Anwendung des Abkommens vom über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(...)
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
112. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den Gerichtshof der Europäischen Union.
12a) Das Bundesamt durfte die Prüfung des Asylantrags nicht mit der Begründung ablehnen, dass der Kläger aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist. Diese auf § 26a AsylG gestützte Entscheidung ist an der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Regelung in § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG in der Fassung des Integrationsgesetzes vom (BGBl. I S. 1939) zu messen. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor, weil sicherer Drittstaat in diesem Sinne bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung nur ein Staat sein kann, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist. Dies hält der Senat für einen "acte clair".
13Zwar ist die Drittstaatenregelung des § 26a AsylG, an die § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG anknüpft, weiter gefasst. Sichere Drittstaaten sind gemäß § 26a Abs. 2 AsylG, der Art. 16a Abs. 2 GG entspricht, nämlich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die in Anlage I zum Asylgesetz bezeichneten Staaten, zu denen derzeit nur Norwegen und die Schweiz zählen. Dieser weite Anwendungsbereich der deutschen Drittstaatenregelung steht jedoch nicht im Einklang mit der Richtlinie 2013/32/EU. Er ist wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts dahin einzuschränken, dass der Verweis auf einen sicheren Drittstaat jedenfalls bei der Versagung internationalen Schutzes nur hinsichtlich der Staaten der Anlage I möglich ist. In Bezug auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union darf hingegen von dem im nationalen Recht geregelten Konzept sicherer Drittstaaten kein Gebrauch gemacht werden. Diese Vorgabe des Unionsrechts ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU, der die Gründe, aus denen die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten dürfen, abschließend aufzählt. Danach kommen als unionsrechtliche Grundlage für eine nationale Drittstaatenregelung Art. 33 Abs. 2 Buchst. b und c Richtlinie 2013/32/EU in Betracht. Diese Vorschriften verweisen auf die in Art. 35 und 38 der Richtlinie geregelten Konzepte des ersten Asylstaats bzw. des sicheren Drittstaats, erklären diese jedoch jeweils nur in Bezug auf Staaten für anwendbar, die keine Mitgliedstaaten sind. Ob das Konzept des europäischen sicheren Drittstaats nach Art. 39 der Richtlinie ebenfalls zu einer Unzulässigkeitsentscheidung berechtigt, obwohl es in Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie nicht genannt ist, kann der Senat offenlassen. Denn auch dieses Konzept zielt nicht auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern auf europäische Staaten, die (noch) nicht deren Mitglied sind (vgl. Vedsted-Hansen, in: Hailbronner/Thym <Hrsg.>, EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D IV Art. 39 Rn. 3). Kein anderes Ergebnis ergäbe sich, wenn im vorliegenden Fall noch auf die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft abzustellen sein sollte. Die Anwendung der dort vorgesehenen Konzepte des sicheren Drittstaats und des ersten Asylstaats war ebenfalls auf Staaten beschränkt, die keine Mitgliedstaaten sind (vgl. Art. 25 Abs. 2 Buchst. b und c Richtlinie 2005/85/EG).
14Von dieser Begrenzung auf Drittstaaten im Sinne des Unionsrechts ist wohl auch der deutsche Gesetzgeber bei Erlass des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ausgegangen, wenngleich er dies nicht durch eine Änderung von § 26a Abs. 2 AsylG zum Ausdruck gebracht hat. Denn aus den Materialien zu § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG geht hervor, dass mit Drittstaaten im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG nur solche Staaten gemeint sind, die durch Aufnahme in Anlage I des Asylgesetzes als sicherer Drittstaat eingestuft worden sind (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 18/8883 S. 7). Dies schließt die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus, da diese keiner Eintragung bedürfen.
15b) Die Vorlagefragen stellen sich im Rahmen der vom Senat zu prüfenden Frage, ob die vom Bundesamt getroffene Drittstaatenentscheidung in eine andere rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden kann. In Betracht kommt eine Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 AsylG gewährt hat. Mit dieser mit Wirkung vom eingefügten Vorschrift hat der nationale Gesetzgeber von der erweiterten Ermächtigung in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU Gebrauch gemacht. Denn der Unionsgesetzgeber hat in Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU die zuvor bereits in Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG geregelte Möglichkeit, einen Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, dahin erweitert, dass die Mitgliedstaaten einen Asylantrag nunmehr auch bei Gewährung subsidiären Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat als unzulässig behandeln dürfen.
16aa) Die Möglichkeit, einen Asylantrag wegen Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat abzulehnen, ist hinsichtlich des hier in Rede stehenden "Aufstockungsbegehrens" (d.h. des Folgeantrags eines in einem anderen Mitgliedstaat anerkannten subsidiär Schutzberechtigten auf Zuerkennung der in den Rechtsfolgen günstigeren Flüchtlingseigenschaft) in Deutschland erstmals durch § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG umgesetzt worden. Der Senat folgt nicht der teilweise vertretenen Auffassung, wonach sich schon zuvor aus der durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom (BGBl. I S. 3474) neu in das Aufenthaltsgesetz eingefügten, am in Kraft getretenen Regelung des § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ergeben habe, dass ein derartiges Aufstockungsbegehren unzulässig ist (so VG Minden, Urteil vom - 10 K 2248/14.A - juris Rn. 198 ff.; a.A. VGH Mannheim, Urteil vom - A 11 S 57/15 - InfAuslR 2015, 310 = juris Rn. 53 ff.). Zwar hat der Gesetzgeber damit die Unzulässigkeit eines erneuten Anerkennungsverfahrens auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG erstreckt. Dies hat zur Folge, dass seitdem auch ein Begehren auf subsidiären Schutz unzulässig ist, wenn dem Ausländer in einem anderen Mitgliedstaat die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist (vgl. 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 30; Beschluss vom - 1 B 51.15 - juris). Hingegen lässt sich der in § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG angeordneten "entsprechenden Anwendung" des § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen, dass nach Gewährung subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zulässigerweise begehrt werden kann.
17Erst recht liegt in der nationalen Drittstaatenregelung, wie sie vor Inkrafttreten des § 29 AsylG n.F. bereits in § 26a AsylG i.V.m. Art. 16a Abs. 2 GG enthalten war, keine Umsetzung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU. Ein Umsetzungswille muss im nationalen Recht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommen, zumal die Mitgliedstaaten von der Ermächtigung, die in Art. 33 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU aufgeführten Unzulässigkeitsgründe in ihrem nationalen Recht vorzusehen, nicht zwingend Gebrauch machen müssen. Das ist hier nicht der Fall. Eine hinreichend klare Entscheidung des Gesetzgebers, Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie umzusetzen, kann in § 26a AsylG nicht gesehen werden. Die Drittstaatenregelung datiert aus einer Zeit weit vor Erlass der Verfahrensrichtlinien. Sie ist schon dem Wortlaut nach dem sachlichen Anwendungsbereich von Art. 33 Abs. 2 Buchst. c, sowie allenfalls noch Buchst. b der Richtlinie 2013/32/EU zuzuordnen. Es findet sich auch sonst kein positiver Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber ihr nach Inkrafttreten der jeweiligen Richtlinie auch die Funktion zugedacht hat, Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG und sodann Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umzusetzen.
18bb) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG liegen vor. Bulgarien ist ein Mitgliedstaat der EU. Dem Kläger wurde dort nach den Feststellungen des Berufungsgerichts subsidiärer Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU und damit internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt.
19cc) Dem vorlegenden Gericht stellt sich jedoch die Frage, ob die Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auf den vorliegenden Fall mit Unionsrecht zu vereinbaren ist.
20(1) Es bedarf zunächst der Klärung durch den Gerichtshof, ob der genannte Unzulässigkeitstatbestand auf den hier im November 2013 gestellten Asylantrag in zeitlicher Hinsicht bereits Anwendung finden kann. Nach nationalem Recht (§ 77 Abs. 1 AsylG) ist es an sich geboten, § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auch auf vor seinem Inkrafttreten gestellte Anträge anzuwenden, soweit über diese noch nicht bestandskräftig entschieden ist. Der darin liegenden "unechten Rückwirkung" steht nationales Verfassungsrecht im konkreten Fall nicht entgegen (so der Sache nach bereits 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 28 ff.). Das Vertrauen der Betroffenen in den Fortbestand der alten Rechtslage wiegt nach Auffassung des Senats weniger schwer als das mit der Neuregelung verfolgte Ziel, Sekundärmigration nach erfolgter Schutzgewährung in Übereinstimmung mit Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU zu vermeiden. Das gilt jedenfalls in Fällen, in denen die neue Richtlinie - wie hier - bereits in Kraft war, als der Schutzsuchende seinen Asylantrag in Deutschland gestellt hat. In einem solchen Fall musste er mit einer möglichen Umsetzung des neuen Unzulässigkeitsgrundes jedenfalls rechnen.
21Ohne eine Übergangsbestimmung wäre auch unionsrechtlich Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU bzw. das diese Regelung umsetzende nationale Recht auf Altanträge anwendbar. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Richtlinie unmittelbar auch auf die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts anzuwenden, der unter der Geltung der alten Rechtslage entstanden ist ( [ECLI:EU:C:2013:569], Filev u.a. - Rn. 40), hier also auf alle Anträge, die noch nicht bestandskräftig beschieden sind.
22Die Richtlinie 2013/32/EU enthält aber in Art. 52 Abs. 1 eine Übergangsbestimmung, deren Auslegung für den vorliegenden Fall klärungsbedürftig ist. Danach wenden die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Artikel 51 Absatz 1 auf förmlich gestellte Anträge auf internationalen Schutz nach dem oder früher an (Satz 1). Für vor diesem Datum gestellte Anträge gelten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85/EG. Der Antrag auf internationalen Schutz ist hier vor dem und zugleich auch vor Umsetzung der erweiterten Ablehnungsmöglichkeit des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU in das nationale Recht gestellt worden. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entspricht in Fällen, in denen dem Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat nur subsidiärer Schutz gewährt worden ist, zwar den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU, nicht jedoch den Anforderungen des Art. 25 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2005/85/EG; er ist deshalb insoweit mit der Richtlinie 2005/85/EG unvereinbar.
23Mit Vorlagefrage 1 soll daher geklärt werden, wie die zitierte Übergangsregelung der Richtlinie bezogen auf eine solche Fallgestaltung auszulegen ist. Der Senat hat in einem früheren Verfahren entschieden, dass Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Richtlinie 2013/32/EU der Anwendung einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach vor dem gestellte Anträge auf Flüchtlingsschutz unzulässig sind, wenn dem Antragsteller zuvor bereits subsidiärer Schutz in einem anderen Mitgliedstaat gewährt worden ist (vgl. 1 B 41.15 - NVwZ 2015, 1779 Rn. 11 f.). Nach dieser Auslegung gelten die in Umsetzung der Richtlinie 2013/32/EU ergangenen nationalen Rechtsvorschriften für vor dem gestellte Anträge nur, soweit sie mit der Richtlinie 2005/85/EG in Übereinstimmung stehen. Dies beruht auf der Annahme, dass die in Art. 52 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/32/EU eröffnete Möglichkeit, die in Umsetzung der neuen Richtlinie ergangenen nationalen Rechtsvorschriften auch schon auf vor diesem Datum gestellte Anträge anzuwenden ("oder früher"), nur Bedeutung hat, soweit es um günstigere Bestimmungen im Sinne von Art. 5 Richtlinie 2005/85/EG geht. Nationale Vorschriften zur Umsetzung der Neufassung der Richtlinie, die von den Bestimmungen der Richtlinie 2005/85/EG zum Nachteil des Antragstellers abweichen, dürfen hingegen nach dieser Auslegung aufgrund der Bestimmung in Art. 52 Abs. 1 Satz 2 Richtlinie 2013/32/EU auf vor dem gestellte Anträge nicht angewendet werden. Die Übergangsregelung schützt nach diesem Verständnis das Vertrauen der Antragsteller, die ihren Antrag vor Ablauf der am verstrichenen Umsetzungsfrist (vgl. Art. 51 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU) gestellt haben, darauf, von Rechtsnachteilen durch die Umsetzung der neuen Richtlinie verschont zu bleiben.
24Diese Auslegung der Übergangsvorschrift durch den Senat ist in der Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte teilweise auf Widerspruch gestoßen (vgl. VG Aachen, Urteil vom - 8 K 2119/14.A - juris Rn. 70; VG Gelsenkirchen, Urteil vom - 2a K 2466/15.A - InfAuslR 2016, 209 = juris Rn. 26 ff.; VG Minden, Urteil vom - 10 K 2248/14.A - juris Rn. 214 ff., VG Darmstadt, Beschluss vom - 3 L 1068/17 DA.A - juris Rn. 6). Die abweichende Auffassung geht davon aus, dass es den Mitgliedstaaten freistehe, Rechtsvorschriften, die die neue Richtlinie umsetzen, auch schon auf vor dem gestellte Anträge für anwendbar zu erklären. Dies folge aus dem Zusatz "oder früher" in Art. 52 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2013/32/EU. Zwar bestimme Satz 2 der Regelung für vor dem gestellte Anträge die Anwendbarkeit des in Umsetzung der Richtlinie 2005/85/EG ergangenen Rechts und stehe damit in einem gewissen Widerspruch zu Satz 1. Dieser Widerspruch sei aber dadurch zu erklären, dass der Zusatz "oder früher" in Satz 1 der Vorschrift erst am Ende des Rechtssetzungsverfahrens in die Regelung aufgenommen wurde. Nach dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission vom habe die Übergangsvorschrift eine feste Stichtagsregelung enthalten sollen. Erst durch den Standpunkt (EU) Nr. 7/2013 des Rates in erster Lesung vom (ABl. C 179 E S. 27) seien in Satz 1 die Wörter "oder früher" eingefügt worden. Dabei sei versäumt worden, die Regelung in Satz 2 entsprechend anzupassen. Satz 2 ist nach dieser Auslegung nur eine Auffangregelung für den Fall, dass die Mitgliedstaaten die neue Richtlinie nicht vor dem umgesetzt bzw. das neue Recht nicht auf vor diesem Zeitpunkt gestellte Anträge für anwendbar erklärt haben. Bei vor dem gestellten Anträgen ist eine nationale Regelung danach unionsrechtskonform, wenn sie entweder den Vorgaben der neuen oder den Vorgaben der alten Richtlinie entspricht.
25Der Senat kann ohne die Klärung der Auslegung der Übergangsbestimmung, um die er den Gerichtshof mit Teilfrage 1 der Vorlagefrage 1 ersucht, nicht an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten. Für den Fall, dass sich die zuletzt dargestellte Auffassung als grundsätzlich zutreffend erweisen sollte, stellt sich die weitere Frage, ob die nationalen Vorschriften, die die Richtlinie 2013/32/EU umsetzen, auf alle vor dem gestellten Anträge angewendet werden können oder nur auf solche, die nach Inkrafttreten der nationalen Rechtsvorschrift, die die neue Richtlinie umsetzt, gestellt worden sind (Teilfrage 2 der Vorlagefrage 1). Wenn die in Umsetzung der Richtlinie 2013/32/EU ergangene Rechtsvorschrift im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz schon in Kraft gewesen sein muss, um auf den Antrag Anwendung finden zu können, wäre der Asylantrag des Klägers nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig. Denn der Antrag ist im November 2013 gestellt worden, § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG aber erst im August 2016 in Kraft getreten. Kommt es auf den Zeitpunkt der Umsetzung im nationalen Recht nicht an, ist der Antrag des Klägers hingegen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig (soweit sich nicht aus der Beantwortung der Vorlagefragen 2 oder 3 etwas anderes ergibt).
26(2) Wenn Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU der Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht entgegensteht, bedarf weiter der Klärung, ob die Mitgliedstaaten von einer Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umsetzenden Regelung Gebrauch machen dürfen, ohne vorrangig zu klären, ob die Prüfung des Antrags wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit nach Maßgabe der Dublin-Bestimmungen abzulehnen ist. Darauf zielt die Vorlagefrage 2. Sie stellt sich nur, wenn die Dublin-Regelungen nach Gewährung internationalen Schutzes in Form von subsidiärem Schutz überhaupt noch Anwendung finden, was zweifelhaft sein könnte, wenn dafür im vorliegenden Fall in zeitlicher Hinsicht bereits auf die Dublin III-VO abzustellen ist (dazu s.u. Vorlagefrage 5.).
27Art. 33 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU bestimmt, dass die Mitgliedstaaten zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ein Antrag nicht geprüft wird, nicht prüfen müssen, ob dem Antragsteller der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU zuzuerkennen ist, wenn ein Antrag auf der Grundlage des vorliegenden Artikels als unzulässig betrachtet wird. Das spricht dafür, dass die Mitgliedstaaten ein Wahlrecht haben, ob sie einen Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit oder nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU als unzulässig ablehnen, oder dass ohnehin keine Konkurrenz zwischen diesen beiden Entscheidungsvarianten besteht, weil die Dublin III-VO nach der Gewährung internationalen Schutzes keine Anwendung mehr findet.
28(3) Wenn der Antrag nach dem Ergebnis der Vorlagefragen 1 und 2 gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, der Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umsetzt, wegen der Gewährung subsidiären Schutzes in Bulgarien als unzulässig abgelehnt werden kann, stellt sich die weitere Frage, ob diese Möglichkeit durch andere unionsrechtliche Regelungen (Art. 4 und 18 GRC, Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU) eingeschränkt wird (Vorlagefragen 3 und 4).
29Das Gemeinsame Europäische Asylsystem beruht auf dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten. Ausgehend davon hat der Gerichtshof zu Überstellungen nach der Dublin II-VO entschieden, dass nicht schon jeder Verstoß gegen einzelne asylrechtliche Normen ausreichen kann, um eine Überstellung an den zuständigen Staat zu hindern. Andernfalls würden die Verpflichtungen der Staaten im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem ausgehöhlt. Allerdings steht das Unionsrecht einer unwiderlegbaren Vermutung entgegen, wonach der Zielstaat der Überstellung die Unionsgrundrechte beachtet. Es obliegt den Mitgliedstaaten, von einer Überstellung bei erheblichen Defiziten abzusehen. Ein solcher Fall liegt vor, wenn dem Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, nicht verborgen geblieben sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Zielstaat ernstlich und erwiesenermaßen für eine tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC sprechen (, C-493/10 [ECLI:EU:C:2011:865], N.S. - Rn. 78 - 94). Diese Rechtsprechung hat bei der Neufassung der Dublin-Regeln durch die Dublin III-VO in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO Eingang gefunden.
30Es bedarf der Klärung durch den Gerichtshof, ob und gegebenenfalls in welcher Weise diese Rechtsprechung auf solche Fälle von Sekundärmigration zu übertragen ist, in denen die Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits einen Schutzstatus erhalten haben und nun einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellen. Konkret ist hier der Fall betroffen, dass der Antragsteller nach Gewährung subsidiären Schutzes die Aufstockung seines Schutzes durch Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat begehrt.
31Dabei stellt sich zum einen die Frage, ob es der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig entgegensteht, wenn das Asylverfahren in dem Mitgliedstaat, in dem der subsidiäre Schutz gewährt worden ist, an systemischen Mängeln leidet (Vorlagefrage 3a). Die Situation, in der sich der Antragsteller befindet, ist hier allerdings eine etwas andere als in den oben genannten Dublin-Fällen: Die Aufnahmebedingungen können an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben, weil der Antragsteller bereits subsidiären Schutz erhalten hat. Offenbleiben kann auch, ob ein in dieser Situation gestellter Folgeantrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bewirken würde, dass er insoweit - wieder - "Antragsteller" im Sinne von Art. 2 Buchst. b Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung, ABl. L 180 S. 96 - Aufnahmerichtlinie) ist und diese Richtlinie somit Anwendung findet. Denn jedenfalls kann er sich in dem Mitgliedstaat, der ihm subsidiären Schutz gewährt hat, - gegebenenfalls zusätzlich - bereits auf seinen Status als subsidiär Schutzberechtigter und die daraus gemäß Kapitel VII i.V.m. Art. 20 Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU folgende Rechtsstellung berufen, die über die während des Verfahrens gewährte Rechtsstellung nach der Aufnahmerichtlinie hinausgeht.
32Folglich sind hier nur Mängel im Asylverfahren als solches in den Blick zu nehmen. Diese können darin bestehen, dass der Staat, der die subsidiäre Schutzberechtigung gewährt hat, die - höherwertige - Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einer als systemischen Mangel zu begreifenden Weise (vorhersehbar) verweigert oder dass er Folgeanträge trotz Vorliegens neuer Elemente oder Erkenntnisse, die erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen, dass der Antragsteller als Flüchtling anzuerkennen ist (vgl. Art. 40 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU), nicht weiter prüft. Von einem Folgeantrag ist dabei auch in einem Fall wie dem vorliegenden auszugehen, in dem dem Antragsteller auf seinen vorangegangenen Antrag - nur - subsidiärer Schutz gewährt worden ist, was impliziert, dass sein weitergehendes Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt worden ist. Denn auch in diesem Fall liegt eine "bestandskräftige Entscheidung über einen früheren Antrag" im Sinne von Art. 2 Buchst. q Richtlinie 2013/32/EU vor (vgl. auch Art. 46 Abs. 1 Buchst. a i), Abs. 2 Unterabs. 1 Richtlinie 2013/32/EU). Dass der subsidiäre Schutzstatus einem international Schutzberechtigten in Bulgarien die gleichen Rechte und Vorteile einräumen würde wie der Flüchtlingsstatus (vgl. Art. 46 Abs. 2 Unterabs. 2 Richtlinie 2013/32/EU), steht jedenfalls nicht positiv fest. Vor diesem Hintergrund fragt sich der Senat, ob und unter welchen Voraussetzungen Art. 18 GRC i.V.m. Art. 78 AEUV es gebieten könnten, dass ein Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz entgegen einer Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umsetzenden nationalen Rechtsvorschrift prüft, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat bereits der subsidiäre Schutzstatus, nicht aber die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde.
33Mit Vorlagefrage 3b) soll geklärt werden, ob Unionsrecht verlangt, den Folgeantrag einer in einem anderen Mitgliedstaat als subsidiär schutzberechtigt anerkannten Person entgegen einer nationalen Rechtsvorschrift, die Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umsetzt, zu prüfen, wenn die Lebensbedingungen für subsidiär Schutzberechtigte dort gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verstoßen oder den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU unterhalb dieser Schwelle nicht genügen. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist geklärt, dass eine Abschiebung in einen Staat, in dem die Lebensbedingungen für subsidiär Schutzberechtigte einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK gleichkommen, nicht in Betracht kommt (vgl. zuletzt [ECLI:EU:C:2017:127], Rn. 59 ff.). Damit ist aber noch nicht gesagt, dass der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, unter diesen Voraussetzungen auch einen Folgeantrag in der Sache prüfen muss.
34In einer solchen Situation kann ein Antragsteller, der neue Elemente oder Erkenntnisse im Sinne von Art. 40 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU geltend macht, unter Umständen langfristig keine Prüfung der Frage erhalten, ob er die Voraussetzungen der - in den Rechtsfolgen günstigeren - Flüchtlingseigenschaft nunmehr erfüllt. Eine (freiwillige) Rückkehr in den Mitgliedstaat, der ihm subsidiären Schutz gewährt hat und in dem er einen Folgeantrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft stellen könnte, wäre ihm nicht zuzumuten. Er befände sich damit hinsichtlich der begehrten Höherstufung in der Situation eines "refugee in orbit". Zwar könnte er in Deutschland einen rechtmäßigen Aufenthalt erlangen, weil im Zielstaat ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt (vgl. auch § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG, wonach auch in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen ist, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen). Denn nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG "soll" einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Diese Regelung könnte erforderlichenfalls unionsrechtskonform dahin ausgelegt werden, dass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden muss. Anerkannten Flüchtlingen wird in Deutschland aber eine bessere Rechtsstellung eingeräumt als sie durch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vermittelt wird. Der Inhaber einer solchen Aufenthaltserlaubnis hat nicht zu allen in Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU gewährleisteten Rechten Zugang. Der Senat hält es deshalb für zweifelhaft und klärungsbedürftig, ob Art. 18 GRC i.V.m. Art. 78 AEUV es in einer derartigen Situation gebieten, einen Folgeantrag auf Zuerkennung von Flüchtlingsschutz zu prüfen, soweit der Antragsteller neue Elemente oder Erkenntnisse im Sinne von Art. 40 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU vorbringt. Auch wenn er keine nachträgliche Veränderung der Sachlage geltend macht, stellt sich die Frage, ob eine nochmalige Zuerkennung subsidiären Schutzes in Deutschland unionsrechtlich geboten ist. Selbst wenn man von der unionsrechtlichen Vorgabe ausgeht, dass dem in einem Mitgliedstaat anerkannten subsidiär Schutzberechtigten die mit diesem Status verbundenen Rechte und Vorteile praktisch nicht vorenthalten werden dürfen, erfordert dies bei nicht zumutbarer Rückkehr in diesen Mitgliedstaat nicht zwingend die nochmalige Durchführung eines Asylverfahrens mit dem Ziel der - erneuten - Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat und der daran anknüpfenden Einstandspflicht für die mit einem Schutzstatus verbundenen Rechte und Vorteile. Vielmehr könnte in diesen Fällen der praktischen Wirksamkeit der Schutzgewährung auch dadurch Rechnung getragen werden, dass der Betroffene, solange ihm eine Rückkehr in den Mitgliedstaat, der ihn als subsidiär Schutzberechtigten anerkannt hat, nicht zumutbar ist, im Aufenthaltsmitgliedstaat in dem bei unionskonformer Auslegung der nationalen aufenthalts- und sozialrechtlichen Rechtsvorschriften gebotenen Umfang wie ein subsidiär Schutzberechtigter zu behandeln ist. Dies hätte den Vorzug, dass der Betroffene nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt würde, als er stünde, wenn der Mitgliedstaat, der ihm internationalen Schutz gewährt hat, den damit verbundenen unionsrechtlichen Verpflichtungen nachkäme. Außerdem würden hierdurch nicht nur Mehrfachanerkennungen, sondern auch divergierende Entscheidungen innerhalb der Union mit allen ihren unionsrechtlich unerwünschten Folgeerscheinungen vermieden.
35Etwas anderes dürfte allerdings gelten, wenn die Lebensbedingungen im Mitgliedstaat, der subsidiären Schutz gewährt hat, lediglich in einzelnen Punkten den Anforderungen der Art. 20 ff. Richtlinie 2011/95/EU nicht genügen, ohne bereits gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zu verstoßen (Vorlagefrage 3b) zweiter Spiegelstrich). Denn auch im Dublin-Verfahren sind nach der - in der Dublin III-VO kodifizierten - Rechtsprechung des Gerichtshofs nur systemische Schwachstellen relevant, "die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen" (vgl. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO). Eine weitere Absenkung dieser Schwelle würde das Gemeinsame Europäische Asylsystem und das ihm zugrunde liegende gegenseitige Vertrauen unterlaufen. Aus diesem Grund hat der Senat auch Bedenken gegen eine (uneingeschränkte) Bejahung der Vorlagefrage 4: Die Regelungen der Anerkennungsrichtlinie über die Ausgestaltung des internationalen Schutzes gewährleisten subsidiär Schutzberechtigten existenzsichernde Leistungen allenfalls in demselben Umfang, wie sie eigene Staatsangehörige erhalten (vgl. Art. 27, 29 Abs. 1 und 2, Art. 30 und 32 Richtlinie 2011/95/EU). Daraus folgt, dass es unionsrechtlich allenfalls dann geboten sein kann, einen Folgeantrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entgegen der im nationalen Recht angeordneten Unzulässigkeit derartiger Anträge zu prüfen, wenn die Lebensbedingungen in dem Mitgliedstaat, der dem Antragsteller subsidiären Schutz gewährt hat, Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK verletzen (zu den vorstehend bezeichneten Problemen s.a. VGH Mannheim, Beschluss vom - A 11 S 2151/16 - Frage 4).
36bb) Falls Frage 2 zu verneinen ist und die Übergangsregelung in Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU der Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht entgegensteht, hat der Senat weiter zu prüfen, ob der Vorrang des Dublin-Verfahrens (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) der Ablehnung des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG entgegensteht.
37(1) Dies setzt zunächst voraus, dass die Dublin-Regelungen Anwendung finden, wenn einem Antragsteller bereits in einem anderen Mitgliedstaat subsidiärer Schutz gewährt worden ist und er nunmehr einen Folgeantrag mit dem Ziel der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft stellt. Dabei bedarf vorrangig der Klärung, ob bei der Beantwortung dieser Frage in Fällen wie dem vorliegenden in intertemporaler Hinsicht auf die Dublin III-VO oder noch auf die Dublin II-VO abzustellen ist. Auf die Klärung dieser Fragen zielt die Vorlagefrage 5a).
38Nach der Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 Dublin III-VO ist die Dublin III-VO auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem gestellt werden. Darüber hinaus gilt sie ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor dem eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Dublin II-VO. Hier wurde der Asylantrag im November 2013 - also vor dem Stichtag - eingereicht. Das an Bulgarien gerichtete Wiederaufnahmeersuchen wurde hingegen erst am gestellt. In diesem Übergangsfall stellt sich die Frage, inwieweit bei der Zuständigkeitsbestimmung noch die Dublin II-VO oder schon die Dublin III-VO Anwendung findet. Nach Auffassung des Senats richtet sich jedenfalls die Beurteilung des Wiederaufnahmegesuchs nach den Regelungen der Dublin III-VO (vgl. 10 C 7.13 - BVerwGE 150, 29 Rn. 27). Der Senat neigt zu der Annahme, dass dies auch einen daran anknüpfenden Zuständigkeitsübergang - zum Beispiel durch Ablauf der Antrags- oder Überstellungsfrist - einschließt. Lediglich die Bestimmung des originär zuständigen Mitgliedstaats erfolgt weiterhin nach den Bestimmungen der Dublin II-VO (vgl. etwa VG Aachen, Beschluss vom - 4 L 53/14.A - juris Rn. 17; a.A. Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, AsylG § 34a Rn. 8; - juris Rn. 13).
39Dies zugrundegelegt könnte für die Frage, ob die Dublin-Regelungen in sachlicher Hinsicht noch Anwendung finden, wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen Mitgliedstaat subsidiären Schutz erhalten hat, hier bereits auf die Dublin III-VO abzustellen sein, weil es um die Möglichkeit einer Überstellung geht, die im Zusammenhang mit einem Wiederaufnahmeverfahren steht.
40Sollte die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats allein anhand der Dublin II-VO zu beantworten sein, bestünde kein Zweifel, dass eine Dublin-Überstellung nach Zuerkennung subsidiären Schutzes weiterhin in Betracht kommt (vgl. Hruschka/Maiani, in: Hailbronner/Thym <Hrsg.>, EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D VI Art. 3 Rn. 3). Denn der Antrag auf internationalen Schutz nach dieser Verordnung bezog sich nach ihrem Art. 2 Buchst. c nur auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, ohne den subsidiären Schutz einzubeziehen. Nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e Dublin II-VO ist der zuständige Mitgliedstaat gehalten, einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag er abgelehnt hat und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen. Ein solcher Fall der Antragsablehnung liegt vor, wenn der Antragsteller im zuständigen Mitgliedstaat nur subsidiären Schutz bekommen hat.
41Ist dagegen die Dublin III-VO insoweit maßgeblich, hat der Senat Zweifel, ob eine Dublin-Überstellung nach Gewährung internationalen Schutzes, der nunmehr auch den subsidiären Schutz umfasst (vgl. Art. 2 Buchst. b und f Dublin III-VO i.V.m. Art. 2 Buchst. b und h Richtlinie 2011/95/EU), noch in Betracht kommt. Diese Frage ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Nach einer Auffassung ist auf einen Folgeantrag, mit dem ein subsidiär Schutzberechtigter die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, weiterhin die Dublin III-VO anwendbar. Der Antrag auf internationalen Schutz umfasse nicht nur den subsidiären Schutz, sondern darüber hinaus auch die mit weiteren Rechten verbundene Anerkennung als Flüchtling. Die Verpflichtung aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO, einen Antragsteller, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, wieder aufzunehmen, erfasse auch diese Personengruppe. Denn mit der Zuerkennung (nur) des subsidiären Schutzes sei gleichzeitig eine Ablehnung der Flüchtlingsanerkennung verbunden (.A - juris Rn. 51 ff.; OVG 3 B 2.16 - juris Rn. 21 ff.; Bergmann, ZAR 2015, 81 <83>).
42Die Gegenauffassung (Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand Februar 2017, § 27a Rn. 34; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Dezember 2016, § 29 AsylG Rn. 132 f.; Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Artikel 2 K22; Hruschka/Maiani, in: Hailbronner/Thym <Hrsg.>, EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D VI Art. 3 Rn. 3) verweist auf die Legaldefinitionen in Art. 2 Buchst. c und f Dublin III-VO, die zwischen dem "Antragsteller" und dem "Begünstigten internationalen Schutzes" unterscheiden. Für den Fall eines positiven Abschlusses des Asylverfahrens sei in der Dublin III-VO keine dem Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO entsprechende Wiederaufnahmeverpflichtung normiert. Für die Auffassung, dass die Anwendbarkeit der Dublin III-VO mit der Gewährung jeglicher Form von internationalem Schutz endet, dürfte aber vor allem sprechen, dass nach Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU nunmehr "zusätzlich zu den Fällen, in denen ein Antrag nicht geprüft wird", Anträge auf internationalen Schutz - auch - dann als unzulässig betrachtet werden dürfen, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat - nur - subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist. Der hiermit bezweckte Vereinfachungseffekt würde kaum erzielt, wenn das Gebrauchmachen von dieser Option eine zuvor zu bestimmende Zuständigkeit nach der Dublin III-VO voraussetzen würde (siehe dazu auch Vorlagefrage 2).
43(2) Für den Fall, dass die Dublin-Regelungen weiterhin Anwendung finden, stellt sich die weitere Frage, ob die Zuständigkeit Bulgariens für die Prüfung des Antrags noch fortbesteht oder ob die Zuständigkeit auf Deutschland übergegangen ist, nachdem Bulgarien die fristgerecht beantragte Wiederaufnahme des Klägers nach den Dublin-Bestimmungen abgelehnt und Deutschland dies akzeptiert hat (Vorlagefrage 5b).
44Originär zuständig für die Prüfung des Schutzantrags ist Bulgarien, weil der Kläger über diesen Mitgliedstaat zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach April 2012 illegal in die EU eingereist ist (Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO). Die Zuständigkeit Bulgariens ist nicht gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts wieder entfallen, weil der Kläger innerhalb dieser Frist in Bulgarien seinen ersten Asylantrag gestellt hat (siehe Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO). Auf die vom Oberverwaltungsgericht offengelassene Frage, ob einer Zuständigkeit Bulgariens systemische Mängel des dortigen Asylverfahrens entgegenstehen, käme es nicht an, wenn eine Zuständigkeit Bulgariens jedenfalls im weiteren Verlauf auf Deutschland übergegangen wäre. Der Senat neigt dazu, dies zu bejahen.
45Ein Zuständigkeitsübergang ergibt sich hier allerdings weder aus einer verspäteten Stellung des Wiederaufnahmegesuchs noch aus einem Ablauf der Überstellungsfrist. Dies richtet sich im vorliegenden Verfahren gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO bereits nach der Dublin III-VO. Deutschland hat rechtzeitig innerhalb der Frist des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO ein Wiederaufnahmeersuchen an die bulgarischen Behörden gerichtet. Da Bulgarien eine Dublin-Überstellung abgelehnt und stattdessen auf ein zwischenstaatliches Rückübernahmeabkommen verwiesen hat, konnte eine Überstellungsfrist nicht an- und damit auch nicht ablaufen. Denn die Überstellungsfrist knüpft sowohl nach der Dublin III-VO als auch nach der Dublin II-VO an die Annahme eines (Wieder-)Aufnahmeersuchens durch den ersuchten Mitgliedstaat an.
46Jedoch hat das Bundesamt die ablehnende Entscheidung Bulgariens akzeptiert. Es hat weder von dem in Art. 37 Dublin III-VO fakultativ vorgesehenen Schlichtungsverfahren noch von der in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist - EG-AsylZust-DVO - (ABl. L 222 S. 3) eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, vom ersuchten Mitgliedstaat eine neuerliche Prüfung des Gesuchs zu verlangen. In der Literatur wird angenommen, dass die endgültige Ablehnung eines Wiederaufnahmeersuchens durch den ersuchten Mitgliedstaat zu einer Zuständigkeit des ersuchenden Mitgliedstaats führt (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Artikel 25 K1 i.V.m. Artikel 22 K6; Hruschka/Maiani, in: Hailbronner/Thym <Hrsg.>, EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D VI, Art. 22 Rn. 2 zu Art. 5 EG-AsylZust-DVO; a.A. .A - juris Rn. 59 ff.). Dies leuchtet in Fällen, in denen keine Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines weiteren Mitgliedstaats bestehen, schon aus praktischen Gründen ein, weil eine Dublin-Überstellung in einem solchen Fall auf absehbare Zeit unmöglich ist und der Antragsteller nur in dem ersuchenden Mitgliedstaat eine schnelle Entscheidung über seinen Antrag erreichen kann. Es wäre zudem schwer verständlich, dass Art. 5 EG-AsylZust-DVO die Möglichkeit der Remonstration an eine Frist knüpft, wenn mit deren Ablauf nicht von der Zuständigkeit des ersuchenden Mitgliedstaats auszugehen wäre. Da ein derartiger Zuständigkeitsübergang jedoch in der Dublin III-VO (und auch bereits in der Dublin II-VO) nicht ausdrücklich geregelt ist, hält der Senat dies für eine unionsrechtliche Zweifelsfrage, die abschließend vom Gerichtshof zu klären ist.
473. Das vorlegende Gericht ersucht den Gerichtshof, über die Vorlagefragen im beschleunigten Verfahren gemäß Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu entscheiden, weil die Art der Rechtssache ihre rasche Erledigung erfordert. Die vorgelegten Fragen stehen im Zusammenhang mit der - unionsrechtlich unerwünschten - Sekundärmigration von Asylsuchenden, zu deren bevorzugten Zielen Deutschland seit geraumer Zeit gehört. Es ist davon auszugehen, dass beim Bundesamt und den Verwaltungsgerichten derzeit mehrere tausend Verfahren zu bearbeiten sind, in denen sich die aufgeworfenen Fragen (zumindest teilweise) stellen, und die aufgrund des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens nicht abschließend entschieden werden können. Die Übergangsproblematik, die hier im Vordergrund steht, ist weiterhin in einer Vielzahl von noch nicht abgeschlossenen Fällen von Bedeutung. In zunehmender Zahl erreichen Fälle die Gerichte, in denen Antragsteller bereits Begünstigte internationalen Schutzes in einem EU-Mitgliedstaat sind und nun in Deutschland einen erneuten Antrag stellen. Es bedarf der raschen Klärung, ob diese auch dann in Anwendung einer Art. 33 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2013/32/EU umsetzenden nationalen Rechtsvorschrift abgelehnt werden können, wenn in dem Mitgliedstaat, der Schutz gewährt hat, systemische Mängel im Asylverfahren oder unzumutbare Lebensbedingungen für Schutzberechtigte bestehen. Sollte diese Klärung in dem vorliegenden Verfahren und den beiden weiteren vom Senat vorgelegten Verfahren nicht erfolgen können, ist mit weiteren Vorlagen an den Gerichtshof zu rechnen.
48Für die hier vorgelegte besondere Fallgruppe der Folgeanträge mit dem Ziel der "Aufstockung" des gewährten subsidiären Schutzes besteht darüber hinaus auch bezogen auf den einzelnen Fall ein vergleichbares Beschleunigungsinteresse wie in Dublin-Verfahren (vgl. [ECLI:EU:C:2017:120], Mengesteab). Das Dublin-System zielt darauf, eine schnelle Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu ermöglichen, um einen effektiven Zugang zu den Verfahren auf Zuerkennung eines internationalen Schutzes zu garantieren und das Ziel der Beschleunigung bei der Behandlung von Anträgen auf internationalen Schutz nicht zu unterlaufen (vgl. - Rn. 57). Selbst wenn in Situationen wie der vorliegenden die Dublin-Zuständigkeitsregeln nicht mehr anwendbar sein sollten, hat der Kläger ein vergleichbares Interesse daran, rasch zu erfahren, ob er bei nachträglichen Änderungen der Sachlage eine Prüfung seines Folgeantrags in Deutschland oder nur in Bulgarien erreichen kann. Hierauf wartet er nunmehr bereits seit mehr als drei Jahren.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2017:230317B1C17.16.0
Fundstelle(n):
WAAAG-46617