BGH Beschluss v. - XII ZB 33/17

Berufungsverfahren: Nachweis des fristgerechten Eingangs der Berufungsbegründung

Leitsatz

Zum Nachweis des fristgerechten Eingangs der Berufungsbegründung entgegen dem gerichtlichen Eingangsstempel.

Gesetze: § 418 Abs 1 ZPO, § 418 Abs 2 ZPO

Instanzenzug: LG Weiden Az: 21 S 43/16vorgehend AG Weiden Az: 3 C 369/16

Gründe

I.

1Die Klägerin verlangt nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit dem Beklagten von diesem den hälftigen Ausgleich restlicher Miet- und Stromkosten für die ehemals gemeinsam angemietete Wohnung in Höhe von 787,50 €. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben.

2Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am zugestellte Endurteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist ist auf seinen Antrag vom bis einschließlich Freitag, , verlängert worden. Die Berufungsbegründungsschrift vom trägt den Eingangsstempel "" der Gemeinsamen Einlaufstelle von Landgericht, Staatsanwaltschaft und Amtsgericht.

3Auf den Hinweis des Landgerichts, dass die Berufungsbegründungsschrift nicht fristgerecht eingereicht worden und die Berufung daher unzulässig sei, hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten geltend gemacht, seine langjährige und stets außerordentlich zuverlässige Kanzleiangestellte W. habe den Schriftsatz am gegen 12.30 Uhr in den "Nachtbriefkasten" eingeworfen. Zur Glaubhaftmachung hat er sich auf eine beigefügte eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten gestützt und hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

4Das Landgericht hat die Berufung wegen Versäumung der Begründungsfrist verworfen. Der Nachweis des fristgerechten Eingangs obliege dem Berufungskläger. Die Ermittlungen durch Nachfrage bei der Wachtmeisterei hätten ergeben, dass ein fristgerechter Eingang mit versehentlich verspätetem Abstempeln nahezu ausgeschlossen werden könne. Bei dieser Sachlage müsse trotz der eidesstattlichen Versicherung Verfristung angenommen werden. Für eine Wiedereinsetzung sei kein Raum, weil nicht eine entschuldbar verspätete, sondern eine fristgerechte Einreichung behauptet werde.

5Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

6Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

7Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

81. Der angefochtene Beschluss enthält allerdings noch ausreichende Ausführungen, um mit den vom Gesetz vorgesehenen Gründen versehen zu sein. Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge in beiden Instanzen erkennen lassen. Die Wiedergabe des Sachverhalts und der Anträge in einem die Berufung nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO verwerfenden Beschluss ist jedoch nicht ausnahmslos erforderlich. Ein solcher Beschluss kann sich etwa bei Verwerfung der Berufung wegen nicht gewahrter Berufungsfrist (§ 517 ZPO) oder Begründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) auf die entscheidungserheblichen Umstände beschränken. Die Entscheidung des Berufungsgerichts muss aber auch in diesen Fällen jedenfalls die die Verwerfung tragenden Feststellungen enthalten, weil andernfalls dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der Entscheidung nicht möglich ist (Senatsbeschluss vom - XII ZB 605/14 - FamRZ 2016, 625 Rn. 6 mwN). Diesem Erfordernis wird die vorliegende Verwerfungsentscheidung noch gerecht, indem sie auf den zuvor erteilten Hinweis Bezug nimmt, aus dem sich das Ende der Berufungsbegründungsfrist und das Datum des Eingangsstempels ergeben.

92. Die Rechtsbeschwerde rügt aber zu Recht, dass das Landgericht den Anspruch des Beklagten gemäß Art. 103 Abs. 1 GG auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat, indem es ohne Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO auf der Grundlage der vorliegenden Beweismittel entschieden hat.

10Zwar erbringt der Eingangsstempel auf dem Berufungsbegründungsschriftsatz als öffentliche Urkunde gemäß § 418 Abs. 1 ZPO den Beweis dafür, dass der Schriftsatz an diesem Tag bei Gericht eingegangen ist. Dieser Beweis kann jedoch gemäß § 418 Abs. 2 ZPO durch einen im Wege des Freibeweises zu erbringenden Gegenbeweis entkräftet werden. Danach können auch eidesstattliche Versicherungen als Beweismittel ausreichen, wenn diese dem Gericht die volle Überzeugung von der Richtigkeit der versicherten Behauptung vermitteln. Da der Beweiswert einer eidesstattlichen Versicherung jedoch lediglich auf Glaubhaftmachung angelegt ist, reicht sie zum Nachweis der Fristwahrung regelmäßig nicht aus. Dann muss auf die Vernehmung der Beweispersonen, etwa des Rechtsanwalts oder seines Personals, als Zeugen oder auf andere Beweismittel zurückgegriffen werden (Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 174/08 - FamRZ 2010, 122 Rn. 6 ff. mwN und vom - XII ZB 37/06 - juris Rn. 8 mwN; - NJW-RR 2014, 179 Rn. 10 mwN).

11Sofern die eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestellten dem Landgericht danach nicht die erforderliche Gewissheit vom rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung vermitteln konnte, hätte es gegebenenfalls die Kanzleiangestellte als Zeugin vernehmen müssen. Zwar hat sich der Beklagte in der Annahme, die vorgelegte eidesstattliche Versicherung sei ausreichend, nicht auf deren Vernehmung als Zeugin berufen. Das Landgericht hätte ihn jedoch gemäß § 139 Abs. 2 ZPO darauf hinweisen müssen, dass zur Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels die vorgelegten Mittel zur Glaubhaftmachung nicht ausreichen, und ihm Gelegenheit geben müssen, Zeugenbeweis anzutreten. Das hat das Landgericht gehörswidrig unterlassen (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XII ZB 37/06 - juris Rn. 10 mwN und vom - XII ZB 129/09 - FamRZ 2010, 726 Rn. 10).

123. Weiter macht die Rechtsbeschwerde mit Erfolg geltend, dass das Landgericht bei seiner Würdigung der erhobenen Beweise Vorbringen des Beklagten unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übergangen hat.

13Der Beklagtenvertreter hat auf den am abgesandten Hinweis des Landgerichts mit beim Landgericht am eingegangenem Schriftsatz vorgetragen, der Nachtbriefkasten funktioniere nicht ordnungsgemäß oder werde nicht ordnungsgemäß bedient. In der Vergangenheit sei es sowohl bei Post des Prozessbevollmächtigten als auch bei Post von drei anderen namentlich bezeichneten Rechtsanwaltskanzleien vorgekommen, dass rechtzeitig eingeworfene Schriftstücke einen verspäteten Eingangsstempel getragen hätten. Dem hätte das Landgericht nachgehen und hierzu etwa eine dienstliche Stellungnahme der Wachtmeisterei einholen müssen, weil bereits früher aufgetretene Unrichtigkeiten Einfluss auf die vorzunehmende Beweiswürdigung entfalten können.

14Der die Berufung verwerfende Beschluss trägt zwar das Datum . Anders als im Geltungsbereich des § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG, nach dem ein Beschluss mit dem Datum der Übergabe an die Geschäftsstelle oder der Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel erlassen ist, erfolgt der Erlass eines - wie hier - nicht zu verkündenden Beschlusses (§ 329 Abs. 2 ZPO) im Rahmen der Zivilprozessordnung erst mit der Hinausgabe aus dem inneren Gerichtsbetrieb und damit zu dem Zeitpunkt, zu welchem der Beschluss die Geschäftsstelle mit der unmittelbaren Zweckbestimmung verlassen hat, den Parteien bekannt gegeben zu werden (Senatsbeschluss vom - XII ZB 18/99 - FamRZ 2000, 813, 815; BGHZ 164, 347 = NJW 2005, 3724, 3726; BGH Beschlüsse vom - IX ZB 270/11 - FamRZ 2012, 1561 Rn. 8 und vom - IX ZB 165/10 - NJW-RR 2012, 179 Rn. 13 mwN; Urteil vom - IX ZR 117/03 - FamRZ 2004, 1368 mwN). Dies kann vorliegend frühestens der gewesen sein, weil erst mit diesem Datum die Verfügung des Vorsitzenden ausgeführt worden ist, den Beschluss an die Prozessbevollmächtigten hinauszugeben. Bis zum Zeitpunkt des Erlasses eingegangene Schriftsätze sind vom Gericht aber zu berücksichtigen ( - FamRZ 2012, 1561 Rn. 7; BVerfG NJW 1993, 51).

154. Da der angefochtene Beschluss auf diesen Verfahrensfehlern beruhen kann, ist die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landgericht zurückzuverweisen.

16Anders als die Rechtsbeschwerde meint, hat das Landgericht über den (hilfsweise gestellten) Wiedereinsetzungsantrag entschieden, indem es ausgeführt hat, für eine Wiedereinsetzung sei kein Raum. Insoweit war der Beschluss ebenfalls aufzuheben, weil über den Wiedereinsetzungsantrag erst dann zu befinden ist, wenn die Frage, ob die Berufungsbegründungsschrift rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist, geklärt ist (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 37/06 - juris Rn. 12). Entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung ist dem hierzu gehaltenen Vorbringen des Beklagten indes nicht zu entnehmen, dass - sollte der Schriftsatz tatsächlich verspätet eingegangen sein - die Kanzleiangestellte die Begründungsschrift zwar nach Dienstschluss mitgenommen, dann aber vergessen oder versäumt habe, sie am in den Gerichtsbriefkasten einzuwerfen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:260417BXIIZB33.17.0

Fundstelle(n):
IAAAG-45962