Kein Verschulden des Vorstands einer AG als Voraussetzung für eine Lohnsteuerhaftung bei sicherem Vertrauen auf die Übernahme
der AG durch einen Wettbewerber und Begleichung aller Verbindlichkeiten der AG durch den potentiellen Übernehmer
Leitsatz
1. Die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten stellt im Regelfall
eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflichten des gesetzlichen Vertreters dar. Reichen die dem Vorstand einer AG
zur Verfügung stehenden Mittel zur Befriedigung der arbeitsrechtlich geschuldeten Löhne (einschließlich des in ihnen enthaltenen
Steueranteils) nicht aus, so darf er die Löhne nur entsprechend gekürzt auszahlen und muss aus den dadurch übrig bleibenden
Mitteln die auf die gekürzten (Netto-)Löhne entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen.
2. Die bloße Wahrscheinlichkeit des Eingangs weiterer Geldmittel reicht regelmäßig zum Ausschluss des Verschuldens i. S. §
69 AO nicht aus. Es kann aber an dem Verschulden des Vertreters fehlen, wenn er aufgrund einer verbindlichen Zusage fest mit
dem Eingang zusätzlicher Mittel gerechnet hat. Das kann der Fall sein, wenn der Vorstand einer AG bei Gesamtwürdigung aller
Umstände des Einzelfalls sicher damit rechnen kann, dass das von der AG geführte Unternehmen von einem Wettbewerber übernommen
wird und dieser alle Rückstände der AG, die bis dahin aufgelaufen sind, nach dem Erwerb ausgleichen wird; ein Verschulden
liegt dann auch nicht vor, wenn die Übernahme später aufgrund der völlig unerwarteten Meinungsänderung eines Aufsichtsratsmitglieds
und Aktionärs für alle Beteiligten völlig überraschend doch noch scheitert.
Fundstelle(n): DStR 2017 S. 8 Nr. 30 DStRE 2017 S. 1310 Nr. 21 EFG 2017 S. 797 Nr. 10 GmbH-StB 2017 S. 327 Nr. 10 Ubg 2017 S. 710 Nr. 12 FAAAG-45535
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