Gründe
Die Beschwerde ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Es ist deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO in der seit geltenden Fassung).
Das angefochtene Urteil verletzt § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO.
a) Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben u.a. geltend gemacht, das Finanzgericht (FG) habe ihren Tatsachenvortrag, die —vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) als nicht versteuerte Erlöse behandelten— Beträge seien Darlehen gewesen, weder ”aufgenommen” noch Beweis darüber erhoben. Es habe vielmehr im Urteil ausgeführt, die Darlehen hätten durch nachvollziehbare schriftliche Unterlagen plausibel gemacht werden müssen. An solche Unterlagen fehle es jedoch ”in jeder Hinsicht”. Diese Sachdarstellung sei falsch. Das FG habe die im Einspruchsverfahren vorgelegten und in den Steuerakten enthaltenen Bescheinigungen der Darlehensgeber X und Y übersehen.
Die Kläger rügen insoweit sinngemäß Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO. Danach hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten (z.B. , BFH/NV 1995, 421, und vom III R 46/98, BFH/NV 1999, 1465).
b) Das Vorbringen der Kläger trifft zu. Das FG hat ersichtlich die Bescheinigungen, die in den Steuerakten enthalten sind und deshalb zum Prozessstoff i.S. des § 96 FGO gehören, nicht zur Kenntnis genommen. Denn das Urteil führt insoweit aus (Hervorhebung nicht im Original):
”Die Behauptung, es habe sich um Beträge gehandelt, die von Verwandten geliehen waren, und dann wieder zurückgegeben worden seien, hätten die Kl. durch nachvollziehbare schriftliche Unterlagen plausibel machen müssen, bevor das Gericht die betreffenden Personen als Zeugen zu vernehmen hätte. An solchen Unterlagen fehlt es in jeder Hinsicht.”
c) Auf diesem Mangel kann die Entscheidung des FG beruhen, weil nach dem Wortlaut der Urteilsgründe nur der irrtümlich angenommene Mangel solcher Unterlagen ursächlich dafür war, dass das FG von einer Vernehmung der benannten Zeugen abgesehen hat. Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass das FG bei Wahrnehmung der in den Steuerakten des FA befindlichen Bescheinigungen —über die zwischen den Beteiligten streitige Gewährung von Darlehen der Zeugen an den Kläger— von Amts wegen den Kläger zur Angabe der ladungsfähigen Anschriften der Zeugen, bzw. —bei ausländischer Anschrift— zur Stellung der Zeugen in einem anzuberaumenden Verhandlungstermin aufgefordert und in diesem Termin über die —entscheidungserhebliche— Behauptung der Kläger, die streitigen Geldbeträge seien Rückzahlungen der von diesen Personen gewährten Darlehen, hätte Beweis erheben können.
Die Möglichkeit eines anderweitigen Verfahrensausgangs bei Vermeidung des Verfahrensmangels begründet dessen Entscheidungserheblichkeit i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (, BFH/NV 1995, 861). Denn eine solche Möglichkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) schon dann anzunehmen, wenn ”nicht ausgeschlossen werden kann”, dass die Vermeidung des Verfahrensfehlers und damit eine ordnungsgemäße Prüfung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu einer anderen, dem Kläger günstigeren Entscheidung geführt hätte (BVerfG, Beschlüsse vom 2 BvR 846/93, 2 BvR 847/93, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung —HFR— 1993, 596; vom 2 BvR 2295/94, HFR 1996, 210, 211; vom 1 BvR 1463/89, HFR 1996, 153; ebenso , Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 272).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 1410 Nr. 11
QAAAA-66414