Untreue: Strafzumessung bei drohender berufsgerichtlicher Maßnahme gegenüber einem Steuerberater
Gesetze: § 90 StBerG, § 46 StGB, § 266 StGB
Instanzenzug: LG Schweinfurt Az: 9 Js 5435/15 - 1 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 43 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass der Angeklagte aus den Taten 484.633,45 € erlangte. Die Kammer hat nur deshalb nicht auf Wertersatzverfall erkannt, weil Ansprüche der Verletzten entgegenstehen. Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge erhebt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die verfahrensrechtlichen Beanstandungen bleiben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen ohne Erfolg.
32. Die Annahme tatmehrheitlicher Vergehen der Untreue in den Fällen II 1 A Ziffer 1, 3, 4, 9, 10, 16, 17, 19, 20, 28, 29 und II 1 B Ziffer 36, 38, 39, 40, 41 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand; im Übrigen sind die Schuldsprüche rechtsfehlerfrei.
4a) Nach den Feststellungen war der Angeklagte, ein Steuerberater, als Testamentsvollstrecker der am verstorbenen M. eingesetzt. In dieser Funktion hatte er Zugriff auf den Nachlass der Verstorbenen. Bis zum überwies er von den Konten der Erblasserin in 42 Fällen auf seine beiden Geschäftsgirokonten sowie auf sein Privatgirokonto insgesamt 484.633,45 €. Darüber hinaus nahm er eine Barauszahlung (Fall 30) vor. Mit dem Geld deckte er seine Lebenshaltungskosten und die Kosten seiner Steuerberaterkanzlei und schuf sich - vorgefasster Absicht entsprechend - eine Einnahmequelle von erheblicher Dauer und Gewicht. Die Überweisungen hat die Strafkammer in zwei Tabellen erfasst, welche die dem Nachlass entnommenen und seinem Vermögen zugeführten Beträge nach Betrag, Buchungstext, Datum und den betroffenen Konten auflisten. Feststellungen zum exakten Zeitpunkt der Tathandlungen des Angeklagten oder zu den näheren Umständen der Überweisungen hat das Landgericht nicht getroffen. Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, ob das in den Tabellen genannte Datum der einzelnen Überweisung den Tag benennt, an dem der Angeklagte die vom Landgericht als „Umbuchungen“ bezeichneten Überweisungen veranlasst hat oder ob damit der Tag der Wertstellung auf dem Empfängerkonto gemeint ist. Die Strafkammer hat auch nicht festgestellt, ob die Überweisungen „online“ oder durch Ausfüllen und Einreichen von Überweisungsträgern vorgenommen wurden. Dies könnte in den Fällen von Bedeutung sein, in denen in den Tabellen mehrere Überweisungen für denselben Tag eingetragen wurden (Fälle 3 und 38, 16 und 17, 19 und 20) oder für aufeinanderfolgende Tage (Fälle 9 und 10, 28 und 29) oder für Bankarbeitstage, die nur durch Wochenenden und Feiertage wie Ostern und Pfingsten (Fälle 4 und 39, 40 und 41) voneinander getrennt sind, oder für nicht weit auseinander liegende Tage mit demselben Buchungstext (Fälle 1 und 36).
5Angesichts des engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs kommt in den genannten Fällen die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit in Betracht. Hätte der Angeklagte mehrere Überweisungen durch gleichzeitige Abgabe der Überweisungsträger bei der Bank oder in anderer Weise in hinreichend kurzer zeitlicher Abfolge auf Grundlage eines einheitlichen Tatentschlusses veranlasst, läge die Annahme natürlicher Handlungseinheit nahe, auch wenn die Geldbeträge auf verschiedene Bankkonten des Angeklagten überwiesen worden sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 342/05, NStZ 2006, 100; vom - 2 StR 457/07, wistra 2008, 220 f.; vom - 4 StR 648/07, wistra 2008, 182 f.; vom - 4 StR 623/07, NStZ 2008, 281 f.; vom - 4 StR 207/14, wistra 2015, 17 und vom - 2 StR 144/15, wistra 2016, 152 f.).
6Der Senat kann nicht ausschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, die die Annahme materiell-rechtlich selbständiger Taten tragen könnten. Um widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, hat er in den genannten Fällen mit den Schuldsprüchen auch die zugehörigen Feststellungen - mit Ausnahme der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Wert der jeweils erlangten Beträge - aufgehoben. Diese Aufhebungen führen zum Wegfall der für diese Taten verhängten Einzelstrafen und der vom Landgericht festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe.
7Sollten in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden, die zur Umstellung von mehreren auf eine geringere Anzahl an Taten führen, ließe dies den Schuldumfang unberührt. Den auf der Grundlage des neu gefassten Schuldspruchs festzusetzenden Einzelstrafen wären gegebenenfalls höhere Schadensbeträge zugrunde zu legen und bei der Bestimmung der Einzelstrafen zu berücksichtigen (vgl. , NStZ-RR 2008, 168, 169). An der Erhöhung der Einzelstrafen ist der neue Tatrichter durch das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) nicht gehindert. Zu beachten ist lediglich, dass die Summe der bisherigen Einzelstrafen bei der Bemessung der neuen Einzelstrafen nicht überschritten wird (vgl. , BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12) und die neu zu bildende Gesamtstrafe nicht höher ist als die bisherige (st. Rspr.; , BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 3; Beschlüsse vom - 3 StR 346/95, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 7 und vom - 1 StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12).
83. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung auch in den von der Aufhebung nicht berührten Schuldsprüchen nicht stand.
9a) Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts lassen nicht erkennen, ob es bei der Festsetzung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe die drohenden berufsgerichtlichen Maßnahmen gemäß § 90 StBerG berücksichtigt hat. Die Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung auf das Leben des Täters sind jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn dieser durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 256/16, NStZ-RR 2016, 312; vom - 1 StR 412/15, wistra 2016, 29; vom - 3 StR 89/86, NStZ 1987, 133, 134; vom - 1 StR 412/87, NStZ 1987, 550; vom - 3 StR 13/91, StV 1991, 207; vom - 4 StR 514/09, StV 2010, 479 f.; vom - 3 StR 206/13, BGHSt 59, 244, 252 und vom - 2 StR 221/14, NStZ 2015, 277, 278; ferner Beschlüsse vom - 4 StR 514/09, wistra 2010, 301, 302 und vom - 2 StR 506/12, NStZ 2013, 522, jeweils zu § 114 BRAO).
10b) Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts sind darüber hinaus auch deshalb fehlerhaft, weil die Höhe der Schadenswiedergutmachung durch den Angeklagten nicht in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise begründet worden ist. Die Wertung der Strafkammer, der Angeklagte habe den Schaden lediglich im Umfang von 220.000 € wieder gut gemacht, entbehrt einer tragfähigen Grundlage. Die Verbindlichkeiten sind nicht näher aufgeschlüsselt worden. Eine Differenzierung, in welcher Höhe (noch) Verbindlichkeiten auf dem Anwesen lasten, also eine dingliche Absicherung der verschiedenen Gläubiger besteht, fehlt. Ob der Wert des Anwesens mit 390.000 € zutreffend angesetzt wurde, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Nicht festgestellt ist auch, ob der Angeklagte Alleinerbe seiner verstorbenen Ehefrau geworden ist und daher uneingeschränkt über das Anwesen verfügen konnte oder ob seine Tochter (UA S. 6; Revisionsbegründung vom , S. 5 und 6) Miteigentümerin geworden ist, so dass ihr Miteigentumsanteil nicht zugunsten des Angeklagten als eigene Schadenswiedergutmachung angesetzt werden könnte.
11Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Tatgericht in diesen Fällen zu geringeren Einzelfreiheitsstrafen gelangt wäre, wenn es die möglichen berufsrechtlichen Folgen bei der Bemessung der Einzelstrafen bedacht und hinsichtlich der Schadenswiedergutmachung auf einer korrekten Tatsachengrundlage entschieden hätte.
12c) Dagegen teilt der Senat die Besorgnis des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts nicht, das Landgericht könnte bei der Strafzumessung den Umstand übersehen haben, dass der Angeklagte bei Verurteilung bereits 69 Jahre alt war und altersbedingt besonders haftempfindlich sein könnte.
13Eine Fallgestaltung, in der das Alter des Angeklagten die Erörterung seiner Chance, zu Lebzeiten „wieder der Freiheit teilhaftig zu werden“ (, NStZ 2006, 500 f. mwN) erfordert hätte, lag hier nicht vor.
14Das Landgericht hat auf eine Gesamtstrafe von drei Jahren und zehn Monaten erkannt. Gesundheitliche Beeinträchtigungen oder eine krankheitsbedingt reduzierte Lebenserwartung sind im Urteil nicht festgestellt (UA S. 6 f.). Vielmehr stand der Angeklagte bis zuletzt im Erwerbsleben. Dies lässt dem Angeklagten die begründete Erwartung, seine Entlassung aus dem Strafvollzug erleben zu können. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass jeder Straftäter schon nach dem Maß der verhängten Strafe die Gewissheit haben muss, im Anschluss an die Strafverbüßung in die Freiheit entlassen zu werden, gibt es nicht. Insbesondere kann sich aus dem Lebensalter eines Angeklagten, etwa unter Berücksichtigung statistischer Erkenntnisse zur Lebenserwartung, keine Strafobergrenze ergeben (, NStZ 2006, 500 f. mwN zur sog. „Opa-Bande“: Gesamtfreiheitsstrafen von zehn Jahren bei einem 74, von neun Jahren bei einem 75 und von 12 Jahren bei einem 65 Jahre alten Angeklagten).
154. Auch der Ausspruch über die Verfallsanordnung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat nicht bedacht, dass nach § 111i Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 StPO eine (teilweise) Befriedigung des Verletzten vom Erlangten bzw. dessen Wert (§ 111i Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 StPO) in Abzug zu bringen ist, soweit der Verletzte nachweislich aus dem Vermögen befriedigt wurde, das nicht beschlagnahmt oder im Wege der Arrestvollziehung gepfändet worden ist. Allein der dann noch verbleibende Vermögenswert unterliegt dem Auffangrechtserwerb des Staates. Dabei ist zu beachten, dass § 73c Abs. 1 StGB auch im Rahmen der nach § 111i Abs. 2 StPO zu treffenden Entscheidung gilt (vgl. , BGHR StPO § 111i Feststellung 2 [Gründe] und Urteil vom - 4 StR 215/10, NJW 2011, 624 Rn. 15 mwN). Die Vorschrift ist zu prüfen, wenn naheliegende Anhaltspunkte für das Vorliegen ihrer Voraussetzungen gegeben sind (, BGHSt 56, 191, 196).
16Der Senat kann aufgrund der nicht nachvollziehbaren Ausführungen zur Schadenswiedergutmachung die erforderlichen Feststellungen zum Umfang der Befriedigung den Urteilsgründen nicht mit der für eine eigene Sachentscheidung gebotenen Sicherheit entnehmen (vgl. , NStZ 2012, 400 f.; Urteil vom - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39).
17Um dem neuen Tatgericht insoweit insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen, werden deshalb auch die insoweit zugehörigen Feststellungen - mit Ausnahme der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Wert des Erlangten - aufgehoben.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:081216B1STR492.16.0
Fundstelle(n):
BFH/NV 2017 S. 719 Nr. 5
wistra 2017 S. 267 Nr. 7
NAAAG-44209