Identifizierung des Berechtigten/des Kindes durch die IdNr; Weisung nach V 11 DA-KG zu Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abgabenordnung)
I. Festsetzung des Kindergeldes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO)
Die Identifizierung des Kindes und des Berechtigten durch die an diese vergebenen steuerlichen Identifikationsnummern nach § 139b AO (IdNr) ist Voraussetzung für die Festsetzung von Kindergeld (§§ 62 Abs. 1 Satz 2, 63 Abs. 1 Satz 3 EStG). Der Berechtigte und das Kind sind identifiziert, wenn der Familienkasse die IdNr des Berechtigten bzw. des Kindes vorliegen (A 3 Abs. 1 Satz 3 bzw. A 22 Abs. 1 Satz 2 DA-KG).
Um Schlechterstellungen zu vermeiden, die dadurch entstehen, dass die erstmalige Vergabe oder die erneute Mitteilung der IdNr unverhältnismäßig lange dauert, gilt Folgendes: Familienkassen dürfen Kindergeld bei fehlender IdNr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO festsetzen, wenn
die übrigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen und
die erstmalige Vergabe einer neuen IdNr oder die Beschaffung der bereits vergebenen, aber unbekannten IdNr aus vom Antragsteller nicht zu vertretenden Gründen unverhältnismäßig lange dauert. Von einer unverhältnismäßig langen Dauer ist grundsätzlich auszugehen, wenn die IdNr nicht innerhalb von drei Monaten durch das BZSt vergeben oder erneut mitgeteilt wurde.
Der Antragsteller muss nachweisen, dass der Berechtigte oder das Kind einen Antrag auf erstmalige Vergabe der IdNr oder auf erneute Bekanntgabe der IdNr beim BZSt gestellt hat, z. B. durch das ausgedruckte Eingabeformular für die erneute Mitteilung der IdNr auf der Internetseite des BZSt.
Eine Festsetzung des Kindergeldes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung kommt insbesondere in nachfolgenden Fällen in Betracht:
1. Kinder, die nach § 63 Abs. 1 Satz 6 2. Halbsatz EStG zu berücksichtigen sind
Beantragen Kindergeldberechtigte, die nach § 1 Abs. 2 EStG einkommensteuerpflichtig sind (i. d. R. Diplomaten, entsandte Soldaten mit Wohnsitz im Ausland), Kindergeld für ihre im Ausland geborenen Kinder, erfolgt keine automatisierte Meldung der inländischen Meldebehörde an die IdNr-Datenbank, mithin wird im automatisierten Prozess keine IdNr an das Kind vergeben. Entsprechendes gilt, wenn das Kind zwar im Inland geboren ist, aber keinen inländischen Wohnsitz hat. In diesen Fällen wird erst auf Antrag des Berechtigten (nicht auf Anfrage der Familienkasse) manuell durch das BZSt die Vergabe einer IdNr angestoßen. Dieser manuelle Vergabeprozess kann abhängig vom Umfang der Sachverhaltsaufklärung mitunter mehrere Monate dauern.
Bei IdNr-Anfragen für Kinder, denen bisher keine IdNr zugeordnet wurde, prüft das BZSt die Voraussetzungen gemäß § 1 EStG und entscheidet, ob die Vergabe einer IdNr erfolgen kann. Grundlage hierfür ist, dass das BZSt nach § 139a Abs. 1 AO gehalten ist, jedem Steuerpflichtigen eine IdNr zuzuordnen. Daher wird auch für Personen, die nicht melde-, aber steuerpflichtig sind, eine IdNr vergeben. Abgestellt wird hierbei auf die Steuerpflicht nach § 1 EStG. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EStG sind auch Angehörige (i. S. d. § 15 AO, damit auch Kinder) unter den dort genannten Voraussetzungen steuerpflichtig.
2. Kinder mit vorläufiger Geburtsbescheinigung
Die Standesämter leiten die Meldung an die zuständige Meldebehörde erst weiter, wenn die Beurkundung der Geburt abgeschlossen ist. Kann die Beurkundung nicht sofort erfolgen, wird zunächst eine vorläufige Geburtsbescheinigung ausgestellt (z. B. Ehegatte ist nicht der biologische Vater des Kindes). Der Prozess zur Vergabe der IdNr wird erst angestoßen, wenn das Standesamt die endgültige Geburtsbescheinigung ausgestellt hat.
Sollte bei Kindern, die keinen inländischen Wohnsitz haben, eine Identifizierung des Kindes mittels IdNr nicht möglich sein, hat die Familienkasse die Identifikation in anderer geeigneter Weise (§ 63 Abs. 1 Satz 4 EStG) sicherzustellen. Näheres hierzu finden Sie in der Weisung des BStBl 2016 I S. 801. Für diese Fälle ist keine Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung vorzunehmen.
Familienkassen sind dazu verpflichtet, spätestens zwölf Monate nach der Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) zu prüfen, ob die IdNr zwischenzeitlich vergeben wurde. Die Prüfung hat gemäß A 22.1 Abs. 1 Satz 3 DA-KG über das Allgemeine Dialogverfahren (ADI), über das Maschinelle Anfrageverfahren (MAV) oder durch Anfrage beim Berechtigten zu erfolgen. Der Vorbehalt der Nachprüfung ist aufzuheben, wenn die im Einzelfall vergebene IdNr der Familienkasse bekannt wird. Hingegen ist die Festsetzung aufzuheben, wenn die Prüfung ergibt, dass keine IdNr beantragt oder eine IdNr endgültig nicht vergeben wurde.
Die Anzahl der bis zum unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzten Kindergeldbescheide und die Anzahl der bis dahin bereits erfolgten Aufhebungen des Vorbehalts der Nachprüfung haben die Familienkassen bis zum an die Fachaufsicht per E-Mail an kindergeld@bzst.bund.de zu berichten.
II. Identifizierung eines kurz nach der Geburt verstorbenen Kindes gem. § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG; abweichende Festsetzung des Kindergeldes aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO)
1. Vergebene, aber unbekannte IdNr
Wird im Fall einer Lebendgeburt eine Geburtsbescheinigung erstellt, erfolgt automatisiert eine Meldung an die Meldebehörde. Grundsätzlich sollte damit auch eine Nachrichtenübermittlung der Meldebehörden an das BZSt verbunden sein, so dass das BZSt in einem automatisierten Prozess die IdNr generieren kann.
Verstirbt das lebend geborene Kind, stellt die Meldebehörde eine Todesbescheinigung aus. In den Fällen, in denen das Kind unmittelbar nach der Geburt verstirbt, wird eine eventuell bereits vergebene IdNr aus Pietätsgründen nicht durch ein Mitteilungsschreiben bekannt gegeben. In diesen Fällen können die Familienkassen Kindergeld ohne Angabe der IdNr durch den Berechtigten festsetzen, wenn sie die IdNr über ADI oder MAV ermitteln konnten. Das nachträgliche Anfordern der IdNr bei den Berechtigten soll in diesen Fällen unterbleiben, da die IdNr nicht durch Mitteilungsschreiben bekannt gegeben wurde.
2. IdNr nicht vergeben
Verstirbt das Kind unmittelbar nach der Geburt, erfolgt nicht in jedem Fall eine Meldung der Meldebehörde über die Geburt an das BZSt. Geht keine Meldung ein, so vergibt das BZSt nur auf Antrag des Berechtigten nachträglich eine IdNr für das Kind.
In diesen Fällen hat die Familienkasse die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Ermittlung der IdNr auszuschöpfen. Ist die Vergabe der IdNr an das Kind unterblieben, kommt grundsätzlich eine abweichende Festsetzung des Kindergeldes aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO i. V. m. § 155 Abs. 5 AO) in Betracht. Zum Nachweis ist das Kind analog A 22.2 Abs. 3 DA-KG durch amtliche Dokumente (z. B. Geburtsurkunde, Geburtsbescheinigung für Kindergeldzwecke, Sterbeurkunde) zu identifizieren.
III. Mitteilung der IdNr an Antragsteller im berechtigten Interesse nach § 67 EStG
Der Berechtigte ist verpflichtet, demjenigen, der ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat, seine an ihn vergebene IdNr mitzuteilen. Kommt der Berechtigte dieser Verpflichtung nicht nach, teilt die zuständige Familienkasse demjenigen, der ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergeldes hat, auf Anfrage die IdNr des Berechtigten mit (§ 67 EStG). Das BZSt darf keine Auskunft über die für den Antrag notwendigen IdNrn, z. B. im Wege der Amtshilfe, an einen Antragsteller im berechtigten Interesse geben.
Die Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit (BA) können unbekannte IdNrn über eine Dialogoberfläche eigenständig ermitteln. Familienkassen, die (noch) keine Zugriffsmöglichkeit auf die IdNr-Datenbank haben, können das BZSt per E-Mail an kindergeld@bzst.bund.de kontaktieren, um die Vorgehensweise abzustimmen.
BZSt v. - St II 2 - S 0305-SE/17/0002-1
Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2017 I Seite 432
LAAAG-42685