Beziehungstat: Strafmilderung bei Schadenswiedergutmachung im Rahmen einer Körperverletzung
Gesetze: § 46a Nr 1 StGB
Instanzenzug: LG Stendal Az: 502 Ks 6/15
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2Hinsichtlich des Schuldspruchs hat die Prüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3Dagegen können der Strafausspruch und die Entscheidung, von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, nicht bestehen bleiben.
41. Nach den Feststellungen würgte der Angeklagte, der zuvor größere Mengen alkoholischer Getränke zu sich genommen hatte, die Geschädigte, mit der er eine Beziehung unterhielt, am Abend des in ihrer Wohnung mit seinen Händen am Hals. Im weiteren Handgemenge schlug er sie mit seinen Händen an diversen Stellen ihres Körpers und schleifte sie halb liegend durch die Wohnung. Hierdurch erlitt die Geschädigte Würgemale am Hals sowie multiple Prellungen an den Armen und Beinen, im Bereich zweier Rippen und am Kopf. Seit sind die Geschädigte und der Angeklagte verlobt. Der Strafzumessung hat die Strafkammer den nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt und dem Angeklagten unter anderem zugutegehalten, dass er sich mit der Geschädigten ausgesöhnt hat. Angesichts der von ihr angenommenen Aussöhnung zwischen der Geschädigten und dem Angeklagten hätte sich die Strafkammer indes zur Prüfung veranlasst sehen müssen, ob die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB erfüllt sind (vgl. , StV 2001, 457; Urteil vom - 3 StR 354/15, NStZ 2016, 401 f.). Dass ein Opfer dem Täter den Täter-Opfer-Ausgleich leicht macht, indem es an das Maß der Wiedergutmachungsbemühungen keine hohen Anforderungen stellt und schnell zu einer Versöhnung bereit ist, steht der Bejahung der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht grundsätzlich entgegen (vgl. aaO).
5Der Senat kann - trotz der strafmildernden Berücksichtigung der Aussöhnung im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne - nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass das Landgericht im Falle einer weiteren Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB eine mildere Freiheitsstrafe verhängt hätte.
62. Die Entscheidung des Landgerichts, wegen fehlender Erfolgsaussichten von der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB abzusehen, begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat - sachverständig beraten - angenommen, dass beim Angeklagten eine Therapiemotivation nicht gegeben sei und auch nicht geweckt werden könne. Diese Bewertung hat es maßgeblich darauf gestützt, dass der Angeklagte in der Vergangenheit nach anfänglichem Bemühen eine Therapie gegen Alkoholabhängigkeit bei der Caritas kurzfristig abbrach und im Anschluss an die abgeurteilte Tat eine Entgiftungsbehandlung bereits nach zwei Tagen beendete, weil er nicht bereit war, sich den Stationsregeln zu unterwerfen. Indem die Strafkammer ausschließlich die vom Angeklagten bislang freiwillig unternommenen „niederschwelligen“ Versuche einer Therapie in den Blick genommen hat, hat sie es versäumt, sich wie geboten mit der Frage zu befassen, ob bei dem Angeklagten die Bereitschaft, sich auf eine Behandlung seines Alkoholmissbrauchs im Rahmen einer Unterbringung nach § 64 StGB einzulassen, durch therapeutische Maßnahmen im Maßregelvollzug geweckt werden kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 408/16 Rn. 7; vom - 5 StR 104/13, NStZ-RR 2013, 239, 240; vom - 2 StR 268/10, NStZ-RR 2011, 203; vom - 4 StR 99/09, NStZ-RR 2009, 277). Darüber hinaus lassen die Urteilsausführungen eine Auseinandersetzung mit der Einlassung des Angeklagten vermissen, wonach er nach der Tat, die für ihn ein „Denkzettel" gewesen sei, seinen Alkoholkonsum erheblich reduziert habe.
7Die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt, deren Voraussetzungen nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht fernliegen, bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Prüfung und Entscheidung. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht einer Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; , BGHSt 37, 5, 9).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2016:071216B4STR419.16.0
Fundstelle(n):
LAAAG-42043