Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Mietereinbauten
Leitsatz
Ein Mieter, der an einem gemieteten Gebäude auf eigene Kosten Ausbauten, Umbauten oder Einbauten (hier: Photovoltaikanlage) vornimmt und für Zwecke seines Unternehmens nutzt, verschafft die Verfügungsmacht hieran dem Vermieter jedenfalls dann, wenn er ihm nicht nur das zivilrechtliche Eigentum überträgt, sondern auch einen unmittelbar vom Vermieter tatsächlich genutzten wirtschaftlichen Vorteil zuwendet.
Gesetze: UStG 2005 § 1 Abs 1 Nr 1, UStG 2005 § 3 Abs 1, UStG 2005 § 3 Abs 4, UStG 2005 § 3 Abs 12, RL 112/2006/EG Art 14 Abs 1, BGB § 946
Instanzenzug: ,
Tatbestand
1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt seit 2010 mehrere Photovoltaikanlagen. Seine Umsätze versteuert er nach vereinnahmten Entgelten. Im Streitjahr (2011) erwarb er eine weitere Anlage. Die Anlage wurde auf einer im Eigentum einer GbR stehenden Reithalle errichtet; Gesellschafter der GbR waren je zur Hälfte der Kläger und seine Schwester. Die Reithalle wurde neben zwei weiteren Hallen von der GbR ab zum Zwecke der Pferdehaltung und zur Erteilung von Reitunterricht für monatlich 250 € an einen Dritten vermietet. Dabei vereinbarten die Vertragsparteien, dass die Mängel der Hallendächer nicht zur Kürzung des Mietzinses berechtigten.
2 Grundlage für die Nutzung des Daches der Reithalle ist ein zwischen der GbR und dem Kläger geschlossener Dachnutzungsvertrag (DNV). Nach Ziff. 5 Abs. 2 des DNV ist der Grundeigentümer verpflichtet, das Gebäude nebst Nebengebäude, insbesondere die darauf befindlichen Dachflächen sowie die sich darin befindlichen technischen Anlagen in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen und zu erhalten. Hinsichtlich der Nutzungsdauer der Photovoltaikanlage gingen die Vertragspartner von einem Zeitraum von mindestens 30 Jahren aus. Nach Ziff. 1 Abs. 3 des DNV bleiben die Photovoltaikanlage sowie sämtliche weitere zum Betrieb der Anlage erforderlichen technischen Anlagen und Bauteile im Eigentum des Klägers und sind nach Beendigung des DNV zu entfernen. Die sich auf dem Dach befindlichen Befestigungseinrichtungen der Photovoltaik-Module gingen gemäß Ziff. 1 Abs. 3 des DNV ins Eigentum des Grundstückseigentümers über. Laut Ziff. 4 des DNV verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung eines jährlichen Nutzungsentgelts von 1 €.
3 Vor der Errichtung der Photovoltaikanlage wurde im Auftrag des Klägers im Oktober/November 2011 eine Dachsanierung durchgeführt und eine Unterkonstruktion angebracht. Da das alte Dach aus Asbestplatten bestand, musste dieses komplett erneuert werden.
4 Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) gewährte dem Kläger zwar den Vorsteuerabzug aus der Dachsanierung, unterwarf diese aber zugleich in gleicher Höhe als steuerpflichtige Leistung des Klägers an die GbR der Umsatzsteuer.
5 Das Finanzgericht (FG) gab nach erfolglosem Vorverfahren der Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1372 veröffentlicht. Die Dachsanierung sei nicht im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes vom Kläger an die GbR geleistet worden. Der für eine Leistung gegen Entgelt kennzeichnende unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt sei auch beim Tausch oder bei tauschähnlichen Umsätzen erforderlich. Voraussetzung für die Annahme einer tauschähnlichen Leistung sei, dass sich zwei entgeltliche Leistungen gegenüber stünden, die lediglich durch die Modalität der Entgeltvereinbarung miteinander verknüpft seien. Nach diesen Grundsätzen habe der Kläger die Dachsanierung nicht an die GbR geleistet.
6 Im Streitfall könne aus den vertraglichen Vereinbarungen nicht auf die Weiterlieferung der Sanierungsarbeiten an die GbR geschlossen werden.
7 Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Die für die Annahme eines Leistungsaustauschs erforderliche synallagmatische Verknüpfung zwischen der Dachsanierung und der verbilligten Nutzungsüberlassung des Daches liege vor. Für das Vorliegen einer Gegenleistung sei allein entscheidend, ob ein individueller Leistungsempfänger, der aus der Leistung einen konkreten Vorteil ziehe, vorhanden sei. Die GbR sei nicht nur zivilrechtlicher Eigentümer des neuen Daches geworden. Ihr sei ein wirtschaftlicher Vorteil zugewandt worden, indem die baufällige und asbesthaltige Dachfläche ersetzt worden sei und ihr der Nutzen daraus auch nach Ablauf der Nutzungsüberlassung habe verbleiben sollen.
8 Das FA beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
9 Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückweisen.
10 Er hält das FG-Urteil für zutreffend.
Gründe
11 II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass der Kläger mit der Dachsanierung keine Leistung an die GbR erbracht hat. Der Senat kann aber aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht erkennen, ob die Leistung entgeltlich erfolgt ist.
12 1. a) Ein Mieter, der Ausbauten, Umbauten und Einbauten auf eigene Kosten vornimmt oder auf dem gemieteten Grundstück ein Gebäude errichtet (, nicht veröffentlicht, zu Einbauten, und vom V R 80/87, BFH/NV 1993, 634, zur Gebäudeerrichtung), führt ebenso wie der Unternehmer, der auf einem ihm nicht gehörenden Grundstück ein Gebäude errichtet und das Gebäude dem Grundstückseigentümer übergibt (, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, Rz 37; vom V R 9/66, BFHE 97, 196, BStBl II 1970, 71), oder der auf öffentlichen Flächen einer Gemeinde Erschließungsanlagen herstellt (, BFHE 231, 273, BStBl II 2012, 428, Leitsatz 1), grundsätzlich eine Werklieferung gemäß § 3 Abs. 4 UStG aus (BFH-Urteil in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, Rz 37).
13 b) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger mit der Sanierung des Daches der für ihn fremden Reithalle eine Werklieferung i.S. von § 3 Abs. 4 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) an die GbR erbracht. Zwar besteht kein allgemeiner Rechtssatz, dass ein Mieter, der auf dem gemieteten Grundstück ein Gebäude auf eigene Rechnung errichtet und für Zwecke seines Unternehmens nutzt, die Verfügungsmacht an dem Gebäude weiter überträgt. Maßgeblich ist vielmehr eine Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls (, BFH/NV 2016, 497, Rz 17; in BFH/NV 1993, 634; , BFH/NV 1997, 722).
14 c) Vorliegend hat der Kläger der GbR aber nicht nur das Eigentum an den durch die Dachsanierung erstellten Dachteilen verschafft (§ 946 des Bürgerlichen Gesetzbuchs —BGB—), was allein auch noch nicht zu einer Lieferung führen muss, weil der zivilrechtliche Eigentumsübergang nicht zwingend die von § 3 Abs. 1 UStG und Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie —MwStSystRL—) vorausgesetzte Verschaffung eigentümerähnlicher Verfügungsmacht bewirkt (vgl. z.B. , BFHE 251, 526, Rz 16; vom XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909, Rz 25 f.; Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Eon Aset Menidjmunt vom C-118/11, EU:C:2012:97, Rz 39). Vielmehr hat der Kläger darüber hinaus —was das FG nicht hinreichend berücksichtigt hat— der GbR unmittelbar einen von dieser auch tatsächlich genutzten wirtschaftlichen Vorteil zugewandt. Denn neben dem Kläger, der das Dach zum Betrieb der Photovoltaikanlage benötigt, nutzt auch die GbR das Dach im Rahmen der Vermietung der Reithalle. Ob sie ihrerseits ihrem Mieter gegenüber zu den Sanierungsmaßnahmen verpflichtet war, spielt insoweit keine Rolle.
15 2. Der Senat kann aber nicht entscheiden, ob die Werklieferung entgeltlich ausgeführt wurde.
16 Der DNV sieht unmittelbar kein von der GbR für die Dachsanierung zu zahlendes Entgelt vor. Es ist auch weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich, dass die GbR tatsächlich ein Entgelt gezahlt hat.
17 Da aber das im DNV vereinbarte, vom Kläger für die Nutzung des Daches zu zahlende Entgelt von 1 € jährlich einen eher symbolischen Charakter hat, kommt ein tauschähnlicher Umsatz (§ 3 Abs. 12 UStG) in Betracht, der auch auf gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung beruhen kann (, BFHE 229, 406, BStBl II 2010, 879). § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt für einen Leistungsaustausch einen unmittelbaren, nicht aber einen inneren (synallagmatischen) Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt voraus; das gilt auch für Tausch und tauschähnliche Umsätze (BFH-Urteil in BFHE 229, 406, BStBl II 2010, 879). Das FG wird deshalb feststellen müssen, ob die GbR dem Kläger die Nutzung des Daches (nahezu) kostenlos überlassen hat und ob diese Überlassung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Dachsanierung steht.
18 3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2016:U.161116.VR35.16.0
Fundstelle(n):
BFH/NV 2017 S. 768 Nr. 6
StuB-Bilanzreport Nr. 12/2017 S. 486
FAAAG-41812