BFH Beschluss v. - VIII B 113/99

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—), wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, deren Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. , BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605, m.w.N.). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein.

a) Im Streitfall hat der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) in Bezug auf das Rechtsinstitut der tatsächlichen Verständigung keine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen. Denn das Finanzgericht (FG) hat seine auf tatsächlicher Ebene liegende Überzeugung, dass dem Alleingesellschafter-Geschäftsführer von der GmbH in den Streitjahren Einnahmen von jeweils ... DM, die von der GmbH steuerlich nicht erklärt worden waren, als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zugeflossen sind, ausdrücklich (S. 12 des Urteils) aus dem Akteninhalt, durch Urkundsbeweis und durch eine eigene Beweisaufnahme, also aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) gewonnen. Es hat sich gerade nicht allein auf die tatsächliche Verständigung gestützt, sondern dieser nur die Wirkung eines Indizes beigemessen. Deshalb sind die Fragen, die der Kläger im Zusammenhang mit dem Rechtsinstitut der tatsächlichen Verständigung aufgeworfen hat, im Streitfall nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsbedürftig.

b) Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob bei einer Einnahmeverkürzung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer einer sog. Ein-Mann-GmbH diesem die Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zeitgleich mit der Vermögensminderung bei der GmbH zufließen (§ 11 Abs. 1 EStG), hat der Kläger nicht in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt. Er hat keine Umstände aufgezeigt, die dafür sprechen könnten, dass dem Alleingesellschafter-Geschäftsführer die vGA als Einnahmen (§ 8 Abs. 1 EStG) aus Kapitalvermögen zu einem anderen Zeitpunkt zufließen als in dem Moment, in dem er tatsächlich über die zu Unrecht steuerlich nicht erklärten Einnahmen der GmbH verfügen kann. Etwaige Rückgewähransprüche der GmbH vermögen an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Es ist durch die Rechtsprechung des BFH geklärt, dass ein eventueller Rückgewähranspruch der GmbH der Annahme einer vorherigen vGA nicht entgegensteht und aus der Sicht der GmbH den Charakter einer Einlageforderung hat (vgl. , BFHE 180, 405, BStBl II 1997, 92; vom VIII R 59/97, BFHE 188, 569, unter 1. a der Gründe). Im Streitfall ist nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsbedürftig, ob möglicherweise für Schadensersatzansprüche etwas anderes gelten könnte als für Rückgewähransprüche und ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Schadensersatzansprüche der Kapitalgesellschaft gegen den Gesellschafter den Tatbestand der vGA gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausschließen können (vgl. , BFHE 186, 379; BFH-Urteil in BFHE 188, 569). Denn der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, und es ist auch nicht offensichtlich, dass und auf welcher Rechtsgrundlage der GmbH gegen ihren Alleingesellschafter-Geschäftsführer ein Schadensersatzanspruch zugestanden hat.

2. Eine Abweichung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) von einer Entscheidung des BFH liegt ebenfalls nicht vor.

Die schlüssige Darlegung einer Abweichung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO erfordert grundsätzlich, dass der Beschwerdeführer einen abstrakten Rechtssatz herausarbeitet, der das erstinstanzliche Urteil trägt. Diesem Rechtssatz ist ein abweichender —ebenfalls tragender— Rechtssatz aus der Rechtsprechung des BFH (oder Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes) gegenüberzustellen (vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII B 70/95, BFH/NV 1996, 421; vom VIII B 74/95, BFH/NV 1997, 133). Der Kläger behauptet nicht, dass die von ihm mitgeteilten Rechtssätze vom BFH in den Urteilen vom I R 266/81 (BFHE 141, 261, BStBl II 1984, 723) und vom I R 147/84 (BFHE 157, 121, BStBl II 1991, 213) aufgestellt worden sind, sondern räumt selbst ein, dass sie von ihm, dem Kläger, aus den Rechtssprüchen des BFH ”abgeleitet” worden sind. Die eigenen Schlussfolgerungen, die der Steuerpflichtige aus abstrakten Rechtssätzen des BFH zieht, vermögen jedoch eine Divergenz nicht zu begründen.

Zwar kann ausnahmsweise eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO auch ohne ausdrücklichen Widerspruch in Form eines abstrakten Rechtssatzes dann vorliegen, wenn nach Auffassung des FG einem bestimmten Sachverhalt eine andere Rechtsfolge beizumessen ist als sie der BFH in seiner Entscheidung zu einem im Wesentlichen gleichen Sachverhalt ausgesprochen hat. Eine Abweichung liegt jedoch dann nicht mehr vor, wenn der vom FG beurteilte Sachverhalt sich in so wesentlicher Weise von dem Sachverhalt der BFH-Entscheidung unterscheidet, dass durch den vom BFH aufgestellten Rechtssatz der Sachverhalt des FG nicht als ”mitentschieden” anzusehen ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom II B 31/90, BFHE 162, 483, BStBl II 1991, 106; vom VIII B 113/95, BFH/NV 1997, 26). Auch bei Anwendung dieses Maßstabs liegt im Streitfall keine Abweichung vor. Denn die vom Kläger angeführten angeblichen Divergenz-Entscheidungen sind zu anderen Sachverhalten ergangen und befassen sich nicht mit der im Streitfall entscheidungserheblichen Frage des Zuflusses (§ 11 Abs. 1 EStG) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei einem Alleingesellschafter einer GmbH im Falle nicht erklärter Einnahmen der GmbH.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
DAAAA-66145