BFH Beschluss v. - VII B 282/99

Instanzenzug:

Gründe

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Finanzgericht (FG) erkannt, dass der gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) erlassene Bescheid vom i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom auf Duldung der Zwangsvollstreckung in die von ihr als Kontoinhaberin unterhaltenen Girokonten bei der X-Bank rechtmäßig ist.

Das FG hielt alle Voraussetzungen für eine sog. Absichtsanfechtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) vom 20. Mai 1898 für erfüllt. Der mit der Klägerin in einem eheähnlichen Verhältnis zusammenlebende R sei Schuldner der in einer Anlage zum Duldungsbescheid im Einzelnen aufgeführten bestandskräftig festgesetzten Steuerschulden, deren Beitreibung im Wege der Zwangsvollstreckung seit 1991 erfolglos gewesen sei. R habe indessen aufgrund schlüsselfertiger Erstellung von Häusern gegen verschiedene Bauherren Forderungen in beträchtlicher Höhe erworben und seine Vertragspartner in 19 Fällen veranlasst, die entsprechenden Beträge im Zeitraum vom bis zum auf die Girokonten der Klägerin, die er als ”seine Konten” ausgegeben habe, über die ihm aber lediglich von der Klägerin Kontenvollmacht eingeräumt gewesen sei, zu überweisen. Darin lägen zulässige Zahlungsanweisungen, auf Grund derer die Bauherren tatsächlich an die Klägerin als Dritte zum Zwecke der Erfüllung mit Tilgungswirkung geleistet hätten. Mit der jeweiligen Gutschrift auf den Konten der Klägerin habe diese eine Forderung gegen die Bank erworben. Durch diese Vorgehensweise habe R sein Vermögen vermindert und seine Gläubiger und damit auch das FA objektiv benachteiligt, weil nunmehr die Klägerin Forderungsberechtigte aus den Gutschriften geworden und so ein unmittelbarer Vollstreckungszugriff des FA auf seine Werklohnforderungen gegen die Bauherren vereitelt worden sei. Die Schmälerung seines Vermögens und die damit verbundene Gläubigerbenachteiligung sei von R auch beabsichtigt gewesen, als er die Bauherren zur Zahlung auf die genannten Konten angewiesen habe. Jede der insgesamt 19 Zahlungsanweisungen sei folglich als anfechtbare Rechtshandlung i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG zu werten. Schließlich habe die Klägerin auch positive Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht ihres Lebensgefährten gehabt. Da die anfechtbar übertragenen Vermögenswerte als Geldforderungen gegen die Bank ununterscheidbar in das Vermögen der Klägerin übergegangen seien, richte sich der Rückgewähranspruch nach § 7 Abs. 1 und 2 AnfG auf entsprechenden Wertersatz in Geld, soweit die Duldungspflicht bestehe.

Gegen dieses Urteil des FG richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die auf den Verfahrensfehler der Verletzung rechtlichen Gehörs gestützt wird. Die Klägerin trägt hierzu vor, das FG habe ihren im Schriftsatz vom substantiiert dargelegten und unter Beweisantritt gestellten Sachvortrag, wonach die jeweils auf ihren Konten eingegangenen Beträge zeitnah und zweckgebunden für die Bezahlung der Bausubunternehmer verwendet worden seien, bei seinem Urteil überhaupt nicht berücksichtigt. Tatsächlich habe R aus den getätigten Geschäften in dieser Zeit im Ergebnis nur Verluste erwirtschaftet, so dass die Annahme völlig weltfremd sei, sie —die Klägerin— habe durch die fraglichen Zahlungseingänge auf ihren Konten einen irgendwie gearteten rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorteil gehabt, welcher Gegenstand eines Anfechtungsrechts hätte sein können. Die isolierte Betrachtung jeder einzelnen Zahlungsanweisung sei unzulässig, denn der Anfechtende dürfe infolge der Ausübung seines Anfechtungsrechts keinesfalls in eine bessere Position geraten, als wenn die anfechtbare Übertragung tatsächlich nicht stattgefunden hätte. Hätte R die Baugeschäfte nicht über die Konten der Klägerin, sondern über ein eigenes Konto laufen lassen, hätte sich bei einem Zugriff des FA auf dieses Konto zu keinem Zeitpunkt der vom FA errechnete Betrag auf diesem Konto befunden, schon weil es dadurch zu einem sofortigen Zusammenbruch der Bauträgertätigkeit des R und damit auch zu einem Ende der Überweisungen der Bauherren gekommen wäre. Mit diesem ganzen Vortrag habe sich das FG mit keinem Wort auseinandergesetzt.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Wird die Zulassung der Revision auf den Verfahrensmangel der Verletzung rechtlichen Gehörs gestützt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, § 96 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) und damit begründet, das Gericht habe bei seinem Urteil entscheidungserhebliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen und nicht in Erwägung gezogen und sei diesbezüglichen Beweisangeboten nicht nachgekommen, ist in der Beschwerdeschrift substantiiert und schlüssig darzulegen, dass bei einer Berücksichtigung des übergangenen Sachvortrags und entsprechender Erhebung der Beweise eine andere Entscheidung des Gerichts möglich gewesen wäre (Bundesfinanzhof, Beschlüsse vom II B 111/94, BFH/NV 1995, 1074, m.w.N.; vom VI B 168/95, BFH/NV 1996, 570, und vom VIII B 15/95, BFH/NV 1997, 241). Dabei muss der Beschwerdeführer —wie bei der Geltendmachung von anderen Verfahrensmängeln auch— seinem Vortrag den materiell-rechtlichen Standpunkt des FG zugrunde legen (s. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 115 Rz. 24) und aufzeigen, dass das FG auf der Grundlage dieses Standpunkts, hätte es den übergangenen Sachvortrag nicht außer Acht gelassen, zu einer anderen, ihm, dem Beschwerdeführer, günstigeren Entscheidung hätte kommen können oder müssen. Nur bei Beachtung dieser Grundsätze wird die Pflicht zur ausreichenden Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) erfüllt und die mögliche Entscheidungserheblichkeit des geltend gemachten Verfahrensmangels (s. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) schlüssig dargelegt.

Im Streitfall ist die Klägerin diesen Anforderungen nicht nachgekommen. Sie hat nicht aufgezeigt, inwiefern eine Berücksichtigung ihres übergangenen Sachvortrags sowie eine mögliche Beweiserhebung hierzu das FG zu einer anderen, ihr günstigeren Entscheidung hätte führen können. Dies wäre nach dem rechtlichen Ansatz des FG auch schwerlich möglich gewesen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Den tragenden Grund für seine Entscheidung hat das FG darin gesehen, dass R die ihm zustehenden Werklohnforderungen gegen verschiedene Bauherren dem Zugriff seiner Gläubiger dadurch vorenthalten hat, dass er den entsprechenden Gegenwert sozusagen der Klägerin als Guthaben, d.h. als Forderung gegen die Bank, bei der diese die beiden Girokonten unterhalten hat, hat zukommen lassen. Der jeweiligen Schmälerung seines Vermögens entsprach mit der betreffenden Gutschrift auf diesen Konten eine entsprechende Vermehrung des Vermögens der Klägerin. Im Augenblick dieser Vermögensübertragung (Gutschrift auf den Konten der Klägerin) war die jeweilige Forderung in voller Höhe einem Zugriff der Gläubiger, mithin auch dem FA, entzogen. Wie und in welcher Höhe die Klägerin in der Folge über den erlangten Vermögenszuwachs verfügt bzw. solche Verfügungen durch R, dem sie Kontenvollmacht eingeräumt hatte, geduldet hat, wie sich also das einmal vorhandene Guthaben auf den Konten der Klägerin in der Folgezeit entwickelt hat, ist für die Frage, ob in Gläubigerbenachteiligungsabsicht getätigte Rechtshandlungen des Vollstreckungsschuldners vorliegen, deren Vermögensverschiebungen die Klägerin als Duldungspflichtige zurückzugewähren hat, ohne jegliche Bedeutung. Insbesondere kommt es nicht darauf an, dass R damit Forderungen anderer Gläubiger getilgt oder das Geld zu seinen eigenen Zwecken eingesetzt hat, so dass dieses letztlich nicht der Klägerin zugute gekommen ist. Denn die Art und Weise der späteren Verwendung der übertragenen Geldmittel kann nicht ungeschehen machen, dass den Gläubigern des R der Vollstreckungszugriff auf die diesem ursprünglich zustehenden Forderungen durch das Verhalten des R vereitelt worden ist. Daher war der Sachvortrag der Klägerin, wie im Einzelnen die ihr zugeflossenen Gelder verwendet worden sind, dass R wirtschaftliche Verluste erlitten hat, was voraussichtlich geschehen wäre, wenn die finanzielle Abwicklung über ein Konto des R gelaufen wäre, und dass das FA bei solchen hypothetischen Geschehensabläufen vermutlich leer ausgegangen wäre, jedenfalls aber nicht so gut stände wie jetzt nach erfolgter Anfechtung, für die Entscheidung des FG unerheblich. Das FG brauchte daher auch nicht darauf einzugehen. Etwas anderes wäre nur dann in Betracht gekommen, wenn die Rückgewährpflicht der Klägerin nach § 7 Abs. 2 AnfG auf die noch bei ihr vorhandene Bereicherung zu beschränken wäre. Dies setzt indessen guten Glauben des Empfängers voraus, der bei der vom FG bejahten Absichtsanfechtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AnfG aber gerade nicht gegeben ist.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 857 Nr. 7
HAAAA-66028