Instanzenzug: OVG Lüneburg Az: 14 PS 3/16 Beschluss
Gründe
I
1 Der Kläger begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren Auskunft über die bei der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde zu seiner Person gespeicherten personenbezogenen Daten sowie Einsicht in die Akten.
2 Nach Aufforderung durch das Verwaltungsgericht legte der Beklagte lediglich einen Teil der bei ihm zur Person des Klägers geführten Unterlagen, und diese wiederum mit Schwärzungen, vor. Die Vorlage der vollständigen Unterlagen lehnte der Beklagte zuletzt mit Sperrerklärung vom ab unter Verweis auf den Schutz der Funktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes, insbesondere den Schutz der Informationsquellen und der Methoden der Informationsgewinnung, und den Schutz der Persönlichkeitsrechte und sonstiger Belange Dritter. Auf Antrag des Klägers legte das Verwaltungsgericht das Verfahren dem Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung vor.
3 Mit Beschluss vom hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass die Verweigerung der Vorlage im Einzelnen bezeichneter Unterlagen rechtswidrig sei. Im Übrigen sei die Weigerung des Beklagten rechtmäßig, weil insoweit die mit der Sperrerklärung geltend gemachten Geheimhaltungsgründe vorlägen und die darauf bezogene Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden sei. Hiergegen richten sich die Beschwerden des Klägers und des Beklagten.
II
4 1. Der Beklagte wendet sich mit seiner Beschwerde nur insoweit gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, als dieses die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung in Bezug auf Blatt 14 und 15 der Beiakte 3 festgestellt hat. Hinsichtlich der übrigen Beanstandungen legt der Beklagte in seiner Beschwerdebegründung dar, wie er dem durch eine Vorlage der betreffenden Unterlagen mit oder ohne Schwärzungen nachkommen wolle. Eine insoweit jedenfalls angekündigte, aber noch nicht umgesetzte Änderung der Sperrerklärung wird nicht zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Fachsenat (siehe hierzu auch 20 F 7.11 - NVwZ 2012, 1488 Rn. 12). Dies gilt auch in Bezug auf Blatt 29 der Beiakte 4. Zwar führt der Beklagte aus, dass es insoweit bei der Vorlageverweigerung bleiben müsse, die Sperrerklärung folglich in dieser Hinsicht Bestand habe. Blatt 29 der Beiakte 4 ist aber Teil eines bisher insgesamt zurückgehaltenen Vermerks. In welchem Ausmaß hier den berechtigten Geheimhaltungsinteressen bereits durch Schwärzungen Rechnung getragen werden kann, ist sinnvoll nur bei einer Gesamtbetrachtung des Vermerks festzustellen. Dies ist gegebenenfalls einer weiteren gerichtlichen Prüfung der insoweit geänderten Sperrerklärung vorzubehalten. Die in ihrem Umfang so bestimmte Beschwerde des Beklagten ist begründet. In Bezug auf Blatt 14 und 15 der Beiakte 3 sind entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Weigerungsgründe anzunehmen.
5 Die Beschwerde des Klägers ist hingegen nur zu einem geringen Teil begründet. Über die - vom Beklagten nicht angegriffene - Feststellung des Oberverwaltungsgerichts hinaus ist die Sperrerklärung auch insoweit rechtswidrig, als sie sich auf weitere im Entscheidungsausspruch bezeichnete Unterlagen bezieht. Die weitergehende Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Insoweit hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts zutreffend entschieden, dass die Weigerung des Beklagten, die angeforderten Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtmäßig und der Antrag demnach abzulehnen ist.
6 2. Zu Recht hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts den Antrag des Klägers auf Entscheidung gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO als zulässig erachtet. Ein solcher Antrag eines Verfahrensbeteiligten setzt grundsätzlich voraus, dass das Gericht der Hauptsache die Entscheidungserheblichkeit der angeforderten Unterlagen ordnungsgemäß bejaht hat. An einem hiernach in aller Regel erforderlichen Beweisbeschluss oder einer vergleichbaren förmlichen Äußerung des Verwaltungsgerichts zur Klärung der rechtlichen Erheblichkeit des Akteninhalts für die Entscheidung des Rechtsstreits fehlt es. Denn das Verwaltungsgericht hat die Akten lediglich formularmäßig - ohne dokumentierte rechtliche Erwägungen - mit der Eingangsverfügung angefordert. Dieses Vorgehen ist indes unschädlich, denn die zurückgehaltenen Unterlagen sind, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, für die Entscheidung des Rechtsstreits zweifelsfrei erheblich. Dies gilt zwar nicht in Bezug auf das Begehren auf Akteneinsicht, wohl aber für den geltend gemachten Auskunftsanspruch (siehe auch 20 F 1.13 - juris Rn. 14 f.). Die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist insoweit nicht bereits Streitgegenstand des Verfahrens der Hauptsache. Über die Rechtmäßigkeit der auf § 13 Abs. 2 NVerfSchG in der Fassung vom (a.F.) gestützten Verweigerung weitergehender Auskünfte kann indessen nur nach Beiziehung der Akten entschieden werden.
7 3. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat das Vorliegen der mit der Sperrerklärung vom differenzierend für die einzelnen Aktenbestandteile geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO unter Anlegung der zutreffenden rechtlichen Maßstäbe geprüft. Danach ist ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen gefährden würde (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom - 20 F 1.13 - juris Rn. 18 f. und vom - 20 F 5.12 - juris Rn. 4 m.w.N.). Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO. Im Falle des Informantenschutzes tritt neben das grundrechtlich abgesicherte Interesse des Betroffenen, seine persönlichen Daten geheim zu halten, das öffentliche Interesse, die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben sicherzustellen (stRspr, vgl. etwa 20 F 11.10 - BVerwGE 137, 318 Rn. 10 f. m.w.N.). Sind Behörden - wie dies namentlich auf die Verfassungsschutzämter zutrifft - bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben auf Angaben Dritter angewiesen, dürfen sie zum Schutz des Informanten dessen Identität geheim halten ( 2 C 10.02 - BVerwGE 118, 10 <14>).
8 4. Hiernach hat die Sperrerklärung auch im Beschwerdeverfahren zum weit überwiegenden Teil Bestand. Rechtswidrig erweist sich lediglich die Weigerung des Beklagten, die im Entscheidungsausspruch - beschränkt auf das Ergebnis einer Prüfung im Beschwerdeverfahren - aufgeführten Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen. Für diese Aktenteile ist nicht ersichtlich, dass die in der Sperrerklärung insoweit in Anspruch genommenen Weigerungsgründe ihre Vorlage vollständig ausschließen bzw. vorgenommene Schwärzungen rechtfertigen (a). Im Übrigen ist die Sperrerklärung, soweit Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, rechtlich nicht zu beanstanden (b).
9 a) Der Schutz der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste kann es zwar grundsätzlich rechtfertigen, dass die in deren Unterlagen vorhandenen Randbemerkungen, Hervorhebungen und Unterstreichungen geheim gehalten werden ( 20 F 11.08 - juris Rn. 9). Dies darf jedoch nicht schematisch geschehen; Voraussetzung ist immer, dass diese Akteninhalte Rückschlüsse auf ein spezifisches Erkenntnisinteresse, die Arbeitsweise und/oder den Erkenntnisstand der Behörden erlauben. Hieran gemessen ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass eine Reihe von Schwärzungen in der Beiakte 3 (Blatt 4 1. Schwärzung, Blatt 29 2. Schwärzung nach der Betreffzeile, Blatt 31, Blatt 40 3. Schwärzung, Blatt 48 1. Schwärzung) gerechtfertigt sind. Denn dabei handelt es sich lediglich um Orts- bzw. Datumsangaben, die sich ohne weiteres aus dem offengelegten Inhalt der Unterlagen erschließen. Ebenso wenig sind geheimhaltungsbedürftig solche Angaben in einem Text, die sich dem kundigen Leser ohnehin erschließen (Beiakte 3, Blatt 60 1. Schwärzung, Blatt 66). Schließlich ist in Bezug auf Beiakte 3, Blatt 41 2. Schwärzung angesichts der auf Blatt 48 a.E. offengelegten Angaben nicht ersichtlich, inwiefern hier ein Geheimhaltungsinteresse besteht, das über schutzwürdige personenbezogene Daten hinausgeht. Ebenso erschließt sich wegen der offengelegten Angaben auf Blatt 67 Mitte der Beiakte 3 nicht, dass ein Geheimhaltungsinteresse hinsichtlich Beiakte 3, Blatt 55 1. Schwärzung - Satz 3 und 4 - gegeben ist.
10 Die Unterlagen Blatt 4, 8 und 13 der Beiakte 4 betreffen die Bearbeitung des Auskunftsantrags des Klägers. Der Beklagte hat die Vorlage dieser Aktenseiten unter Verweis auf den Schutz der Funktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes abgelehnt. Gründe, die Offenlegung dieser Unterlagen in Gänze zu verweigern, sind jedoch nicht ersichtlich. Die Angabe, dass der Kläger ein Auskunftsersuchen gemäß § 13 NVerfSchG a.F. gestellt hat, ist nicht geheimhaltungsbedürftig; auch ist nicht erkennbar, warum der Umstand, dass andere Stellen im Hause des Beklagten um fachliche Stellungnahme gebeten worden sind, schon für sich genommen nicht offengelegt werden kann, ohne die Aufgabenerfüllung der Behörde zu beeinträchtigen. Der Beklagte hätte deshalb prüfen müssen, ob berechtigten nachrichtendienstlichen Belangen durch eine Teilschwärzung der Unterlagen Rechnung getragen werden kann.
11 Blatt 5 und 6 der Beiakte 4 sowie - damit inhaltlich identisch - Blatt 89 und 90 der Beiakte 3 enthalten ausdrücklich als "offen" bezeichnete und darüber hinausgehend offengelegte Erkenntnisse über den Kläger, die auch in der Verbescheidung seines Auskunftsantrags Niederschlag gefunden haben. Deswegen erschließt sich nicht, dass eine Schwärzung der auf diesen Aktenseiten darüber hinaus enthaltenen, insbesondere die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes betreffenden und damit schutzwürdigen Inhalte, nicht ausreichend gewesen wäre.
12 b) aa) Die Einsicht in die dem Fachsenat im Original vorliegenden Akten hat im Übrigen ergeben, dass der Beklagte die Aktenvorlage zu Recht verweigert hat. Insoweit sind Weigerungsgründe gegeben.
13 Dies gilt auch für die Unterlagen Blatt 14 und 15 der Beiakte 3. Der beschließende Fachsenat hat sich davon überzeugt, dass es um die operative Zusammenarbeit zwischen der Verfassungsschutzbehörde und einer anderen Behörde geht, so dass ein Geheimhaltungsbedürfnis zu bejahen ist. Eine Schwärzung, die allein die im Gerichtsverfahren offengelegte Tatsache einer Behördenzusammenarbeit offenbart, hat keinen zusätzlichen Erkenntniswert und ist deshalb nicht geboten (siehe auch 20 F 19.10 - juris Rn. 9).
14 bb) Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Vorlageverweigerung erfüllt sind, ist auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und auf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten im Prozess beruhende Ermessensentscheidung getroffen hat, die den rechtlichen Anforderungen genügt.
15 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2017:300117B20F5.16.0
Fundstelle(n):
WAAAG-39301