Schadensersatz bei Verkehrsunfall: Ersatzfähigkeit der Kosten für eine Reparaturbestätigung bei fiktiver Schadensabrechnung
Leitsatz
Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, sind die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Reparatur angefallenen Kosten einer Reparaturbestätigung für sich genommen nicht ersatzfähig. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist insoweit unzulässig.
Gesetze: § 249 Abs 2 S 1 BGB
Instanzenzug: LG Mühlhausen Az: 1 S 93/15vorgehend AG Heiligenstadt Az: 1 C 719/14
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Ersatzfähigkeit der Kosten für eine Reparaturbestätigung.
2Die Klägerin nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer auf restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom in Anspruch. Die volle Haftung des Beklagten für den Unfallschaden steht dem Grunde nach außer Streit. Ein Privatsachverständiger ermittelte die Kosten für die Reparatur des Unfallschadens am Fahrzeug der Klägerin mit netto 4.427,07 €. Die Klägerin rechnete auf Gutachtenbasis mit dem Beklagten ab, der den ermittelten Betrag erstattete. Die Reparatur ließ die Klägerin von ihrem Lebensgefährten, einem gelernten Kfz-Mechatroniker vornehmen. Die Ordnungsgemäßheit der Reparatur ließ sie sich von dem Sachverständigen bestätigen, der für die Erstellung der Reparaturbestätigung 61,88 € in Rechnung stellte.
3Das Amtsgericht hat die auf Erstattung dieser 61,88 € zuzüglich Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die vom Amtsgericht zugelassene Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.
Gründe
I.
4Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin bei der von ihr gewählten fiktiven Abrechnungsmethode kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Erstellung der Reparaturbestätigung zustehe. Die Entscheidung der Klägerin, den Unfallschaden fiktiv abzurechnen, sei Ausfluss ihrer Dispositionsfreiheit. Die Klägerin habe es dann aber auch hinzunehmen, dass bei dieser Schadensabrechnung keine Reparaturrechnung einer Fachwerkstatt vorliege, die Art und Umfang der vorgenommenen Reparaturen beschreibe. Wenn die Klägerin gleichwohl im Hinblick auf eine eventuelle spätere Veräußerung des Unfallwagens oder einen möglichen erneuten Unfall im selben Fahrzeugbereich einen Nachweis der ordnungsgemäßen Reparatur wünsche, müsse sie diesen Nachweis auf eigene Kosten einholen. Entgegen der Auffassung der Klägerin folge eine Erstattungsfähigkeit auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin dem Beklagten aufgrund der fiktiven Abrechnungsart die Umsatzsteuer auf die Reparaturkosten erspart habe. Die Klägerin vermische insoweit die konkrete und die fiktive Schadensabrechnung.
II.
5Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin bei der von ihr gewählten fiktiven Schadensberechnung keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Reparaturbestätigung hat. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensberechnung ist insoweit nicht zulässig.
61. Der Geschädigte eines Kraftfahrzeugsachschadens hat bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Wahl, ob er fiktiv nach den Feststellungen eines Sachverständigen oder konkret nach den tatsächlich aufgewendeten Kosten abrechnet (st.Rspr., vgl. , BGHZ 61, 56, 58; vom - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 184; vom - VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 241 ff.; vom - VI ZR 334/88, VersR 1989, 1056; vom - VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395, 398; vom - VI ZR 249/05, BGHZ 169, 263 Rn. 15). Bei fiktiver Abrechnung ist der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Der Geschädigte, der im Gegenzug nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen, disponiert hier dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf einer objektiven Grundlage zufrieden gibt (Senatsurteil vom - VI ZR 24/13, VersR 2014, 214 Rn. 10).
7Entscheidet sich der Geschädigte für die fiktive Schadensabrechnung, sind die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Reparatur angefallenen Kosten nicht (zusätzlich) ersatzfähig. Der Geschädigte muss sich vielmehr an der gewählten Art der Schadensabrechnung festhalten lassen; eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist insoweit unzulässig (vgl. , VersR 2004, 1575; vom - VI ZR 172/04, BGHZ 162, 170, 175; vom - VI ZR 174/05, NJW 2006, 2320, 2321 Rn. 11; vom - VI ZR 249/05, BGHZ 169, 263 Rn. 15; vom - VI ZR 654/15, MDR 2017, 27 Rn. 17). Übersteigen die konkreten Kosten der - ggf. nachträglich - tatsächlich vorgenommenen Reparatur einschließlich der Nebenkosten wie tatsächlich angefallener Umsatzsteuer den aufgrund der fiktiven Schadensabrechnung zustehenden Betrag, bleibt es dem Geschädigten - im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung - im Übrigen unbenommen, zu einer konkreten Berechnung auf der Grundlage der tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten überzugehen (vgl. , NJW 2012, 50; vom - VI ZR 249/05, BGHZ 169, 263; vom - VI ZR 109/03, BGHZ 158, 388, 391 f.).
82. Nach diesen Grundsätzen hat die fiktiv abrechnende Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz der im Rahmen der konkret durchgeführten Reparatur angefallenen Kosten für die Reparaturbestätigung. Bei den geltend gemachten Kosten für die Reparaturbestätigung des Sachverständigen handelt es sich nicht um Kosten, die nach der gewählten fiktiven Berechnungsweise zur Wiederherstellung des Unfallfahrzeugs erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB waren. Es handelt sich vielmehr um eine Position, die ursächlich auf der freien Entscheidung der Klägerin beruht, ihr Fahrzeug nicht in einem Fachbetrieb, sondern in Eigenregie reparieren zu lassen (Wenker, jurisPR-VerkR 24/2015 Anm. 2; ders., jurisPR-VerkR 3/2014 Anm.1). Auf die Motivation der Klägerin, im Hinblick auf eine mögliche spätere Veräußerung des Fahrzeugs oder einen eventuellen weiteren Unfallschaden an derselben Fahrzeugstelle den Nachweis einer ordnungsgemäß durchgeführten Reparatur vorzuhalten, kommt es in diesem Zusammenhang nach der eigenen Disposition der Klägerin nicht an (vgl. Heßeler, NJW 2015, 2744; aA , juris Rn. 27; AG Singen, Urteil vom - 14 C 453/16, juris Rn. 3; AG Fulda, NJW 2015, 2743 Rn. 13 f.; , juris Rn. 15).
9Entgegen der Auffassung der Revision ändert hieran auch der Umstand nichts, dass die Klägerin dem Beklagten durch ihre Entscheidung für eine fiktive Schadensberechnung den Ersatz von Umsatzsteuer erspart hat, die bei einer konkreten Berechnungsweise auf die tatsächlich durchgeführte Reparatur angefallen wäre. Die Nichtersatzfähigkeit tatsächlich nicht angefallener Umsatzsteuer ist vielmehr direkte Folge der gesetzlichen Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB und der darin liegenden Begrenzung der Dispositionsfreiheit des Geschädigten (vgl. hierzu zuletzt Senatsurteil vom - VI ZR 654/15, MDR 2017, 27 Rn. 11 mwN).
103. Etwas anderes könnte gelten, wenn die Reparaturbestätigung aus Rechtsgründen zur Schadensabrechnung erforderlich gewesen wäre, etwa im Rahmen der Abrechnung eines zusätzlichen Nutzungsausfallschadens (vgl. , juris Rn. 18; AG Schwabach, Urteil vom - 2 C 999/12, juris Rn. 5 ff.; AG Mainz, Urteil vom - 86 C 113/12, juris Rn. 12; AG Frankfurt, Urteil vom - 29 C 2624/10, juris Rn. 97 ff.). Die Reparaturbescheinigung wäre - ihre Eignung im Übrigen vorausgesetzt - dann als Nachweis der tatsächlichen Gebrauchsentbehrung (vgl. zu dieser Anspruchsvoraussetzung , BGHZ 66, 239, 249; vom - VI ZR 211/08, VersR 2009, 697 Rn. 9; Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 3 Rn. 96; Wussow/Zoll, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Kap. 41 Rn. 90) erforderlich zur Rechtsverfolgung im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Entsprechendes kann im Fall der den Wiederbeschaffungsaufwand überschreitenden fiktiven Reparaturkosten für den Nachweis der verkehrssicheren (Teil-)Reparatur des Unfallfahrzeugs und damit des tatsächlich bestehenden Integritätsinteresses des Geschädigten (vgl. hierzu , NJW 2008, 1941; vom - VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395; Geigel/Knerr, aaO, Rn. 35; Wussow/Zoll, aaO, Rn. 10 f.) gelten.
11Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2017:240117UVIZR146.16.0
Fundstelle(n):
NJW 2017 S. 1664 Nr. 23
NJW 2017 S. 9 Nr. 12
NAAAG-38802