BFH Beschluss v. - V S 9/00

Gründe

I. Der Kläger und Antragsteller (Kläger) war in den Streitjahren 1988 und 1989 als Rechtsanwalt tätig. Weil er keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben hatte, schätzte der Beklagte (das Finanzamt —FA—) die Besteuerungsgrundlagen und setzte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) die Umsatzsteuer für 1988 und 1989 fest. Die gegen diese Bescheide eingelegten Einsprüche blieben ohne Erfolg. Mit Bescheiden vom wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Der nicht weiter begründete Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) setzte dem Kläger —den es vergeblich aufgefordert hatte, eine Klagebegründung einzureichen— am eine Ausschlussfrist bis zum zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens gemäß § 65 Abs. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Gleichzeitig forderte es den Kläger unter Hinweis auf § 79b Abs. 1 FGO auf, bis zum die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühle.

Am letzten Tag der Frist beantragte der Kläger Akteneinsicht sowie Verlängerung der Ausschlussfrist bis zum mit der Begründung, Unterlagen, die er benötige, befänden sich beim FA. Das FG teilte dem Kläger am mit, die Akten würden angefordert, und am , er könne die Akten bis spätestens im FG einsehen. Gleichzeitig forderte das FG ihn auf, nach Akteneinsicht die Klage unverzüglich zu begründen. Der Kläger machte von der Möglichkeit, die Akten einzusehen, keinen Gebrauch, sondern beantragte vielmehr am erneut Akteneinsicht mit der Begründung, das FA habe in seiner Abwesenheit seine Wohnung aufgebrochen, sein Vermieter habe ihm deshalb gekündigt und aus dem Räumungsurteil vollstreckt; die Unterlagen, die er brauche, hätten sich in der Garage befunden und seien nicht mehr vorhanden. Außerdem erklärte er, mit der Klage begehre er die Herabsetzung der Steuer auf 0 DM, ohne dies weiter zu begründen.

In der mündlichen Verhandlung beantragte der Kläger die Herabsetzung der Umsatzsteuer für 1988 und 1989 unter Hinweis auf die eingereichten Umsatzsteuererklärungen für 1988 und 1989, deren Angaben, wie er erläutert hat, auf seinen Erinnerungen beruhen, auf jeweils 500 DM je Streitjahr.

Das FG hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger innerhalb der Ausschlussfrist den Gegenstand des Klagebegehrens nicht bezeichnet hat; es sei nicht erkennbar gewesen, in welcher Höhe und aus welchen Gründen er eine Änderung der angefochtenen Bescheide begehrt habe.

Das FG habe die Ausschlussfrist deshalb nicht verlängert, weil der Kläger bis zum Ablauf der Ausschlussfrist i.S. von § 224 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i.V.m. § 227 ZPO erhebliche Gründe, weshalb ihm innerhalb der Ausschlussfrist die Bezeichnung des Streitgegenstandes nicht möglich gewesen sei, weder dargelegt noch glaubhaft gemacht habe.

Der Kläger beantragt nunmehr Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwaltes für eine noch einzulegende Revision und Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Klage abweisende Urteil. Er trägt hierzu vor, dem Urteil sei nicht zu entnehmen, wann genau die Ausschlussfrist abgelaufen sei. Das Urteil gehe wohl davon aus, dass die Ausschlussfrist am abgelaufen sei; dann sei aber nicht nachvollziehbar, weshalb er dennoch nach Fristablauf im Schreiben vom aufgefordert worden sei, die Klage nach Akteneinsicht unverzüglich zu begründen. Dass der Ablauf der Ausschlussfrist unklar geblieben sei, werde dadurch bestätigt, dass das FG ausführlich begründe, weshalb die Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht mehr berücksichtigt werden könnten und in diesem Zusammenhang darauf hinweise, dass der Kläger alles schon viel früher hätte vortragen können und für die Verzögerung keine nachvollziehbaren Gründe dargelegt habe. Es sei von grundsätzlicher Bedeutung, dass eine wichtige Ausschlussfrist für jeden nachprüfbar zu berechnen sei und die Berechnung nicht rückwirkend geklärt werden könne. In dem Urteil fehle der klare Satz, wann genau die Frist abgelaufen sei. Dies erschwere die Begründung eines Rechtsbehelfs. Dadurch habe das FG auch das rechtliche Gehör verletzt.

II. Der Antrag auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts hat keinen Erfolg.

1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO erhält ein mittelloser Beteiligter PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Besteht für ein Verfahren Vertretungszwang, wird dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet (§ 142 FGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO). Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg.

2. Verfügt ein Beteiligter nicht über ausreichende Mittel für die Beiziehung eines Bevollmächtigten bei der Einlegung eines Rechtsmittels, so besteht zwar, nachdem ihm PKH bewilligt worden ist, die Möglichkeit zu einer wirksamen formgerechten Einlegung des Rechtsmittels auch noch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass dem Rechtsmittelführer wegen seiner Mittellosigkeit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gewährt werden kann. Um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erreichen, muss der Rechtsmittelführer alles in seinen Kräften Stehende und ihm Zumutbare tun, um seinerseits die Hindernisse zu beseitigen, die einer rechtzeitigen und wirksamen Einlegung des Rechtsmittels, für das er PKH begehrt, im Wege stehen. Dazu gehört nach ständiger Rechtsprechung, dass er innerhalb der Rechtsmittelfrist alle Voraussetzungen für eine positive Entscheidung über seinen Antrag auf Bewilligung von PKH schafft. Dies erfordert u.a. auch, dass der mittellose Beteiligte die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision erkennbar macht; es kann erwartet werden, dass seine Ausführungen eine Beurteilung ermöglichen, ob ein Grund für die Zulassung der Revision gegeben sein könnte (vgl. dazu z.B. , BFH/NV 1997, 303; Senats-Beschluss vom V S 17/99, BFH/NV 2000, 345).

3. Erfolgsaussichten für eine noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde oder eine zulassungsfreie Revision bestehen deshalb nicht, weil sich hinreichende Gründe für deren Erfolg weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus dem Akteninhalt ergeben.

a) Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Revision (§ 116 FGO) hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Soweit der Kläger allgemeine Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend macht, ist ein Sachbezug zu § 116 FGO von vornherein nicht erkennbar. Das gilt auch, soweit der Kläger allgemeine Verfahrensverstöße und die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt (vgl. BFH-Beschlüsse vom X R 55/94, BFHE 177, 344, BStBl II 1995, 604; vom VIII R 15/99, BFH/NV 1999, 1627). Insbesondere kommt eine Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO (Fehlen der Entscheidungsgründe) nicht schon in Betracht, wenn nach Auffassung des Rechtsmittelführers die Begründung unzulänglich, rechtsfehlerhaft oder nicht überzeugend ist (vgl. hierzu z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Rz. 24, m.w.N.). Für einen Revisionsgrund i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 119 Nr. 6 FGO genügt es nicht, dass —wie der Kläger meint— die Entscheidung Widersprüche enthält. Nur wenn nicht zu erkennen ist, welche Überlegungen für das Gericht maßgeblich waren, ist ein Mangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 119 Nr. 6 FGO gegeben (z.B. , BFH/NV 1995, 416).

b) Auch Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO sind weder vorgetragen noch erkennbar. Keine grundsätzliche Bedeutung hat die Frage, ob eine Ausschlussfrist wirksam nur dann gesetzt ist, wenn deren Ablauf hinreichend bestimmt ist, denn deren Beantwortung lässt sich ohne weiteres aus dem Gesetz und der vorhandenen Rechtsprechung (z.B. , BFH/NV 1989, 716) beantworten. Ganz abgesehen davon ist auch die Entscheidungserheblichkeit dieser Frage nicht erkennbar, denn die vom Berichterstatter dem Kläger am gesetzte Ausschlussfrist zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens ”bis zum ” war nicht missverständlich.

Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob das FG diese Frist mit Rücksicht auf die beantragte Akteneinsicht hätte verlängern müssen. Das FG hat dies zu Recht verneint, weil der Kläger erhebliche Gründe für eine Fristverlängerung weder substantiiert dargelegt noch glaubhaft gemacht hat (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO). Dazu war der Kläger jedoch noch vor dem Ablauf der gesetzten Frist verpflichtet (vgl. , BFH/NV 1999, 1237).

4. Der Beschluss ergeht gerichtsgebührenfrei.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 61 Nr. 1
PAAAA-65853