BFH Beschluss v. - III B 33/97

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde kann keinen Erfolg haben.

1. Es kann offen bleiben, ob der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt —FA—) die von ihm geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Sache ordnungsgemäß dargelegt hat und die Beschwerde daher zulässig ist (vgl. , BFHE 148, 494, BStBl II 1987, 344). Denn die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Das FA sieht eine grundsätzliche Bedeutung in der Frage, in welchem Bereich sich eine Hilfsperson als zuverlässig bewährt haben müsse, damit den Auftraggeber dieser Hilfsperson kein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließendes Verschulden an der Versäumung der Frist für einen Investitionszulageantrag treffe.

Im Streitfall beauftragte der Geschäftsführer der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), einer mittelständischen GmbH, die Leiterin der Buchhaltung des Unternehmens, den Brief mit dem fertig gestellten und unterschriebenen Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage für 1994 zu frankieren und abzusenden, weil die normalerweise mit der Frankierung und Absendung der Post betraute Sekretärin krank war. Die Buchhalterin gab den Brief zwar noch an demselben Tag zur Post, frankierte ihn aber zu gering. Da das FA die Annahme verweigerte, musste der Brief erneut abgesandt werden und ging deshalb erst am , also nach Ablauf der gesetzlichen Frist für die Stellung des Investitionszulageantrags, beim FA ein.

Das FA ist der Auffassung, im Streitfall sei mit Bedeutung über den Einzelfall hinaus klärungsbedürftig, ob sich der Geschäftsführer der Klägerin durch die Beauftragung der Buchhalterin mit einer für sie artfremden Tätigkeit entlasten konnte. Es sei nicht möglich, bei Wechsel des Aufgabengebiets einer Hilfsperson sich auf deren eventuelle Zuverlässigkeit in dem alten Aufgabengebiet zu berufen. Die Erprobung der Zuverlässigkeit habe vielmehr in dem neuen Aufgabengebiet erfolgen müssen. Anderenfalls müsse eine Anleitung der Hilfsperson in dem Aufgabengebiet und eine Überwachung erfolgen. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser durch den Streitfall aufgeworfenen Rechtsfrage sei bislang nicht ergangen.

Die Erwägungen des FA, welche Anforderungen an die Ausbildung und Erprobung von Büropersonal zu stellen sind, das bei Fristsachen eingeschaltet wird, beziehen sich auf die Frage der Entschuldbarkeit von Büroversehen in Büros von Rechtsanwälten oder Angehörigen der steuerberatenden Berufe. Auch die vom FA zitierte Rechtsprechung betrifft dieses Problem, oder das FA leitet daraus Folgerungen für ”Berufsträger” ab. Darum geht es im Streitfall aber nicht, sondern um Verhältnisse in einem gewerblichen Betrieb.

Der BFH hat schon wiederholt entschieden, dass die Grundsätze für die Entschuldbarkeit von Büroversehen in gut organisierten Büros von Rechtsanwälten oder Angehörigen der steuerberatenden Berufe nicht für andere Verhältnisse, insbesondere nicht für gewerbliche Betriebe gelten (Entscheidungen des , BFHE 72, 727, BStBl III 1961, 264; vom V R 100/68, BFHE 94, 569, BStBl II 1969, 263; vom VII R 78/84, BFH/NV 1986, 622). Danach sind an die Entschuldbarkeit von Büroversehen in gewerblichen Betrieben zwar an sich strengere Anforderungen zu stellen. Denn die Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe haben bei Ausübung ihrer in das Rechtsleben eingreifenden Tätigkeit eine öffentliche Verantwortung zu tragen, so dass in ihrem Arbeitsbereich laufend eine größere Anzahl von Rechtsmittelfristen und anderen gesetzlichen Fristen für andere Personen zu beachten ist und hierzu büroorganisatorische Maßnahmen und regelmäßige Kontrollen genügen müssen. Im einzelnen Gewerbebetrieb ist dagegen, selbst wenn er einen größeren Umfang hat, die Zahl der zu beachtenden gesetzlichen Fristen in aller Regel übersehbar, und die Fristen betreffen regelmäßig auch nur den Gewerbetreibenden selbst (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 94, 569, BStBl II 1969, 263). Für gewerbliche Betriebe lassen sich aber auch aus diesen Gründen anders als für Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe regelmäßig keine allgemeinen Grundsätze für die Entscheidung der Frage aufstellen, wann den Betriebsinhaber oder den Geschäftsführer des Betriebs bei Einschaltung einer Hilfsperson in eine Fristsache ein Verschulden an der Versäumung der Frist trifft. Die Entscheidung hängt jeweils von den Verhältnissen und Umständen des einzelnen Falls ab.

Deshalb kann offen bleiben, ob es gemäß der Auffassung des FA für Rechtsanwälte und Angehörige der steuerberatenden Berufe den Grundsatz gibt, dass sie sich bei einem Wechsel des Aufgabengebietes einer Hilfsperson nicht auf deren Zuverlässigkeit in dem alten Aufgabengebiet berufen können, sondern die Zuverlässigkeit in dem neuen Aufgabengebiet erprobt sein muss, wenn keine Anleitung und Überwachung erfolgt. Es kann ferner dahinstehen, ob der Grundsatz dann auch für die verhältnismäßig einfache Hilfstätigkeit des Frankierens und Absendens von Briefen gelten würde; das FA macht nur Ausführungen zu der weit verantwortungsvolleren Tätigkeit von fristüberwachenden Angestellten. Ein solcher Grundsatz ließe sich jedenfalls nicht auf Gewerbebetriebe übertragen, zumal es von der Größe und Organisation des Gewerbebetriebs abhinge, ob bei einer plötzlich notwendig werdenden Betrauung einer Angestellten mit einer neuen Aufgabe eine vorherige Erprobung in diesem Aufgabengebiet möglich war. Entscheidend für die Entschuldbarkeit der Fristversäumung ist hier immer, dass den Betriebsinhaber oder Geschäftsführer nach den Umständen des Einzelfalls kein Auswahlverschulden bei der Einschaltung der Hilfsperson trifft und ihm nicht mangelnde Belehrung und Überwachung vorzuwerfen sind.

So ist auch die Entscheidung, ob den Geschäftsführer der Klägerin im Streitfall ein Verschulden an der Überschreitung der Frist für die Stellung des Investitionszulageantrags trifft, eine Einzelfallentscheidung. Es handelt sich nicht um eine Rechtsfrage, die im allgemeinen Interesse an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig ist.

Im Übrigen ist für den Senat auch nicht ersichtlich, dass dem Geschäftsführer der Klägerin ein Verschulden bei der Auswahl der Leiterin der Buchhaltung für das Frankieren und Absenden des Briefes mit dem Investitionszulageantrag vorgeworfen werden kann oder dass er nach den Umständen des Falls gebotene Belehrungs- und Überwachungspflichten verletzt hat. Er hat eine Hilfsperson ausgewählt, die zwar normalerweise nicht mit der Absendung von Briefen befasst war, aber doch eine in Büroangelegenheiten verantwortungsvolle Tätigkeit ausübte und bei der er deshalb darauf vertrauen durfte, dass sie den Brief richtig frankieren würde. Das FG ist dabei von dem Vortrag des Geschäftsführers in der mündlichen Verhandlung ausgegangen, dass er die Buchhalterin auf die Wichtigkeit des Investitionszulageantrags hingewiesen habe. Eine darüber hinausgehende Belehrung über die Gebührentabelle der Post und etwaige Erfordernisse zu deren Einhaltung (z.B. Wiegen des Briefes) war von ihm nicht zu erwarten, zumal nicht vorausgesetzt werden kann, dass er darüber größere Kenntnisse hatte oder haben musste als die Buchhalterin. Das Gleiche gilt für die Überwachung der richtigen Frankierung des Briefes.

2. Der vom FA gerügte Denkfehler bei der Würdigung des Sachverhalts durch das FG ist nicht geeignet, einen Grund für die Zulassung der Revision darzulegen. Durch den Hinweis auf einen Denkfehler des FG wird nur die Verletzung materiellen Rechts begründet, nicht aber eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder ein Verfahrensmangel als Zulassungsgrund für eine Revision (u.a. , BFH/NV 1997, 198).

3. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe weiterer Gründe.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BFH/NV 2001 S. 292 Nr. 3
BAAAA-65499