Gründe
Da die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ihre Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1995 und 1996 nicht abgegeben hatten, schätzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die Besteuerungsgrundlagen für diese Veranlagungszeiträume. Die Kläger haben die hiergegen erhobenen Einsprüche nicht begründet. Die Einsprüche blieben daher ohne Erfolg. Hiergegen haben die Kläger am Klage erhoben mit dem Antrag, die angefochtenen Einkommensteuerbescheide und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben. Zur Begründung bezogen sich die Kläger auf die Steuerakten des FA, deren Beiziehung sie beantragten. ”Weiterer Vortrag und/oder Beweisantritt” blieb vorbehalten. Die Aufforderung der Geschäftsstelle des binnen einer Frist von einem Monat die Klagebegründung zu übersenden, blieb ohne Erfolg. Die vom FG angeforderten Steuerakten sind am beim Gericht eingegangen.
Mit Verfügung vom forderte die Berichterstatterin des FG die Kläger gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf, den Gegenstand des Klagebegehrens innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Verfügung zu bezeichnen. In der Verfügung wurde darauf hingewiesen, dass die Fristsetzung ausschließende Wirkung hat. Die Verfügung wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am zugestellt. Mit Schriftsatz vom , der an diesem Tage beim FG einging, beantragten die Kläger, die Einkommensteuer 1995 entsprechend einer beigefügten EDV-Berechnung auf 32 024 DM und die Einkommensteuer 1996 unter Berücksichtigung des ”amtsbekannten Verlustes aus V + V (vgl. Antrag auf LSt-Ermäßigung und genehmigter FB) auf 0 DM festzusetzen”. Dieses Begehren sei ”im Übrigen der Klage, insbesondere im Zusammenhang mit den Steuerakten, deren Zuziehung zur Begründung und zu Beweiszwecken beantragt wurde, zu entnehmen”. Das Setzen der Ausschlussfrist sei ermessensfehlerhaft und schikanös und werde als Verfahrensmangel gerügt. Die Frist sei vor Zuziehung der Steuerakten gesetzt worden, sogar vor Erhalt einer Klageerwiderung und in einer unangemessen kurzen Zeit (sechs Wochen) nach Klageerhebung. Diese Frist diene nicht der Verfahrensbeschleunigung, sondern der Förderung ”von Verfahrensunfrieden und werde als schlicht unfair” eingestuft.
Mit Schriftsatz vom wies das FA darauf hin, dass Angaben in den Anträgen auf Lohnsteuerermäßigung nicht die Abgabe von Einkommensteuerjahreserklärungen ersetzten. Die Fristsetzung des FG sei eine angemessene Maßnahme, da die Kläger bereits mehr als ausreichend Zeit gehabt hätten, ihre Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre einzureichen.
Mit Verfügung vom , dem Prozessbevollmächtigten zugestellt am , forderte die Berichterstatterin des FG die Kläger gemäß § 79b FGO auf, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Verfügung die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1995 und 1996 einzureichen. Die Kläger legten die Einkommensteuererklärungen mit dem an diesem Tage beim FG eingegangenen Schriftsatz vom vor. Gleichzeitig beantragten sie, die Berichterstatterin Richterin am FG X wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Die ”wiederholte Zwangsverfügung nach § 79b FGO” werde als ”reinster Akt der Willkür” angesehen und als Verfahrensmangel gerügt. ”Auf dem Boden der FGO” möge diese Verfügung ”argumentierbar sein"; sachlich zu begründen oder angemessen sei sie nicht. Die Berichterstatterin behandle die Angelegenheit ”nicht verfahrenstechnisch angemessen und sachgemäß auf dem Boden der FGO unter Beachtung des Amtsermittlungsprinzips”. Die Berichterstatterin mache sich den Standpunkt des FA kritiklos zu Eigen, das den Eindruck erwecken wolle, bei den Klägern handle es sich ”um besonders erklärungssäumige Steuerpflichtige”. Wegen ihres Vortrags im Übrigen wird auf den Schriftsatz der Kläger vom Bezug genommen.
Richterin am FG X hat sich zum Ablehnungsgesuch der Kläger dienstlich wie folgt geäußert: Bezüglich der Anbringung der Ausschlussfristen vom und vom sei sie nach denselben Maßstäben wie in allen anderen Fällen verfahren. Die einschlägigen prozessrechtlichen Vorschriften seien beachtet worden. Die Steuerakte habe ihr bei Setzung der Ausschlussfristen bereits vorgelegen.
Das FG hat den Antrag auf Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit durch Beschluss vom abgelehnt. Die Prozessführung durch die Berichterstatterin lasse keine unsachliche oder von Willkür beeinflusste Sachbehandlung erkennen. Es sei abwegig anzunehmen, die Richterin habe durch die beanstandeten Verfügungen objektiv den Eindruck erweckt, den Klägern den prozessualen Willen des FA aufzwingen zu wollen. Die Aufforderung vom , den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen, sei prozessual erforderlich, die gleichzeitige Setzung einer Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO sachlich geboten gewesen. Auch die Verfügung vom lasse eine unsachliche oder von Willkür beeinflusste Sachbehandlung nicht erkennen. Eine kritiklose Übernahme des Standpunkts des FA könne in dieser Aufforderung nicht gesehen werden. Vielmehr trage die Aufforderung allein dem Umstand Rechnung, dass die Klage zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung bereits mehr als drei Monate ohne Begründung geblieben sei, zumal es sich bei dem Streitfall um eine Schätzungssache handle und die gesetzlichen Fristen für die Abgabe der Steuererklärungen für die Streitjahre im Zeitpunkt der Fristsetzung bereits seit langem überschritten gewesen seien. Die Aufforderung auf der Rechtsgrundlage des § 79b Abs. 1 FGO hätte bereits mit der Fristsetzung nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO verbunden werden können. Der Steuerpflichtige, der zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet sei, müsse dieser Pflicht unabhängig davon nachkommen, ob die Anfertigung der Erklärung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten bereite. Ggf. seien strittige Punkte in der Erklärung entsprechend zu erläutern. Die von den Klägern vorgetragenen steuerrechtlichen Schwierigkeiten mit dem Erwerb eines Anlageobjekts seien aus den vom FG beigezogenen Steuerakten nicht zu entnehmen.
Hiergegen haben die Kläger Beschwerde eingelegt mit dem Antrag,
unter Änderung des angefochtenen Beschlusses den Antrag auf Richterablehnung für begründet zu erklären.
Sie tragen vor: Weder die dienstliche Stellungnahme der Berichterstatterin noch der angefochtene Beschluss könnten die Besorgnis der Befangenheit beseitigen. ”Die ganzen formal-juristischen Argumente” träfen nicht den Kern des Problems, das darin bestehe, dass sie sich einem unangemessenen und willkürlichen Zwang ausgesetzt sähen, ”nach allen Gesetzen der Logik und allen Denkgesetzen”. Insoweit werde auf die Ausführungen im Schriftsatz vom verwiesen. Die Besorgnis der Befangenheit verstärke sich aufgrund der Erkenntnis, dass die Richterin eine vom FA unvollständig vorgelegte Akte dazu benutzt habe, eine Zwangsverfügung zu erlassen, statt das FA aufzufordern, die vollständige Akte vorzulegen.
Die in der Beschwerdeschrift beantragte Gelegenheit zur Akteneinsicht haben die Kläger nicht wahrgenommen.
Die Beschwerde ist nicht begründet und daher zurückzuweisen.
Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Ein derartiger Grund ist gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus, jedoch nach Maßgabe einer vernünftigen, objektiven Betrachtung, davon ausgehen kann, der Richter werde nicht unvoreingenommen entscheiden (vgl. Senatsbeschluss vom X B 50, 52/96, BFH/NV 1997, 42; vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 51 Anm. 37, m.w.N.). Verfahrensverstöße oder sonstige Rechtsfehler eines Richters bilden —selbst wenn sie objektiv vorliegen— grundsätzlich keinen Ablehnungsgrund (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH—, vgl. Beschlüsse vom XI B 114/95, BFH/NV 1996, 225; vom X B 84/96, BFH/NV 1997, 122; Gräber/Koch, a.a.O., § 51 Anm. 40, m.w.N.). Denn das Ablehnungsverfahren dient nicht dazu, die Beteiligten gegen materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Rechtsauffassungen des gesetzlichen Richters zu schützen. Insoweit stehen den Beteiligten die allgemeinen Rechtsbehelfe —auch zur Überprüfung von Verfahrensfehlern— zur Verfügung. Das Institut der Richterablehnung soll eine unparteiische Rechtspflege sichern. Verfahrensverstöße können eine Besorgnis der Befangenheit daher —ausnahmsweise— nur rechtfertigen, wenn Gründe dargetan sind, die dafür sprechen, dass die Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber den ihn ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht. Dies setzt ohne weiteres erkennbare und gravierende Verfahrensfehler oder eine Häufung von Rechtsverstößen voraus (ständige Rechtsprechung, BFH-Beschlüsse vom XI B 91/92, BFH/NV 1994, 489; vom XI B 190/96, BFH/NV 1997, 780; vom X B 5/98, BFH/NV 1999, 327).
Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt ein Ablehnungsgrund nicht vor.
Die Entscheidung der Berichterstatterin, von den gerichtsverfahrensrechtlichen Möglichkeiten einer Verfahrensbeschleunigung Gebrauch zu machen, ist —selbst wenn sie fehlerhaft gewesen wäre, wofür indes kein Anhaltspunkt besteht— kein Ablehnungsgrund. Das FG hat im angefochtenen Beschluss ausführlich dargelegt, dass und warum die Setzung der Ausschlussfristen rechtmäßig war. Der Richter, der in einem ”Schätzungsfall” Ausschlussfristen setzt, handelt nicht ermessensfehlerhaft. Den diesbezüglichen Ausführungen des FG können die Kläger nicht mit Erfolg entgegensetzen, es handle sich um lediglich ”formal-juristische Argumente”.
Die Berichterstatterin war entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht gehalten, vor Erlass der Verfügungen vom und vom die ihr vorliegenden Steuerakten der Kläger daraufhin durchzusehen, ob Gründe dafür ersichtlich sein könnten, warum die Kläger ihrer Steuererklärungspflicht nicht nachgekommen sind. Im damaligen Stadium des Verfahrens war die Berichterstatterin ferner nicht verpflichtet, die Akten auf Vollständigkeit hin zu prüfen. § 65 Abs. 2, § 79b Abs. 3 FGO haben den Zweck, im Interesse einer Schonung der knappen personellen Justizressourcen eine Belastung der Gerichte mit solchen Streitfällen zu verhindern, in denen die Kläger nicht erklären, in welcher Hinsicht sie Rechtsschutz begehren und/ oder nicht in der ihnen obliegenden Art und Weise zur Beibringung des streiterheblichen Sachverhalts beitragen. Wenn und solange die Kläger diesen Mindestpflichten nicht nachkommen, braucht das Gericht nicht in eine Sachprüfung der Steuerakten einzutreten.
Weitere Tatsachen haben die Kläger, die mit der vorliegenden Beschwerde im Wesentlichen auf ihren Schriftsatz vom verweisen, nicht substantiiert und nachvollziehbar vorgetragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2000 S. 1472 Nr. 12
YAAAA-64972