Haftung des Geschäftsführers einer insolventen GmbH für von der GmbH durch Rechnungssplitting hinterzogenen Einfuhrzoll
Festsetzungsfrist für hinterzogene Einfuhrabgaben
kein Erlöschen einer Einfuhrabgabenforderung durch Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen
des Abgabenschuldners
Leitsatz
1. Eine Haftungsinanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH für von der GmbH nicht bezahlte Einfuhrabgaben (hier: Zoll-Euro)
nach § 191 AO, § 69 AO wird nicht durch Unionsrecht ausgeschlossen; aus Art. 232 Abs. 1 Buchst. a ZK folgt nicht, dass eine
Haftungsinanspruchnahme nur nach gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften möglich ist. Vielmehr können die nationalen Haftungstatbestände
neben die gemeinschaftsrechtlichen Zollschuldentstehungstatbestände treten (Anschluss an VTa).
2. Hat der Geschäftsführer im Strafverfahren beim Amtsgericht im Rahmen einer Verständigung eine leichtfertige Steuerverkürzung
betreffend die Einfuhrabgaben eingeräumt und ist er deswegen verurteilt worden, so ist er hieran auch im finanzgerichtlichen
Verfahren betreffend den Haftungsbescheid gebunden.
3. Wurden die Rechnungen für Einfuhren an die GmbH gesplittet, um bei den Zollanmeldungen durch Vorlage unterfakturierter
Rechnungen falsche Angaben zu machen und Zoll zu verkürzen, war dem Geschäftsführer dieses Rechnungssplitting bekannt und
war er nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten grundsätzlich in der Lage, die Anfertigung von den Erfordernissen der Zoll-
und Steuergesetze genügenden Zollanmeldungen einzurichten und zu überwachen, so wird der Geschäftsführer durch die Einschaltung
einer Steuerberaterin, die die zollrechtlichen Folgen des Rechnungssplittings nicht erkannt hat, nicht von seiner eigenen
Verantwortung für die Richtigkeit der Erstellung der Zollanmeldungen entbunden.
4. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 AO infolge von tatsächlich vorgenommenen und für den Steuerpflichtigen erkennbaren
Ermittlungen der Zoll- oder Steuerfahndung findet über den Verweis in § 191 Abs. 3 S. 1 AO grundsätzlich auch für Haftungsbescheide
Anwendung.
5. Da § 171 Abs. 5 AO keine Frist bestimmt, innerhalb derer die Ermittlungsergebnisse des Steuerstrafverfahrens durch den
Erlass von Steuerbescheiden auszuwerten sind, läuft die Ablaufhemmung trotz Abschlusses der Ermittlungen weiter, solange von
der Finanzbehörde keine Steuerbescheide erlassen worden sind. Die Dauer der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 AO wird nur durch
das Institut der Verwirkung begrenzt, die nicht allein durch Zeitablauf eintritt, sondern weitere Umstände voraussetzt, die
auf eine Aufgabe des Abgabenanspruchs durch die Steuer- bzw. -zollbehörden schließen lassen. Hiervon ist nicht auszugehen,
wenn nach Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH als Abgabenschuldnerin
und Löschung der GmbH im Handelsregister die Zollbehörde zeitnah eine Realisierung der Abgabenforderung durch den Erlass von
Haftungsbescheiden gegen den Geschäftsführer und andere Angestellte der GmbH angestrebt hat.
6. Für die maximal 10-jährige Festsetzungsfrist für Einfuhrabgaben nach Art. 103 Abs. 2 VO (EU) Nr. 952/2013 ist es unerheblich,
wer die Einfuhrabgaben hinterzogen hat. Es kommt nur darauf an, dass es sich objektiv um hinterzogene Beträge handelt. Die
Vorschrift kann also auch dann zu Lasten eines Haftungsschuldners angewendet werden, wenn nicht er, sondern eine andere Person
Einfuhrabgaben hinterzogen hat.
7. Die Auflösung einer GmbH infolge der Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse führt nicht
zu einem Erlöschen der Einfuhrabgabenschuld wegen gerichtlich festgestellter Zahlungsunfähigkeit des Schuldners i. S. d. Art.
233 ZK. Erst wenn es zur Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO kommt und wenn die Beendigung des Insolvenzverfahrens gerichtlich
festgestellt wird, kann die Erfüllung der Zollschuld nicht mehr durchgesetzt werden.
Fundstelle(n): HAAAF-90647
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