Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - überlanges Gerichtsverfahren - PKH-Verfahren als Gerichtsverfahren neben dem Hauptsacheverfahren - Auswirkungen von Verzögerungen im PKH-Verfahren auf das gleichzeitige Hauptsacheverfahren - Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls - sozialgerichtliches Verfahren
Gesetze: § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 198 Abs 6 Nr 1 GVG, § 198 Abs 1 S 1 GVG, § 198 Abs 1 S 2 GVG, § 73a SGG, § 114 ZPO
Instanzenzug: SG Magdeburg Az: XX Beschlussvorgehend SG Magdeburg Az: S 14 V 9/07 Urteilvorgehend Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Az: L 7 V 1/11 Urteilvorgehend Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Az: L 10 SF 1/14 EK Urteil
Gründe
1I. In der Hauptsache begehrt der Kläger Entschädigungsleistungen aufgrund einer überlangen Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens wegen eines Berufsschadensausgleichs nach dem Bundesversorgungsgesetz, währenddessen er erstinstanzlich auch Prozesskostenhilfe (PKH) erhielt. Das LSG hat auf die Entschädigungsklage des Klägers hin eine Verzögerung des Verfahrens vor dem SG von 30 Monaten festgestellt, die um 12 Monate für die Instanz auf 18 Monate zu reduzieren sei und den Beklagten verurteilt, an den Kläger 1800 Euro nebst Zinsen ab dem in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen. Dabei handele es sich bei dem Hauptsacheverfahren und dem Verfahren auf Gewährung von PKH nach § 198 Abs 6 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) um getrennt zu bewertende Verfahren, sodass das Verhalten des Klägers im Verfahren um die PKH-Bewilligung nicht dem zu prüfenden Hauptsacheverfahren zuzurechnen sei. Ungeachtet dessen befreie diese insgesamt geringe Verzögerung des Verfahrens um PKH durch den Kläger die Richter nicht von ihrer Verpflichtung, für die gemäß Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention gebotene Zügigkeit Rechnung zu tragen (Urteil vom ).
2Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Beklagte beim BSG Beschwerde eingelegt, die er mit dem Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) begründet.
3II. Die Beschwerde des Beklagten ist unzulässig. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nicht hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
4Der Beklagte legt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s a BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).
6Diese von dem Beklagten für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage ist allerdings im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdebegründung nicht mehr klärungsbedürftig (vgl hierzu B 11b AS 61/06 B - Juris RdNr 7 mwN). Wie der Senat bereits im vom Beklagten selbst zitierten Urteil vom (B 10 ÜG 8/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 2) entschieden hat, ergibt sich bereits aus dem Gesetz in § 198 Abs 6 Nr 1 GVG, dass ua Verfahren zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe in den Anwendungsbereich des § 198 GVG fallen und ua neben den Klageverfahren zur Hauptsache erfasst werden (vgl BSG, aaO, RdNr 16 ff, 22). Hierzu hat auch bereits der - BGHZ 199, 190, RdNr 23) ausgeführt, dass § 198 Abs 6 Nr 1 GVG ausdrücklich das Verfahren zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe zu den gerichtlichen Verfahren zählt. Denn aus dem Prinzip der Rechtsschutzgleichheit (Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) folge das Gebot, die Situation vom Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher sei auch beim Verfahren zur Bewilligung der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe eine angemessene schnelle richterliche Entscheidung geboten. Komme dieses zu spät, könne das den Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes verletzen (BGH, aaO, unter Hinweis auf BT-Drucks 17/3802 S 23). Warum gleichwohl noch Klärungsbedarf fortbestehen sollte, hat der Beklagte bei seiner Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG nicht ausreichend begründen können (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2) und die Rechtsprechung des BGH völlig außer Acht gelassen. Schließlich verweist der Beklagte selbst auf die Rechtsprechung des - Juris RdNr 31), wonach ein schwebendes PKH-Beschwerdeverfahren grundsätzlich den Fortgang in der Hauptsache nicht hindere. Der ggf daraus folgende Umstand, dass ein Gericht im Rahmen des PKH-Verfahrens die Hauptsache nicht so zügig bearbeitet wie dies ggf erforderlich wäre, ist insoweit nach der Rechtsprechung des BSG im Rahmen des § 198 Abs 1 S 2 GVG bei den Umständen des Einzelfalles zu bewerten (vgl BSG, aaO, RdNr 29 mwN). Darüber hinaus hätte sich der Beklagte auch mit der Vorschrift des § 198 Abs 6 Nr 1 GVG inhaltlich auseinandersetzen müssen, da dort als Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozesskosten- oder Verfahrenskostenhilfe genannt wird (vgl hierzu B 10 ÜG 8/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 2 RdNr 17 und 18). Dieses hat er unterlassen.
7Soweit der Beklagte eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG rügen wollte, kann er hierauf eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht stützen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
8Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).
9Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
10Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 47, 52 Abs 1 und 3 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2016:251016BB10UEG2316B0
Fundstelle(n):
YAAAF-90073