Benachteiligung - Schwerbehinderung - Bewerberauswahl
Leitsatz
Den öffentlichen Arbeitgeber trifft in einem Prozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der/die schwerbehinderte Bewerber/in offensichtlich fachlich ungeeignet iSv. § 82 Satz 3 SGB IX ist. Der öffentliche Arbeitgeber muss aber bereits im Verlauf des Auswahlverfahrens prüfen und entscheiden können, ob er einen schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einladen muss oder ob er nach § 82 Satz 3 SGB IX von der Verpflichtung zur Einladung befreit ist. Diese Prüfung und Entscheidung muss der/die schwerbehinderte Bewerber/in dem öffentlichen Arbeitgeber durch entsprechende Angaben zu seinem/ihrem fachlichen Leistungsprofil in der Bewerbung bzw. den beigefügten Bewerbungsunterlagen ermöglichen. Kommt der/die Bewerber/in dieser Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nach, geht dies regelmäßig zu seinen/ihren Lasten. Auch in einem solchen Fall besteht für den öffentlichen Arbeitgeber regelmäßig keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
Gesetze: § 82 S 3 SGB 9, § 82 S 2 SGB 9, § 6 Abs 1 S 2 Alt 1 AGG, § 15 Abs 2 AGG, § 22 AGG
Instanzenzug: vorgehend ArbG Frankfurt, , Az: 21 Ca 8338/13, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, , Az: 8 Sa 1374/14, Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt verpflichtet ist, dem Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung zu zahlen.
2Der Kläger ist ausgebildeter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer sowie staatlich geprüfter Umweltschutztechniker im Fachbereich alternative Energien. Ausweislich seines Schwerbehindertenausweises vom beträgt der Grad seiner Behinderung 50.
3Die beklagte Stadt schrieb Mitte 2013 die Stelle eines „Techn. Angestellte/n EGr. 11 TVöD (VergGr. IVa/III BAT)“ aus. In der Stellenausschreibung heißt es auszugsweise:
4Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom auf die ausgeschriebene Stelle. In dem Bewerbungsschreiben heißt es:
5Dem Bewerbungsschreiben des Klägers waren eine Kopie seines Schwerbehindertenausweises sowie ein insgesamt fünfseitiger tabellarischer Lebenslauf beigefügt, der auszugsweise folgende Angaben enthält:
6Auf die Stellenausschreibung der beklagten Stadt gingen bei dieser neben der Bewerbung des Klägers weitere 55 Bewerbungen ein.
7Die beklagte Stadt lud den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein und teilte ihm mit Schreiben vom mit:
8Mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die beklagte Stadt auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. mindestens drei Monatsgehältern à 2.861,96 Euro in Anspruch genommen.
9Er hat die Auffassung vertreten, die beklagte Stadt habe ihn im Auswahlverfahren wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Die beklagte Stadt sei nach § 82 Satz 2 SGB IX verpflichtet gewesen, ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Eine Einladung sei nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil ihm offenkundig die fachliche Eignung für die zu besetzende Stelle gefehlt habe. Aufgrund seiner Ausbildung und langjährigen Berufserfahrung verfüge er über eine Qualifikation, die den in der Stellenausschreibung genannten Abschlüssen vergleichbar sei. Die geforderte langjährige Führungserfahrung habe er ua. während seiner Tätigkeit als Obermonteur gesammelt.
10Der Kläger hat zuletzt beantragt,
11Die beklagte Stadt hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei bei der Auswahlentscheidung für die zu besetzende Stelle nicht wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden. Der Kläger sei schon kein Bewerber iSv. § 82 Satz 2 SGB IX gewesen. Der Begriff der Bewerbung iSv. § 82 Satz 2 SGB IX sei restriktiv dahin auszulegen, dass eine Bewerbung nur vorliege, wenn dem Bewerbungsschreiben prüffähige neutrale Unterlagen, insbesondere Zeugnisse, beigefügt seien. Nur dann sei der öffentliche Arbeitgeber in der Lage, sachgerecht zu prüfen, ob der Interessent geeignet sei oder ob dies offensichtlich nicht der Fall sei. Desungeachtet sei sie nicht verpflichtet gewesen, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, da der Kläger für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet iSv. § 82 Satz 3 SGB IX sei. Der Kläger habe das zwingende Anforderungsprofil der Stellenausschreibung offensichtlich nicht erfüllt. Vergleichbar qualifiziert iSd. Stellenausschreibung sei nur, wer aufgrund seiner schulischen und beruflichen Ausbildung, seiner beruflichen Tätigkeit oder aufgrund anderweitig erworbener Kenntnisse denjenigen Stand an Kenntnissen habe, der durch die in der Ausschreibung genannten Ausbildungsabschüsse vermittelt würde. Zwar habe der Kläger eine Ausbildung zum Heizungs- und Lüftungsbauer abgeschlossen; in diesem Bereich sei er allerdings weder Meister noch staatlich geprüfter Techniker. Im Vordergrund seiner Ausbildung zum staatlich geprüften Umweltschutztechniker hätten die ökologische und ökonomische Energieverwendung und der Einsatz alternativer Energien und damit nur ein Spezialbereich der geforderten Gewerke „Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik“ gestanden. Ebenso habe der Kläger in seiner Bewerbung keine „langjährige Führungserfahrung“ und „Führungskompetenz“ nachgewiesen. Dass der Kläger nicht wegen seiner Behinderung diskriminiert worden sei, ergebe sich auch daraus, dass sie im Übrigen alle ihr nach dem SGB IX obliegenden Pflichten erfülle.
12Das Arbeitsgericht hat der Klage in dem vom Kläger angegebenen Mindestumfang stattgegeben. Auf die Berufung der beklagten Stadt hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil - unter Klageabweisung im Übrigen - teilweise abgeändert und dem Kläger eine Entschädigung iHv. eines Monatsgehalts, dh. iHv. 2.861,96 Euro zugesprochen. Mit ihrer Revision verfolgt die beklagte Stadt ihr Begehren nach vollständiger Klageabweisung weiter.
Gründe
13Die Revision der beklagten Stadt ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der beklagten Stadt gegen das arbeitsgerichtliche Urteil zu Recht teilweise zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist in Höhe des vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Betrages begründet. Die beklagte Stadt hat den Kläger im Auswahlverfahren entgegen § 7 Abs. 1 AGG wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt, weshalb sie ihm nach § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung schuldet. Die vom Landesarbeitsgericht mit 2.861,96 Euro bestimmte Höhe der Entschädigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
14I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Die beklagte Stadt ist Arbeitgeberin iSv. § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG (vgl. ua. - Rn. 18 mwN, BAGE 142, 143).
15II. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG). Hierüber streiten die Parteien auch nicht.
16III. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die beklagte Stadt verpflichtet ist, an den Kläger eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Dies folgt aus § 15 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 sowie § 82 Satz 2 SGB IX.
171. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus (§ 15 Abs. 2 iVm. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG) und ist verschuldensunabhängig.
18Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu nach § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX die Regelungen des AGG.
192. Der Kläger wurde von der beklagten Stadt unmittelbar wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt iSv. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX.
20a) § 7 Abs. 1 AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine - vorliegend ausschließlich in Betracht kommende - unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. einer Behinderung, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
21aa) Im Hinblick auf eine - insbesondere bei einer Einstellung und Beförderung zu treffende - Auswahlentscheidung des Arbeitgebers befinden sich Personen grundsätzlich bereits dann in einer vergleichbaren Situation, wenn sie sich für dieselbe Stelle beworben haben (vgl. auch - Rn. 29). Bereits deshalb kommt es, sofern ein Bewerber vorab ausgenommen und damit vorzeitig aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wurde, nicht zwangsläufig ausschließlich auf den Vergleich mit dem/der letztlich eingestellten Bewerber/in an (vgl. etwa - Rn. 20).
22bb) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung „wegen“ eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; er muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei bloße Mitursächlichkeit genügt (vgl. etwa - Rn. 34 mwN). Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs sind alle Umstände des Rechtsstreits im Sinne einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. - [Asociatia ACCEPT] Rn. 50; - C-415/10 - [Meister] Rn. 42, 44 f.; - Rn. 25; - 8 AZR 547/13 - Rn. 31 mwN).
23cc) Für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen sieht § 22 AGG im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
24(1) Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist (vgl. - Rn. 33, BAGE 142, 158; - 8 AZR 37/11 - Rn. 65, BAGE 141, 48). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (ua. - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; - C-54/07 - [Feryn] Rn. 32, Slg. 2008, I-5187; - Rn. 27). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (vgl. etwa - Rn. 33). Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (vgl. etwa - Rn. 45). Die Beweiswürdigung erfolgt nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Zugrundelegung der Vorgaben von § 22 AGG (vgl. - Rn. 32 ff. mwN).
25(2) Die Verletzung der in § 82 Satz 2 SGB IX geregelten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, eine/n schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Diese Pflichtverletzung ist nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (vgl. - Rn. 35; - 8 AZR 547/13 - Rn. 45 mwN).
26b) Nach diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler erkannt, dass der Kläger eine ungünstigere Behandlung wegen seiner Schwerbehinderung erfahren hat und dass ihm deshalb eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht.
27aa) Der Kläger hat gegenüber dem letztlich eingestellten Bewerber sowie gegenüber anderen Bewerbern und Bewerberinnen, die zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurden, eine ungünstigere Behandlung erfahren. Hierüber streiten die Parteien nicht.
28bb) Der Kläger wurde im Auswahlverfahren auch wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Die beklagte Stadt war als öffentliche Arbeitgeberin iSd. § 71 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX nach § 82 Satz 2 SGB IX verpflichtet, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Von dieser Verpflichtung war sie nicht nach § 82 Satz 3 SGB IX ausnahmsweise wegen offensichtlichen Fehlens der fachlichen Eignung des Klägers befreit.
29(1) Bewirbt sich ein schwerbehinderter Mensch bei einem öffentlichen Arbeitgeber um eine zu besetzende Stelle, so hat dieser ihn nach § 82 Satz 2 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Nach § 82 Satz 3 SGB IX ist eine Einladung nur dann entbehrlich, wenn dem schwerbehinderten Menschen die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Damit muss der öffentliche Arbeitgeber einem sich bewerbenden schwerbehinderten Menschen die Chance eines Vorstellungsgesprächs auch dann gewähren, wenn dessen fachliche Eignung zwar zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist ( - Rn. 24, BAGE 119, 262). Insoweit ist der schwerbehinderte Bewerber im Bewerbungsverfahren besser gestellt als nicht schwerbehinderte Konkurrenten ( - Rn. 27).
30(2) Die beklagte Stadt hat gegen ihre Verpflichtung nach § 82 Satz 2 SGB IX verstoßen, den schwerbehinderten Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
31(a) Die beklagte Stadt kann hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, sie habe den Kläger bereits deshalb nicht zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen, weil dieser nicht Bewerber iSv. § 82 Satz 2 SGB IX gewesen sei. Der Kläger war „Bewerber“ iSv. § 82 Satz 2 SGB IX.
32Der Begriff des Bewerbers iSv. § 82 Satz 2 SGB IX entspricht dem Bewerberbegriff nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG. Diese Bestimmung enthält einen formalen Bewerberbegriff, wonach derjenige Bewerber ist, der eine Bewerbung eingereicht hat. Bis zum Inkrafttreten des AGG regelte § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 SGB IX aF einen eigenständigen Entschädigungsanspruch für schwerbehinderte „Bewerber“ neben § 611a BGB (vgl. BT-Drs. 14/5074 S. 113: entsprechend § 611a BGB und zur Umsetzung der RL 2000/78/EG). Mit dem AGG wurde sodann der Bewerberschutz auf alle Merkmale des AGG erweitert.
33(b) Entgegen der Rechtsauffassung der beklagten Stadt ist der Begriff des Bewerbers iSv. § 82 Satz 2 SGB IX auch nicht deshalb restriktiv auszulegen, weil der öffentliche Arbeitgeber nur dann sachgerecht prüfen könnte, ob ein Interessent geeignet ist oder ob dies offensichtlich nicht der Fall ist, wenn dem Bewerbungsschreiben prüffähige neutrale Unterlagen, insbesondere Zeugnisse, beigefügt wurden. § 82 Satz 3 SGB IX regelt nicht den Begriff des Bewerbers; die offensichtlich fehlende fachliche Eignung iSv. § 82 Satz 3 SGB IX erlaubt es dem öffentlichen Arbeitgeber nur, ausnahmsweise von der Einladung eines schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch abzusehen.
34(3) Die beklagte Stadt war - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat - von der Verpflichtung, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, auch nicht ausnahmsweise nach § 82 Satz 3 SGB IX befreit.
35(a) Zur Beurteilung der fachlichen Eignung des/der Bewerbers/Bewerberin ist auf das in der veröffentlichten Stellenausschreibung enthaltene Anforderungsprofil abzustellen. Mit der Bestimmung eines Anforderungsprofils für die zu vergebende Stelle legt der Arbeitgeber die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest; an ihm werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber gemessen (vgl. - Rn. 18, BVerfGK 12, 284). Der öffentliche Arbeitgeber hat im Anforderungsprofil die formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie außerfachlichen Kompetenzen zu beschreiben, die ein Bewerber für eine erfolgreiche Bewältigung der künftigen Tätigkeit benötigt und die dementsprechend der leistungsbezogenen Auswahl zugrunde zu legen sind. Aufgrund des Anforderungsprofils sollen einerseits geeignete Bewerber gefunden, andererseits ungeeignete Bewerber schon im Vorfeld der eigentlichen Auswahlentscheidung aus dem Kreis der in das engere Auswahlverfahren einzubeziehenden Bewerber ausgeschlossen werden. Mit der Festlegung des Anforderungsprofils wird ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen. Zugleich bestimmt der öffentliche Arbeitgeber mit dem Anforderungsprofil den Umfang seiner - der eigentlichen Auswahlentscheidung vorgelagerten - verfahrensrechtlichen Verpflichtung nach § 82 Satz 2 und Satz 3 SGB IX(vgl. etwa - Rn. 30 mwN). Bei der Erstellung des Anforderungsprofils ist der öffentliche Arbeitgeber an die gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorgaben gebunden ( 5 C 16.10 - Rn. 22, BVerwGE 139, 135). Er hat das Anforderungsprofil ausschließlich nach objektiven Kriterien anzufertigen.
36„Offensichtlich” fachlich nicht geeignet ist, wer „unzweifelhaft” insoweit nicht dem Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle entspricht (vgl. - Rn. 32; - 8 AZR 384/14 - Rn. 27). Bloße Zweifel an der fachlichen Eignung rechtfertigen es nicht, von einer Einladung abzusehen, weil sich Zweifel im Vorstellungsgespräch ausräumen lassen können (BeckOK SozR/Gutzeit Stand SGB IX § 82 Rn. 1). Der schwerbehinderte Mensch soll nach § 82 Satz 2 SGB IX die Chance haben, sich in einem Vorstellungsgespräch zu präsentieren und den öffentlichen Arbeitgeber von seiner Eignung zu überzeugen (vgl. etwa - Rn. 29; - 9 AZR 431/08 - Rn. 22, BAGE 131, 232).
37Ob der schwerbehinderte Mensch für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet ist, ist anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil und dem (fachlichen) Leistungsprofil des Bewerbers oder der Bewerberin zu ermitteln ( 5 C 16.10 - Rn. 20, BVerwGE 139, 135; ähnlich Schröder in Hauck/Noftz SGB IX Stand November 2015 K § 82 Rn. 6). Lassen bereits die Bewerbungsunterlagen zweifelsfrei erkennen, dass die durch das Anforderungsprofil zulässig vorgegebenen fachlichen Kriterien nicht erfüllt werden, besteht für den öffentlichen Arbeitgeber keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (vgl. Wiegand in Wiegand SGB IX Teil 2 Schwerbehindertenrecht Stand September 2015 § 82 Rn. 5).
38Zwar trifft den öffentlichen Arbeitgeber in einem Prozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der/die schwerbehinderte Bewerber/in offensichtlich fachlich ungeeignet ist. Bei § 82 Satz 3 SGB IX handelt es sich um einen Ausnahmetatbestand, nach dem die nach § 82 Satz 2 SGB IX erforderliche Einladung zu einem Vorstellungsgespräch „entbehrlich“ ist (vgl. Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 82 Rn. 9; aA wohl Knittel SGB IX 9. Aufl. § 82 Rn. 34). Allerdings muss der öffentliche Arbeitgeber bereits im Verlauf des Auswahlverfahrens prüfen und entscheiden können, ob er einen schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einladen muss oder ob er nach § 82 Satz 3 SGB IX von der Verpflichtung zur Einladung befreit ist. Diese Prüfung und Entscheidung muss der/die schwerbehinderte Bewerber/in dem öffentlichen Arbeitgeber durch entsprechende Angaben zu seinem/ihrem fachlichen Leistungsprofil in der Bewerbung bzw. den beigefügten Bewerbungsunterlagen ermöglichen. Kommt der/die Bewerber/in dieser Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nach, geht dies regelmäßig zu seinen/ihren Lasten. Auch in einem solchen Fall besteht für den öffentlichen Arbeitgeber regelmäßig keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
39(b) Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die beklagte Stadt sei von der Verpflichtung, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht ausnahmsweise nach § 82 Satz 3 SGB IX befreit, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
40(aa) Entgegen der Rechtsauffassung der beklagten Stadt war der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen. Die beklagte Stadt war aufgrund der Angaben des Klägers in seinen Bewerbungsunterlagen ohne Weiteres in der Lage zu prüfen und zu entscheiden, ob sie den Kläger nach § 82 Satz 2 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einladen musste oder ob sie hiervon nach § 82 Satz 3 SGB IX absehen durfte. Der Kläger hatte in seinem Bewerbungsschreiben Angaben zu seiner fachlichen Qualifikation gemacht und diesem Schreiben einen ausführlichen Lebenslauf beigefügt, in dem er seine Abschlüsse, Ausbildungsstationen, die Ausbildungsinhalte und seine bisherigen beruflichen Tätigkeiten im Einzelnen erläutert hat. Dass der Kläger seinen Bewerbungsunterlagen keine Zeugnisse beigefügt hatte, führt - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat - nicht zu einer anderen Bewertung. Da die beklagte Stadt in der Stellenausschreibung keine bestimmte Note als Mindestqualifikation gefordert hat, wäre der Kläger auch dann zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen gewesen, wenn er schlechte Zeugnisnoten gehabt hätte (vgl. 5 C 16.10 - Rn. 22, 24, BVerwGE 139, 135). Nach § 82 Satz 2 SGB IX müssen schwerbehinderte Bewerber/innen zwingend zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Dies gilt auch dann, wenn eine Sichtung der Bewerbungsunterlagen sicher ergibt, dass andere Bewerber deutlich besser geeignet sind. Im Falle schwerbehinderter Bewerber soll der persönliche Eindruck entscheidend sein und nicht die „Papierform“ (vgl. - Rn. 22 und 28, BAGE 131, 232). Im Übrigen hat die beklagte Stadt die fachliche Eignung des Klägers auf der Grundlage des von diesem vorgelegten Lebenslaufs beurteilt und ist zu der Einschätzung gelangt, dass dem Kläger die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.
41(bb) Dem Kläger fehlte - wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat - auch nicht offensichtlich die fachliche Eignung. Zwar mag zweifelhaft sein, ob der Kläger letztlich für die zu besetzende Stelle fachlich geeignet war; Zweifel an der fachlichen Eignung des Klägers hätten aber - wie unter Rn. 36 ausgeführt - nicht ausgereicht, um von einer Einladung zum Vorstellungsgespräch abzusehen. Der Kläger hätte vielmehr offensichtlich, dh. unzweifelhaft fachlich nicht geeignet sein müssen. Diese Voraussetzung liegt - wie das Landesarbeitsgericht nach Würdigung aller Umstände zutreffend angenommen hat - nicht vor.
42(aaa) Unstreitig verfügte der Kläger über einen Abschluss als staatlich geprüfter Umweltschutztechniker, zudem war er gelernter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer. Dieser Beruf ist - wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat - später in dem Nachfolgeberuf „Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik“ aufgegangen. Darüber hinaus war der Kläger langjährig in den Bereichen Heizung, Lüftung und Sanitär tätig und während dieser Zeit in die Handwerksrolle (vom Kläger als Meisterrolle bezeichnet) eingetragen. Er hatte darüber hinaus an der Technikerschule eine Zusatzprüfung „Ausbilder der Ausbilder“ abgelegt. Die damit erworbenen berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnisse sind, wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls festgestellt hat, auch Bestandteil einer Meisterprüfung, § 51a Abs. 3 HwO. Damit war jedenfalls nicht unzweifelhaft auszuschließen, dass der Kläger den Stand an Kenntnissen hatte, die durch die in der Ausschreibung genannten Ausbildungsabschlüsse „staatlich geprüfter Techniker“ oder „Meister“ im Gewerk „Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik“ vermittelt wurden, zumal die beklagte Stadt auch nicht erläutert hat, welche der drei Gewerke der Kläger mit seiner Qualifikation nicht ausreichend „vergleichbar“ abdeckte.
43(bbb) Die beklagte Stadt kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die offensichtlich fehlende fachliche Eignung des Klägers ergebe sich daraus, dass dieser nicht über - den Kenntnissen eines staatlich geprüften Technikers oder Meisters „im Gewerk Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik“ - gleichwertige Kenntnisse der Breite und der Tiefe nach verfüge. Auch insoweit fehlt es bereits an jeglichen Darlegungen der beklagten Stadt dazu, welche Kenntnisse in welcher Tiefe und Breite ein staatlich geprüfter Techniker oder Meister in den genannten Gewerken hat und warum diese Kenntnisse beim Kläger offensichtlich nicht vorhanden waren.
44(ccc) Soweit das Vorbringen der beklagten Stadt zum Fehlen gleichwertiger Kenntnisse der Breite und der Tiefe nach dahin zu verstehen sein sollte, dass sie geltend machen will, der Kläger sei deshalb offensichtlich fachlich ungeeignet, weil er offensichtlich nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 TVöD (VergGr. IVa/III BAT) erfülle, führt auch dies zu keiner anderen Beurteilung. Ob der schwerbehinderte Mensch für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich nicht geeignet ist, ist, wie unter Rn. 37 ausgeführt, anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil der Stelle und dem fachlichen Leistungsprofil des/der Bewerbers/Bewerberin zu ermitteln. Zwar ist der öffentliche Arbeitgeber - wie unter Rn. 35 ausgeführt - bei der Erstellung des Anforderungsprofils an die gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorgaben gebunden; dies bedeutet allerdings nur, dass er - soweit die tarifliche Eingruppierung in Rede steht - keine höheren Anforderungen stellen darf, als dies nach den einschlägigen tariflichen Eingruppierungsmerkmalen erforderlich ist. Das Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle wird demnach durch die tariflichen Merkmale der in Aussicht genommenen Entgeltgruppe oder Vergütungsgruppe zwar begrenzt, aber nicht inhaltlich ausgefüllt. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - die vorgesehene Eingruppierung in der Stellenausschreibung angegeben wird. Dies folgt aus dem im Eingruppierungsrecht geltenden Grundsatz der Tarifautomatik. Der/die Beschäftigte wird nicht durch den Arbeitgeber eingruppiert, sondern ist eingruppiert. Mit der Angabe der Vergütungs- oder Entgeltgruppe (im Arbeitsvertrag oder in einer Eingruppierungsmitteilung) wird danach nur wiedergegeben, welche Vergütungs- oder Entgeltgruppe der öffentliche Arbeitgeber bei Anwendung der maßgeblichen Eingruppierungsvorschriften als zutreffend ansieht (vgl. etwa - Rn. 38; - 8 AZR 376/02 - zu II 2 a aa (3) der Gründe; - 4 AZR 62/99 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 93, 340).
45Im Übrigen fehlt es an jeglichem Vorbringen der beklagten Stadt dazu, woraus sich konkret ergeben soll, dass gleichwertige Kenntnisse der Tiefe und der Breite nach erforderlich sein sollen. Zwar werden nach § 17 Abs. 7 TVÜ-VKA für Eingruppierungen zwischen dem und dem Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung die Vergütungsgruppen der Vergütungsordnung zum BAT gemäß Anlage 3 TVÜ-VKA den Entgeltgruppen des TVöD zugeordnet. Insoweit sieht die Anlage 3 zum TVÜ-VKA vor, dass der Entgeltgruppe 11 TVöD die Vergütungsgruppen BAT III ohne Aufstieg nach II sowie BAT IVa mit Aufstieg nach III zugeordnet werden. Allerdings bestimmt die Vergütungsordnung zum BAT für Angestellte in technischen Berufen für die Eingruppierung sowohl in die Vergütungsgruppe IVa als auch in die Vergütungsgruppe III zunächst grundlegend, dass es sich entweder um einen technischen Angestellten mit technischer Ausbildung nach Nr. 2 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen oder um einen sonstigen Angestellten handeln muss, der aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und seiner Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausübt. Auf gleichwertige Kenntnisse der Breite und der Tiefe nach kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Breite und Tiefe des fachlichen Könnens kann zwar eine Rolle spielen bei der Frage, ob sich die Tätigkeit durch „besondere Schwierigkeit“ aus einer anderen Vergütungsgruppe oder aus einer anderen Fallgruppe derselben Vergütungsgruppe heraushebt. Auch bezieht sich die tarifliche Anforderung der „besonderen Schwierigkeit“ nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf die fachliche Qualifikation des/der Beschäftigten, also auf sein/ihr fachliches Können und seine/ihre fachliche Erfahrung. Verlangt wird ein Wissen und Können, das die Anforderungen einer anderen Vergütungsgruppe oder anderen Fallgruppe derselben Vergütungsgruppe in gewichtiger Weise übersteigt. Diese erhöhte Qualifikation kann sich im Einzelfall aus der Breite und Tiefe des geforderten fachlichen Wissens und Könnens ergeben, aber auch aus außergewöhnlichen Erfahrungen oder einer sonstigen gleichwertigen Qualifikation, wie etwa Spezialkenntnissen (vgl. etwa - Rn. 37; - 4 AZR 20/08 - Rn. 36; - 4 AZR 298/00 - zu 1 f cc (1) der Gründe). Die beklagte Stadt hat jedoch nicht im Ansatz erläutert, aus welchem Grund welches fachliche Wissen und Können in welcher Tiefe und Breite für welche Eingruppierung in welche Vergütungsgruppe bzw. Fallgruppe verlangt wird.
46(ddd) Der Kläger ist entgegen der Auffassung der beklagten Stadt auch nicht deshalb für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet, weil es ihm an der geforderten Führungserfahrung oder an einer Führungskompetenz fehlen würde. Der Kläger hatte in seiner Bewerbung angegeben, dass er über eine langjährige Tätigkeit als Führungskraft verfügt. Dies hat die beklagte Stadt nicht bestritten. Ob er insoweit Führungskompetenz erworben hat, lässt sich jedenfalls nicht zweifelsfrei ausschließen, sondern wäre im Vorstellungsgespräch zu klären gewesen.
47(4) Schließlich ist auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die beklagte Stadt habe die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt wurde, nicht widerlegt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
48(a) Nicht nur die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber/einer Bewerberin vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, sondern auch die Würdigung, ob die von dem Arbeitgeber vorgebrachten Tatsachen den Schluss darauf zulassen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat, sind nur eingeschränkt revisibel. In beiden Fällen beschränkt sich die revisionsgerichtliche Kontrolle darauf, ob die Würdigung des Tatsachengerichts möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt ( - Rn. 28; - 8 AZR 384/14 - Rn. 50).
49(b) Danach hält das angefochtene Urteil einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat sich mit dem Prozessstoff umfassend auseinandergesetzt. Seine Würdigung ist vollständig, rechtlich möglich und in sich widerspruchsfrei und verstößt nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze.
50(aa) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zutreffend davon ausgegangen, dass es zur Widerlegung der auf den Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX gestützten Kausalitätsvermutung nicht ausgereicht hätte, wenn die beklagte Stadt Tatsachen vorgetragen und ggf. bewiesen hätte, aus denen sich ergab, dass ausschließlich andere Gründe als die Behinderung für die Benachteiligung des Klägers ausschlaggebend waren, sondern dass hinzukommen musste, dass diese Gründe nicht die fachliche Eignung des Klägers betrafen. Diese zusätzliche Anforderung folgt aus der in § 82 Satz 3 SGB IX getroffenen Bestimmung, wonach eine Einladung des schwerbehinderten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch nur dann entbehrlich ist, wenn diesem die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. § 82 Satz 3 SGB IX enthält insoweit eine abschließende Regelung, die bewirkt, dass sich der (potentielle) Arbeitgeber zur Widerlegung der infolge der Verletzung des § 82 Satz 2 SGB IX vermuteten Kausalität nicht auf Umstände berufen kann, die die fachliche Eignung des Bewerbers berühren. Die Widerlegung dieser Vermutung setzt daher den Nachweis voraus, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung des Bewerbers berühren. Diese Einschränkung gilt allerdings nur für den Bereich des öffentlichen Dienstes und nicht für private Arbeitgeber (vgl. etwa - Rn. 45 mwN).
51(bb) Das Landesarbeitsgericht hat sodann angenommen, die beklagte Stadt habe solche Umstände nicht vorgetragen. Diese Würdigung lässt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Vermutungswirkung eines Verstoßes gegen die in § 82 Satz 2 SGB IX bestimmte Verpflichtung, den/die schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht dadurch aufgehoben wird, dass der Arbeitgeber in der Stellenausschreibung darauf hinweist, dass schwerbehinderte Bewerber bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt werden, revisible Rechtsfehler nicht erkennen. Dasselbe gilt, sofern der Arbeitgeber die Bewerbungsunterlagen des/der schwerbehinderten Bewerbers/Bewerberin besonders sorgfältig prüft, die Pflichtquote erfüllt oder einem vermeintlichen Rechtsirrtum unterliegt.
523. Der Kläger hat gegen die beklagte Stadt einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG in der vom Berufungsgericht ausgeurteilten Höhe.
53a) Nach § 15 Abs. 2 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs dient § 15 Abs. 2 AGG dazu, die „Forderungen der Richtlinien“ (hier insbesondere: Richtlinie 2000/78/EG) sowie der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (ua. - [Draehmpaehl] Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195) nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes durch den Arbeitgeber umzusetzen ( - Rn. 16 mwN).
54b) Der vom Landesarbeitsgericht auf 2.861,96 Euro bestimmte Entschädigungsbetrag ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat alle relevanten Umstände gewürdigt. Hiergegen wendet sich die beklagte Stadt auch nicht, insbesondere macht sie nicht geltend, das Landesarbeitsgericht habe Umstände nicht gewürdigt, bei deren Einbeziehung die Entschädigung hätte geringer ausfallen müssen.
55IV. Die beklagte Stadt hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:110816.U.8AZR375.15.0
Fundstelle(n):
BB 2017 S. 250 Nr. 5
NJW 2017 S. 1563 Nr. 21
NJW 2017 S. 9 Nr. 3
KAAAF-89720