Elterngeld - Einkommensermittlung - vorgeburtliche Einkünfte - Mischeinkommen aus nichtselbstständiger und selbstständiger Tätigkeit - Bemessungszeitraum - Maßgeblichkeit des letzten steuerlichen Veranlagungszeitraums vor der Geburt - Verwaltungsvereinfachung - geringe Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit - erheblich niedrigeres Elterngeld - kein Härtefall - Verfassungsrecht - Gleichheitssatz - Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers
Leitsatz
Bei Mischeinkünften aus nichtselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes ist grundsätzlich der letzte steuerliche Veranlagungszeitraum vor der Geburt als Bemessungszeitraum für die Berechnung des Elterngelds zugrunde zu legen (Fortführung von = SozR 4-7837 § 2b Nr 1).
Gesetze: § 2b Abs 3 S 1 BEEG, § 2b Abs 1 S 1 BEEG, § 2b Abs 1 S 2 Nr 1 BEEG vom , § 2c BEEG, § 2d Abs 1 BEEG, § 2 Abs 8 BEEG vom , § 4a Abs 1 S 2 Nr 3 S 1 EStG, Art 3 Abs 1 GG
Instanzenzug: SG Stade Az: S 13 EG 5/14 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az: L 2 EG 4/14 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Klägerin zustehenden Elterngelds für ihren am geborenen Sohn L.
2Die Klägerin war vor der Geburt ihres Sohnes hauptberuflich abhängig beschäftigt als Hebamme in einem Krankenhaus. Nebenberuflich nahm sie zum eine selbstständige Tätigkeit als Hebamme auf. In der Zeit vom bis befand sich die Klägerin im Mutterschutz und erhielt Mutterschaftsgeld einschließlich der ergänzenden Leistungen des Arbeitgebers. Nachgeburtlich nahm die Klägerin für zwei Jahre Elternzeit in Anspruch und übte keine Erwerbstätigkeit aus.
3Ausweislich des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2012 vom verzeichnete die Klägerin infolge ihrer selbstständigen Nebentätigkeit einen Verlust von 1369 Euro. Im Jahr 2013 flossen der Klägerin aus ihrer selbstständigen Hebammentätigkeit 10 926,43 Euro zu unter Einbeziehung eines Teilbetrages in Höhe von 805,04 Euro aus November und Dezember 2013 bei zu berücksichtigenden Betriebsausgaben in Höhe von 2730,41 Euro.
4Auf ihren Antrag hin bewilligte der beklagte Landkreis der Klägerin unter Anrechnung von Mutterschaftsgeld einschließlich des Arbeitgeberzuschusses Elterngeld für den ersten Lebensmonat ihres Sohnes ohne Auszahlungsbetrag, für den zweiten Lebensmonat in Höhe von 120,16 Euro und für den dritten bis 12. Lebensmonat in Höhe von monatlich 931,19 Euro (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Die Auszahlung erfolgte antragsgemäß nach § 4 Abs 3 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in jeweils zwei Teilbeträgen.
5Die Klage, mit der die Klägerin geltend gemacht hat, dass die tatsächlich im Jahr 2013 erzielten Einkünfte aus selbstständiger Nebentätigkeit bei der Berechnung des Elterngeldes berücksichtigt werden müssten, hat das SG Stade mit Gerichtsbescheid vom abgewiesen, weil nach den gesetzlichen Vorgaben die 2012 von der Klägerin erzielten Einkünfte ausschlaggebend seien.
6Das LSG hat auf die Berufung der Klägerin den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, der Klägerin für den zweiten Lebensmonat weitere 58,51 Euro Elterngeld und bezogen auf den dritten bis 12. Lebensmonat jeweils weitere 220,94 Euro Elterngeld zu gewähren. Zwar seien bei einer streng am Wortlaut des § 2b BEEG orientierten Auslegung nur die im Jahr 2012 erzielten Einkünfte zugrunde zu legen. Dies führe jedoch zu sachwidrigen Ergebnissen und trage damit den gesetzgeberischen Zielvorstellungen und den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht angemessen Rechnung. Die Einkünfte in dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes dürften nur dann herangezogen werden, wenn dies keine erheblichen Nachteile für den Berechtigten mit sich bringe. Die Grenze zu erheblichen Nachteilen sei jedenfalls dann überschritten, wenn sich bei Heranziehung des 12-Monatszeitraums vor dem Geburtsmonat ein mehr als 20 % höherer Elterngeldanspruch ergebe (unter Hinweis auf - SozR 4-7837 § 2 Nr 5). In diesem Fall seien § 2b Abs 2 und 3 BEEG teleologisch zu reduzieren. Andernfalls liege eine unzumutbare Härte vor, die von der gesetzgeberischen Kompetenz zur Typisierung nicht mehr gedeckt sei und gegen den Gleichheitssatz verstoße (Urteil vom ).
7Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, die strikten gesetzlichen Regeln für die Ermittlung der Bemessungszeiträume dienten einer einheitlichen Rechtsanwendung und der Rechtssicherheit, ohne dass eine Billigkeitsprüfung vorgesehen sei. Die Differenzierung zwischen Einkünften aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit bei Gleichbehandlung aller selbstständigen Einkünfte halte im Hinblick auf das Ziel der Verwaltungsvereinfachung auch einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nach Maßgabe des Art 3 Abs 1 GG stand. Bei einer Güterabwägung zwischen Verwaltungsvereinfachung und möglichen Nachteilen für Elterngeldbezieher sei der erheblich höhere Verwaltungsaufwand für die Berechnung des Elterngelds auf der Grundlage von Gewinnermittlungen zu berücksichtigen. Das BEEG ziele nicht darauf ab, jedem Antragsteller das bestmögliche Elterngeld zu gewähren. Die vom LSG vorgeschlagene Lösung einer 20 %-Regelung laufe dem gesetzgeberischen Willen der Vollzugserleichterung entgegen. § 2b Abs 2 S 2 und Abs 3 S 2 BEEG ließen keinen Raum für weitere Ausnahmeregelungen aus Billigkeitsgründen. Das in Bezug genommene Urteil des BSG beziehe sich auf die alte Rechtslage, welche der Gesetzgeber bewusst geändert habe.
8Der Beklagte beantragt,das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom zurückzuweisen.
9Die Klägerin beantragt,die Revision zurückzuweisen.
10Sie verweist auf die Ausführungen des LSG in der angefochtenen Entscheidung, die sie für zutreffend hält.
Gründe
11Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteils ist aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurückzuweisen (§ 170 Abs 2 S 1 SGG).
121. Klage und Berufung sind zulässig. Die Berufung ist ohne Zulassung statthaft, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes überstieg die in § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG (idF des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom , BGBl I 444) festgelegte Grenze von 750 Euro. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Gewährung höheren Elterngelds zulässig (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG).
132. Die Revision des Beklagten hat in der Sache Erfolg, die Klage ist unbegründet. Auf der Grundlage seiner insoweit nicht angegriffenen und damit für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) hat das LSG auf die Berufung der Klägerin den Beklagten zu Unrecht verurteilt, höheres Elterngeld für den zweiten bis 12. Lebensmonat unter Berücksichtigung der im Jahr 2013 erzielten Einkünfte zu gewähren. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihr höheres Elterngeld auf der Grundlage eines anderen Bemessungszeitraums als des Kalenderjahres 2012 gewährt. Entsprechend ist der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
14a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG erfüllt die Klägerin die Grundvoraussetzungen für den Anspruch auf Elterngeld gemäß § 1 Abs 1 BEEG.
16Entgegen der Ansicht des LSG hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihr Elterngeld gemäß § 2b Abs 1 S 1 BEEG auch nach dem Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit bemisst, welches sie in den 12 Monaten vor dem Geburtsmonat ihres Sohnes erzielt hat. Vielmehr haben der Beklagte und das SG aufgrund des von der Klägerin erzielten Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit als Bemessungszeitraum zutreffend nach § 2b Abs 3 S 1 BEEG iVm § 4a Abs 1 S 2 Nr 3 S 1 EStG das Kalenderjahr 2012 zugrunde gelegt; für ein Absehen von dieser Regelung gibt es hier keine gesetzliche Grundlage.
17Als Bemessungszeitraum für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit iS von § 2c BEEG sind gemäß § 2b Abs 1 S 1 BEEG die 12 Kalendermonate vor dem Geburtsmonat des Kindes maßgeblich. Abweichend davon ist nach § 2b Abs 3 S 1 BEEG stattdessen der steuerliche Veranlagungszeitraum maßgeblich, der den Zeiträumen für die Gewinnermittlung aus selbstständiger Tätigkeit nach § 2b Abs 2 BEEG zugrunde liegt, wenn die berechtigte Person in den Zeiträumen nach Abs 1 oder Abs 2 der Vorschrift Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit hatte.
18Diese Voraussetzungen für die Verlagerung des Bemessungszeitraums auf den letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes erfüllte die Klägerin bereits deshalb, weil sie jedenfalls im Jahr 2013 und damit auch in den letzten 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt ihres Kindes L. positives Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit iS von § 2d Abs 1 BEEG hatte. Nach § 2b Abs 3 S 1 BEEG hat der Beklagte deshalb zutreffend als Bemessungsgrundlage für das Elterngeld der Klägerin das Kalenderjahr 2012 herangezogen, das der letzte abgeschlossene steuerliche Veranlagungszeitraum vor der Geburt ihres Kindes war (§ 4a Abs 1 S 2 Nr 3 S 1 EStG iVm § 4a Abs 1 S 1 EStG).
19c) Eine ungeschriebene Ausnahme von der eindeutigen gesetzlichen Anordnung des § 2b Abs 3 S 1 BEEG schließen der Wortlaut und die Systematik des Gesetzes entgegen der Ansicht der Vorinstanz aus (vgl bereits Senatsentscheidung mit Urteil vom - B 10 EG 8/15 R - juris RdNr 23 ff). Der Wortlaut der Norm - "ist" - eröffnet kein Ermessen. Vielmehr verpflichtet sie die Elterngeldbehörde in gebundener Entscheidung, den Bemessungszeitraum zu verschieben, wenn der Elterngeldberechtigte, wie die Klägerin, Mischeinkünfte aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit bezogen hat. Der Bemessungszeitraum des § 2b Abs 3 S 1 BEEG ist dann zwingend zugrunde zu legen. Als einzige Ausnahme von dieser Regel ermöglicht § 2b Abs 3 S 2 BEEG nur, den Bemessungszeitraum auf Antrag noch weiter in die Vergangenheit zu verschieben, wenn sich ansonsten Erwerbsrisiken verwirklichen würden, von denen das Gesetz Elterngeldberechtigte nach Sinn und Zweck des Elterngeldes ausnahmsweise freistellen will. Dies sind entsprechend den Voraussetzungen des § 2b Abs 1 S 2 BEEG die Einschränkungen oder der Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit während des Bezugs von Elterngeld für ein älteres Kind, ein Beschäftigungsverbot wegen Schwangerschaft, eine schwangerschaftsbedingte Erkrankung sowie die Ableistung von Wehr- bzw Zivildienst. Selbst in diesen besonderen Konstellationen greift das Gesetz nicht auf den 12-Monatszeitraum vor dem Monat der Geburt zurück, den die Klägerin für den richtigen Bemessungszeitraum hält, sondern auf den vorangegangenen abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum. Die genannte Aufzählung von Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Verschiebungstatbestands ist nach der gesetzlichen Systematik grundsätzlich abschließend. Sie lässt jedenfalls keinen Raum für die vom LSG angenommene, vom Gesetzeswortlaut aber nicht vorgesehene Verschiebung des Bemessungszeitraums auf den 12-Monatszeitraum vor dem Geburtsmonat. So hat der Senat zB auch bereits entschieden, dass eine elterngeldrechtliche Gleichbehandlung von Monaten der Elternzeit ohne Elterngeldbezug mit solchen des Elterngeldbezugs verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten ist, weil das Elterngeld teilweise als Einkommensersatzleistung ausgestaltet ist (vgl - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, SozR 4-1100 Art 74 Nr 3). Eine Analogie von Elternzeit ohne Elterngeldbezug mit den in § 2b Abs 1 S 1 BEEG genannten Ausnahmen scheitert überdies bereits an dem im konkreten Wortlaut zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers. Selbst in einer Elternzeit mit Elterngeldbezug bleiben nach Abs 1 S 2 Nr 1 der Vorschrift nur die Kalendermonate unberücksichtigt, in denen ohne Berücksichtigung einer Verlängerung des Auszahlungszeitraums nach § 6 S 2 BEEG (idF vom ) Elterngeld für ein älteres Kind bezogen wird.
20Schließlich bestätigt die Entstehungsgeschichte der Norm des § 2b BEEG, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Bezug von Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit zwingend zu einem Rückgriff auf einen steuerlichen Veranlagungszeitraum führen sollte, der für die jeweiligen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich ist. Der Gesetzgeber wollte damit bei Mischeinkünften eine Deckungsgleichheit der Bemessungszeiträume erreichen und vor allem die Einkommensermittlung und damit den Elterngeldvollzug durch Rückgriff auf Feststellungen der Steuerbehörden maßgeblich vereinfachen (vgl Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs, BT-Drucks 17/1221 S 1; Beschlussempfehlung des 13. Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drucks 17/9841, S 15 f, 21). Diese gesetzgeberische Absicht, die sich unmissverständlich im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen hat, schließt die vom LSG vorgenommene teleologische Reduktion des § 2b Abs 3 S 1 BEEG aus (zu den Voraussetzungen allgemein: - BSGE 116, 54 = SozR 4-7837 § 2 Nr 28 RdNr 19 mwN; aA Schnell in Tillmanns/Mutschler, MuSchG und BEEG, 1. Aufl 2015, § 2b RdNr 20). Diese würde die Verwaltungsvereinfachung nicht nur aufheben, sondern in das Gegenteil verkehren (vgl Löbner/Tünz, SRa 2016, 41, 42).
21Demgegenüber beruft sich das LSG für das von ihm gefundene Ergebnis zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Senats zur Vorgängervorschrift des § 2 Abs 8 BEEG aF (vgl in - SozR 4-7837 § 2 Nr 5). Dieser lag ein abweichender Gesetzeswortlaut und eine andere gesetzliche Systematik zugrunde. In der vom LSG in Bezug genommenen Entscheidung hatte der Senat an der Formulierung "… die … Erwerbstätigkeit" in § 2 Abs 9 S 1 BEEG aF angesetzt und vor allem systematisch mit dem im Gesetz angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnis vom 12-Monatszeitraum und steuerlichem Veranlagungszeitraum argumentiert. Indes ermöglichen es weder Wortlaut noch Systematik von § 2b Abs 3 BEEG nF, bei Mischeinkünften überhaupt auf den 12-Monatszeitraum vor der Geburt zurückzugreifen. Das Gesetz erlaubt es lediglich, den Bemessungszeitraum unter den genannten, von der Klägerin ohnehin nicht erfüllten Voraussetzungen und auf Antrag auf den vorangegangenen steuerlichen Veranlagungszeitraum zu verschieben. Fehlt es damit insgesamt an einem Auslegungsspielraum, um dem Gesetz das von der Klägerin gewünschte Ergebnis zu entnehmen, so schließt dies gleichzeitig die vom LSG vorgenommene verfassungskonforme Auslegung aus (vgl zu den Voraussetzungen allgemein die Senatsentscheidung vom - B 10 KG 1/14 R - BSGE <vorgesehen> = SozR 4-5870 § 1 Nr 4 RdNr 34).
22d) Schließlich braucht der Senat das Verfahren nicht auszusetzen und nach Art 100 Abs 1 S 1 GG dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen, weil er § 2b Abs 3 S 1 BEEG nicht für verfassungswidrig hält. Die Vorschrift verstößt insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art 3 Abs 1 GG (vgl bereits ausführlich hierzu: Senatsentscheidung mit Urteil vom - B 10 EG 8/15 R - juris RdNr 27 ff).
23Die Regelungen des § 2b Abs 3 S 1 BEEG erweisen sich schließlich auch nicht insoweit als verfassungswidrig, als sie auch in besonders gelagerten Fällen wie dem der Klägerin greifen. Sie hat einerseits nur einen ganz geringen, relativ einfach zu ermittelnden Anteil ihrer Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erzielt. Andererseits fällt ihr Elterngeld durch die Verschiebung des Bemessungszeitraums erheblich niedriger aus als auf der Grundlage des 12-Monatszeitraums vor der Geburt des Kindes. Auch diese atypische Konstellation ist von der Befugnis des Gesetzgebers zur typisierenden Regelung noch gedeckt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG darf der Gesetzgeber insbesondere im Sozialrecht bei der Ordnung von Massenerscheinungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen ( - SozR 4-7837 § 2 Nr 13 RdNr 38). Dafür müssen die Vorteile einer Typisierung - insbesondere die praktischen Erfordernisse der Verwaltung (vgl BVerfGE 9, 20, 31 f = SozR Nr 42 zu Art 3 GG A b 9 f; 63, 119, 128 = SozR 2200 § 1255 Nr 17 S 36) - im rechten Verhältnis zu den Härten stehen, die damit im Einzelfall und für die Gesamtheit der von der Norm Betroffenen verbunden sind (vgl Huster in Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art 3 RdNr 130 ff mwN, Stand VI/16). Dies setzt zunächst voraus, dass die tatsächliche Anknüpfung der Typisierung im Normzweck angelegt ist. Die dadurch bewirkten Härten dürfen sich zudem nur unter Schwierigkeiten vermeiden lassen und im Einzelfall nicht besonders schwer wiegen (BVerfGE 111, 115, 137 = SozR 4-8570 § 6 Nr 3 RdNr 39; BVerfGE 111, 176, 188 = SozR 4-7833 § 1 Nr 4 RdNr 37). Zudem darf die Typisierung allgemein keine beachtliche Gruppe typischer Fälle, sondern nur einzelne, aus dem Rahmen fallende Sonderfälle betreffen (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; 63, 119, 128, 130 = SozR 2200 § 1255 Nr 17 S 36, 38).
24Nach diesen Vorgaben ist die Behandlung von Mischeinkünften, wie im Fall der Klägerin, verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Die unterschiedliche Behandlung von Elterngeldberechtigten mit Einkünften nur aus nichtselbständiger Tätigkeit einerseits und solchen mit Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit und mit Mischeinkünften andererseits ist im Normzweck der Rationalisierung und Verwaltungsbeschleunigung angelegt. Ihn verfolgt das Gesetz unter anderem im Interesse aller Elterngeldberechtigten. Sie profitieren insgesamt davon, wenn das Elterngeld aufgrund der Verwaltungsvereinfachung beschleunigt berechnet und ausgezahlt wird. Die mit dieser Vereinfachung in Fällen wie dem der Klägerin verbundenen Härten ließen sich nicht vermeiden, ohne das ua maßgeblich mit § 2b BEEG verfolgte Konzept der Verwaltungsvereinfachung weitgehend aufzugeben. Denn würde der Gesetzgeber die Behandlung von Mischeinkünften an die Überschreitung bestimmter Schwellenwerte - wie etwa die von den Vorinstanzen gewählte 20 %-Grenze - knüpfen und Ausnahmen in Härtefällen zulassen, würde dies oftmals aufwändige Vergleichsberechnungen der Elterngeldbehörden erfordern. Dies würde den vom Gesetz erstrebten Rationalisierungseffekt zugunsten von Verwaltung und Elterngeldberechtigten weitgehend zunichtemachen oder sogar in sein Gegenteil verkehren (Löbner/Tünz, SRa 2016, 41, 42).
25Die mit der Typisierung in § 2b Abs 3 S 1 BEEG vorgenommene Härte wiegt für die Klägerin auch nicht besonders schwer. Sie wird dadurch nicht vom Elterngeldbezug ausgeschlossen, sondern erhält Ausgleich für ihr entfallendes Einkommen im Bemessungszeitraum in Höhe der gesetzlichen Ersatzrate. Die Klägerin erhält weniger Elterngeld als erwartet, weil sie sich entschieden hatte, im für ihr Elterngeld maßgeblichen Bemessungszeitraum des Kalenderjahrs 2012 nebenberuflich eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen, aus der sich zunächst Verluste realisiert haben und sich erst im Jahr 2013 Gewinne ergaben. Diese mit dem Risiko einer selbstständigen Tätigkeit verbundene vorübergehende Verringerung von Erwerbseinkommen braucht aber elterngeldrechtlich gegenüber anderen Ausfällen von Erwerbseinkommen nicht privilegiert zu werden (vgl - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, SozR 4-1100 Art 74 Nr 3). Es ist nicht ersichtlich, dass der Fall der Klägerin zu einer nennenswerten Gruppe vergleichbarer Fälle gehört, deren Existenz die Befugnis des Gesetzgebers zur Typisierung in atypischen Sonderfällen überschreiten könnte. Der Bemessungszeitraum hat sich bei der Klägerin vielmehr nur aufgrund des atypischen Umstands verschoben, dass sie in den letzten 12 Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt ihres Kindes Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit bezogen hat. Insgesamt stehen damit die mit der Typisierung verbundenen Vorteile der Verwaltungsvereinfachung und -beschleunigung in einem angemessenen Verhältnis zur damit für die Klägerin verbundenen Härte (aA Graue/Diers, NZS 2015, 777, 780 f).
26Der Beklagte hat somit die Bemessungsgrundlage für das Elterngeld der Klägerin zutreffend gewählt. Gegen seine auf dieser Grundlage durchgeführte Elterngeldberechnung sind Bedenken ansonsten weder erhoben noch sonst ersichtlich. Damit erweist sich sein Elterngeldbescheid insgesamt als rechtmäßig. Die dagegen gerichtete Anfechtungs- und Leistungsklage der Klägerin war daher unter Aufhebung des stattgebenden LSG-Urteils unbegründet und führt zur erfolgreichen Revision des Beklagten.
273. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2016:271016UB10EG415R0
Fundstelle(n):
DStR 2017 S. 15 Nr. 6
DStR 2017 S. 1938 Nr. 36
NJW 2017 S. 10 Nr. 15
NJW 2017 S. 1342 Nr. 18
EAAAF-89320