BVerwG Beschluss v. - 9 B 14.16

Instanzenzug:

Gründe

1Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

21. Verfahrensmängel, die zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen könnten, ergeben sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht.

3Die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht habe gegen den Überzeugungsgrundsatz und die Begründungspflicht (§ 108 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VwGO) verstoßen, weil es sowohl den Anlass des vom Beklagten verfassten Schreibens vom als auch die darin gegenüber der Klägerin bekundete Rechtsfolge der Nutzung der öffentlichen Entwässerungseinrichtung nicht berücksichtigt habe. Das Berufungsgericht habe mit seiner Aussage, die von dem Beklagten im Schreiben vom aufgestellte Behauptung rechtfertige nicht die Schlussfolgerung, sie treffe auch zu, den wesentlichen Prozessstoff unzulässig verkürzt. Diese Rüge rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat bei der Würdigung des Schreibens des Beklagten weder den Sachverhalt verkürzt noch kann dem Gericht vorgeworfen werden, es habe nicht nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen es dem Vortrag des Beklagten nicht folgt (vgl. zu § 108 Abs. 1 VwGO: BVerwG, Beschlüsse vom - 9 B 39.14 - Buchholz 424.01 § 34 FlurbG Nr. 4 Rn. 9 m.w.N. und vom - 7 B 13.15 - [...] Rn. 22 ff.).

4Das Berufungsgericht hat die Möglichkeit einer konkludenten Widmung einer kommunalen Entwässerungseinrichtung als denkbar angesehen, wenn ein Grundstück bereits an die gewidmete Entwässerungseinrichtung angeschlossen ist, nicht dagegen, wenn durch die Einbeziehung eines Kanals in die gewidmete Einrichtung erst der Anschluss des Grundstücks an die Entwässerungseinrichtung hergestellt wird. In einem solchen Fall sei es vielmehr erforderlich, dass zunächst zur Konkretisierung und Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs ein entsprechender Verwaltungsakt (Anschlussverfügung) erlassen werde. Ferner hat es ausgeführt, mangels Kenntnis des Beklagten von der Existenz des im F.-bach endenden Niederschlagswasserkanals der Klägerin scheide eine Einbeziehung in die gewidmete Abwassereinrichtung des Beklagten vor Beginn des für die Gebührenerhebung maßgeblichen Zeitraums aus. Schließlich hat das Berufungsgericht eine einvernehmliche Einbeziehung des im F.-bach endenden Kanals mit der Begründung verneint, weder aus der Übersendung des Erhebungsbogens an die Klägerin noch aus der Rücksendung des ausgefüllten Bogens könne eine einvernehmliche Einbeziehung in die Einrichtung gefolgert werden. Die Klägerin habe von der im Erhebungsbogen vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht anzukreuzen, dass ihr Grundstück nicht angeschlossen sei, und dies durch eine Skizze verdeutlicht. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf sein Schreiben an die Klägerin vom verwiesen habe, lasse sich auch daraus keine Einbeziehung des Kanals in die Entwässerungseinrichtung ableiten. Allein die Behauptung, es handele sich um einen verbandseigenen Kanal, rechtfertige nicht die Schlussfolgerung, dass sie auch zutreffe; die Behauptung werde auch nicht dadurch zutreffend, dass sie schriftlich verfasst worden sei.

5Entgegen dem Vorbringen der Beschwerde würdigt das Oberverwaltungsgericht damit die Umstände, die zu dem Schreiben des Beklagten vom geführt haben. Insbesondere wird deutlich, dass das Schreiben Teil der Korrespondenz war, die zwischen den Parteien im Zuge der Klärung der tatsächlichen Anschlusssituation und deren rechtlicher Bewertung geführt worden ist. So wird aus den Urteilsdarlegungen ohne Weiteres erkennbar, dass das Schreiben vom die Reaktion des Beklagten auf die Aussage der Klägerin im Erhebungsbogen darstellt, sie entwässere nicht in eine öffentliche Einrichtung. Daher geht die Rüge fehl, das Berufungsgericht habe bei der Prüfung der Frage, ob dem Schreiben ein Widmungswille zu entnehmen sei, wesentliche Umstände übersehen. Indem das Berufungsgericht in unmittelbarem Anschluss an seine Erläuterungen zum Inhalt der Korrespondenz zwischen der Klägerin und dem Beklagten das vorgenannte Schreiben als unverbindliche Äußerung einer Rechtsauffassung des Beklagten würdigt, wird deutlich, dass es den Prozessstoff vollständig erfasst und bei seiner Entscheidung gewürdigt hat.

62. Die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu.

7Grundsätzliche Bedeutung misst die Beschwerde den Fragen bei:

"Steht es der Annahme der konkludenten Widmung einer öffentlichen Einrichtung im Allgemeinen und einer Abwasserbeseitigungsanlage im Besonderen entgegen, wenn der Einrichtungsträger irrtümlich der Annahme ist, die betroffene Einrichtung bzw. das betroffene Teil sei bereits der öffentlichen Einrichtung zugehörig?",

"Erfordert die konkludente Widmung einer öffentlichen Einrichtung, dass dem Einrichtungsträger bewusst ist, gerade durch ihre Verlautbarung die Eigenschaft als öffentliche Einrichtung zu begründen?",

"Setzt die konkludente Widmung einer öffentlichen Einrichtung ein Erklärungsbewusstsein voraus?"

8Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision schon deswegen nicht, weil sie revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht unterliegendes Landesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) betreffen. Die Widmung ist ein zentraler Begriff des öffentlichen Sachen- und Einrichtungsrechts, der revisionsgerichtlicher Überprüfung nur dann unterliegt, soweit er bundesrechtlich geregelt ist oder im Bundesrecht seine Grundlage hat. Eine zwingende Vorgabe des Bundesrechts, die dem Landesgesetzgeber jede Gestaltungsmöglichkeit zur eigenständigen Ausformung des Begriffs der Widmung und der öffentlichen Einrichtung nehmen könnte, lässt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht § 58 Abs. 1 WHG entnehmen (vgl. zu einer zwingenden Vorgabe: 8 C 16.02 - BVerwGE 118, 345 <348>). Der Umfang einer Abwasseranlage im Sinne des § 58 Abs. 1 WHG richtet sich zwar unter anderem danach, ob sie zur Abwasserbeseitigung gewidmet ist. Damit ist jedoch nichts darüber gesagt, ob die Widmung landes- oder bundesrechtlicher Natur ist. Dies beurteilt sich danach, ob die Widmung ihre Grundlage im Landes- oder Bundesrecht findet. Bei kommunalen Abwassereinrichtungen wird die Widmung rechtlich durch das Landesrecht ausgestaltet (vgl. 7 B 3.15 - [...] Rn. 8; vgl. auch OVG Weimar, Beschluss vom - 4 EO 689.08 - [...] Rn. 28). Aus einer möglichen Einordnung der Widmung als Verwaltungsakt folgt entgegen der Auffassung der Beschwerde nichts anderes. Zwar berühren Fragen zum Begriff des Verwaltungsakts revisibles Bundesrecht, weil der Begriff des Verwaltungsakts auch dem Prozessrecht der Verwaltungsgerichtsordnung (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 42, 68, 113 Abs. 1 VwGO) angehört (vgl. 9 B 55.10 - Buchholz 310 § 72 VwGO Nr. 16 Rn. 5 m.w.N.). Dem Beklagten geht es mit seiner Rüge aber nicht um eine Klärung des Begriffsinhalts des Verwaltungsakts, sondern - unabhängig von der Einordnung als Verwaltungsakt, Willenserklärung oder geschäftsähnliche Handlung - um die Klärung, wann die Voraussetzungen einer Widmung erfüllt sind. Schließlich sind auch die Grundsätze über die Auslegung von Verwaltungsakten und Willenserklärungen nur dann revisibel, wenn sie zur Auslegung von Bundesrecht herangezogen werden ( 9 BN 5.09 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 40). Das ist hier nicht der Fall.

93. Auch die Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) greifen nicht durch.

10Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht weiche hinsichtlich der Frage, ob eine konkludente Widmung möglich sei, von Entscheidungen des 8 C 24.01 - Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 37 und Beschluss vom - 7 B 3.15 - [...]) ab, erfüllt schon nicht die Anforderungen, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines solchen Zulassungsgrundes stellt. Die Beschwerde erkennt selbst, dass eine Abweichung von einem durch das Bundesverwaltungsgericht aufgestellten abstrakten Rechtssatz bereits deshalb ausscheidet, weil sich das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung aus dem Jahr 2002 zu einer konkludenten Widmung im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG geäußert hat, wohingegen es sich vorliegend um eine nach Landesrecht zu beurteilende Widmung handelt. Anders als die Beschwerde meint, sind die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze auch nicht "normübergreifend" auf das Rechtsinstitut der konkludenten Widmung bezogen. Auf die Ausführungen unter 2. wird insoweit verwiesen. Abgesehen davon genügt es zur Darlegung einer Divergenz nicht, eine bloß fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung von Rechtssätzen des Bundesverwaltungsgerichts aufzuzeigen (stRspr, vgl. etwa 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Hierauf beschränkt sich die Beschwerde aber der Sache nach, wenn sie ihre Rüge wesentlich damit begründet, die Divergenz folge daraus, dass sich aus dem tatsächlichen Inhalt des vom Berufungsgericht unzutreffend gewürdigten Schreibens vom ein entsprechender Widmungswille ergebe.

114. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Fundstelle(n):
IAAAF-88954