BGH Beschluss v. - KZR 64/15

Instanzenzug:

Gründe

1I. Die beklagte DB Netz AG, eine Tochtergesellschaft der Deutsche Bahn AG, ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG). Sie unterhält nahezu das gesamte Schienennetz in Deutschland. Die Klägerin, ein Eisenbahnverkehrsunternehmen, nutzt dieses Netz im Rahmen des Schienengüterverkehrs. Die Parteien streiten über die Höhe des Entgelts für die Zugtrassennutzung.

2Die Bedingungen des Netzzugangs einschließlich der Entgeltgrundsätze legt die Beklagte gemäß § 4 Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung (EIBV) in ihren Schienen-Benutzungsbedingungen fest. Auf deren Grundlage schließt sie mit den an einem Netzzugang interessierten Eisenbahnverkehrsunternehmen Infrastrukturnutzungsverträge. Diese Verträge sind wiederum Grundlage für die über die konkrete Trassennutzung abzuschließenden Einzelnutzungsverträge. Die Entgelte für ihre Leistungen setzt die Beklagte in Trassenpreislisten im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2, § 21 Abs. 7 EIBV fest, die jeweils für eine Netzfahrplanperiode gelten.

3Mit dem von ihr zum 13. Dezember 2009 in Kraft gesetzten Trassenpreissystem 2010 (TPS 10) erhöhte die Beklagte die Entgelte, die ein Eisenbahnverkehrsunternehmen für die Trassennutzung zu zahlen hat. Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 11. Januar 2010 der Erhöhung und zahlte nachfolgend die Erhöhungsbeträge nur noch unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Mit der Klage begehrt sie - gestützt auf § 315 Abs. 3 BGB - die Rückzahlung der Erhöhungsbeträge für die Zeit vom 13. Dezember 2009 bis zum 31. Januar 2010 in Höhe von 9.985,98 € und 18.076,44 €, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer. Hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit ihrem Hauptantrag verlangt sie zusätzlich die Rückzahlung der Erhöhungsbeträge für Februar bis Juni 2010 in Höhe von 139.608,84 € einschließlich Mehrwertsteuer.

4Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Beklagte mit der Beschwerde.

5II. Das Verfahren ist entsprechend § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-344/16 auszusetzen.

61. Der Senat hat durch Beschluss vom 7. Juni 2016 in dem Verfahren KZR 12/15 hinsichtlich der Auslegung der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (ABl. L 75 vom 15. März 2001, S. 29 ff.) dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV vorgelegt:

(1)

Ist eine nationale Vorschrift, nach der der Nutzer einer Eisenbahninfrastruktureinrichtung, der vor einem Zivilgericht von dem Infrastrukturbetreiber auf Zahlung eines Nutzungsentgelts in Anspruch genommen wird oder die Rückzahlung gezahlten Nutzungsentgelts begehrt, geltend machen kann, das von dem Infrastrukturbetreiber festgesetzte Entgelt entspreche nicht billigem Ermessen, mit den Bestimmungen der Richtlinie zur Unabhängigkeit der Geschäftsführung des Infrastrukturunternehmens (Art. 4 Abs. 1, 4, 5), zu den Grundsätzen der Entgeltfestsetzung (Art. 7 bis 12) und zu den Aufgaben der Regulierungsstelle (Art. 30) vereinbar?

(2)

Wenn Frage 1 zu bejahen ist: Ist eine nationale Vorschrift mit den genannten Vorschriften der Richtlinie vereinbar, nach der das Gericht, wenn es zu dem Ergebnis gelangt, dass das festgesetzte Entgelt nicht der Billigkeit entspricht, berechtigt und verpflichtet ist, das stattdessen geschuldete Entgelt durch Urteil festzusetzen?

72. Diese Fragen sind auch im vorliegenden Fall entscheidungserheblich. Deshalb kann der Senat unter Beachtung seiner in Art. 267 Abs. 3 AEUV enthaltenen Vorlagepflicht keine abschließende Sachentscheidung treffen. Eine Vorlage auch dieses Verfahrens an den Gerichtshof der Europäischen Union würde jedoch dort nicht zu einer schnelleren Beantwortung der maßgeblichen Rechtsfragen führen (vgl. , RIW 2012, 405 Rn. 7 ff.). Hieran ändert nichts, dass der Gerichtshof der Europäischen Union seinerseits das Verfahren C-344/16 (= KZR 12/15) bis nach der Urteilsverkündung in der Rechtssache C-489/15 ausgesetzt hat. Im Gegenteil würde die Funktion des Gerichtshofs der Europäischen Union im Vorabentscheidungsverfahren eher beeinträchtigt, wenn die gleiche Rechtsfrage mehrfach vorgelegt würde (, RIW 2012, 405 Rn. 8; Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04, BGHZ 162, 373, 378).

83. Der Senat hält es daher für angemessen, das vorliegende Verfahren entsprechend § 148 ZPO wegen Vorgreiflichkeit des beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängigen Rechtsstreits auszusetzen (zur Zulässigkeit dieser Vorgehensweise , RIW 2012, 405 Rn. 7 ff.; BAG, NJW 2011, 1836 Rn. 4 ff.; ; BPatG, GRUR 2002, 734 f.).

94. Eine solche Aussetzung ist auch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren möglich (, RIW 2012, 405 Rn. 10; Beschluss vom 6. April 2004 - X ZR 272/02, BGHZ 158, 372, 374 f.).

Fundstelle(n):
OAAAF-87821