BAG Beschluss v. - 1 ABR 49/14

Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats bei Versetzung und Umgruppierung

Gesetze: § 99 Abs 1 BetrVG, § 99 Abs 2 Nr 1 BetrVG, § 99 Abs 4 BetrVG

Instanzenzug: ArbG Chemnitz Az: 3 BV 44/13 Beschlussvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 2 TaBV 11/14 Beschluss

Gründe

1A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Versetzung und zur Umgruppierung eines Arbeitnehmers sowie zur vorläufigen Durchführung dieser Maßnahmen.

2Die Arbeitgeberin betreibt Einrichtungshäuser. In ihrem Betrieb in C mit mehr als 20 Arbeitnehmern ist der beteiligte Betriebsrat gebildet. Bei ihr besteht eine Gesamtbetriebsvereinbarung „Mitarbeiterbeurteilungen, -gespräche, -entwicklung“ (nachfolgend GBV), die ua. folgenden Inhalt hat:

3In der Stellungnahme der Frau P heißt es:

4Auf eine von der Arbeitgeberin ausgeschriebene Stelle „Teamleiter/in“ bewarb sich der als Teamassistent beschäftigte Arbeitnehmer R. Dieser hatte nicht an einem Förderprogramm „Business & Leadership Competence“ (BLC) teilgenommen.

5Mit Schreiben vom beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung und zur Umgruppierung des Arbeitnehmers ab dem . Der Betriebsrat verweigerte mit Schreiben vom seine Zustimmung. Aufgrund fehlender Unterlagen gehe er davon aus, der Arbeitnehmer habe noch nicht das Förderprogramm BLC absolviert. Die Arbeitgeberin wiederholte unter Vorlage weiterer Informationen am ihr Zustimmungsbegehren und wies darauf hin, der Arbeitnehmer sei bereits zuvor in einem anderen Unternehmen in einer Führungsposition tätig gewesen, weshalb ein individueller Entwicklungsplan genüge. Der Betriebsrat stimmte mit Beschluss vom erneut nicht zu. Die Teilnahme am Förderprogramm BLC sei für die Tätigkeit als Teamleiter erforderlich. Ein Antrag der Arbeitgeberin vom auf Zustimmung des Betriebsrats zur vorläufigen Versetzung und Umgruppierung des Arbeitnehmers blieb ebenfalls erfolglos.

6Die Arbeitgeberin hat sinngemäß beantragt,

7Der Betriebsrat hat die Abweisung der Anträge beantragt.

8Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht den Beschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und den Anträgen stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

9B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung und zur Umgruppierung zu Recht ersetzt. Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag zu 2.

10I. Der Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung und zur Umgruppierung des Arbeitnehmers R ist begründet. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu Unrecht verweigert. Die Voraussetzungen des allein noch geltend gemachten Zustimmungsverweigerungsgrunds nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG liegen nicht vor.

111. Gegenstand des vorliegenden Zustimmungsersetzungsverfahrens sind die personellen Einzelmaßnahmen der Versetzung und der Umgruppierung des Arbeitnehmers R, die die Arbeitgeberin mit ihrem Schreiben vom beantragt hat. Die hierzu verweigerte Zustimmung des Betriebsrats soll ersetzt werden. Mit ihrem Schreiben vom hat die Arbeitgeberin, auch wenn sie den Betriebsrat erneut um Zustimmung ersucht hat, keine eigenständigen, neuen personellen Maßnahmen eingeleitet (dazu  - Rn. 28 mwN). Der in diesem Schreiben genannte abweichende Versetzungstermin zum steht dem nicht entgegen. Damit hat die Arbeitgeberin die Versetzung lediglich dem zwischenzeitlichen Zeitablauf angepasst.

122. Der Betriebsrat konnte seine Zustimmungsverweigerung in Bezug auf die Versetzung des Arbeitnehmers nicht auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG stützen. Dessen Beschäftigung als Teamleiter verstößt nicht gegen die GBV. Diese setzt eine Teilnahme am Förderprogramm BLC für die Tätigkeit nicht voraus.

13a) Dem Wortlaut der Anlage 6 zur GBV lässt sich nicht entnehmen, dass nur derjenige Arbeitnehmer als Teamleiter beschäftigt werden kann, der zuvor das Förderprogramm BLC erfolgreich durchlaufen hat. Die GBV handelt von „Mitarbeiterbeurteilungen, -gespräche, -entwicklung“ und soll - wie es bereits in der Präambel zum Ausdruck kommt - die Mitarbeiter in „ihrer beruflichen und persönlichen Entwicklung“ ua. durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen fördern. Für die Entwicklung der Mitarbeiter vom Teamassistenten zum Teamleiter wird dies in der Anlage 6 vor allem durch ein Auswahlverfahren und den Ablauf des Förderprogramms geregelt. Die Anlage 6 zur GBV enthält demgegenüber keine Regelungen im Sinne einer Auswahlrichtlinie nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG (vgl.  - Rn. 18, BAGE 115, 239), unter welchen Voraussetzungen eine personelle Einzelmaßnahme „Beschäftigung als Teamleiter“ erfolgen darf. Ein weiter gehender Regelungswille kann entgegen der Auffassung des Betriebsrats auch nicht der Stellungnahme der Frau P entnommen werden. Diese bezieht sich auf die Anlage 6 zur GBV. Im Rahmen des dort beschriebenen „Entwicklungsprogramms“ verläuft die Entwicklung „vom TA zum TL … durch das BLC Programm“. Auch insoweit fehlt es an Anhaltspunkten, wonach die Personalauswahlentscheidung der Arbeitgeberin bei der Beschäftigung von Teamleitern durch Auswahlkriterien eingeschränkt werden sollte.

14b) Für dieses Ergebnis sprechen auch Sinn und Zweck der GBV als Mittel der Aus- und Weiterbildung. Anderenfalls müssten auch diejenigen Arbeitnehmer das 18-monatige Förderprogramm BLC zwingend durchlaufen, die bereits aufgrund anderer Umstände - etwa vorangegangener Tätigkeiten bei einem anderen Arbeitgeber - über die erforderliche Qualifikation für eine Beschäftigung als Teamleiter verfügen oder für die - wie bei dem Arbeitnehmer R - ein individueller Entwicklungsplan während der Teamleitertätigkeit ausreichend ist.

15c) Die Rüge des Betriebsrats, das Landesarbeitsgericht hätte über den wirklichen Willen der Betriebsparteien bei Abschluss der GBV Beweis erheben müssen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die geforderte Beweisaufnahme zu Recht unterlassen. Betriebsvereinbarungen sind objektiv auszulegen. Der subjektive Regelungswille ist nur insoweit zu berücksichtigen, wie er in der betreffenden Regelung erkennbaren Ausdruck gefunden hat (vgl.  - Rn. 23). Ein Verständnis der Betriebsparteien, als Teamleiter dürfe nur beschäftigt werden, wer das Förderprogramm BLC absolviert hat, findet im Wortlaut der GBV iVm. der Anlage 6 aber keine Stütze (oben B I 2 a).

163. Infolge der zu Unrecht verweigerten Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung des Arbeitnehmers ist auch dessen Zustimmung zur Umgruppierung zu ersetzen. Die maßgebende tarifliche Eingruppierung steht im Fall einer zulässigen Versetzung zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

17II. Hinsichtlich des Antrags zu 2. war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 81 Abs. 2 Satz 2, § 83a Abs. 2 Satz 1 ArbGG einzustellen. Eine Entscheidung über den Antrag des Arbeitgebers auf vorläufige Durchführung einer personellen Maßnahme iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG kommt regelmäßig nicht mehr in Frage, wenn rechtskräftig über den Zustimmungsersetzungsantrag entschieden worden ist ( - Rn. 44 mwN). Ob ein solcher Antrag bei Ein- und Umgruppierungen überhaupt Anwendung finden kann (dazu  - zu B IV 2 der Gründe, BAGE 54, 147), bedarf keiner Entscheidung.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:111016.B.1ABR49.14.0

Fundstelle(n):
BB 2016 S. 3059 Nr. 50
DB 2017 S. 195 Nr. 4
JAAAF-87798