Steuerliche Gewinnermittlung
Bilanzsteuerrechtliche Berücksichtigung von Verpflichtungsübernahmen, Schuldbeitritten und Erfüllungsübernahmen mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung, Anwendung der Regelungen in § 4f und § 5 Absatz 7 EStG – Entwurf –
Bezug: (BStBl 2005 I S. 1052) (BStBl 2011 I S. 627)
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in mehreren Urteilen entschieden, dass übernommene Verpflichtungen beim Übernehmer keinen Ansatz- und Bewertungsbeschränkungen unterliegen, sondern als ungewisse Verbindlichkeiten auszuweisen und mit den „Anschaffungskosten” oder dem höheren Teilwert zu bewerten sind (Urteile vom und , a. a. O.). Tritt ein Dritter neben dem bisherigen Schuldner in die Verpflichtung ein (sog. Schuldbeitritt) und verpflichtet sich der Dritte, den bisherigen Schuldner von der Verpflichtung freizustellen, kann der bisherige Schuldner mangels Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme weder eine Rückstellung für die Verpflichtung passivieren, noch einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Schuldbeitretenden ansetzen (Urteil vom , a. a. O.). Der BFH weicht somit von den und (a. a. O.) ab. Für Wirtschaftsjahre, die nach dem enden, sind indes die Regelungen des § 5 Absatz 7 EStG in der Fassung des AIFM-Steuer-Anpassungsgesetzes vom (BGBl. 2013 I S. 4318; BStBl 2014 I S. 2) zu beachten, wonach der Übernehmer einer Verpflichtung die gleichen Bilanzierungsvorschriften zu beachten hat, die auch für den ursprünglich Verpflichteten gegolten haben.
Zur Anwendung der Grundsätze der BFH-Rechtsprechung und zu den Auswirkungen auf die o. g. und im Zusammenhang mit den gesetzlichen Neuregelungen in den §§ 4f und 5 Absatz 7 EStG nehme ich nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung:
1 Verpflichtungen können entweder im Wege einer Schuldübernahme nach den §§ 414 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) oder durch Übernahme der mit der Verpflichtung verbundenen Lasten (Schuldbeitritte und Erfüllungsübernahmen mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung) übernommen werden.
I. Schuldübernahme nach §§ 414 ff. BGB
2 Eine Schuld kann von einem Dritten durch Vertrag mit dem Gläubiger in der Weise übernommen werden, dass der Dritte an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt (§§ 414 ff. BGB). Verpflichtungen können einzeln, im Rahmen einer entgeltlichen Betriebsübertragung übertragen werden oder kraft Gesetzes (z. B. nach § 613a BGB) auf einen Dritten übergehen.
1. Bilanzielle Behandlung beim Verpflichtungsübernehmer
a) Ansatz und Bewertung in Wirtschaftsjahren, die vor dem enden
3 In vor dem endenden Wirtschaftsjahren ist die o. g. BFH-Rechtsprechung zu beachten, wonach übernommene Verpflichtungen im Wirtschaftsjahr der Übernahme mit den „Anschaffungskosten” oder dem höheren Teilwert anzusetzen sind.
4 Auf Antrag können die Neuregelungen des § 5 Absatz 7 EStG (Randnummern 5 bis 11) bereits für vor dem endende Wirtschaftsjahre angewendet werden (§ 52 Absatz 9 Satz 2 EStG). Der Antrag kann nur einheitlich für alle betroffenen Verpflichtungen gestellt werden und ist nicht formgebunden. Es reicht aus, bei den entsprechenden Bilanzansätzen auf die Anwendung des § 5 Absatz 7 EStG hinzuweisen (z. B. Fußnote).
b) Ansatz und Bewertung in Wirtschaftsjahren, die nach dem enden
5 In nach dem endenden Wirtschaftsjahren ist die Neuregelung in § 5 Absatz 7 EStG maßgebend (§ 52 Absatz 9 Satz 1 EStG). Der Übernehmer hat die gleichen Bilanzierungsvorschriften zu beachten, die auch für den ursprünglich Verpflichteten am Bilanzstichtag gegolten hätten, wenn er die Verpflichtung nicht übertragen hätte. Unterlag der ursprünglich Verpflichtete nicht dem deutschen Handels- und Steuerrecht, ist der Wert maßgebend, der nach den Regelungen des HGB und EStG anzusetzen gewesen wäre.
6 Wurde eine Verpflichtung bereits mehrfach übertragen, ist derjenige ursprünglich verpflichtet im Sinne von § 5 Absatz 7 Satz 1 EStG, der die Schuld erstmalig begründet hat.
7 In der ersten für die Besteuerung maßgebenden Schlussbilanz nach der Übernahme sind Verpflichtungen unter Berücksichtigung der steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte anzusetzen; insbesondere die Regelungen in § 5 Absatz 2a bis 4b, Absatz 5 Satz 1 Nummer 2, § 6 Absatz 1 Nummer 3, 3a und § 6a EStG (vgl. Randnummern 23 bis 28 zu Pensionsverpflichtungen) sind zu beachten. Bilanzsteuerliche Wahlrechte (z. B. Teilwert- oder Pauschalwertverfahren bei Jubiläumsrückstellungen) können unabhängig von der Wahl des Rechtsvorgängers in Anspruch genommen werden.
c) Gewinnmindernde Rücklagen nach § 5 Absatz 7 Satz 5 und 6 EStG
8 Für den Gewinn, der sich aus der Anwendung von § 5 Absatz 7 EStG ergibt, kann gemäß § 5 Absatz 7 Satz 5 EStG jeweils i. H. v. 14/15 eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden, die in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens 1/14 gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum). Wurde die Verpflichtung vor dem übernommen, können 19/20 des Gewinns als Rücklage passiviert werden, die in den folgenden 19 Wirtschaftsjahren aufzulösen ist (§ 52 Absatz 9 Satz 3 EStG). Scheidet eine Verpflichtung vor Ablauf des Auflösungszeitraums aus dem Betriebsvermögen aus, ist eine für diese Verpflichtung noch nicht aufgelöste Rücklage gewinnerhöhend auszubuchen (§ 5 Absatz 7 Satz 6 EStG).
9 Die in Randnummer 8 genannten Verteilungszeiträume sind auch dann maßgebend, wenn die Verpflichtung, für die eine Rücklage gebildet wurde, voraussichtlich bereits vor Ende des Auflösungszeitraums nicht mehr bestehen wird. In diesen Fällen kann aber die bei Ausscheiden erforderliche Auflösung der verbleibenden Rücklage dadurch vermieden werden, dass jährlich mehr als 1/14 oder 1/19 gewinnerhöhend aufgelöst werden (z. B. Verteilung über die tatsächliche Laufzeit der Verpflichtung).
10 Gewinn im Sinne von § 5 Absatz 7 Satz 5 EStG ist der Unterschiedsbetrag zwischen den „Anschaffungskosten” zum Zeitpunkt der Übernahme der Verpflichtung und dem in der folgenden Schlussbilanz nach § 5 Absatz 7 EStG anzusetzenden niedrigeren Wert (Randnummer 7). Scheidet eine übernommene Verpflichtung bereits vor dem folgenden Bilanzstichtag aus dem Betriebsvermögen aus, kann für einen sich insoweit ergebenden Gewinn keine Rücklage gebildet werden.
Unternehmer U pachtet seit dem für 20 Jahre ein unbebautes Grundstück und errichtet darauf eine betrieblich genutzte Lagerhalle. U hat sich verpflichtet, die Lagerhalle nach Ablauf des Pachtvertrages am abzureißen. Am Bilanzstichtag betragen die voraussichtlichen Abrisskosten 10 000 €. U hat für die Abrissverpflichtung eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten passiviert. Da für das Entstehen der Verpflichtung im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist (Nutzung der Lagerhalle), ist die Rückstellung nach § 6 Absatz 1 Nummer 3a Buchstabe d Satz 1 EStG zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln und nach § 6 Absatz 1 Nummer 3a Buchstabe e Satz 1 EStG abzuzinsen. Die von U zum passivierte Rückstellung beträgt bei einer Restlaufzeit von 10 Jahren und einem Abzinsungsfaktor von 0,585 (Tabelle 2 des BStBl I S. 699) zutreffend 10 000 € × 10/20 × 0,585 = 2 925 €.
Am übernimmt A (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr) mit Zustimmung des Verpächters den Pachtvertrag von U. Der von A an U zu zahlende Kaufpreis für die Lagerhalle beträgt 50 000 €. Die mit der übernommenen Abrissverpflichtung verbundenen Kosten werden entsprechend den voraussichtlichen Abrisskosten zum zutreffend auf 10 000 € geschätzt und mit dem Kaufpreis für die Lagerhalle verrechnet. A bucht den Geschäftsvorfall zutreffend wie folgt:
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Betriebsanlage | 50 000 € | an | Bank | 40 000 € |
Abrissverpflichtung | 10 000 € |
Bis zum Ende des laufenden Wirtschaftsjahres 2013 ergeben sich folgende Änderungen bei den prognostizierten Abrisskosten:
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Variante a: | keine |
Variante b: | 20 000 € |
Variante c: | 5 000 € |
Die „Anschaffungskosten” der Abrissverpflichtung betragen 10 000 €. Am folgenden Bilanzstichtag ist diese Pflicht gemäß § 5 Absatz 7 Satz 1 EStG so zu bilanzieren, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten U ohne Übertragung zu bilanzieren wäre. Demzufolge hat A für die Abrissverpflichtung eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu passivieren und bei einer Restlaufzeit von 9 Jahren und einem Abzinsungsfaktor von 0,618 wie folgt zu
bewerten:
Variante a: 10 000 € × 11/20 × 0,618 = 3 399 €
Variante b: 20 000 € × 11/20 × 0,618 = 6 798 €
Variante c: 5 000 € × 11/20 × 0,618 = 1 700 €
Es ergibt sich unter Berücksichtigung der bei Schuldübernahme eingebuchten Abrissverpflichtung von 10 000 € folgender Gewinn, für den i. H. v. 14/15 eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden kann:
Variante a: 10 000 € – 3 399 € = 6 601 € (Rücklage 6 161 €)
Variante b: 10 000 € – 6 798 € = 3 202 € (Rücklage 2 989 €)
Variante c: 10 000 € – 1 700 € = 8 300 € (Rücklage 7 747 €)
11 In den Fällen der Randnummer 3 (Passivierung der „Anschaffungskosten” in vor dem endenden Wirtschaftsjahren) ist Gewinn im Sinne von § 5 Absatz 7 Satz 5 EStG der Unterschiedsbetrag zwischen den letztmals passivierten „Anschaffungskosten” und dem am folgenden Bilanzstichtag erstmals nach § 5 Absatz 7 EStG angesetzten Wert (Randnummer 7). Randnummer 10 Satz 2 (keine Rücklage bei vor dem folgenden Bilanzstichtag ausscheidenden Verpflichtungen) gilt entsprechend.
12 Soweit die Steuer- oder Feststellungsbescheide des Wirtschaftsjahres der Verpflichtungsübernahme und die folgenden Steuerfestsetzungen bereits bestandskräftig sind, sind die Randnummern 3 bis 11 in der steuerlichen Gewinnermittlung der ersten noch änderbaren Steuerfestsetzung anzuwenden.
2. Abzug des Aufwandes beim ursprünglich Verpflichteten (§ 4f Absatz 1 EStG)
a) Verteilung des Aufwandes
13 Ein Aufwand, der sich für den ursprünglich Verpflichteten in einem nach dem endenden Wirtschaftsjahr aus einem Übertragungsvorgang ergibt, kann gemäß § 4f Absatz 1 Satz 1 EStG i. V. m. § 52 Absatz 8 EStG grundsätzlich nur auf das Jahr der Schuldübernahme und die folgenden 14 Wirtschaftsjahre gleichmäßig verteilt als Betriebsausgabe abgezogen werden. Die Verteilung des Aufwandes erfolgt durch außerbilanzielle Hinzurechnungen und Abrechnungen.
14 Ein zu verteilender Aufwand aus einem Übertragungsvorgang kann auch dann nicht mit Gewinnen aus anderen Geschäftsvorfällen verrechnet werden, wenn diese Gewinne in einem mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang mit dem Aufwand aus dem Übertragungsvorgang stehen.
b) Aufzulösender Passivposten (§ 4f Absatz 1 Satz 2 EStG)
15 Ist infolge der Übertragung einer Verpflichtung ein in der steuerlichen Gewinnermittlung des Vorjahres ausgewiesener Passivposten gewinnerhöhend aufzulösen, ist der sich aus der Übertragung ergebende Aufwand in Höhe des aufgelösten Passivpostens sofort als Betriebsausgabe abzugsfähig. Dabei ist immer auf den am vorangegangenen Bilanzstichtag angesetzten Passivposten abzustellen. Weicht der Übertragungszeitpunkt vom Bilanzstichtag ab, kommt eine Zugrundelegung des fiktiven Passivpostens, der zu diesem Zeitpunkt maßgebend gewesen wäre, nicht in Betracht. Der übersteigende Aufwand ist auf das Jahr der Schuldübernahme und die folgenden 14 Wirtschaftsjahre gleichmäßig zu verteilen (§ 4f Absatz 1 Satz 2 EStG). Im Ergebnis ist ein Aufwand, der sich daraus ergibt, dass die Gegenleistung höher ist als die bislang in der steuerlichen Gewinnermittlung passivierte Verpflichtung, nur über 15 Jahre verteilt als Betriebsausgabe abzugsfähig.
c) Teilbetriebsaufgaben/-veräußerungen, Umwandlungen und Einbringungen
16 Bei der Veräußerung oder Aufgabe eines Teilbetriebes wird der Übertragungsaufwand nach § 4f Absatz 1 Satz 1 und 2 EStG nur verteilt, soweit er einen Verlust begründet oder erhöht (§ 4f Absatz 1 Satz 4 EStG). Der insoweit hinzugerechnete Aufwand ist wie bei einer im laufenden Wirtschaftsjahr erfolgten Schuldübertragung auf das Wirtschaftsjahr der Schuldübernahme und die nachfolgenden Wirtschaftsjahre zu verteilen, d. h. der sofort abzugsfähige Aufwand von 1/15 ist im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns nach § 16 Absatz 2 EStG zu berücksichtigen und der verbleibende Betrag auf die folgenden 14 Wirtschaftsjahre zu verteilen. Entsprechendes gilt bei Umwandlungen und Einbringungen nach dem Umwandlungssteuergesetz.
d) Übertragung von (Teil-) Mitunternehmeranteilen
17 Eine Verpflichtung kann auch durch entgeltliche Übertragung von (Teil-) Mitunternehmeranteilen übertragen werden. Wird der gesamte Mitunternehmeranteil übertragen, unterbleibt nach § 4f Absatz 1 Satz 3 EStG eine Verteilung des sich ergebenden Aufwandes.
e) Ausnahmen von der Aufwandsverteilung
18 Die Verteilungsregelung gilt nach § 4f Absatz 1 Satz 3 EStG nicht für kleine und mittlere Betriebe im Sinne von § 7g EStG sowie für Betriebsveräußerungen und Betriebsaufgaben (ausgenommen Umwandlungen und Einbringungen nach dem Umwandlungssteuergesetz).
II. Übernahme von mit einer Verpflichtung verbundenen Lasten (Schuldbeitritte und Erfüllungsübernahmen mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung)
19 Bei Schuldbeitritten und Erfüllungsübernahmen mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung besteht das bisherige Vertragsverhältnis zwischen dem Freigestellten und dem Gläubiger der Verpflichtung unverändert fort. Der Übernehmer verpflichtet sich, den bislang alleine Verpflichteten von den künftigen Leistungspflichten ganz oder teilweise freizustellen.
1. Bilanzierung beim Übernehmer oder Beitretenden
20 Für die zu passivierende Freistellungsverpflichtung gelten die Randnummern 3 bis 12 entsprechend. Die vom Freistellungsberechtigten erhaltenen Zahlungen für den Schuldbeitritt oder die Erfüllungsübernahme sind Betriebseinnahme (Buchung bei Geldzahlung: Bank an sonstiger Ertrag).
2. Bilanzielle Folgen beim Freistellungsberechtigten
21 Eine vom Freistellungsberechtigten bislang passivierte Rückstellung ist aufgrund fehlender Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme gewinnerhöhend aufzulösen ( a. a. O.). Der Freistellungsberechtigte hat in der steuerlichen Gewinnermittlung keinen Freistellungsanspruch gegenüber dem Freistellungsverpflichteten auszuweisen.
22 Ist die Gegenleistung für den Schuldbeitritt oder die Erfüllungsübernahme höher als die bislang passivierte Rückstellung, entsteht ein Aufwand im Sinne von § 4f Absatz 2 i. V. m. Absatz 1 EStG; die Randnummern 13 bis 15 gelten entsprechend. Bei Schuldbeitritten und Erfüllungsübernahmen kommen Ausnahmen von der Verteilungspflicht nach § 4f Absatz 1 Satz 3 EStG (vgl. Randnummer 18) nicht in Betracht, da gemäß § 4f Absatz 2 EStG nur die Sätze 1, 2 und 7 des Absatzes 1 EStG entsprechend gelten.
III. Übertragungen und Schuldbeitritte im Zusammenhang mit Pensionsverpflichtungen im Sinne von § 6a EStG
23 Bei der Bewertung übernommener Pensionsverpflichtungen nach § 6a EStG können bilanzsteuerliche Wahlrechte (insbesondere das Pensionsalter nach R 6a Absatz 11 EStR und die Wahl der biometrischen Rechnungsgrundlagen) unabhängig von der Entscheidung des Rechtsvorgängers in Anspruch genommen werden (vgl. Randnummer 7). Das sog. Nachholverbot nach § 6a Absatz 4 EStG gilt für bei einem Rechtsvorgänger entstandene Fehlbeträge in der ersten Schlussbilanz nach der Übernahme nicht.
24 In den Fällen der Übernahme von Pensionsverpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern, die bisher in einem anderen Unternehmen tätig waren (Arbeitgeberwechsel), unter gleichzeitiger Übernahme von Vermögenswerten gilt die Sonderregelung des § 5 Absatz 7 Satz 4 EStG: Bei der Ermittlung des Teilwertes der jeweiligen Verpflichtung ist der Jahresbetrag nach § 6a Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 EStG so zu bemessen, dass zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Übernahme der Barwert der Jahresbeträge zusammen mit den übernommenen Vermögenswerten gleich dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen ist, wobei sich kein negativer Jahresbetrag ergeben darf. Das gilt unabhängig von der Anzahl der übernommenen Pensionsverpflichtungen. Bei Betriebsübergängen gemäß § 613a BGB kommt die Anwendung dieser Sonderregelung aber nicht in Betracht, da in diesen Fällen der neue Betriebsinhaber in die Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt und kein Unternehmenswechsel erfolgt.
25 Nach § 4f Absatz 1 Satz 3 zweiter Teilsatz EStG unterbleibt die Verteilung von Aufwand im Zusammenhang mit der Übertragung von Pensionsansprüchen von Versorgungsberechtigten, die zu einem neuen Arbeitgeber wechseln. In den Fällen des § 613a BGB ist diese Ausnahmeregelung aber nicht anzuwenden (vgl. Randnummer 24 letzter Satz).
Arbeitgeber K (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr) hat seinem Arbeitnehmer Pensionsleistungen zugesagt und in seiner Steuerbilanz zum eine Pensionsrückstellung nach § 6a EStG i. H. v. 100 000 € zutreffend passiviert. Mit Vertrag vom vereinbart K mit F (Wirtschaftsjahr = Kalenderjahr) einen Schuldbeitritt mit Freistellungsverpflichtung und zahlt hierfür am 150 000 € an F.
Wegen der Freistellungsverpflichtung des F ist nicht mehr davon auszugehen, dass K aus der Pensionsverpflichtung in Anspruch genommen wird. Die bislang passivierte Pensionsrückstellung nach § 6a EStG ist daher in der Bilanz zum gewinnerhöhend aufzulösen ( a. a. O.). Die Zahlung von 150 000 € an F ist Betriebsausgabe, so dass sich im Ergebnis ein Verlust von 50 000 € ergibt. Dieser Verlust ist nach § 4f EStG über 15 Jahre zu verteilen, da der Aufwand in einem nach dem endenden Wirtschaftsjahr entstanden ist (vgl. § 52 Absatz 8 EStG). In den Wirtschaftsjahren 2013 bis 2027 können jeweils 1/15 × 50 000 € = 3 333 € als Betriebsausgabe abgezogen werden (außerbilanzielle Hinzurechnungen und Abrechnungen).
Die aufgrund des Schuldbeitrittes bei F zu passivierende Pensionsverpflichtung ist zunächst mit den „Anschaffungskosten” von 150 000 € anzusetzen. Gleichzeitig sind die von K erhaltenen 150 000 € Betriebseinnahme (Buchung: Bank an sonstiger Ertrag). Am folgenden Bilanzstichtag ist § 5 Absatz 7 Satz 2 EStG zu beachten. Die Freistellungsverpflichtung ist so zu bilanzieren, wie sie der ursprünglich alleine verpflichtete K am anzusetzen gehabt hätte (Pensionsrückstellung, Teilwert nach § 6a EStG zum , hier angenommen 110 000 €). Nimmt F die Rücklagenregelung gemäß § 5 Absatz 7 Satz 5 EStG in Anspruch, kann der Gewinn aus dem Teilwertansatz nach § 6a EStG (150 000 € – 110 000 € = 40 000 €) zu 14/15 = 37 334 € als Rücklage passiviert werden. Es verbleibt ein Gewinn von 1/15 × 40 000 € = 2 666 €. Dementsprechend ergibt sich folgende Steuerbilanz:
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Steuerbilanz F | |||||
Aktiva | Passiva | ||||
Bank | 150 000 € | Schuldbeitrittsverpflichtung, § 6a EStG | 110 000 € | ||
Rücklage § 5 (7) S. 5 EStG | 37 334 € | ||||
Kapital | |||||
Anfangsbestand | 0 € | ||||
+ Gewinn Ansatz § 6a EStG | 2 666 € | 2 666 € |
27 Verpflichtet sich der Schuldbeitretende, den bislang alleine Verpflichteten von den künftigen Leistungspflichten gegenüber einem Anwärter ganz freizustellen, zahlt der bislang alleine Verpflichtete als Gegenleistung für den Schuldbeitritt aber zunächst nur ein Basisentgelt für die bis zum Beitritt erdiente Versorgungsanwartschaft und vergütet die nach diesem Stichtag erdienten Anwartschaften durch entsprechende Entgelterhöhungen, gilt als Wirtschaftsjahr des Schuldbeitrittes für die gesamte Pensionsverpflichtung das Wirtschaftsjahr, in dem die Verpflichtung zur Zahlung des Basisentgeltes gewinnwirksam wird. Die Verteilungs- und Rücklagenregelung der §§ 4f und 5 Absatz 7 EStG kommen nur für das Basisentgelt in Betracht.
K zahlt am an F für den Schuldbeitritt zunächst nur ein Basisentgelt in Höhe des nach HGB-Grundsätzen ermittelten Barwertes der bis zum Schuldbeitritt erdienten Anwartschaft des noch im Unternehmen tätigen Versorgungsberechtigten (120 000 €). Die Vergütung der nach dem Schuldbeitritt erdienten Anwartschaft soll durch jährliche Entgelterhöhungen erfolgen.
K hat die bislang passivierte Pensionsrückstellung nach § 6a EStG i. H. v. 100 000 € in der Bilanz zum vollständig gewinnerhöhend aufzulösen, da er von der gesamten Versorgungsverpflichtung freigestellt wird. Das gezahlte Basisentgelt von 120 000 € ist bis zur Höhe der aufgelösten Rückstellung sofort als Betriebsausgabe abzugsfähig. Der übersteigende Betrag von 20 000 € ist in den Wirtschaftsjahren 2013 bis 2027 gleichmäßig verteilt abzuziehen. Die in den folgenden Jahren für die neu erdienten Anwartschaften gezahlten Entgelterhöhungen sind uneingeschränkt in voller Höhe Betriebsausgabe.
F hat zum die gesamte übernommene Verpflichtung nach § 6a EStG zu bewerten (110 000 €). Unter Berücksichtigung der erhaltenen Zahlung von 120 000 € ergibt sich ein Gewinn von 10 000 €, für den nach § 5 Absatz 7 Satz 5 EStG eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden kann, die über 15 Jahre zu verteilen ist. Die Entgelte in den Folgejahren sind jeweils in vollem Umfang gewinnwirksam.
IV. Zeitliche Anwendung
29 Dieses Schreiben gilt in allen noch offenen Fällen. Das (a. a. O.) zur bilanziellen Behandlung von Schuldbeitrittsvereinbarungen und das (a. a. O.) zu den bilanzsteuerrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalten bei der Übernahme von schuldrechtlichen Verpflichtungen werden aufgehoben.
30 Hat der Freistellungsberechtigte abweichend von Randnummer 21 bislang aufgrund der in Randnummer 29 genannten BMF-Schreiben eine Rückstellung und einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Freistellungsverpflichteten angesetzt, ist es nicht zu beanstanden, wenn Rückstellung und Anspruch spätestens in dem Wirtschaftsjahr gewinnwirksam aufgelöst werden, das nach der Veröffentlichung dieses Schreibens im Bundessteuerblatt endet. Die Betriebsausgabenverteilung gemäß § 4f Absatz 2 i. V. m. Absatz 1 EStG kommt nur dann in Betracht, wenn die Vereinbarung auch ohne Anwendung der in Randnummer 29 genannten BMF-Schreiben in nach dem endenden Wirtschaftsjahren zu einem Aufwand geführt hätte.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
BMF v. - IV C 6 - S 2133/14/10001
Fundstelle(n):
BB 2017 S. 684 Nr. 12
KÖSDI 2016 S. 20073 Nr. 12
DAAAF-87333