Instanzenzug:
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten E. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten B. - unter Freisprechung im Übrigen - wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts und beim Angeklagten B. zusätzlich mit einer Verfahrensbeanstandung begründet sind. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Einzelstrafen in den Fällen II.2, 3, 6 und 8 der Urteilsgründe, soweit die Angeklagten insoweit abgeurteilt wurden, halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Strafkammer die Voraussetzungen der Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG zu Unrecht verneint hat.
3Während das Landgericht bei den Taten II.1, 4, 5 und 7 der Urteilsgründe von einem wesentlichen Aufklärungsbeitrag der Angeklagten ausgegangen ist und den Angeklagten, soweit sie für diese Taten verurteilt worden sind, die Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG zugebilligt hat, hat es die Anwendung des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG hinsichtlich der Taten II.2, 3, 6 und 8 der Urteilsgründe wegen Fehlens eines auch bei diesen Taten eingetretenen wesentlichen Aufklärungserfolgs abgelehnt. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Hat der Angeklagte durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich zur Aufdeckung einer Tat nach den §§ 29 bis 30a BtMG beigetragen, liegen die Voraussetzungen für eine Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG für alle Taten des Angeklagten vor, die mit der aufgedeckten Tat im Zusammenhang stehen, ohne dass es darauf ankommt, ob auch bezüglich dieser Taten ein wesentlicher Aufklärungserfolg bewirkt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. März 2015 - 3 StR 21/15, NStZ-RR 2015, 248; vom 5. August 2013 - 5 StR 327/13, NStZ 2014, 167; vom 10. April 2013 - 4 StR 90/13, StV 2013, 705 f.; Weber, BtMG, 4. Aufl., § 31 Rn. 41; Maier in MK-StGB, 2. Aufl., § 31 BtMG Rn. 112). Ein für § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG hinreichender Zusammenhang ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Taten eines Mittäters - wie hier - im Rahmen einer fortgesetzten Verkaufstätigkeit, an welcher der die Aufklärungshilfe leistende Angeklagte jedenfalls in Teilabschnitten beteiligt war, gegeben (vgl. aaO; Urteile vom 20. März 2014 - 3 StR 429/13, StV 2014, 619 f.; vom 20. Februar 1991 - 2 StR 608/90, BGHR BtMG § 31 Nr. 1 Tat 1). Die Strafkammer hätte daher auch in den Fällen II.2, 3, 6 und 8 der Urteilsgründe eine Ermessensentscheidung über die Gewährung der Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG treffen müssen.
4Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht den Gesamtstrafenaussprüchen die Grundlage. Die durch die fehlerhafte Anwendung des § 31 BtMG nicht berührten tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende neue Feststellungen sind möglich.
52. Hinsichtlich des Angeklagten E. kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils darüber hinaus nicht bestehen bleiben, soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB abgesehen worden ist.
6Nach den Feststellungen lag bei dem seit seiner Inhaftierung Anfang Mai 2015 abstinenten Angeklagten E. ein Cannabismissbrauch an der Grenze zur Abhängigkeit vor, aufgrund dessen er im Tatzeitraum täglich 4 bis 6 Gramm Marihuana konsumierte. Die im Zeitraum von März bis Mai 2015 in acht Fällen erworbenen Marihuanamengen dienten jeweils auch der Befriedigung des Eigenbedarfs. Das Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 64 StGB hat das Landgericht verneint, weil durch den Cannabismissbrauch die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Angeklagten, der bis Januar 2015 seiner Mutter täglich mehrere Stunden in deren Kiosk aushalf und sich im März 2015 erfolgreich um eine Arbeitsstelle bewarb, nicht beeinträchtigt war. Diese Begründung hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
7Für einen Hang gemäß § 64 StGB ausreichend ist eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Konsum von Rauschmittel ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 - 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113, 114; vom 21. August 2012 - 4 StR 311/12, RuP 2013, 34). Letzteres ist der Fall bei der Begehung von zur Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienender Beschaffungstaten (vgl. Rn. 5; Urteil vom 10. November 2004 - 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210). Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt die Bejahung eines Hangs nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 - 1 StR 482/15 aaO; vom 21. August 2012 - 4 StR 311/12 aaO; vom 12. April 2012 - 5 StR 87/12, NStZ-RR 2012, 271; vom 1. April 2008 - 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198, 199).
8Da das Landgericht mithin von einem zu engen Verständnis des Hangs im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist, bedarf die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt, deren Voraussetzungen nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht fernliegen, einer neuen tatrichterlichen Prüfung und Entscheidung. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht einer Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; , BGHSt 37, 5, 9).
Fundstelle(n):
SAAAF-84052