Betriebliche Altersversorgung - Versorgungszusage
Gesetze: § 1 BetrAVG, § 3 BetrAVG
Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 22 Ca 2300/12 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 6 Sa 31/14 Urteil
Tatbestand
1Der Kläger begehrt von der Beklagten die Weiterleitung von Rentenleistungen, die eine Versicherung aufgrund eines Versicherungsvertrags im Hinblick auf eine Versorgungszusage einer Rechtsvorgängerin der Beklagten erbringt.
2Der im Mai 1940 geborene Kläger war vom bis zum bei den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, zunächst bei der F GmbH, seit dem bei der S GmbH und anschließend bei der I GmbH (im Folgenden I) beschäftigt.
3Am trat bei der F GmbH ein Versorgungsplan im Durchführungsweg einer Direktversicherung (im Folgenden VP 67) in Kraft, der auf das Arbeitsverhältnis des Klägers auch während der gesamten Beschäftigungszeit bei der S GmbH Anwendung fand. Der VP 67 bestimmt auszugsweise:
4Ab errichtete die I ein einheitliches Versorgungswerk für alle Mitarbeiter des Unternehmens (im Folgenden I-Versorgungswerk). Die der Versorgungseinrichtung zugrunde liegenden Richtlinien wurden nicht in das Verfahren eingeführt. In einer Broschüre zu diesem Versorgungswerk (im Folgenden I-Broschüre) heißt es auszugsweise:
5Am unterzeichnete der Kläger eine Beitrittserklärung zum I-Versorgungswerk, die auszugsweise lautet:
6Mit Schreiben vom teilte die I den Mitarbeitern, die eine Beitrittserklärung abgegeben hatten, ua. Folgendes mit:
7Der Kläger sandte die beigefügte Erklärung nicht zurück. Zum schied er aus dem Arbeitsverhältnis mit der I aus. Im Mai 1988 teilte der für die I tätige Finanzdienstleister dem Kläger mit, dass ihm zusätzlich zu dem unverfallbaren Anspruch aus der Versorgungszusage der I der Teil der Versicherung übertragen werde, zu welchem er eigene Beiträge gezahlt habe und ihm aus dieser Versicherung ein Betrag iHv. 4.115,92 DM zur Verfügung stehe. Die I zahlte diesen Betrag in der Folge an den Kläger aus. Seit dem bezieht der Kläger eine vorgezogene gesetzliche Altersrente und erhält Leistungen der betrieblichen Altersversorgung von der Beklagten.
8Mit Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger ua. Folgendes mit:
9Der Kläger stellte daraufhin mit Schreiben vom einen entsprechenden Antrag auf Gewährung einer Direktversicherungsrente von der V Versicherung. Ab dem zahlte die Beklagte zusätzlich zu der seit Februar 2004 gewährten Betriebsrente monatlich einen Betrag iHv. 65,64 Euro an den Kläger.
10Mit Schreiben vom eröffnete die Beklagte dem Kläger, in der Vergangenheit die Versorgungsleistungen fehlerhaft berechnet und die Zahlungen aus der Direktversicherung fälschlicherweise zusätzlich zu denen aus dem I-Versorgungswerk erbracht zu haben. Sie kündigte eine korrigierte Berechnung mit Wirkung zum an und stellte ab diesem Zeitpunkt die Zahlung des zusätzlich zur Betriebsrente gezahlten Monatsbetrags von 65,64 Euro ein.
11Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - zuletzt die Auffassung vertreten, er habe über die von der Beklagten gezahlte Betriebsrente iHv. 235,50 Euro hinaus einen Anspruch auf Zahlung von monatlich 65,64 Euro nach dem VP 67. Die im Jahr 1988 erhaltene Versicherungsleistung iHv. 4.115,92 DM betreffe nur die von ihm selbst finanzierten Beiträge. Der Anspruch aus den arbeitgeberfinanzierten Beiträgen nach dem VP 67 bestehe weiter. Aufgrund der Beitragsleistungen der F bzw. S GmbH iHv. 60 vH und seiner eigenen iHv. 40 vH sowie der langjährigen Zahlung habe er davon ausgehen dürfen, dass der von der Beklagten bis 2010 geleistete zusätzliche Monatsbetrag von 65,64 Euro auf den Arbeitgeberbeiträgen beruhte und korrekt berechnet worden sei. Im Übrigen folge der Anspruch bereits aus der nahezu sechsjährigen vorbehaltslosen Gewährung durch die Beklagte.
12Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
13Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
14Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger über den hinaus vorbehaltlich etwaiger zukünftiger Anpassungen der laufenden Leistungen gemäß § 16 BetrAVG ab dem einen Versorgungsbetrag iHv. 235,50 Euro, davon 34,25 Euro netto zu zahlen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge im Umfang der Abweisung durch das Landesarbeitsgericht weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
15Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die zuletzt noch in der Revision begehrte Weiterleitung eines Betrags iHv. 65,64 Euro nach dem VP 67.
16I. Streitgegenstand im Revisionsverfahren ist die Zahlung von monatlich 65,64 Euro nach dem VP 67. Soweit der Kläger zusätzlich rügt, die Beklagte habe seine ruhegehaltsfähigen Dienstmonate nicht zutreffend berechnet, hat ein sich hieraus ergebender Erhöhungsbetrag der Betriebsrente nach dem I-Versorgungswerk weder in den Vorinstanzen noch in der Revisionsinstanz Eingang in seinen Klageantrag gefunden. Dies ist daher nicht Streitgegenstand geworden, zumal es auch an der erforderlichen Klarstellung fehlt, das Begehren werde zumindest hilfsweise geltend gemacht.
17II. Die Revision ist unbegründet.
181. Soweit der Kläger seinen Anspruch auf betriebliche Übung stützt, ist die Berufung unzulässig. Im Übrigen ist sie zulässig.
19a) Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung. Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Fehlt es an einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Begründung der Berufung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht die Revision zurückzuweisen. Unerheblich ist, dass das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers insgesamt als zulässig angesehen hat (vgl. etwa - Rn. 14 mwN).
20b) Eine Berufungsbegründung genügt den gesetzlichen Anforderungen nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen. Bezieht sich das Rechtsmittel auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn, ist zu jedem Anspruch eine ausreichende Begründung zu geben. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Begründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängt (sh. etwa - Rn. 15 mwN).
21c) Die Berufungsbegründung des Klägers genügt diesen Anforderungen nicht, soweit sie sich zur Begründung des Anspruchs auf eine betriebliche Übung stützt. Diese stellt einen eigenen Streitgegenstand und damit einen eigenen Anspruch im prozessualen Sinn dar.
22aa) Das Arbeitsgericht hat angenommen, der Kläger könne aufgrund der - auch über Jahre hinweg erfolgten - Zahlung von 65,64 Euro nicht davon ausgehen, es handele sich um eine freiwillige Leistung der Beklagten, da sich aus der Ausweisung dieses Betrags als „Versorgungsbezug steuerfrei“ in den Verdienstabrechnungen ergebe, dass mit der Überweisung lediglich eine Verpflichtung erfüllt werden sollte. Es hat weiter gemeint, der Kläger sei offensichtlich selbst von einem bloßen Erfüllungswillen der Beklagten ausgegangen, weil er den streitigen Betrag letztlich als zweite Betriebsrente nach dem VP 67 neben derjenigen nach dem I-Versorgungswerk beanspruche.
23bb) Mit dieser Begründung setzt sich die Berufung nicht hinreichend auseinander. Der Kläger macht lediglich geltend, er habe nach einer nahezu sechsjährigen Gewährung der Betriebsrente und der Erteilung entsprechender Abrechnungen „über Versorgungsbezüge und Versorgungsbezüge steuerfrei iHv. 65,64 Euro“ davon ausgehen müssen, es handele sich um einen Betrag, der von der S GmbH - ehemals F GmbH - nach dem VP 67 zu zahlen sei. Hierin liegt keine Befassung mit den Argumenten des Arbeitsgerichts. Die Berufungsbegründung lässt Ausführungen dazu vermissen, weshalb die Annahme des Arbeitsgerichts, die Beklagte habe mit der Zahlung der 65,64 Euro lediglich eine Verpflichtung erfüllen wollen, wovon der Kläger selbst auch ausgegangen sei, fehlerhaft sein könnte. Der Kläger beschränkt sich - insoweit nicht ausreichend - in seiner Berufung lediglich auf die Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags.
24d) Im Übrigen genügt die Berufungsbegründung den gesetzlichen Anforderungen. Das Arbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe seinen Anspruch nicht schlüssig dargelegt. Durch ihre detailreiche chronologische Schilderung der Abläufe setzt sich die Berufung in hinreichender Weise mit der vom Arbeitsgericht gegebenen Begründung auseinander.
252. Die Klage ist zulässig, insbesondere bestimmt genug iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem Antragsbestandteil „vorbehaltlich etwaiger zukünftiger Anpassungen der laufenden Leistungen gemäß § 16 BetrAVG“ im Feststellungantrag kommt keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr wollte der Kläger mit dieser Formulierung zum Ausdruck bringen, dass er sich eine Geltendmachung künftiger Anpassungen nach den Regelungen des BetrAVG vorbehält.
263. Die Klage ist unbegründet, soweit der Kläger - über die rechtskräftig vom Landesarbeitsgericht zugesprochene höhere Betriebsrente nach dem I-Versorgungswerk hinaus - von der Beklagten die Zahlung weiterer 65,64 Euro monatlich ab dem nach dem VP 67 fordert. Ein derartiger Anspruch besteht nicht, da der VP 67 wirksam durch das I-Versorgungswerk ersetzt wurde.
27a) Der Kläger hat mit seiner ehemaligen Arbeitgeberin, der I, die Ablösung seiner Versorgungsansprüche nach dem VP 67 vereinbart, indem er von der ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, dem I-Versorgungswerk beizutreten. Dies folgt aus der vom Kläger unterzeichneten Beitrittserklärung vom .
28aa) Zwar verhält sich der Wortlaut der Beitrittserklärung selbst nicht dazu, ob mit dem Beitritt zum I-Versorgungswerk die Ansprüche nach dem VP 67 abgelöst werden. Das folgt jedoch - für den Kläger erkennbar - aus den Bedingungen des I-Versorgungswerks. Diese sind mit hinreichender Sicherheit aus der, der Beitrittserklärung beigefügten, I-Broschüre zu ersehen.
29Bereits dem Anschreiben zu der Broschüre konnte der Kläger entnehmen, dass seine damalige Arbeitgeberin ab ein neues, einheitliches Versorgungswerk für alle Mitarbeiter errichten wollte. Dies spricht gegen eine Absicht der I, den Arbeitnehmern gleichzeitig Ansprüche aus unterschiedlichen Versorgungswerken zu gewähren. Bestätigt wird dies durch die unter „Verschiedenes“ getroffene Aussage, die Rentenleistungen des I-Versorgungswerks seien nicht geringer als die der vorangegangenen Versorgungswerke. Diese Erklärung wäre überflüssig, wenn die I den Arbeitnehmern Betriebsrenten nach beiden Versorgungswerken hätte zusagen wollen.
30Auch die unter den Abschnitten „Berechnungsgrundlagen Anrechenbare Dienstzeit“ und „Altersrente / Invalidenrente“ geregelte Teilanrechnung von Dienstzeiten bei der S GmbH lässt erkennen, dass mit einem Beitritt zum I-Versorgungswerk die Ansprüche nach dem VP 67 abgelöst werden sollen. Mit dieser Bestimmung erfasst das I-Versorgungswerk auch nach dem VP 67 erworbene Anwartschaften. Dass die neue Versorgungsordnung keine Regelung über einen Besitzstand für bereits erworbene Anwartschaften enthält und die Anrechnung von Dienstzeiten bei der S GmbH nur begrenzt erfolgt, ändert - entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Ansicht - hieran nichts. Träfe die Ansicht des Klägers zu, folgte daraus eine teilweise Doppelanrechnung dieser Dienstzeiten. Für einen entsprechenden Willen der I bestehen keine Anhaltspunkte.
31bb) Für diese Auslegung spricht auch das Schreiben der I vom . Durch diese zeitnah zur Beitrittserklärung des Klägers eingeräumte ausdrückliche Möglichkeit, zwischen den beiden Versorgungswerken zu wählen, hat die I verdeutlicht, dass ein Beitritt zu ihrem Versorgungswerk mit einer Ablösung der Zusage nach dem VP 67 verbunden sein sollte.
32Der Kläger hat im Übrigen die dem Schreiben vom beigefügte Erklärung, weiterhin an dem bisherigen VP 67 teilnehmen zu wollen, nicht abgegeben und seine Beitrittserklärung zum I-Versorgungswerk auch nicht widerrufen. Offenbleiben kann, ob er damit erneut sein Einverständnis erklärt hat, dass sich seine betriebliche Altersversorgung allein nach dem I-Versorgungswerk und nicht (zusätzlich) nach dem VP 67 richten sollte. Jedenfalls hat er sich nicht für eine Weitergeltung des VP 67 entschieden.
33cc) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom . Dies kann schon deshalb nicht für die Auslegung der früheren Parteierklärungen herangezogen werden, weil es lediglich eine Mitteilung der Beklagten über die Ergebnisse der Auswertung der bei ihr befindlichen Unterlagen beinhaltet. Damit bietet es keinen Anhaltspunkt für das Verständnis der Regelungen des I-Versorgungswerks zum Zeitpunkt seiner Errichtung.
34b) Die Vereinbarung über die Anwendung des I-Versorgungswerks anstelle des vorher geltenden VP 67 begegnet auch vor dem Hintergrund des § 3 BetrAVG keinen rechtlichen Bedenken. Den Parteien steht es im laufenden Arbeitsverhältnis frei, die erteilte Versorgungszusage einvernehmlich, ggf. auch zum Nachteil des Arbeitnehmers, zu ändern ( - Rn. 25 mwN).
35III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:190716.U.3AZR88.15.0
Fundstelle(n):
FAAAF-83511