Ortsübliche Miete im Fall der verbilligten Überlassung von Wohnraum
Leitsatz
Unter ortsüblicher Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung ist die ortsübliche Bruttomiete —d.h. die Kaltmiete zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung umlagefähigen Kosten— zu verstehen.
Gesetze: EStG § 9 Abs. 1; EStG § 21 Abs. 2;
Instanzenzug: ,
Tatbestand
1 I. Die Beteiligten streiten um den Werbungskostenabzug bei verbilligter Vermietung nach § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
2 Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielten im Streitjahr 2011 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer in L. gelegenen Wohnung. Die Wohnung war an die Mutter des Klägers vermietet. Die im Jahr 2011 vereinnahmte Kaltmiete betrug 2.900,04 €. Nebenkostenvorauszahlungen wurden in Höhe von 1.829,27 € geleistet. Die Kläger erklärten in ihrer Anlage V Einnahmen in Höhe von 3.024 € sowie Werbungskosten in Höhe von 11.228 €.
3 Im Rahmen der Einkommmensteuerveranlagung für das Streitjahr 2011 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die von den Klägern ermittelten negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 8.204 € im Einkommensteuerbescheid 2011 vom nicht.
4 Der dagegen eingelegte Einspruch hatte teilweise Erfolg. Das FA berücksichtigte in der Einspruchsentscheidung vom negative Vermietungseinkünfte in Höhe von ./. 2.378 €. Zur Begründung führte es aus: Die Werbungskosten für die Vermietung der Wohnung könnten nur in Höhe von 62,28 % von 11.183 € = 6.965 € berücksichtigt werden. Denn die von der Mutter des Klägers gezahlte Kaltmiete in Höhe von 2.900,04 € habe nur 62,28 % der ortsüblichen Kaltmiete in Höhe von 4.656 € betragen. Da die Überschussprognose für einen Zeitraum von 30 Jahren negativ sei, seien die Werbungskosten anteilig aufzuteilen. Zudem könne ein Teil der Kosten nicht anerkannt werden.
5 Das Finanzgericht (FG) wies die von den Klägern dagegen erhobene Klage ab. Zur Begründung führte es aus, das FA habe zu Recht die geltend gemachten Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung nur in Höhe von 62,28 % berücksichtigt. Das Entgelt für die Überlassung der Wohnung habe 62,28 % der ortsüblichen Marktmiete betragen. Die durchgeführte Überschussprognose sei negativ ausgefallen. Vergleichsmiete i.S. des § 21 Abs. 2 EStG sei die ortsübliche Kaltmiete, nicht die Warmmiete. Betriebskosten seien nicht in die Vergleichsrechnung einzubeziehen.
6 Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Sie bringen vor, bei der Berechnung nach § 21 Abs. 2 EStG seien die Warmmieten und nicht die Kaltmieten zugrunde zu legen. Da die ortsübliche Kaltmiete auf der Grundlage des Mietspiegels für die Wohnung 4.080 € betrage, liege unter Berücksichtigung der Betriebskosten in Höhe von 1.829,67 € die Entgeltlichkeitsquote bei 80,03 % und damit über 75 % der ortsüblichen Vergleichsmiete. Die Werbungskosten seien daher in vollem Umfang abzugsfähig.
7 Die Kläger beantragen sinngemäß,
das aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2011 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend abzuändern, dass aus der Vermietung der Wohnung Werbungskosten in Höhe von insgesamt 11.183 € zu berücksichtigen sind.
8 Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
9 Das FA führt aus, richtigerweise sei auf die Warmmiete abzustellen. Allerdings betrage die Entgeltlichkeitsquote nur 72,92 %. Denn die ortsübliche Miete für die Wohnung betrage unter Berücksichtigung des ortsüblichen Mietspiegels nicht 4.080 €, sondern sei vielmehr auf der Grundlage der Feststellungen des FG mit 4.656 € anzusetzen. Daher sei nur in Höhe der Differenz von knapp 10 % der Werbungskostenabzug noch zu gewähren. Allerdings habe das FG keine Feststellungen zu der im Mietspiegel enthaltenen Mietpreisspanne getroffen.
Gründe
10 II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
11 1. Das FG hat rechtsfehlerhaft im Rahmen des § 21 Abs. 2 EStG für die Berechnung der Entgeltlichkeitsquote die ortsübliche Kalt- anstelle der Warmmiete zugrunde gelegt. Dabei ist unter ortsüblicher Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung die ortsübliche Kaltmiete zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung —BetrKV— (vom , BGBl I 2003, 2346) umlagefähigen Kosten zu verstehen (vgl. u.a. , BFH/NV 2001, 305, m.w.N.; R 21.3 der Einkommensteuer-Richtlinien 2008; ofix HE EStG/21/23, unter 1.; ESt-Kartei BW § 21 EStG Fach 6 Nr. 3.1; Blümich/Schallmoser, EStG, § 21 Rz 543; Eggers in Korn, § 21 EStG Rz 135; Schmidt/Kulosa, 34. Aufl., § 21 Rz 159; Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 21 Rz 77; Kanzler/Kraft/Bäuml, § 21 EStG Rz 156; Pfirrmann in Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG, § 21 EStG Rz 206).
12 2. Das Urteil des FG kann daher keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Die Sache ist allerdings nicht spruchreif. Das FG hat Feststellungen zur ortsüblichen Miete nachzuholen. Dazu hat es die ortsübliche Kaltmiete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung unter Einbeziehung der Spannen des örtlichen Mietspiegels zuzüglich der nach der BetrKV umlagefähigen Kosten festzustellen. Auf dieser Grundlage hat es die Entgeltlichkeitsquote und damit die Höhe des Werbungskostenabzugs im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung neu zu ermitteln (vgl. , BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646).
13 3. Die Kostenentscheidung bleibt dem FG vorbehalten (§ 143 Abs. 2 FGO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
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Fundstelle(n):
BStBl 2016 II Seite 835
BB 2016 S. 2198 Nr. 37
BFH/NV 2016 S. 1610 Nr. 11
BFH/PR 2016 S. 368 Nr. 12
BStBl II 2016 S. 835 Nr. 19
DB 2016 S. 2157 Nr. 37
DB 2016 S. 6 Nr. 36
DStR 2016 S. 2092 Nr. 36
DStRE 2016 S. 1140 Nr. 18
EStB 2016 S. 362 Nr. 10
FR 2017 S. 158 Nr. 3
GStB 2016 S. 45 Nr. 12
HFR 2016 S. 906 Nr. 10
KSR direkt 2016 S. 6 Nr. 10
KÖSDI 2016 S. 19995 Nr. 10
NJW-RR 2016 S. 1417 Nr. 23
NWB-Eilnachricht Nr. 37/2016 S. 2771
StB 2016 S. 246 Nr. 9
StuB-Bilanzreport Nr. 18/2016 S. 711
LAAAF-81432