BGH Beschluss v. - VI ZR 402/15

Instanzenzug: SchlHOLG

Gründe

I.

1Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen angeblicher Falschberatung bezüglich des Erwerbs von Wertpapieren.

2Die Beklagten waren alleinige Vorstände der zwischenzeitlich insolventen A. AG, die unter anderem im Bereich der Anlageberatung tätig war und ihre Erträge insbesondere durch Provisionen der Emittenten der empfohlenen Anlagen erwirtschaftete. Die Klägerin erwarb jeweils nach telefonischer Beratung und auf Empfehlung eines für die A. AG tätigen Kundenberaters im Zeitraum vom bis verschiedene Wertpapiere, darunter Genussscheine, zum Preis von insgesamt 117.567,73 €.

3Die Klägerin hat unter anderem behauptet, sie sei nicht hinreichend über die mit den Anlagen verbundenen Risiken - insbesondere das Teil- und Totalverlustrisiko - aufgeklärt worden. Dafür seien die Beklagten verantwortlich, da sie ihre Kundenberater systematisch zu einer fehlerhaften Anlageberatung veranlasst hätten.

4Soweit sie Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist, hat die Klägerin mit ihrer Klage Schadensersatz in Höhe der für die Wertpapiere gezahlten Kaufpreise abzüglich erzielter Erträge und Erlöse Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche aus den von ihr noch gehaltenen Wertpapieren sowie Ersatz entgangener Anlagezinsen und außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten jeweils nebst Verzugszinsen verlangt. Ferner hat sie die Feststellung begehrt, dass sich die Beklagten mit den Gegenleistungen in Annahmeverzug befinden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die dagegen geführte Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

5Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat Erfolg und führt im Umfang der Anfechtung gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die Klägerin rügt zu Recht, das Berufungsgericht habe ihren Anspruch aus Art. 103 Abs. 1 GG auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

61. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin verneint. Zur Begründung der Klageabweisung hat es, soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Interesse, ausgeführt, die Beklagten hafteten der Klägerin nicht nach § 826 BGB. Zwar seien die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung bei einer strukturell von den Beklagten als Vorstände der A. AG zu verantwortenden nicht anlegergerechten Beratung erfüllt. Die Klägerin behaupte insoweit, im Rahmen einer von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K. genommenen Stichprobe hätten sich in den Depots sämtlicher 1.111 von der Stichprobe erfasster Anleger Genussscheine der Risikoklassen 3 und 4 befunden, obwohl die Anleger den Risikoklassen 1 und 2 zuzuordnen gewesen seien. Wenn aus einer Stichprobe von 1.111 Anlegern mit Genussscheinen im Depot sämtliche dieser Anleger nicht anlegergerecht beraten worden sein sollten, trage dies zur Überzeugung des Berufungsgerichts den Schluss auf flächendeckende nicht anlegergerechte Beratung und sittenwidriges Handeln der Beklagten.

7Der Vortrag der Klägerin zur Stichprobe sei aber widersprüchlich und damit unbeachtlich. Denn die Klägerin trage einander widersprechende Indizien vor: So behaupte sie einerseits, im Rahmen einer von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K. genommenen Stichprobe, Prüfungszeitraum bis , hätten sich in den Depots sämtlicher 1.111 in der Stichprobe erhobener Anleger Genussscheine der Risikoklassen 3 und 4 befunden, obwohl die Anleger den Risikoklassen 1 und 2 zuzuordnen gewesen seien. Andererseits trage sie vor, die Regelprüfung der A. AG nach § 36 WpHG für den Zeitraum bis habe ergeben, dass von insgesamt 40.470 Kunden (nur) 658 Kunden Wertpapierbestände in ihrem Depot gehabt hätten, die nicht zu ihrer Anlageklasse, sprich zu ihrer Risikoeinstufung passten.

8Zudem sei es der Klägerin nicht gelungen, ihre Behauptung zu beweisen. Die von ihr insoweit benannten Zeugen B. und T. seien nicht zu vernehmen gewesen. Zwar weise die Klägerin zu Recht darauf hin, dass die Zeugen B. und T. als von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: BaFin) nach § 4 Abs. 3 FinDAG beauftragte Wirtschaftsprüfer keine "Personen des öffentlichen Dienstes" im Sinne des § 376 Abs. 1 ZPO seien und nicht der Amtsverschwiegenheit unterlägen. Ihr Zeugnisverweigerungsrecht richte sich deshalb nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Eine Vernehmung der Zeugen scheide aber nach § 383 Abs. 3 ZPO aus. Denn die Befragung der Zeugen zur inhaltlichen Richtigkeit des KPMG-Berichts könne sich zwangsläufig nicht auf eine bloße Bestätigung der Ergebnisse ohne nähere Erläuterungen, auch zu Kundendaten, beschränken und sei damit von vornherein ausschließlich auf offensichtlich unter die Verschwiegenheitspflicht der Zeugen nach § 8 WpHG und § 9 KWG fallende Tatsachen gerichtet.

92. Diese Ausführungen verletzen die Klägerin in entscheidungserheblicher Weise in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

10a) Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass ein sittenwidriges Handeln der Beklagten nach dem Sachvortrag der Klägerin zu bejahen wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Anlageberater, der vorsätzlich eine anleger- und objektwidrige Empfehlung abgibt und die Schädigung des um Rat fragenden Anlegers zumindest billigend in Kauf nimmt, dem Anleger wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verpflichtet (Urteil vom - XI ZR 170/07, BGHZ 175, 276 Rn. 29). Dementsprechend handelt auch sittenwidrig, wer - wie von der Klägerin in Bezug auf die Beklagten behauptet - als Leiter eines mit Anlageberatung befassten Unternehmens ein System etabliert, das darauf gerichtet ist, den Kunden unter planmäßiger Falschberatung ihren Interessen und ihrer Risikobereitschaft nicht entsprechende risikobehaftete Anlagen zu empfehlen (Senatsbeschluss vom - VI ZR 302/14, [...] Rn. 13; vgl. auch Senatsurteil vom - VI ZR 463/14, VersR 2015, 1574 Rn. 24).

11b) In ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG) hat das Berufungsgericht die Klägerin dadurch, dass es die von ihr benannten Zeugen B. und T. nicht vernommen hat.

12aa) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Gerichte, erheblichen Beweisanträgen nachzugehen. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze findet, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG (Senatsbeschluss vom - VI ZR 118/13, VersR 2015, 338 Rn. 4; , [...] Rn. 7; BVerfGE 69, 141, 143 f.; BVerfG, WM 2012, 492, 493; NJW 1993, 254; teilweise mwN). Davon ist im Streitfall auszugehen.

13bb) Die von der Klägerin unter Beweis gestellte Behauptung, bei einer von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K. für den Zeitraum vom bis durchgeführten Stichprobe von 1.111 Anlegern mit Genussscheinen im Depot hätten sämtliche Anleger Genussscheine der Risikoklassen 3 und 4 im Depot gehabt, obwohl sie den Risikoklassen 1 und 2 zuzuordnen gewesen wären, war aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts erheblich. Denn das Berufungsgericht hat selbst ausgeführt, dass ein solches Stichprobenergebnis zu seiner Überzeugung den Schluss auf flächendeckend nicht anlegergerechte Beratung und sittenwidriges Handeln der Beklagten getragen hätte.

14cc) Auch ist die unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb unbeachtlich, weil die Klägerin den tatbestandlichen Feststellungen im Berufungsurteil zufolge auch behauptet hat, die Regelprüfung der A. AG nach § 36 WpHG für den Zeitraum vom bis habe ergeben, dass von insgesamt 40.470 Kunden (nur) 658 Kunden Wertpapierbestände in ihrem Depot gehabt hätten, die nicht zu ihrer Anlageklasse, sprich zu ihrer Risikoeinstufung passten. Zwar kann es an einem ordnungsgemäßen Beweisantritt fehlen, wenn der Vortrag der beweisbelasteten Partei in Bezug auf die unter Beweis gestellte Behauptung widersprüchlich ist (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 199/86, VersR 1988, 158). Ein solcher Widerspruch findet sich im Vortrag der Klägerin aber nicht. Denn die Ergebnisse der Stichprobe der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K. können auch dann zutreffend sein, wenn eine anderweitig durchgeführte Prüfung zu einem anderen Ergebnis gelangt ist. Ob - wie von der Klägerin behauptet - die Ergebnisse der von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K durchgeführten Stichprobe zutreffen, ist im Rahmen der Beweiswürdigung zu beurteilen, bei der etwa widersprechende Ergebnisse einer anderen Prüfung zwar von Relevanz sein können, die aber unter Beachtung des Verbots der vorweggenommenen Beweiswürdigung erst dann abschließend durchgeführt werden darf, wenn allen erheblichen Beweisantritten nachgegangen worden ist.

15dd) § 376 Abs. 1 ZPO steht der Vernehmung der Zeugen B. und T. - was das Berufungsgericht zutreffend sieht - nicht entgegen. Die Zeugen unterliegen als aufgrund einer Beauftragung nach § 4 Abs. 3 FinDAG für die BaFin tätige Wirtschaftsprüfer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K. bereits nicht der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, die § 376 ZPO voraussetzt (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 441/14, VersR 2016, 617 Rn. 9 ff.).

16ee) Anders als es meint, war das Berufungsgericht an der Vernehmung der Zeugen B. und T. auch nicht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 ZPO gehindert (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 441/14, VersR 2016, 617 Rn. 19 ff.).

17Nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind Personen, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der Tatsachen, auf welche sich die Verpflichtung zur Verschwiegenheit bezieht, zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt. Dass sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht, dessen Bestehen und Reichweite im konkreten Fall der vollen tatrichterlichen Prüfung unterliegt (vgl. § 387 Abs. 1 ZPO), Gebrauch machen wollen, haben B. und T. bislang nicht erklärt. Schon deshalb wären sie grundsätzlich zu vernehmen gewesen (vgl. § 386 Abs. 3 ZPO).

18Anderes ergibt sich auch nicht aus § 383 Abs. 3 ZPO. Nach dieser Vorschrift soll das Gericht selbst dann, wenn ein nach § 383 Abs. 1 Nr. 4 bis 6 ZPO zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge zur Aussage bereit ist, nur solche Fragen stellen bzw. zulassen, durch deren Beantwortung der Zeuge nicht erkennbar gegen Verschwiegenheitspflichten verstößt (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Auflage, § 383 Rn. 22). Regelmäßig beschränkt die Vorschrift mithin allein den Kreis der im Rahmen einer Vernehmung zulässigen Fragen, macht aber die Vernehmung des angebotenen Zeugen als solche weder unzulässig noch entbehrlich (vgl. MüKoZPO/Damrau, 4. Aufl., § 383 Rn. 42). Ob - ausnahmsweise - anderes gelten kann, wenn von vornherein offensichtlich ist, dass der Zeuge mit jeder Aussage zum Beweisthema gegen seine Verschwiegenheitspflicht verstieße, kann offenbleiben. Denn eine solche Konstellation ist im Streitfall weder hinsichtlich der sich aus § 8 Abs. 1 Satz 1 WpHG, § 9 Abs. 1 Satz 1 KWG ergebenden Verschwiegenheitspflicht (1) noch hinsichtlich derjenigen aus § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO (2) gegeben.

19(1) Die sich aus § 8 WpHG und § 9 KWG ergebende und von § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO geschützte Verschwiegenheitspflicht der Zeugen B. und T. ist nicht allumfassend. Sie greift ihrem Schutzzweck entsprechend nur, wenn Geheimhaltungsinteressen der beaufsichtigten Marktteilnehmer oder sonstiger Dritter betroffen sind (Schlette/Bouchon in Fuchs, WpHG, § 8 Rn. 8).

20(a) Ob und inwieweit durch eine Aussage der Zeugen B. und T. Geheimhaltungsinteressen der A. AG betroffen wären und ob sich eine daraus ggf. ergebende Verschwiegenheitspflicht der Zeugen B. und T. auch im Streitfall dadurch ausräumen lässt, dass der Insolvenzverwalter der A. AG, wozu er grundsätzlich befugt ist (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 441/14, VersR 2016, 617 Rn. 23), die Zeugen von dieser Verpflichtung entbindet oder sogar - wie die Nichtzulassungsbeschwerde behauptet - bereits entbunden hat, vermag der Senat auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend zu beurteilen.

21(b) Auch kann entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass von § 8 WpHG und § 9 KWG geschützte Geheimhaltungsinteressen sonstiger Dritter einer Aussage der Zeugen B. und T. in vollem Umfang entgegenstehen. Zwar begründet allein das Interesse an der Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruchs im Allgemeinen keine Befugnis zur Offenbarung von Tatsachen im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 WpHG oder des § 9 Abs. 1 Satz 1 KWG. Dies folgt daraus, dass § 8 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 WpHG und § 9 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KWG eine Weitergabe von Tatsachen an Strafverfolgungsbehörden oder an für Straf- und Bußgeldsachen zuständige Gerichte ausdrücklich gestatten, dass es aber in Bezug auf Zivilprozesse an einer entsprechenden Regelung fehlt (vgl. Hess. VGH, NVwZ 2010, 1036, 1044; VG Minden, WM 2011, 1130, 1134 f.; KK-WpHG/Möllers/Wenninger, 2. Aufl., § 8 WpHG Rn. 48; Beck in Schwark/Zimmer, WpHG, 4. Aufl., § 8 Rn. 24; Schlette/Bouchon in Fuchs, WpHG, § 8 Rn. 21; Bruchwitz in Just/Voß/Ritz/Becker, WpHG, § 8 Rn. 12; Lindemann in Boos/Fischer/SchulteMattler, KWG, 4. Aufl., § 9 Rn. 20; Brocker in Schwennicke/Auerbach, KWG, 2. Aufl., § 9 Rn. 16). Das Gesetz misst damit dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse in der Abwägung mit den von § 8 WpHG und § 9 KWG geschützten Geheimhaltungsinteressen ein höheres Gewicht bei als dem Interesse an der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche. Über Tatsachen, deren Geheimhaltung nicht nur im Interesse der A. AG, sondern auch im Interesse eines Dritten liegt, insbesondere über dessen personenbezogene Daten (§ 8 Abs. 1 Satz 1 WpHG), dürfen die Zeugen deshalb nur aussagen, wenn und soweit der Dritte in die Offenbarung eingewilligt hat. Das gilt insbesondere für identifizierende Angaben über einzelne von der Stichprobe erfasste ehemalige Kunden der A. AG, einschließlich der Tatsache, dass überhaupt eine Kundenbeziehung bestand (vgl. BT-Drucks. 12/6679 S. 42; KK-WpHG/Möllers/Wenninger, 2. Aufl., § 8 WpHG Rn. 22, 27; Beck in Schwark/Zimmer, WpHG, 4. Aufl., § 8 Rn. 8; Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 4. Aufl., § 9 Rn. 8, 10; Brocker in Schwennicke/Auerbach, KWG, 2. Aufl., § 9 Rn. 1, 11). Den Zeugen ist es dadurch aber insbesondere nicht verwehrt, in anonymisierter Weise über die Zusammensetzung der von ihnen geprüften Depots sowie ihr Vorgehen bei der Prüfung selbst zu berichten. Dass dem Berufungsgericht entsprechende Angaben der Zeugen genügt hätten, sich davon zu überzeugen, dass die unter Beweis gestellten Behauptungen der Klägerin zutreffen, ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen und kann ohne Verstoß gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung erst dann beurteilt werden, wenn die Zeugen im zulässigen Rahmen vernommen worden sind.

22(2) Schließlich ergibt sich eine das Beweisthema erschöpfende Schweigepflicht der Zeugen B. und T. auch nicht aus § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO. Zwar unterliegen die Zeugen als Wirtschaftsprüfer auch der allgemeinen berufsrechtlichen Pflicht zur Verschwiegenheit. Diese schützt regelmäßig aber nur den Auftraggeber (vgl. Maxl in Hense/Ulrich, WPO, 2. Aufl., § 43 Rn. 119, 140). An der Weitergabe von Tatsachen, die allein Dritte betreffen, zu denen kein Mandatsverhältnis besteht, ist der Wirtschaftsprüfer durch § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO grundsätzlich nicht gehindert (vgl. Maxl, aaO 140; zu § 57 StBG auch Koslowski, StBG, 7. Aufl., § 57 Rn. 62). Die Erkenntnisse, die die Zeugen bei der von der Bundesanstalt beauftragten Prüfung der A. AG gewonnen haben und die sie offenbaren sollen, betreffen nicht die Verhältnisse der Bundesanstalt. Ein schutzwürdiges Eigeninteresse der Bundesanstalt an der Geheimhaltung dieser Erkenntnisse ist nicht ersichtlich.

23ff) Die angefochtene Entscheidung beruht auf der gehörswidrig unterbliebenen Vernehmung der Zeugen B. und T. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht auf der Grundlage einer - ggf. eingeschränkten - Aussage der Zeugen den Klägervortrag auch unter Berücksichtigung des Vortrags zur Regelprüfung als erwiesen angesehen hätte, wonach sich in den Depots von sämtlichen 1.111 Anlegern, die die Zeugen stichprobenhaft überprüft haben, Genussscheine der Risikoklassen 3 und 4 befanden, obwohl die Anleger den Risikoklassen 1 und 2 zuzuordnen waren. Aus einem solchen Beweisergebnis hätte das Berufungsgericht nach seinen eigenen Ausführungen auf eine flächendeckende nicht anlegergerechte Beratung und ein sittenwidriges Handeln der Beklagten geschlossen.

243. Der erkennende Senat hält es nicht für angezeigt, die Aufhebung des angefochtenen Urteils auf den 4.925,24 € übersteigenden Betrag zu beschränken. Zwar hat das Berufungsgericht hinsichtlich des genannten Teilbetrags ausgeführt, die Klägerin habe eine Versicherungsleistung in dieser Höhe erhalten, die sie nicht schadensmindernd berücksichtigt habe, weshalb die Klage insoweit unschlüssig sei. Dem Berufungsurteil lässt sich aber schon nicht entnehmen, auf welchen der einzelnen Erwerbsvorgänge, die unterschiedliche Streitgegenstände bilden, die Versicherungsleistung anzurechnen wäre.

Fundstelle(n):
JAAAF-80867