BAG Beschluss v. - 9 AZB 3/16

Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche auf Leistung einer festgestellten oder festgesetzten Vergütung für eine Arbeitnehmererfindung - Rechtsweg

Gesetze: § 39 Abs 2 ArbnErfG, § 12 Abs 1 ArbnErfG, § 2 Abs 2 Buchst a ArbGG, § 39 Abs 1 ArbnErfG

Instanzenzug: Az: 27 Ca 6552/15 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 10 Ta 337/15 Beschluss

Gründe

1I. Der Kläger begehrt von der Beklagten für das Jahr 2013 weitere Erfindervergütung iHv. 27.291,41 Euro.

2Der Kläger war ab dem bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete infolge eines Betriebsübergangs zum . Der Kläger war Miterfinder einiger patentierter Erfindungen, weshalb ihm die Beklagte zunächst jährlich Erfindervergütung nach der durch das ArbnErfG vorgesehenen Vergütungsrichtlinie zahlte. Unter dem Datum des vereinbarten die Parteien eine abweichende Berechnungsmethode zur Bestimmung der Höhe der Erfindervergütung. Der Kläger hat eine beglaubigte Übersetzung der in englischer Sprache gefassten Vereinbarung zur Akte gereicht. Danach haben die Parteien auszugsweise Folgendes vertraglich geregelt:

3In den Folgejahren wurde die Erfindervergütung nach dieser Formel berechnet. Mit Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger mit, unter Anwendung der Vereinbarung vom betrage sein Vergütungsanspruch 13.221,32 Euro. Der Kläger ließ durch seine jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten mitteilen, dass ihm nach seiner Auffassung ein höherer Vergütungsanspruch zustehe. Mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom teilte die Beklagte dem Kläger ua. Folgendes mit:

4Der Kläger ist der Auffassung, dass er Anspruch auf zusätzliche Vergütung iHv. 27.291,41 Euro für das Jahr 2013 habe.

5Er hat den Antrag angekündigt,

6Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass einige Umsätze nicht in voller Höhe anzusetzen seien. Insbesondere Einnahmen, die aufgrund anderer Umstände erzielt wurden, seien nicht zu berücksichtigen. Bei den Positionen MOR 103 und MOR 202 seien dem Kläger nur 15 % zurechenbar. Berück-sichtige man dieses sowie Abzüge, dann stünden dem Kläger lediglich 17.445,59 Euro zu, die bereits ausgezahlt worden seien. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Gerichte für Arbeitssachen vorliegend nicht zuständig seien. Bei der Klärung der Frage, ob und welche Umsätze der Erfindung zuordenbar seien, bedürfe es einer Würdigung des patentrechtlichen Zusammenhangs und spezifischer Fachkenntnisse im Patentwesen.

7Das Arbeitsgericht hat entschieden, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hatte, zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Beklagte weiterhin die Verweisung des Verfahrens an das Landgericht München I.

8II. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Recht für zulässig erklärt. Nach der abdrängenden Sonderzuweisung des § 39 Abs. 1 ArbnErfG sind zwar grundsätzlich die für Patentstreitsachen zuständigen Gerichte ausschließlich für alle Rechtsstreitigkeiten über Erfindungen eines Arbeitnehmers zuständig. Dennoch war der Rechtsstreit nicht an das nach § 143 Abs. 2 PatG iVm. § 38 GZVJu für Patentstreitsachen im Oberlandesgerichtsbezirk München zuständige Landgericht München I zu verweisen. Denn gemäß § 39 Abs. 2 ArbnErfG sind Rechtsstreitigkeiten von der Regelung des § 39 Abs. 1 ArbnErfG ausgenommen, die ausschließlich Ansprüche auf Leistung einer festgestellten oder festgesetzten Vergütung für eine Erfindung zum Gegenstand haben. Für solche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sind nach § 2 Abs. 2 Buchst. a ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen zuständig. Diese Zuständigkeit bleibt auch nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen ( - zu II 2 b der Gründe; Schwab NZA-RR 2014, 281, 287). Eine solche Streitigkeit liegt hier vor.

91. Wann eine Vergütung iSd. § 39 Abs. 2 ArbnErfG festgestellt oder festgesetzt ist, richtet sich nach § 12 ArbnErfG (vgl. GMP/Schlewing 8. Aufl. § 2 Rn. 113; Schwab/Weth/Walker ArbGG 4. Aufl. § 2 Rn. 188). Nach dieser Vorschrift soll die Art und Höhe der Vergütung in angemessener Frist nach Inanspruchnahme der Diensterfindung durch Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer festgestellt werden. Kommt eine Vereinbarung über die Vergütung in angemessener Frist nach Inanspruchnahme der Diensterfindung nicht zustande, so hat der Arbeitgeber nach § 12 Abs. 3 Satz 1 ArbnErfG die Vergütung durch eine begründete Erklärung in Textform an den Arbeitnehmer festzusetzen und entsprechend der Festsetzung zu zahlen.

102. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist, weil die Parteien eine Vereinbarung über Art und Höhe der Vergütung iSd. § 12 Abs. 1 ArbnErfG getroffen und diese auch jahrelang vollzogen haben.

11a) Eine Feststellungsvereinbarung muss die für beide Parteien verbindliche Konkretisierung des Vergütungsanspruchs enthalten (AnwK-ArbR/Schoob 2. Aufl. Bd. 1 § 12 ArbnErfG Rn. 3). Erforderlich ist eine Einigung über alle zur Bestimmung der Vergütung relevanten Berechnungsfaktoren (Bartenbach/Volz ArbnErfG 5. Aufl. § 12 Rn. 17). Die Vereinbarung einer Pauschalabfindung durch einen konkreten Geldbetrag ist möglich (vgl.  - zu II 1 der Gründe, BGHZ 61, 153), aber nicht erforderlich. Die Vereinbarung der Parteien vom erfüllt diese Voraussetzungen.

12b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 39 Abs. 2 ArbnErfG nicht nach seinem Sinn und Zweck dahin gehend einschränkend auszulegen, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet ist, wenn im Rahmen der Anwendung und Auslegung der Vereinbarung iSd. § 12 Abs. 1 ArbnErfG patentrechtliche Fragestellungen zu beachten sind. Dies würde es erforderlich machen, bereits im Rahmen der Entscheidung über den Rechtsweg verbindlich zu entscheiden, auf welche Kriterien es für die Auslegung der Vereinbarung ankommt. Hierfür ist die Bestimmung des Rechtswegs nicht das geeignete Verfahren. Der Gesetzgeber hat mit der Formulierung „Ansprüche auf Leistung einer festgestellten oder festgesetzten Vergütung“ an das formale Vorliegen einer Vereinbarung iSd. § 12 Abs. 1 ArbnErfG oder einer Festsetzung nach § 12 Abs. 3 ArbnErfG angeknüpft. Ist als Vergütung nicht ein bestimmter Geldbetrag, sondern ein Prozentsatz aus einer bestimmten Bezugsgröße festgesetzt, so hindert ein Streit über den Umfang der Bezugsgröße die Anwendung des § 39 Abs. 2 ArbnErfG nicht (Trimborn in Reimer/Schade/Schippel ArbnErfG 8. Aufl. § 39 Rn. 7; vgl. auch Boemke in Boemke/Kursawe ArbnErfG § 39 Rn. 23; aA wohl Schwab/Weth/Walker § 2 Rn. 188). Das gilt auch dann, wenn es einer ergänzenden Auslegung der Vereinbarung und damit der Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen Parteiwillens und der Interessenlage bedarf (enger Bartenbach/Volz § 39 Rn. 18). Soweit dies zur Folge hat, dass die Gerichte für Arbeitssachen auch patentrechtliche Fragen beantworten müssen, ist dies hinzunehmen, obgleich der Regelung des § 39 Abs. 2 ArbnErfG der Gedanke zugrunde liegt, dass bei bloßen Zahlungsklagen keine schwierigen patentrechtlichen oder technischen Fragen mehr zu klären sind (vgl. BT-Drs. II/1648 S. 50; Boemke in Boemke/Kursawe § 39 Rn. 21). Ggf. ist von den Arbeitsgerichten auf Sachverständige zurückzugreifen (§ 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

13Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch angenommen, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 16 Satz 2 GVG) und eine Partei deshalb nicht im Rechtsstreit auf Leistung einer festgestellten oder festgesetzten Vergütung für eine Erfindung durch das Aufwerfen einer Auslegungsfrage anstelle der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen die Zuständigkeit der für Patentstreitsachen zuständigen Gerichte begründen können darf.

14III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 2 GKG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2016:310516.B.9AZB3.16.0

Fundstelle(n):
BB 2016 S. 2035 Nr. 34
BB 2016 S. 2100 Nr. 35
NJW 2016 S. 10 Nr. 36
CAAAF-79884